Family4travel war auf Kreuzfahrt. So richtig ernsthaft, im schwimmenden All-inclusive-Hotel. Mit mehr als 2000 anderen Menschen, zehn verschiedenen Landgängen, Seetagen und allem drum und dran. Merkwürdig? Irgendwie schon.
Wer family4travel schon eine Weile folgt, der weiß, worum es in diesem Blog hauptsächlich geht: um viel Reisen für wenig Geld, ganz individuell, naturnah und mit Bildungsanspruch.
Und dann gehen wir hin, buchen das Teuerste, was der große Kreuzfahrtanbieter mit den vier bunten Buchstaben im Angebot hat, und amüsieren uns fast drei Wochen auf See. Wie passt das zusammen?
Kreuzfahrt als Ersatzfähre
Eigentlich wollten wir unser großes Abenteuer ja in den USA erleben – elf Monate Reise-Auszeit quer durch Nordamerika. Und da wir unseren CO²-Fußabdruck ungern mit einem Interkontinentalflug belasten wollten (und ich Fliegen ohnehin hasse), entschieden wir uns vor mittlerweile gut zwei Jahren für eine Schiffspassage über den Atlantik. Ein Preisvergleich ergab nämlich, dass die Schifffahrt nur etwa doppelt so teuer wie der Flug zu Buche schlagen würde. Da elf Monate Freiheit vor uns lagen und wir nichts dagegen hatten, mehr von der Welt zu sehen, nahmen wir den höheren Preis gern in Kauf. – Denn immerhin hätte es dafür drei Wochen Vollpension und diverse Stopps in Island, Grönland (!!) und Kanada obendrauf gegeben.
Nun handelt es sich bei der Transatlantik-Route nicht gerade um eine gefragte Fährverbindung. Ob der begrenzten Reisemöglichkeiten buchten wir uns ziemlich früh auf das einzige Schiff, das für unseren Reisestart in Frage kam.
Leider (oder im Nachhinein möchte ich fast glücklicherweise sagen) ließen sich die US-amerikanischen Behörden nicht von unseren Reiseplänen überzeugen. Sie verweigerten uns kalt lächelnd das Visum. Es dauerte, bis ich der Dame am anderen Ende der Aida-Kundenservice-Hotline unsere Situation verständlich gemacht hatte.
„Aber Sie brauchen doch überhaupt kein B2-Visum für eine Kreuzfahrt.“
– „Nein, aber wir wollten von da aus ein knappes Jahr in Amerika bleiben. Deshalb das Langzeit-Visum, aber das wurde uns verweigert.“
„Aber dann können Sie doch von New York aus gleich zurückfliegen, bis zu 90 Tage geht doch mit Visa-Waiver.“
– „Nein, wir dürfen jetzt überhaupt nicht mehr in die USA einreisen. Wir sind als persona non grata gelistet, weil wir das schlimme Verbrechen begangen haben, bei einem B2-Visumsantrag abgelehnt zu werden.“
„Wie bitte?! Das kann doch nicht sein!“
– Doch, genauso ist es, ernsthaft.
Sechs Wochen vor der von uns gebuchten Abfahrt konnten wir uns dann entscheiden: Sollten wir die saftige Anzahlung an die Reederei verfallen lassen? Oder auf das Kulanz-Angebot eingehen? Das sah vor, dass wir innerhalb eines Jahres auf eine mindestens ebenso teure Fahrt mit beliebiger Route umbuchen könnten.
Wir haben gehadert. Eine Kreuzfahrt um der Kreuzfahrt willen? Das passt doch gar nicht zu uns, dachten wir. Dass wir für das gleiche Geld, das wir für drei Wochen Seereise bezahlen würden, knapp drei Monate auf dem Balkan reisen könnten, wussten wir zu jenem Zeitpunkt noch nich. Aber unsere Gedanken gingen schon in diese Richtung. Andererseits ging es um eine vierstellige Summe, die bei einer vollständigen Stornierung der Reise so kurz vor Abfahrt schlicht und ergreifend weg gewesen wäre. Denn schlecht gelaunte Visumsbeamte werden von keiner Reiserücktrittsversicherung abgedeckt.
