Allzu leicht und allzu gerne vergessen wir, dass es beim Reisen mit Kindern auch mal schwierige Momente gibt. Zum Glück hab ich gewissenhaft alles notiert. ;)

Auf dem Festland mussten wir wieder an Pärnu vorbei, um den großen Sumpf im Landesinneren zu umfahren. Beziehungsweise um durch die Brust ins Auge mittenrein zu gelangen, denn Kadri, unser nächster Host, wohnt an der Grenze zum Viljandi Nationalpark. Das Wetter war schön, und es war unsere letzte Begegnung mit badetauglichem Strand, so dass wir eine Pause am Meer beschlossen.

Ganz nach Pärnu rein wollten wir nicht wieder, da wir nicht allzu viel Zeit hatten. Also fuhren wir einfach dort hin, wo unsere reguläre Strecke dem Wasser am nächsten kam, und bogen dann in ein mondänes Wohngebiet ab. Dessen Entwicklung schien allerdings die Wirtschaftskrise in die Quere gekommen zu sein. Bei zwei Bauruinen ignorierten wir das Privatstrand-Schild und trotteten den ausgetretenen Pfad zum Wasser entlang. Wie schon in Riga war es auch hier sehr flach, so dass die Kinder in einem ausgedehnten Revier Spaß haben konnten, ohne dass wir um unseren Nichtschwimmer fürchten mussten.

Während die Kinder spielten, gingen Martin und ich etwas am Strand auf und ab. Dabei trat ich in einen skelettierten Stichling, der seinem Namen alle Ehre machte und in meiner ledrigen Fußsohle stecken blieb. Lecker!

Danach schrieb ich Postkarten. Martin hatte Kopfschmerzen und vegetierte etwas in der Sonne dahin.

bauruine-am-strand-bei-pärnu

War wohl nix mit Villa am Privatstrand: Die Bauarbeiten ruhen seit längerem.

Schließlich mussten wir weiter, um pünktlich zum Abendessen bei Kadri zu sein.

Bedauerlicherweise sah unser kleines Rumpelstilzchen das partout nicht ein. Seine Wut richtete sich nicht gegen das Weiterfahren selbst, sondern gegen die Tatsache, dass er vorher eine saubere Hose anziehen wollte. Zwar hatte er seine zum Planschen ausgezogen, sich aber dummerweise beim Schuheanziehen in eine Pfütze gesetzt. Eine neue Hose gab es nicht, weil die Wechselsachen alle in der Dachbox waren, und die ab- und wieder aufzubauen, dauert mindestens eine halbe Stunde. Er sollte sich also einfach ohne Hose in seinen Sitz setzen – unmöglich. Ein Rückfall ins schönste Trotzalter. Nach 20 Minuten Heulen, Brüllen, Schreien und Ausschlagen jeglicher Kompromissangebote waren wir schließlich so genervt, dass Martin und ich ihn mit vereinten Kräften ins Auto luden, mit viel Mühe die Tür hinter dem tobenden Kind schlossen und einfach losfuhren. Fast erleichtert fügte sich der Dickkopf in die Tatsachen und sorgte unter Protest und Beschimpfungen dann selbst dafür, dass er doch angeschnallt war, wenn sein verbrecherischer Vater schon losgefahren war, ohne das sicherzustellen (was zuvor seine Verhinderungstaktik gewesen war).

Ein paar Kilometer weiter sangen die Jungs dann wieder friedlich auf der Rückbank und spielten „Wortkette“. Weiß auch nicht, welcher Teufel ihn da geritten hat. Vielleicht musste sich der Stress durch die ständigen Ortswechsel doch mal Bahn brechen.

Diesen Eintrag meines Reisetagebuchs habe ich am 6. August 2012 verfasst.

Weiterlesen? –> Seruküla: Eigenheim auf Estnisch