Hexenholz und Teufelsbäume nannte man die Süntelbuchen früher und hätte die kuriose Baumgattung am liebsten ausgemerzt. Bad Nenndorf besitzt die größte Sammlung lebender Exemplare. – Und das ist nicht der einzige Grund für einen Ausflug mit Kindern in die kleine Kurstadt nahe Hannover direkt an der A2.
(Dieser Artikel ist die gründlich überarbeitete und erweiterte Version eines Textes von 2016.)
Ausflug nach Bad Nenndorf
Oma und Opa sind zu Besuch. Wohin lohnt sich da für uns in Schaumburg ein gemeinsamer Ausflug – wenn das zauberhafte Bückeburg, das gemütliche Rinteln und die westfälische „Großstadt“ Minden abgegrast sind? Wir erweitern unseren Radius und sind zum ersten Mal seit Jahren wieder in Bad Nenndorf. Die kleine Kurstadt am Deister, direkt an der A2 und nahe an Hannover gelegen, eignet sich perfekt für einen Sonntagnachmittag! Mit Kind und Buggy machen wir uns auf den Weg, Oma und Opa die geheimnisvollen Süntelbuchen im Kurpark zu zeigen.
Bad Nenndorf mit Kind
Bis wir bei den Süntelbuchen ankommen, dauert es allerdings ein bisschen. Wir stellen unser Auto auf dem kostenlosen „Parkplatz am Kurpark“ ab (Buchenallee). Dort bekommen wir auch an diesem Samstag im August auf Anhieb einen Platz. (Eine gute Alternative ist sonst der ebenfalls kostenlose Parkplatz in der Straße Am Thermalbad, Ecke Horster Straße. Von dort sind es zu Fuß durch die Innenstadt ein paar mehr Meter in den Kurpark, die ihr allerdings auch gleich zum „Sightseeing“ nutzen könnt.)
Allerdings: Unterm Strich ist Bad Nenndorf eher klein. Die Fußgängerzone umfasst ein paar nette Stöberläden, aber herausragend sehenswert ist sie nicht.
Zunächst flanieren wir auf dem Hauptweg quer durch den Park. Die vierjährige Franka wird sofort von den Wasserspielen angezogen. Wenn ihr im Sommer mit Kindern nach Bad Nenndorf kommt: Wechselsachen nicht vergessen!!
Der schönste Spielplatz von Bad Nenndorf
Zunächst schaffen wir es, das Kind an der nassen Verlockung vorbeizuschleusen. Schließlich schimmert schon die brandneue Tunnelrutsche vom Kurpark-Spielplatz durch die Bäume!
Der Spielplatz am hinteren (südlichen) Ende des Kurparks ist toll und rundum frisch saniert. Schon für unsere Jungs damals waren die naturnahen Klettergerüste ein Highlight.
In jüngster Zeit wurde noch mal mächtig aufgerüstet. Der Kletterturm mit Röhrenrutsche riecht noch nach neuem Holz. Bis ganz nach oben traut sich unsere Vierjährige dann aber doch nicht. Stattdessen steigt sie auf die Tausendfüßler-Wippe und auf den Holz-Wolf. Am allerliebsten ist ihr dann aber der Kletterbaum direkt am Spielplatz – die einzige Süntelbuche in Bad Nenndorf, für die kein Kletterverbot verhängt ist.
Die Süntelbuchen von Bad Nenndorf
Und dann treffen wir endlich auf Bad Nenndorfs Hauptsehenswürdigkeit: die Süntelbuchen. Sie wachsen am oberen Ende des Kurparks. Vom Spielplatz aus sind es nur ein paar hundert Meter. Rote Schilder weisen uns den Weg.
Eigentlich sind es ganz normale Rotbuchen. „Normal“ ist jedoch nicht das Wort, das uns bei ihrem Anblick in den Sinn kommt. „Verhext“ schon eher. Die gedrungenen Bäume recken sich zickzackartig mal dem Himmel, mal der Hölle entgegen. Manche Äste wachsen regelrecht im Kreis. Wie diese Anomalie entstehen konnte, ist wissenschaftlich noch ungeklärt. Anscheinend handelt es sich um einen Gendefekt, der sich auf beschränktem lokalen Raum jedoch durchsetzen konnte.
