Dinslaken, dat is so richtich Pott. Und ich hatte noch nie einen Grund, nach Dinslaken zu fahren. Bis wir eine Einladung zur Extraschicht erhielten. Beste Gelegenheit, sich da mal umzusehen. – Inklusive Silas‘ und Martins Grubenfahrt ins (vor-)letzte deutsche Steinkohle-Bergwerk Prosper Haniel in Bottrop.
Dieser Bericht gehört zu einer dreiteiligen Serie über unseren Kurztrip ins Ruhrgebiet. Die anderen Teile behandeln den Tierpark Hamm und unseren Urlaubstag in Essen.
Damit das klar ist
Dieser Artikel entstand dank einer Einladung von RuhrTourismus. Er ist einer von über hundert authentischen Erlebnisberichten aus ganz Deutschland, die alle auf unseren eigenen Erfahrungen beruhen. Die vollständige Auswahl gibt es hier: Über 100 x Familienurlaub in Deutschland.
Gereist sind wir als vierköpfige Familie mit zwei Jungs: Janis (der tags zuvor 14 geworden ist) und Silas (11 Jahre alt). Wir waren zwei volle Tage im Ruhrgebiet unterwegs, da wir uns Samstagmorgen früh auf den Weg gemacht haben und nach einer Übernachtung in Essen Sonntagabend wieder zurück ins Schaumburger Land gefahren sind.
Unsere „Live“-Eindrücke finden sich auf Twitter und Instagram dauerhaft festgehalten unter dem Hashtag #f4tPott.
Extraschicht
Die Extraschicht ist ein Großevent, das einmal im Jahr im gesamten Pott stattfindet. „Nacht der Industriekultur“ lautet der Untertitel. „Ein KulturFestival für die ganze Metropole Ruhr. 200.000 Besucher, 50 Spielorte, 22 Städte, eine Nacht“, so erklärt es die Homepage.
Das Erfolgsrezept funktioniert schon seit 17 Jahren und der Termin für nächstes Jahr steht schon fest: der 29. Juni 2019. Das Programm beginnt jeweils um 18 Uhr und läuft dann durch bis 2 Uhr nachts. (Inwiefern sich das als Event mit Kindern machen lässt, muss jede Familie selbst entscheiden.)
Wie kommt man denn auf einen Ausflug nach Dinslaken?
Wie gesagt, 50 Spielorte vereint die Extraschicht unter ihrem Banner. Und auch wenn Dinslaken für uns niedersächsische Landeier so wat von Pott is, liegt die Stadt doch eher peripher im Ruhrgebiet, ganz links oben. Dass wir also ausgerechnet in Dinslaken landen, hat organisatorische Gründe.
Teil unserer Einladung von RuhrTourismus ist nämlich eine Grubeneinfahrt ins (vor)letzte aktive deutsche Steinkohle-Bergwerk. Zwei von uns dürfen 1100 Meter in die Tiefe fahren. Die Aktion ist etwas ganz Besonderes, denn normalerweise ist Prosper Haniel für Besucher nicht zugänglich. Speziell zur Extraschicht dürfen 500 Normalsterbliche da runter. Die meisten Plätze sind verlost worden. Auf 20 konnten sich handverlesene Blogger bewerben.
Die Einfahrt in die Grube Prosper Haniel ist also keine allgemeine Touristenattraktion. Aufs Gelände kommen die Extraschicht-Gewinner nur mit Sonderfahrt-Armbändchen und in Bussen. Diese starten vom Spielort Dinslaken aus.
Döner in Dinslaken
Bevor es soweit ist, müssen wir aber unbedingt noch was essen. Die versprochenen Foodtrucks und Verpflegungsstände auf dem Extraschicht-Gelände des Kreativ.Quartier Lohberg nehmen ihre Arbeit erst Punkt 18 Uhr auf, und so weichen wir auf die unmittelbare Umgebung aus.
Fündig werden wir nur wenige Meter die Straße runter. Dort gibt es einen ganz wunderbaren Dönerladen, der unsere Erwartungen ans Pott-Klischee bestens mit unseren Erinnerungen an die Türkei vereint. „Akdeniz Firini“ heißt der Familienbetrieb, in dem es nicht nur des Deutschen liebstes Fastfood, sondern auch eine große Auswahl an türkischen Gebäckstücken, süß und herzhaft, gibt.
Während wir unsere Ausbeute draußen am Stehtisch verspeisen, gesellt sich der Inhaber für einen kleinen Plausch zu uns. Kaum ist er mit dem nächsten Kunden wieder im Laden verschwunden, spricht uns eine Passantin an. Binnen zehn Minuten kennen wir ihre Lebensgeschichte inklusive letzter Urlaubsziele sowie die sämtlicher Flüchtlinge, denen sie ehrenamtlich Deutschunterricht erteilt. Als nahe Verwandte der maulfaulen Ostwestfalen merken wir: Der Pott ist kommunikativ.
