Elf Monate haben wir für unsere Reise quer durch Europa veranschlagt. Fünfeinhalb davon sind heute rum. Das nehmen wir zum Anlass, um zurückzublicken – und morgen dann nach vorn.

Am 4. September 2014 machen wir uns auf den Weg. Nachdem wir zwei Jahre Planungsarbeit dank USA-Visums-Desaster über den Haufen schmeißen und sechs Wochen vor Abreise den Zielkontinent ändern mussten, fahren wir reichlich unvorbereitet vom Hof. Wir haben eine ungefähre Bucketlist, eine Art Wunschzettel. Viel mehr haben wir nicht.

Auf geht's! Family4travel an Tag 1 der Reise.

Auf geht’s! Der Moment, auf den wir jahrelang gewartet haben.

Einen schönen ersten Reisetag haben wir in Regensburg. Dann überqueren wir die Grenze nach Österreich. Wir verbringen eine Woche im Salzkammergut, unternehmen Ausflüge nach Salzburg und Hallstatt, gehen in den Alpen Wandern, und ich genieße die Zeitreise in meine Kindheit. Gleichzeitig merke ich, dass bloggen auf Familien-Langzeitreise ganz schön anstrengend ist – aber noch bin ich ehrgeizig, und entsprechend viele Einträge ringe ich mir in diesen Wochen ab.

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Unsere erste Reisewoche verbrachten wir in der Idylle meiner Kindheit: in Krungl im Salzkammergut.

In Slowenien bleibt mir deutlich weniger Zeit zum Schreiben. Eine Woche lang sind wir als Couchsurfer bei drei verschiedenen Familien zu Gast. Wir erkunden die Hauptstadt Ljubljana, die Kleinstadt Radovljica und  winzige Dörfer im Draga-Tal. Wir umrunden den wildromantischen Bleder See und erforschen die Geschichte einer alten Quecksilbermine in Idrija. Eigentlich haben wir die kleine Alpenrepublik mehr oder weniger als Transitland abgestempelt und sind mächtig überrascht, wie viel Slowenien insgesamt für Familien zu bieten hat.

Wir wohnen ländlich: Vor dem Fenster blöken die Schafe.

Die Aussicht aus dem Fenster unserer ersten Couchsurfer in Slowenien ist idyllisch ländlich.

Auf dem Weg nach Süden legen wir eine Stippvisite im italienischen Triest ein. Bis heute hält die Stadt zwei Rekorde für mich: den der grauenhaftesten öffentlichen Toilette und den der leckersten heißen Schokolade.

Typisch italienisch kann Triest auch.

Typisch italienisch kann Triest auch.

Kroatien bereisen wir in drei Häppchen. Ende September macht Istrien den Anfang. Bei herrlichem Spätsommerwetter verbringen wir eine Woche in einer spartanischen Ferienwohnung in Porec direkt an der Adria. Im Blog erzähle ich von sieben Dingen, die wir in Istrien unternommen haben – vom unsäglichen Touristen-Bootstrip bis zum Ausflug ins mondäne Opatija. So langsam pendelt sich unser Alltag als Reisefamilie ein.

Poreç ist die touristische Hauptstadt Istriens.

Poreç ist die touristische Hauptstadt Istriens.

Ein Muster hat sich aber herausgebildet, das mir ganz und gar nicht gefällt. Ich schicke die Jungs mit ihrem Vater in den Pool und sitze bis zwei Uhr morgens am Küchentisch, um regelmäßig Blogbeiträge veröffentlichen zu können. Dazu kommen Anfragen von Kooperationen, die sich nach zeitraubenden Verhandlungen allesamt mit einem „ach nee, doch nicht“ in Luft auflösen und Angebote für regelmäßige Printkolumnen, die ich zu gerne annehmen würde, die mir aber schon beim Gedanken an die Arbeitszeit die Tränen in die Augen treiben. Kann man in einem Sabbatical ein Burnout entwickeln? Zumindest gefühlt stehe ich kurz davor.

Die Aussicht vom Kirchplateau ist herrlich.

Die Aussicht vom Kirchplateau in Rovinj ist herrlich.