Dem Namen nach ist der Süntel ihr Ursprungsgebiet. Der bewaldete Höhenzug liegt nördlich von Hameln und damit ein gutes Stück von Bad Nenndorf entfernt. Auch hier aber soll die Süntelbuche „schon immer“ gehäuft vorgekommen sein. Beliebt war das „Teufelsholz“ früher nicht. Denn durch den uneinheitlichen Wuchs war es zum Tischlern und sogar als Brennholz unbrauchbar, weil man es nicht vernünftig stapeln konnte. Im Mittelalter soll es regelrechte Pogrome gegen die „teuflischen“ Bäume gegeben haben. Trotzdem wachsen sie noch heute von Natur aus in den Wäldern rund um Bad Nenndorf, zumindest auf der Cäcilienhöhe und im Erlengrund.
Der Hofgärtner Wilhelm Heinrich Homburg bekundet Anfang des 19. Jahrhunderts zum ersten Mal ernsthaftes botanisches Interesse an der Süntelbuche. Dass es im Bad Nenndorfer Kurpark eine ganze Allee von Süntelbuchen gibt, verdankt die Stadt dann dem Gartenbaumeister Carl Thon. Der pflanzte sie um 1930 gezielt an, um die neu geschaffene Liegewiese im Park vom Wind abzuschirmen.
Mittlerweile kommen die betagten Exemplare in die Jahre, zumal die Evolution der unentschlossenen Wuchsrichtung nicht eben wohlwollend gegenübersteht. Rotbuchen können 300 Jahre alt werden. Süntelbuchen schaffen selten mehr als die Hälfte. Die Exemplare im Bad Nenndorfer Kurpark müssen besondere Belastungen über sich ergehen lassen. Denn nicht alle halten sich ans Kletterverbot und den frommen Wunsch der Stadtverwaltung, man möge den botanischen Sehenswürdigkeiten nicht zu nahe treten.
An verschiedenen Stellen versucht man eine Aufforstung in Sachen Süntelbuchen. Eine zusätzliche Schwierigkeit besteht jedoch, weil sich erst nach mehreren Jahren sagen lässt, ob aus dem Süntelbuchensamen der erwünschte Teufelsbaum schlüpft, oder eine ganz normale Rotbuche empor wächst. Inzwischen gibt es mehrere Baumschulen, die Süntelbuchen aufziehen und auch an Privatleute verkaufen. (Eine befindet sich in Apelern, habe ich beim Gartenfestival auf dem Rittergut Remeringhausen gesehen. Ich kann aber partout keine Website dazu finden.)
Die Bad Nenndorfer Süntelbuchenallee ist inzwischen mit Seilen abgesperrt. Das Durchlaufen von vorne bis hinten ist somit vorgegeben. (Wobei ihr natürlich jederzeit umkehren könnt. Die schönsten Exemplare stehen aber ganz hinten. – Logisch, diese Bäume haben am wenigsten zu leiden, weil die Leute ohne Gewissen sich gleich auf die ersten stürzen.)
Mehr Infos über Süntelbuchen gibt es übrigens auf der „Fan-Seite“ suentelbuchen.de.
Spaziergang im Kurpark
Am Ende der Süntelbuchenallee landen wir wieder im Kurpark, diesmal etwas weiter oben. Eine bunte Blumenwiede empfängt uns. Gemütlich schlendern wir durch den Landschaftspark wieder hinunter gen Zentrum.
Durch seine stark schwefelhaltigen Quellen wurde Bad Nenndorf in der frühen Neuzeit zum Pilgerziel für Rheumakranke. Auch bei Gicht und verschiedenen Hautkrankheiten versprechen die Schwefelbäder Linderung. Landgraf Wilhelm IX. von Hessen-Kassel, zu dessen Herrschaftsgebiet das kleine Dorf damals gehörte, kurte 1786 erstmalig in Bad Nenndorf und begründete damit einen wahren Hype in der High Society seiner Zeit. Noch heute kann man auf Wilhelms Spuren in der Landgrafentherme planschen.
Die meisten Adligen und Wohlhabenden lockten damals freilich nicht nur die Schwefelbäder, sondern auch das staatlich konzessionierte Glücksspiel. Gewinner war vor allem der Landesherr, der dadurch erhebliche Steuergelder kassierte. Und Bad Nenndorf selbst, das dieser Zeit Prachtbauten wie das Landgrafenhaus und das klassizistische Schlösschen verdankt.
