Die Stadt im Norden Andalusiens war lange Zeit eine der größten Metropolen der damals bekannten Welt. Als die zivilisatorischen Errungenschaften der Antike längst verfallen waren und unsere frühmittelalterlichen Vorfahren den Lehmfußboden in ihren Holzhütten feststampften, ließen die nordafrikanischen Herrscher hier Straßen pflastern und Wasserleitungen installieren. An kaum einem anderen Ort lässt sich das friedliche Miteinander von Islam und Christentum besser dokumentieren. Teil 2 unserer Serie über Andalusien mit Kindern.
Cordobas Stadtgeschichte im Schnelldurchlauf
Irgendwie war da was mit Christen und Muslimen, ne? Und was ist das überhaupt für eine Stadt, Cordoba? Wer einen kurzen Überblick haben möchte, ohne das Geschichtsbuch zu wälzen oder den langen Wikipedia-Artikel zu durchforsten, dem helfe ich hier kurz auf die Sprünge.
Als die Römer die iberische Halbinsel kolonisierten, fanden sie hier bereits eine bewohnte Ortschaft vor. Dann kamen Vandalen und machten ihrem Ruf alle Ehre, wechselten sich mit den Byzantinern ab, und als die Westgoten durch waren, verschwand die Siedlung im 6. Jahrhundert in der Versenkung. 711 unternahmen die Mauren eine Art Blitzkrieg, in dem sie sich große Teile der iberischen Halbinsel unter den Nagel rissen, darunter auch das, was von Cordoba noch übrig war. Als Kalifat blühte die Stadt auf und beheimatete eine halbe Million Menschen. Knapp 300 Jahre währte die Blütezeit unter den Umayyaden, dann schlugen sich die muslimischen Herrscher noch eine ganze Weile gegenseitig die Köpfe ein, bis 1236 nach mehr als 500 Jahren christliche Fürsten wieder die Oberhand gewannen (und, o Wunder mit Gruß an Pegida, die Islamisierung des Abendlandes war zwischenzeitlich trotzdem nicht erfolgt, denn das einfache Volk war die ganze Zeit über katholisch). In der Folge dümpelte alles so dahin (sage ich jetzt mal so flapsig, in Wirklichkeit hat natürlich jede Zeit ihre Höhen und Tiefen und dramatischen Einzelschicksale, aber wir bleiben mal bei der Weltgeschichte). Im Befreiungskrieg gegen Napoleon ging es dann wieder richtig zur Sache, und leider endete es nicht gut für die historische Bausubstanz. Trotzdem ist noch genug übrig, das sich anzuschauen lohnt!
Die Mezquita – eine ganz besondere Kathedrale
Cordoba ist eine hübsche Stadt. Was sie aber zu etwas Herausragendem macht, ist die Mezquita-Catedral. Als Knauserköppe überlegen wir uns grundsätzlich dreimal, ob wir für eine Sehenswürdigkeit tatsächlich Eintrittsgeld bezahlen wollen. In Cordoba aber springe ich gerne über diesen Schatten, denn wer an diesem Gotteshaus unbesehen vorbeigeht, wird sich später in den Hintern treten wollen. Selten hat mich ein Gebäude so im Innersten berührt wie hier. Vielleicht liegt es an dem, was ich über diesen Ort weiß. Seit Menschengedenken gilt er als heilig. Die Römer errichteten hier – wahrscheinlich schon auf einem Heiligtum der Iberer – einen Tempel des doppelgesichtigen Gottes Janus, aus dem nach der Christianisierung eine Kapelle für den Heiligen Vinzenz wurde. Als 711 die Mauren das spätere Spanien eroberten, wandelte man die Kirchen – wie allgemein üblich – in Moscheen um. In Cordoba aber vollbrachten die neuen Herrscher einen beispiellosen Akt religiöser Toleranz: Sie teilten das Gotteshaus und überließen den Besiegten die eine Hälfte zur weiteren Nutzung. Unter einem Dach beteten Christen und Muslime jeweils auf ihre Weise zum selben Gott.
Nachdem Cordoba zum Hauptsitz des Kalifats geworden war, hatte Herrscher Abd al-Rahman I. allerdings große Pläne mit der Stätte und zahlte die Christen aus, damit diese sich an anderer Stelle eine Kirche bauen konnten. Den alten Sakralplatz machte er zur damals weltgrößten Moschee. Durch die geschickte Bauweise wirkt der Wald aus Säulen und Bögen noch größer, als er ohnehin schon ist. Vom Eingang aus verliert sich der Blick des Betrachters in schummerig beleuchteter Unendlichkeit.
Als die Spanier Cordoba im 13. Jahrhundert zurückeroberten, war interreligiöse Toleranz – gelinde gesagt – aus der Mode gekommen. Die weltgrößte Moschee wurde ohne viel Federlesen zur Kirche geweiht. Der junge Kaiser Karl V. ließ sich belatschern, der fremdländischen Architektur einen anständigen Kontrapunkt entgegenzusetzen und die islamische Unendlichkeit mit einem gotischen Kreuzrippengewölbe zu verschandeln. „Die Kathedrale im Zentrum kann man nur als Akt der Barbarei bezeichnen“, sagt unserer Reiseführer drastisch, und obwohl ich eigentlich ein großer Fan der Gotik bin, muss ich ihm uneingeschränkt Recht geben. Das später auch noch barockisierte Bauwerk im Bauwerk wirkt so fehl am Platz wie ein notgelandetes UFO. Selbst Karl sah diesen Fehler übrigens in späteren Jahren ein und schimpfte bitterlich über seine schlechten Berater.