Minigolf in Dinslaken
Dann ist es Zeit für Silas und Martin, zu ihrer Tour aufzubrechen. Janis und ich bleiben am Extraschicht-Spielort Lohberg zurück. Auch dieser Ort war einmal eine Zeche, allerdings ist das schon länger her. In der alten Werkstatt gibt es zur Feier des Tages ein Bühnenprogramm, das sich gewaschen hat.
Wir nehmen es nur von Weitem im Vorbeigehen wahr, denn Massenveranstaltungen sind eigentlich so gar nicht unser Ding. Janis hat auf dem Stadtplan ein Alternativprogramm gefunden, das ihm westlich mehr zusagt: Minigolf. (Ja, er ist ein eher ungewöhnlicher 14-Jähriger, schätze ich).
Also laufen wir zehn Minuten durch Dinslakener Wohngebiet, bis wir im Park auf die nicht näher benannte Minigolfanlage treffen. Zwei ältere Damen betreuen hier eine sehr einfache Gartenkneipe und geben uns gerne Minigolfschläger und Bälle raus. Für Erwachsene kostet der Spaß 1,60 Euro, Janis geht noch als Kind durch und zahlt 80 Cent. Für diese Summe amüsieren wir uns königlich eine gute Stunde auf 17 Bahnen. (Janis gewinnt knapp mit zwei Punkten Vorsprung.)
Bottrop: Einfahrt in die Grube Prosper Haniel
Ende 2018 schließen die letzten beiden Gruben, und der Steinkohle-Bergbau in Deutschland ist Geschichte. Kurz vor knapp also durften die erlesenen 500 zur Extraschicht einmal kurz nach unten.
Ich bin nicht so der Fan von Höhen und Tiefen. Obwohl ich schon ganz gerne mal da unten gewesen wäre – allein schon, um mit dieser Tatsache angeben zu können – erschien es mir doch wesentlich sinnvoller, meinen technikbegeisterten Mann und den Geburtstagssohn runterzuschicken. Letzterer ließ nach väterlicher Beschreibung einer Einfahrt in ein aktives Bergwerk aber auch mit Kusshand dem kleinen Bruder den Vorzug.
Der Sohn erzählt von seiner Erfahrung in eigenen Worten:
1100 Meter unter der Erde – aus Sicht von Silas (11)
„Also, wir mussten an der Bushaltestelle erst einmal ein bisschen warten, bis der Bus abfährt. Dann sind wir eine Viertelstunde mit dem Bus gefahren. Dann ist da so eine Schranke aufgegangen, und schon waren wir auf dem Zechengelände. Wir mussten Helme und Schutzbrillen aufsetzen und alle Wertsachen in die Spinde legen. Dann hat der Bergarbeiter noch so ein bisschen erzählt, über den Stollen und so. Und dann sind wir mit dem Förderkorb runtergefahren. Beziehungsweise wir sind mit Fallgeschwindigkeit gefallen. [Einspruch vom Papa: „Wir sind mit zwölf Metern pro Sekunde gefahren. Das ist zwar ziemlich schnell, entspricht aber nicht dem freien Fall.“] Erstmal war das ein bisschen komisch, denn es ging halt ziemlich schnell. Aber eigentlich war es wie Fahrstuhlfahren, ein ganz gutes Gefühl. Nur, ich musste hin und wieder Druckausgleich machen.
Unten hat der Bergarbeiter uns 15 Minuten durch den Stollen geführt. Das war im Prinzip wie ein Tunnel, nur ohne Straße und Verkehrsschilder. Also macht es eigentlich vom Aussehen her keinen Unterschied, ob man zehn oder 1100 Meter unter der Erde ist. Vom aktiven Bergbau haben wir gar nichts gesehen. Es war trotzdem ein Erlebnis, für das es sich gelohnt hat, 45 Minuten zu investieren. Allein für das Fahren mit dem Förderkorb hat es sich schon gelohnt.
Die Rückfahrt verlief ereignislos.“
Extraschicht in Dinslaken
Nachdem wir unsere beiden Grubenfahrer wieder eingesammelt haben, gedenken wir unsere Extraschicht-Tickets noch angemessen auszunutzen. (Schließlich haben wir nur zwei Tickets gestellt bekommen. Eins haben wir von einer Gewinnerin abgestaubt, die keine Begleitperson dabei hatte. Ein letztes haben wir selber gekauft, und das soll sich jetzt auch rentieren.)
Eine halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn versuchen wir Sitzplätze für die Zirkus-Show in der alten Kohlenmischhalle zu ergattern. Aber wir sind schon zu spät und kriegen nur noch Stehplätze, von denen wir an einem Kieshaufen vorbei seitlich aufs Geschehen gucken können.