Nachdem ich realisiert habe, welchen Druck ich mir selbst auferlege, trete ich bei family4travel deutlich kürzer. Über unseren wunderschönen Couchsurfing-Städtetripp nach Zagreb schreibe ich gar nichts (bis jetzt, irgendwann reiche ich das schon noch nach), und gleiches gilt für Budapest. Über unsere Woche am ungarischen Plattensee gibt es nur zwei Berichte: „Nachsaison am Balaton – das geht noch, wenn nichts mehr los ist“ und „Familienurlaub im Herbst – 7 Flops am Balaton“. Außerdem schreibe ich mir noch ein sehr trauriges Erlebnis von der Seele: „Trauerfeier unterwegs: Wenn ein geliebter Mensch stirbt, und man ist nicht da“.

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Den Balaton werden wir immer mit einem traurigen Abschied verbinden.

Mit weniger Elan beim Scheiben, aber deutlich mehr Spaß an der Reise, stürze ich mich in unser nächstes großes Abenteuer: vier Wochen Rumänien. In einem Beitrag fasse ich unsere Erfahrungen im Familienurlaubsland Transsilvanien zusammen, in einem anderen setze ich mich mit der Frage auseinander, wie sicher Rumänien als Urlaubsland ist. Einen kleinen Schwank aus dem Bukarester Großstadtverkehr erzähle ich noch – mehr nicht. Dass wir auch noch eine ganze Woche im Donaudelta verbringen (wo Martin nach dem leichtsinnigen Genuss von Leitungswasser drei Tage fiebernd im Bett liegt), fällt im Blog komplett unter den Tisch. Dafür dürfen die Kinder eine erste Zwischenbilanz ziehen: „7 Wochen unterwegs – 7 Fragen an unsere Kinder“.

In Deutsch-Weißkirch steht heute noch eine der typischen Wehrkirchen der Siebenbürger Sachsen.

Rumänien ist kulturell unheimlich reichhaltig und tatsächlich wunderschön!

Seither hab ich die Schlagzahl nicht wieder erhöht. Aber ich bekomme Unterstützung von einem kleinen Gastblogger: Nachdem ich länger überlegt habe, ob Kinder bloggen sollten, darf Janis ran. Der 10-Jährige entwickelt Interesse am Schreiben und berichtet aus Kindersicht, was eine gute Unterkunft ausmacht, welches Spielzeug in europäischen Kinderzimmern zu finden ist, und über seine Eindrücke aus Bosnien-Herzigowina. Ich selbst verarbeite einen Schockmoment in Belgrad und schreibe über merkwürdige Begegnungen in der bosnischen Teilrepublik Srpska. Über die tollen Erlebnisse in Sarajewo schreibe ich nichts. Das muss, wie so vieles, warten, bis ich irgendwann Zeit dafür habe.

Im Stadtpark an der Belgrader Festung sind Panzer ausgestellt. Begeisterte Eltern machen Erinnerungsfotos: Mein Kind mit Panzer. Wir sind entsetzt.

Im Stadtpark an der Belgrader Festung sind Panzer ausgestellt. Begeisterte Eltern machen Erinnerungsfotos: Mein Kind mit Panzer. Das ist nur einer von vielen Momenten, in denen wir uns unwohl fühlen.

Über ein absolutes Highlight unserer bisherigen Reise blogge ich dann aber sehr wohl: unsere Wanderung entlang der Plitvicer Seen in Kroatien. Die atemberaubende Wasserfall-Landschaft ist für mich nach wie vor in Sachen Schönheit der Superlativ unseres Trips. Sehr gut gefällt es mir auch in Split, wo wir anschließend eine Woche ganz in der Nähe der wunderschönen Altstadt verbringen. Hier feiert Silas seinen achten Geburtstag und bekommt das Schachspiel, das seither sein liebster Besitz ist.

An den Plitvicer Seen bricht jeder Hobby-Fotograf in Entzücken aus (zumindest, wenn der Besucherandrang ausgedehnte Foto-Shoots erlaubt - November ist da eine ideale Reisezeit).

An den Plitvicer Seen bricht jeder Hobby-Fotograf in Entzücken aus (zumindest, wenn der Besucherandrang ausgedehnte Foto-Shoots erlaubt – November ist da eine ideale Reisezeit).

