Ein Ausflug in eine Kurstadt wie Bad Pyrmont mit Kindern? Es gibt ja diese Klischees, und die kommen nie so ganz von ungefähr. In unseren Köpfen ist Bad Pyrmont deshalb so ein Ort mit gravierender Rollatorendichte, in dem die Haarfarbe Grau dominiert und in dem lebhafte Kinder eigentlich nichts zu suchen haben. Als wir dann die Gelegenheit bekommen, unsere Vorurteile zu überprüfen, stellen wir fest, dass das meiste davon stimmt – dass Bad Pyrmont aber trotzdem auch für Familien ein lohnenswertes Ausflugsziel ist.
Meine Freundin Anna hat die Jungs und mich für ein langes Wochenende ins Ferienhaus ihrer Oma eingeladen. Das kleine Häuschen klebt an einem Hang des Weserberglands. Der Name der Region ist hier Programm: Mir war überhaupt nicht klar, wie bergig es so weit im Nordwesten Deutschlands ist.
Die Sache mit den Wunderheilungen von Bad Pyrmont
Die nächstgrößere Ortschaft ist Bad Pyrmont, und so statten wir der Kurstadt natürlich einen ausgedehnten Besuch ab. Als Kurort ist das Städtchen (knapp 20.000 Einwohner) schon seit 1556/57 bekannt, als ein „großes Wundergeläuf“ stattfand, das mehr als 10.000 Menschen aus ganz Europa zur Quelle des „hylligen Born“ pilgern ließ. Angeblich ließ das Wasser schlimmste Wunden heilen. Dass der Massenauflauf nach 1557 auch wieder vorbei war, sagt vielleicht einiges über die doch beschränkte Wundertätigkeit der Mineralquelle.
Kurortgeschichte im Schloss Pyrmont
Tief in die Stadtgeschichte tauchen wir im Museum, das im Pyrmonter Schloss untergebracht ist. Das ehemalige Wohnhaus der Grafen von Waldeck-Pyrmont stammt aus dem 18. Jahrhundert, als Bad Pyrmont als mondäner Badeort auf der Beliebtheitsskala erfolgreich mit Favoriten wie Karlsbad konkurrierte. Die Beletage im zweiten Stock ist im Stil dieser Zeit eingerichtet und prunkt mit schimmernden Seidentapeten und barocker Pracht.
Mich interessiert vor allem die hervorragend konzipierte Ausstellung ein Stockwerk tiefer, die sich der geschichtlichen Entwicklung des Ortes widmet. Interaktive Ausstellungsstücke machen die Auseinandersetzung mit der Historie leicht und spannend. Die Jungs bestehen darauf, alle Verwicklungen der fürstlichen Tafelrunde zu erkunden, die sich in hölzerner Form am Tisch versammelt hat und beim Umklappen der Gestalten ihre Geheimnisse verrät.
Richtig gruselig wird es „im Wald“, wo ein dunkler Gang zur Brodelquelle führt. Erst hören wir nur die unheimlichen Geräusche der Nacht, während wir auf der Schautafel von den bedeutenden frühgeschichtlichen Funden lesen, die im 19. Jahrhundert bei Bauarbeiten an der Quelle zutage traten. Von der Zeitenwende bis ins 4. Jahrhundert wurden 156 verzierte Gewandnadeln in oder an der Quelle deponiert, vermutlich als Opfergabe an eine Naturgottheit. Als wir vor die Funde treten, die angeleuchtet aus der Dunkelheit strahlen, beginnt es unter unseren Füßen zu vibrieren, und wir sind wirklich mittendrin in dieser mystischen Angelegenheit.
Ich hätte noch mindestens eine weitere Stunde in dem kleinen Museum verbringen können. Es gibt nämlich noch so viel zu erfahren: Welche Persönlichkeiten hier wann gekurt haben (Zar Peter der Große zum Beispiel, und Johann Wolfgang von Goethe). Aber die Jungs spielen seit einer halben Stunde Karten im „Salon“, und draußen lockt plötzlich strahlender Sonnenschein.
Familiäres Flanieren in Bad Pyrmont
Vom Schloss aus begeben wir uns in die Allee am Hylligen Born. Hier reiht sich kurorttypisch ein Café ans nächste. Es ist erst zwei Uhr, aber Anna und mich verbindet die Liebe zu guten Cafés. Viele haben an diesem Freitag noch geschlossen, und so landen wir im „Café Violett“. Die Jungs genehmigen sich einen Eisbecher und sind auch zufrieden. Ob es schon Kuchen gibt oder noch nicht, kann die wohl ganz frisch angelernte Bedienung nicht in Erfahrung bringen. Die Jungs gucken mir kichernd dabei zu, wie ich zweimal ansetze, dann eben etwas anderes zu bestellen und an der konsequenten Missachtung der jungen Frau scheitere.
Nach diesem nur bedingt befriedigenden Erlebnis schlendern wir weiter bis zur Hauptquelle. Der „Hyllige Born“ befindet sich unter einem Pavillon auf einem größeren Platz. Wenige Meter daneben sprudelt die Brodelquelle (die mit den antiken Opfergaben).