Damals wie heute flanieren die Gäste im Kurpark, in dem etliche exotische Bäume wachsen. Viele weitere Attraktionen gibt es dann aber nicht mehr. Im Sommer öffnet der Minigolfplatz. (Ich habe schon letztes Mal behauptet, den würden wir uns beim nächsten Mal vornehmen. Ich sage es wieder und hoffe, dass das nicht wieder sieben Jahre dauert…) Der Barfußpfad, den es zwischenzeitlich mal im unteren Teil des Kurparks gab, ist schon wieder zurückgebaut. Das Café im Schlösschen ist nicht mehr geöffnet. Macht nichts: Für uns ist der Umfang unseres Ausflugs nach Bad Nenndorf mit Oma und Opa und kleinem Kind so genau richtig. (Auf dem Rückweg kommen wir schließlich noch mal an den Wasserspielen vorbei. Ergebnis: siehe oben…)
Geocaching in Bad Nenndorf
(Wie es 2023 um Geocaches in Bad Nenndorf steht, habe ich leider nicht nachgeprüft. Dieser Erfahrungsbericht ist authentisch und zeigt schön, wie Geocaching funktioniert. Er stammt aber schon von 2016.)
Die Süntelbuchen wecken bei den Jungs mäßiges Interesse. Damit die Jungs nicht nur mäßig interessiert, sondern hochmotiviert ins Auto steigen, werfe ich außerdem das neu entdeckte Zauberwort ein: Geocaching.
Die moderne Form der Schatzsuche erfordert ein Handy mit mobilem Internet und GPS-Empfang (zumindest wird es ohne dies recht kompliziert). Wir sind blutige Anfänger in dieser Art der Freizeitgestaltung. Das Schöne ist, dass wir trotzdem einfach loslegen können. Wir müssen uns nur auf der entsprechenden Internetseite einloggen und nachgucken, wo in der Nähe ein Geocache versteckt ist.
Überall in Deutschland (und der ganzen Welt) haben Vertreter dieser eingeschworenen Gemeinschaft kleine Schatzkästchen versteckt. Die Schatzkarte ist online einsehbar, aber meistens so verschlüsselt, dass einiges Um-die-Ecke-Denken erforderlich ist, um zum Ziel zu gelangen. Dank GPS-Koordinaten führt die entsprechende App uns bis auf wenige Meter genau an den Ort des Geheimverstecks – aber ob die meist aus Plastik oder Metall bestehende Dose irgendwo im Untergrund, irgendwo zwischen oder irgendwo drin versteckt ist, ob wir graben, prokeln, fingern oder einfach nur die Augen aufmachen müssen, verraten uns nur verschlüsselte Hinweise.
Geocaching für Anfänger*innen
In Bad Nenndorf gibt es eine ganze Reihe von Caches, also versteckten Schätzen. Wir starten mit dem, der in der Fußgängerzone ausgeschrieben ist. Es ist ein so genannter Multi-Cache, der von einem Geheimversteck zum nächsten führt. Die Jungs benutzen Martins Smartphone wie eine Wünschelrute und laufen begeistert vorneweg, während ich noch einzelne Fassaden bewundere und kurz vorm samstäglichen Ladenschluss schnell ein bisschen Tee im kleinen Fachgeschäft kaufe. Bad Nenndorf ist nicht groß, hat aber wegen der vielen Kurgäste durchaus ein Bummel-Potenzial.
Bei Martin und den Jungs macht sich währenddessen Enttäuschung breit. Der Cache ist nichts für Anfänger. Wir sind uns ziemlich sicher, in welchem öffentlichen Blumenbeet der Schatz verborgen sein muss, und auch das Hinweis-Wort gibt uns Ideen, aber unsere Suche ist einfach nicht von Erfolg gekrönt. Nachdem wir eine Viertelstunde möglichst unauffällig alles abgesucht haben, geben wir frustriert auf. Die Kommentare auf der Internetseite verraten uns nämlich, dass die erste Herausforderung noch die leichteste ist. Und ohne deren genauen Fundort kommen wir sowieso nicht weiter.
Zum Glück gibt es noch andere Geocaching-Schatzsuchen. Ein weiterer Startpunkt befindet sich ganz in der Nähe. Janis führt uns zu den Koordinaten, die uns das Handy gibt. Von hier aus sollen wir uns für den „Seeweg“ oder den „Landweg“ entscheiden, lautet die kryptische Anweisung des Versteckers. Das Bild auf dem Handy-Display zeigt eine Seeroute rund um den afrikanischen Kontinent. Ich platze fast vor Stolz, als Janis auf Anhieb weiß, welcher große Entdecker diese Strecke als erster gefahren ist. Leider bringt uns dessen Name erst einmal auch nicht weiter. Also beschreiten wir doch den „Landweg“.