Beeindruckend ist es trotzdem, den waghalsigen Aktionen der Akrobaten zuzusehen. Todesmutig schwingen kolumbianische Artisten in offenen Käfigen meterhoch über dem Kiesboden und drehen Saltos auf dem Motorrad in einer Metallkugel. Ein chinesischer Künstler jongliert eine kiloschwere Vase auf dem Kopf.
Nach der Show wünschen sich die Jungs einen Flammkuchen. Der Duft zieht verführerisch über das Gelände. Eine Dreiviertelstunde stehen wir an, bis wir selig welche in den Händen halten – unter anderem den vorletzten mit Pilzen. Mit dem Andrang scheinen die Veranstalter nicht gerechnet zu haben.
Was mich beeindruckt: Obwohl die Anstehzeit für mich ganz entschieden an der Grenze des Zumutbaren kratzt und von vorne nach hinten immer wieder neue Hiobsbotschaften durchgegeben werden („Rucola ist jetzt auch aus!“), herrscht in der Schlange beste Stimmung. Die Frauen hinter mir philosophieren über Plastikmüll im Meer und schwärmen von dem neuen Unverpackt-Laden, während die Mädels vor mir den weiteren Abend planen und enthusiastisch der blutjungen Sängerin ein paar Meter neben uns applaudieren, die beinahe besser als das Original einen Adale-Song präsentiert.
Nachdem wir unseren hart erkämpften Flammkuchen verspeist haben, treten wir allerdings den Heimweg an. Zehn Uhr ist es schon, und wir haben morgen noch viel vor.
Unser Fazit zur Extraschicht in Dinslaken
Mich interessieren prinzipiell alle Orte, an denen ich noch nicht gewesen bin. So kam es mir durchaus gelegen, einen Blick auf Dinslaken werfen zu können. Das spottbillige Minigolf-Spiel hat uns Spaß gemacht. Der Dönerladen war eine tolle Erfahrung, und durch die Gespräche hatte ich das Gefühl, einen authentischen Eindruck vom „echten Ruhrpott“ zu kriegen.
Die Einfahrt in die Grube Prosper Haniel war vor allem für Silas ein echtes Erlebnis. (Und wenn ich mir die Erzählung aus Martins Sicht anhöre, war sie für den 11-Jährigen auch ein gutes Stück spannender, als er in seinem eigenen Bericht zugibt.)
Die Extraschicht als solche war nichts für uns. Es war ganz cool, den Trubel mal gesehen zu haben. Und da die Großveranstaltung ja der Anlass war, uns überhaupt einzuladen, bin ich schon froh, dass wir dabei waren. Denn sonst wären wir ja gar nicht (so schnell) im Ruhrgebiet gelandet. Für Leute (wie uns), die keine Festivals, keine Konzerte, keine Menschen keine Massenveranstaltungen mögen, ist der Zauber aber nix. Ein zweites Mal muss ich da nicht hin. (Aber es ist doch gut, das herausgefunden zu haben.)
Leute, die Trubel mögen, werden die Extraschicht lieben. Im Ruhrgebiet ist gut was los in dieser Hinsicht, und die Stimmung war echt top.
Mehr Ruhrgebiet mit Kindern
- Hier gibt es meinen Bericht über den Tierpark Hamm, in dem auch Janis (14) selbst zu Wort kommt: Tierpark Hamm – Tayras kennenlernen und Alpakas kuscheln.
- Der Artikel über unseren wunderbaren Tag in Essen mit Gruga-Park, Ruhr-Museum und Zeche Zollverein: Familienurlaub im Ruhrgebiet – ein toller Tag in Essen mit Kindern [mit Hotel-Tipp].
Transparenzhinweis: Wir wurden von RuhrTourismus zur Extraschicht eingeladen. Der Verband hat uns zwei Eintrittskarten für die Veranstaltung und für uns alle Ruhr.Topcards für die weitere Programmgestaltung zur Verfügung gestellt. Auch die für uns kostenlose Übernachtung im Atlantic Congress Hotel Essen haben die für uns organisiert. Dafür sind wir sehr dankbar, jedoch heißt das entschieden nicht, dass unsere Meinung oder auch nur die Berichterstattung gekauft wäre. Da bin ich vollkommen frei, niemand redet mir rein, anders würde ich es auch nicht machen (bzw. wenn, wäre das Werbung, und DANN würde ich es auch groß oben dranschreiben).
** Natürlich pass ich auf, dass die Jungs nichts vollkommen Unangemessenes zu Protokoll geben, ich hab hier schließlich einen Erziehungsauftrag. Und klar lenke ich das Gespräch, das ich ansonsten wörtlich protokolliere, mit Nachfragen so, dass es nicht bei einem Satz bleibt. Aber die Aussagen sind alle zu 100 Prozent echt Silas.
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