Wir unternehmen einen erneuten Abstecher nach Bosnien, besichtigen das absolut sehenswerte Mostar und das muslimische Derwisch-Kloster in Blagaj. Auf dem Weg zurück nach Kroatien fangen wir uns eine fiese Lebensmittelvergiftung ein und feiern daraufhin unser 3-monatiges Reisejubiläum mehr oder weniger im Badezimmer unserer Ferienwohnung in Dubrovnik. Trotz allem ringe ich mir ein paar Zahlen ab, mit denen ich unseren bisherigen Trip zusammenfassen kann. Sobald wir wieder halbwegs auf dem Damm sind, erkundeten wir die geschichtsträchtige Welterbe-Stadt.

Selbst bei Mistwetter ist Dubrovnik wunderschön!

Selbst bei Mistwetter ist Dubrovnik wunderschön!

Anschließend stürzen wir uns auf den richtig wilden Balkan. Montenegro enttäuscht uns ein wenig mit der hochgelobten Bucht von Kotor, und auch die berüchtigte Fahrweise des Bergvolks ist weniger schlimm als befürchtet. Aber Janis ist happy, weil wir in den schwarzen Bergen erstmals in diesem Winter auf Schnee stoßen.

Endlich Schnee! Die Jungs haben viel Spaß im verschneiten Montenegro.

Endlich Schnee! Die Jungs haben viel Spaß im verschneiten Montenegro.

Nach einem Kurzstopp in dem Provinznest der Hauptstadt Podgorica überqueren wir die Grenze zu Albanien. Drei Tage Couchsurfing in einem Männerhaushalt in Shkoder sind ein Abenteuer für sich, das auf jeden Fall auch noch einen eigenen Blogpost verdient – irgendwann. Ebenso unser Aufenthalt im Kosovo, der all unsere Vorurteile gründlich durcheinander wirbelt und zu supernetten Begegnungen führt. Im Blog sind bisher beide Länder nur ganz kurz in unserem Zwischenfazit „Langzeitreise mit Familie: 4 Monate  – 4×4 magische Momente“ erwähnt.

Wohlig warm (und über die Verkabelung der Elektrik reden wir lieber nicht): Janis ist glücklich in Albanien.

Wohlig warm (und über die Verkabelung der Elektrik reden wir lieber nicht): Janis ist glücklich in Albanien.

Ausführlich berichte ich dagegen von unseren Erlebnissen in Mazedoniens Hauptstadt Skopje. Nächster Stopp unserer Reise ist Sofia – eine schöne und sehr spannende Stadt. Wieder wohnen wir bei einer netten Familie, und wieder führt das dazu, dass ich kein Bedürfnis verspüre, mir die wertvolle Zeit interkulturellen Austauschs mit Schreiben zu verkürzen.

Die Steinerne Brücke über den Varsar ist das Wahrzeichen von Skopje.

Die Steinerne Brücke über den Varsar ist das Wahrzeichen von Skopje.

Es folgt das schönste Weihnachtsfest, das ich mir unter diesen Umständen je hätte vorstellen können: In einem winzigen Dorf mitten im bulgarischen Nirgendwo feiern wir gemeinsam mit einer großartigen Couchsurfing-Familie. Dass ich ausführlich darüber schreibe, verdanke ich der recht ereignislosen Woche, die wir anschließend in einem kalten Apartment an der Schwarzmeerküste in Sozopol verbringen.

Ländliche Idylle mitten in Bulgarien.

Ländliche Idylle mitten in Bulgarien.

Der Grenzübertritt in die Türkei gestaltet sich umständlich, was zum Teil an der merkwürdigen Stempel-Rally liegt, die wir absolvieren müssen, zum anderen an den meterhohen Schneebergen links und rechts und teilweise auf der Straße. Aber unsere nächsten Couchsurfer – schon wieder Anwärter auf den inoffiziellen family4travel Best-Hostfamily-Award – haben gut geheizt. Drei Tage wohnen wir in der unspektakulären Kleinstadt Vize im europäischen Teil der Türkei, lernen die Zubereitung von Börek und türkischem Kaffee.

Nilgün bringt mir bei, wie man Zigarren-Börek richtig wickelt.