Ich möchte an dieser Stelle nicht zu viel verraten, gilt es doch als größtes Unglück, wenn ein uneingeweihter „Muggel“ eine Dose einfach so aus ihrem Versteck fischen kann. Jedenfalls dauert es eine ganze Weile, bis wir dem Geheimnis auf die Spur kommen. Aber ich knacke den entscheidenden Hinweis. Martin treibt uns mit Hartnäckigkeit ans Ziel. Und Janis findet am Ende den kleinen Metallcontainer mit dem Logbuch! (Und dann haben wir keinen Stift dabei, um uns stolz darin verewigen können. Irgendwas ist immer.)
Mehr Ausflugsziele in Schaumburg
Im Laufe der Jahre habe ich viel über meine Heimat Schaumburg gebloggt. Eine Zusammenfassung samt Kartenansicht gibt es hier:
Schaumburger Land: Tipps für Ausflugsziele
Speziell für die Umgebung von Bad Nenndorf habe ich sechs familienfreundliche Spaziergänge und kurze Wanderungen zusammengestellt:
Wandern in Schaumburg: Touren rund um Bad Nenndorf
Die Süntelbuchenalle in Bad Nenndorf ist außerdem Teil meiner Sammlung von „Grünen Pausen“: Ziele, die im Grünen, aber ganz nah an einer Autobahnabfahrt liegen. Diese Sammlung, ebenfalls inklusive Kartenansicht, gibt es hier:
Grüne Pausen: Tipps für Ziele an der Autobahn
Transparenz-Hinweis: Die erste Version dieses Artikels über Bad Nenndorf und die Süntelbuchen ist 2016 entstanden. Damals habe ich für jeden Beitrag über Ausflugsziele in Schaumburg einen kleinen Zuschuss vom Schaumburger Land Tourismusmarketing e.V. bekommen. Technisch gesehen müsste ich diesen Beitrag deswegen als WERBUNG klassifizieren, auch wenn ich bei Inhalt und Gestaltung völlig frei und unabhängig war. Da ich den Artikel seitdem außerdem grundlegend überarbeitet und erweitert habe und keinerlei Verbindung mehr zum Tourismusmarketing besteht, verzichte ich darauf.
Du hast mich tatsächlich gerade motiviert, meine Uniunterlagen mal wieder hervorzukramen ;-) Wir haben vor zwei Jahren eine Exkursion zum Süntelbuchenreservat gemacht, aber ich habe mir anscheinend auch nichts Genaueres zu der Entstehung der Süntelbuchen aufgeschrieben. War aber auch irgendwie eine merkwürdige Exkursion und auch noch superkalt an dem Tag. Seit dem nennt mein Freund seinen Tanzstil übrigens „süntelig“ ;-)
Yeah, tanz die Süntelbuche! Kann ich mir sehr gut vorstellen. :)
Hach ich liebe solche Beiträge, sie zeigen immer wieder, was es tolles in Deutschland zu entdecken gibt und da gibt es wirklich sau viel!
Geocaching machen wir auch immer wieder und mein Sohn kann es gar nicht verstehen, dass wir manchmal den Schatz einfach nicht finden. Das kommt vor allem dann vor, wenn er mit seinem blindfischigen Vater unterwegs ist :)
Liebe Grüße,
Marc
Ich sag’s dir, das ganze Land ist voll von Geheimtipps! :)
Unsere Geocaching-Quote ist bisher ziemlich traurig: drei Mal gefunden, zwei Mal nicht. Ich denke, mit der Zeit bekommt man ein Gespür dafür, wo und in welcher Größenordnung man suchen muss. Also, ich hege noch Hoffnung! :) Konkret entdeckt hat die Dose übrigens zwei Mal Janis und einmal ich. Kinder sind da keinesfalls benachteiligt. :)
Ja, das mit dem Gespür dafür stimmt. Wir haben letzten einen Cache einfach so entdeckt. Ohne zu suchen, ohne App, aber es roch einfach krass nach Cache und da war dann auch einer.
Und ja, das Land ist tatsächlich voller Geheimtipps! Ich bin selbst immer wieder erstaunt, was ich bei meinen Streifzügen druchs Netz alles entdecke.
Ich habe den Artikel wegen der Süntelbuchen gelesen. Hochinteressant!! Komme leider nicht mehr oft in diese Gegend. Aber, wer weiß! Danke und LG Ulrike
Wenn, dann ist ein Zwischenstopp hier echt empfehlenswert!