Exquisite Heilquellen-Verkostung in der Wandelhalle
Aufgrund der geologischen Besonderheiten der Gegend gibt es jede Menge Quellen in Bad Pyrmont. Sechs werden heute noch zu Heilzwecken genutzt und in der Wandelhalle kostenlos ausgeschenkt. Die Wandelhalle ist das große Gebäude direkt vor unserer Nase. Zwischen den überdachten Säulengängen können Kurgäste sich seit jeher auch bei Regenwetter etwas Bewegung verschaffen, die ergänzend zum „Brunnengenuss“ empfohlen wurde.
Hinter einer automatisch öffnenden Glastür befinden sich sechs Wasserhähne, die es in sich haben. Und zwar das Heilwasser, für das Bad Pyrmont berühmt ist. Wer keinen eigenen Becher mitgebracht hat, kann sich für 20 Cent einen aus dem Automaten ziehen. Gespannt treten wir zur Heilquellen-Verkostung an. Tipp: Unbedingt links beginnen! Der Hyllige Born und vor allem die Trampelquelle schmecken uns ganz gut. Dann wird es immer abenteuerlicher. Die Hähne sind mit ausführlichen Beschreibungen versehen, welche Mineralien das jeweilige Wasser enthält und in welcher Dosierung es gegen welche Zipperlein helfen soll.
Die harmlos schmeckenden Wässerchen sollen allgemein die Verdauungsfunktionen positiv beeinflussen.
„Igitt, das schmeckt nach Blut!“ quiekt Silas, als er die Helenen-Quelle verkostet. Na ja, sie ist stark eisenhaltig.
Die Hufelandquelle, die Abhilfe bei Gallenbeschwerden schaffen soll, ist definitiv nichts für Anfänger. „Stell dir mal vor, dein Arzt würde dir wirklich verschreiben, du müsstest vier Wochen lang drei Mal täglich einen ganzen Becher davon trinken!“ würgt Anna hervor und schüttelt sich, nachdem sie einen Schluck genommen hat.
Kurkonzerte in der Wandelhalle oder im Kurpark
Auch die Kurkonzerte finden bei schlechtem Wetter hier in der Wandelhalle statt (bei gutem meist im Kurpark, das steht aber tagesaktuell auf einer Tafel am Eingang des Musiksaals). Zweimal täglich gibt es ein solches Konzert, das über eine Stunde dauert und für Inhaber der Kurkarte kostenlos ist. Wer ohne gesundheitsbedingte Zugangsberechtigung der klassischen Live-Musik lauschen will, zahlt entweder durchaus angemessene vier Euro (Kinder in Begleitung Erwachsener kostenlos), oder lungert einfach mit aufgesperrten Ohren außerhalb des kleinen Saales in der Mitte der Halle auf einer der Bänke herum, wenn der Nachwuchs im Angesicht klassischer Musik sowieso wenig Sitzfleisch hat.
Highlight von Bad Pyrmont: Kurpark mit Palmengarten
Zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten von Bad Pyrmont zählt auf jeden Fall der Kurpark. Das klingt auch wieder sehr altbacken, ist es aber eigentlich gar nicht. Außer barocken Alleen und Landschaftsgarten im englischen Stil haben wir manche familientaugliche Überraschung gefunden: abenteuerliche Balancierpfade im Gebüsch zum Beispiel, einen Barfuß-Parcours und hölzerne Hängematten.
Der Park ist 17 Hektar groß, was übersetzt „schon ziemlich groß“ bedeutet. Prunkstück der Parkanlage ist der Palmengarten. Der wirbt mit zahlreichen nationalen und internationalen Auszeichnungen und damit, mit 330 solcher Bäume „die nördlichste Palmenfreianlage Europas“ zu sein. In der Tat fühlen wir uns an unsere Zeit in Andalusien erinnert.
Im Telemann-Garten (benannt nach dem Komponisten, der ebenfalls in Bad Pyrmont kurte) stoßen wir auf das schnuckelige Teehaus, was Anna und mich sofort veranlasst, dem drohenden Himmel zum Trotz eine zweite Café-Pause einzulegen. Die Tee-Zeremonie mit breiten Tassen und individuellen Timern für die Ziehzeiten finden auch die Jungs spannend. Sie mögen ihren Früchtetee, den sie aus einer langen Liste von Möglichkeiten ausgewählt haben, und ich bin von der kräftigen Gewürzteemischung „Pyrmonter Fürstentraum“ ernsthaft begeistert. Dazu gibt es auch für mich endlich ein Stück Kuchen.
Dann bricht leider ein Gewitterschauer über uns herein. In einem solchen Fall schließt der Park, und uns bleibt nichts anderes übrig, als durch den warmen Sommerregen zurück zum Parkplatz zu schlendern.
Mehr Tipps für Familien in Bad Pyrmont
Wir haben längst nicht alles gesehen und genutzt, was Bad Pyrmont für Familien zu bieten hat. Es gibt da zum Beispiel noch (Achtung, externe Links):
- die Hufelandtherme (überdachter Badespaß)
- den Tierpark Bad Pyrmont
Zum Weiterlesen: Andere Kurstädte als Familienausflug
Mehr Ausflugs-Tipps in Deutschland
Unsere komplette Liste (mit Karte) von all den Orten, an denen wir als Familie schon waren und über die wir gebloggt haben, gibt es hier:
Familienurlaub in Deutschland: Unsere Tipps und Erfahrungen von den Bergen bis ans Meer
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