Nichtsdestotrotz herrscht im Inneren der Kathedrale eine einmalige Atmosphäre. „Das ist endlich mal wieder eine richtig heilige Kirche“, urteilt Janis, der von solchen Dingen seit jeher eine ganz eigene Auffassung hat. „Darf ich die bitte in meinem eigenen Tempo alleine erkunden?“ Wir erlauben es. Zwar ist das Bauwerk nicht ganz übersichtlich, aber bis jetzt ist der Zehnjährige noch immer wieder aufgetaucht. Die Touristenmassen verlaufen sich ganz gut in dem großen Säulenwald. Die weißhaarigen Busreisegruppen hocken eh die meiste Zeit in der Barockkirche, und die Asiaten bilden leicht zu umschiffende Herden. Martin nimmt Silas an die Hand und analysiert mit ihm die Statik des Gebäudes. Ich sinniere eine Weile, warum ich mir in Moscheen aus Respekt vor der anderen Religion ein Kopftuch aufsetze und meinen Sonnenhut in der Kirche abnehme, während die Muslimas hier ihr Kopftuch aufbehalten. Dann wende ich meine Aufmerksamkeit wieder den historischen Details zu, der wunderschönen Gebetsnische aus islamischer Zeit etwa, und dem Kirchenschatz, der im Separee ausgestellt ist. Die sanften Wogen der Besucher spülen uns eine halbe Stunde später schließlich alle vier in den Altarraum, und wir berichten einander, was wir gesehen haben. Als wir gerade gehen wollen, setzt die 300 Jahre alte Orgel an zu spielen. Die transzendente Stimmung verstärkt sich augenblicklich um ein Vielfaches. Jetzt möchte erstmal niemand mehr gehen, nicht einmal Silas, unser unbelehrbarer Atheist mit den abgelatschten Füßen.
Fiesta in der Stadt
Schließlich verlassen wir doch den lauschigen Innenhof der Moscheekirche. Der Übertritt ins touristische Gewusel fühlt sich an wie ein Sprung in einen Wildwasserkanal. Es ist der Samstag vor Pfingsten. Die Stadt feiert Fiesta.
Zwischen den unvermeidlichen Urlaubern sind überall aufgebretzelte Spanierinnen in rüschigen Flamencokleidern unterwegs. Auf den Straßen zockeln altertümliche Kutschen vorbei, besetzt mit Herrschaften im feinsten Zwirn. Selbst die Pferde sind herausgeputzt wie nichts Gutes. „Einfach nur Fiesta“, antwortet mir die Dame in der Tourist Information auf meine Frage, was um alles in der Welt hier abgeht. „Nichts Besonderes.“ So so. Wir würden gerne einen Blick auf das Festivalgelände werfen, das die Frau mir auf dem Stadtplan zeigt. Aber es liegt etwas außerhalb, und wir haben nur so beschämend wenig Zeit. Schon jetzt bereuen wir, dass wir Cordoba bloß einen Tagesausflug auf dem Weg von Sevilla nach Granada gönnen.
Ein Altstadtbummel muss aber noch drin sein, bevor wir wieder in unser Auto steigen. Wir bewundern die blumengeschmückten Gassen und die alte Römerbrücke, die uns irgendwie so an Regensburg erinnert. Im Café des Posada de Vallina nehmen wir (mehr aus Versehen, da wir unbedingt noch mal ein Klo brauchen) eine hervorragende heiße Schokolade zu uns. Und dann fahren wir auch schon weiter, mit dem Gefühl, in dieser Stadt das Schönste gesehen, aber auch ordentlich was verpasst zu haben.
Praktische Hinweise
Sicher und halbwegs günstig Parken lässt es sich zum Beispiel im Parkhaus La Mezquita wenige Minuten von der Kathedrale entfernt (Av. Doctor Fleming). Abgerechnet wird – wie überall in Spanien – minutenweise, und der Tarif liegt bei 1,44 Cent (also 86 Cent pro Stunde).
Der Eintritt in die Mezquita schlägt mit 8 Euro zu Buche, Kinder von zehn bis 14 Jahren zahlen 4 Euro, jüngere sind frei. Öffnungszeiten: montags bis samstags von 10 bis 19 Uhr, von November bis Februar nur bis 18 Uhr. Sonntags und an Feiertagen hat die Kathedrale von 8.30 Uhr bis 11.30 Uhr und von 15 bis 19 (bzw. im Winter 18) Uhr geöffnet.
Mehr Andalusien mit Kindern
In den nächsten Wochen und Monaten soll sich diese Aufzählung mit Inhalt füllen…
- Sevilla: Andalusiens schönste Stadt
- Cordoba: Wo eigentlich alles außergewöhnlich ist
- Granada: Familienausflug zur magischen Alhambra
- Guadix: Als wir zu Höhlenmenschen wurden
- Gorafe: Sightseeing in der Steinzeit
- Marbella: Tourismus total?
- Gibraltar: Großbritannien mit Sonnengarantie
- Cadiz: Warum diese Stadt eine zweite Chance verdient
Wer nicht so lange warten möchte oder ganz bestimmte Fragen hat, darf sich auch gern per E-Mail an mich wenden. Die Adresse steht im Impressum.
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