Nilgün bringt mir bei, wie man Zigarren-Börek richtig wickelt.

Und dann sind wir auch schon in Istanbul, der unglaublichen Stadt am äußersten Rand unseres Kontinents. Fünf Tage quetschen wir uns in ein lächerlich schlecht ausgestattetes Apartment und genießen trotzdem jede Minute in der verschneiten Megastadt. Dann überqueren wir den Bosporus in einer ziemlich unangenehmen Schaukelpartie (dass so ein kleines Meer so hohe Wellen haben kann!) und fahren mit der Fähre nach Bursa. Wir schlagen einen Bogen durch das westliche Anatolien, erkunden in einem winzigen Dorf die antiken Felsenwohnungen der Phryger und liefern uns eine Schneeballschlacht mit den Kindern auf dem Pausenhof. In Pamukkale wird es wieder milder, trotzdem ist es ein zweifelhaftes Vergnügen, bei acht Grad barfuß über den schneeweißen Travertin zu laufen (mit Schuhen is nich, aber das erfahren wir erst, nachdem wir die Tickets schon bezahlt haben).

Kein Schnee, "nur" der Travertin von Pamukkale. Der ist bei 8 Grad im Winter aber auch reichlich kalt, wenn man barfuß gehen muss...

Kein Schnee, „nur“ der Travertin von Pamukkale. Der ist bei 8 Grad im Winter aber auch reichlich kalt, wenn man barfuß gehen muss…

Und dann genießen wir unsere äußerst erholsame Pauschalurlaub-Luxuswoche mit Oma und Opa in Kusadasi an der Westküste. Die luxuriöse Freiheit von Einkauf und Abwasch nutze ich, um tatsächlich mal bezahlte Schreibarbeit anzunehmen und außerdem von unserem Schulalltag zu berichten, der ja nebenher auch immer noch läuft.

Lernen mit Meerblick. Durchatmen auf der Langzeitreise.

Lernen mit Meerblick. Durchatmen auf der Langzeitreise.

Eigentlich hätten wir anschließend gerne noch ein bisschen mehr gecouchsurft, aber daraus wird leider nichts. Stattdessen landen wir in der Nähe des antiken Pergamon in der bisher ungemütlichsten Unterkunft unserer Reise (eine überteuerte Sommervilla ohne Heizung, in der alles kaputt ist). Früher als geplant reisen wir weiter, nehmen noch das alte Troja mit und verdrücken uns dann schon wieder über die Dardanellen hinüber nach Griechenland. Trotzdem, die Frage, ob die Türkei noch westlich genug ist, um zu Europa gehören zu können, beantworten wir uns unserem persönlichen Eindruck entsprechend mit JA – politisch gesehen liegt dort sicherlich einiges im Argen, die Mentalität der Menschen hingegen ist verglichen mit anderen Balkan-Staaten deutlich europäischer.

In Delphi ist schon Frühling - der blühende Mandelbaum ist ein interessanter Kontrast zum spektakulären Ausblick und der mystischen Stimmung des Ortes (den widerum die vielen Leute kontrastieren, besonders Familien mit lauten Jungs...).

In Delphi ist schon Frühling – der blühende Mandelbaum ist ein interessanter Kontrast zum spektakulären Ausblick und der mystischen Stimmung des Ortes (den widerum die vielen Leute kontrastieren, besonders Familien mit lauten Jungs…).

In Griechenland verbringen wir eine Woche in Thessaloniki mit Stippvisiten in der Küstenstadt Kavala, der dreifingerigen Urlauber-Halbinsel Chalkidiki und der Kinderstube Alexanders des Großen in Pella. Wir fahren den Hang des Olymps hinauf, nehmen eine Einladung zur Besichtigung eines kleinen Bauernhofs an und couchsurfen ganz in der Nähe des antiekn Schlachtfelds an den Thermophylen. Wir besuchen das Orakel in Delphi, faulenzen ein bisschen und begeben uns dann in Festland-Europas südlichste Hauptstadt.

Und da sind wir nun. Gespannt auf die zweite Hälfte der besten Reise unseres Lebens. Wohin wir euch in den nächsten fünfeinhalb Monaten mitnehmen werden, erzähle ich euch morgen! :)