Mitfahrgelegenheit Richtung Nordpol
Halbherzig klickten wir uns also durch das Programm, das der Kreuzfahrtanbieter mit den vier bunten Buchstaben sonst noch so anbietet. Absolut klar war für uns, dass nur eine Rundreise in Frage käme – nichts mit Hin- oder Rückflug. Und rund ums Mittelmeer brauchten wir auch nicht zu schippern, denn das haben wir schließlich auf unserer Alternativ-Route dann zehn Monate lang genüsslich und in aller Gründlichkeit mit dem Auto abgeklappert. Aber dann fiel uns die Nordland-Route ins Auge. Von Kiel bis Kiel, und dazwischen die Orkney-Inseln (mit seinem Steinzeit-Dorf Skara Brae absolutes Wunschzettel-Ziel von mir), drei Mal Island (über das ich schon mit 14 sehnsuchtsvoll Reiseführer gewälzt habe) und – das Herz des verhinderten Polarforschers in mir machte einen Riesenhüpfer, als ich dieses unsagbar verheißungsvolle Wort las – Spitzbergen! Dass der Fahrplan für den Rückweg noch Honningsvåg, Hammerfest, Tromsø, die Lofoten und Bergen nannte, habe ich zu jenem Zeitpunkt nur noch beifällig überflogen, denn von da an stand für mich fest, dass wir umbuchen würden.
So geschah es also. Ich nahm die 2000 anderen Touristen, die ökologisch streitbare Schweröl-Befeuerung, den wenig nachhaltigen Hochsee-Hotelbetrieb und den saftigen Mehrpreis in Kauf, um so nah an den Nordpol zu kommen, wie es einem normalsterblichen Pauschaltouristen nur gelingen kann. Und ich bereue es nicht!
Wie wir das Konzept Kreuzfahrt überstanden haben
Ehrlich gesagt war es richtig toll. Natürlich ist es ärgerlich, wenn man den Menschenmassen in den kleinen Hafenstädten wie Isafjördur oder Honningsvåg nicht entkommen kann, weil man bedauerlicherweise ein Teil von ihnen ist und sie immer wieder mitnimmt. Es nervt, seine Unterkunft mit so vielen anderen teilen zu müssen, die auch alle gern in der Lounge am Fenster sitzen, pünktlich vom Schiff wollen und genau dann das Restaurant zum Frühstück stürmen, wenn wir gerade einen Platz für vier Personen suchen. Und es ist doof, nur ein paar Stunden lang vor Ort zu sein, maximal vom Morgen bis zum frühen Abend Freigang zu kriegen und all die Hammer-Destinationen in einem so eingeschränkten Zeitfenster abarbeiten zu müssen. Aber wir haben uns erstaunlich schnell angepasst. Wir haben unsere Methoden entwickelt, dem schlimmsten Gedränge zu entgehen.
Zu unserer Überraschung haben sich die Landgänge als zeitlich ausreichend herausgestellt. – Schließlich ist man irgendwann auch abgefüttert mit neuen Eindrücken und Informationen. Und wir haben festgestellt, dass wir ein bisschen Luxus durchaus genießen können. Das Whalewatching von der Sauna aus war für mich – zumal nach meiner Jugend-Lektüre über all die entbehrungsreichen, zum Teil tödlich endenden Entdeckerfahrten und Polarexpeditionen in eben jenen Gewässern – der Gipfel der Dekadenz. Aber es war schon auch ziemlich cool. Zumindest, wenn man seinen Saunabesuch auf die Mittagszeit verschiebt, wenn die anderen das Buffet stürmen.
Kreuzfahrt – Traumurlaub für Familien?
Silas ist im Kids-Club, Martin steht in Winterjacke an Deck und beobachtet die Ausfahrt aus dem Fjord, Janis durchforstet das euphemistisch Bibliothek genannte Bücherregal in der Bug-Lounge nach interessanten Gesellschaftsspielen, und ich überlege, ob ich heute beim Shuffle auf Deck 5 mitspielen soll oder mich mit meinem Buch schon mal ins Theatrium setze, um einen guten Platz für die – zu meiner Überraschung richtig guten – Tanzshow nachher zu reservieren.
Als ich diese Zerstreuungserscheinungen beim Abendessen einer Tischnachbarin gegenüber moniere, antwortet die fröhlich: „Ist das nicht wunderbar, dass hier jeder etwas findet, das ihm Spaß macht?“ Hm.
Nach zehn Monaten 24/7-Familienleben auf beschränktem Raum ist das für uns okay. Aber für den Sommerurlaub, als einzige Zeit des Jahres, die man gemeinsam mit der Familie verbringen kann? Wir wollen nächsten Sommer lieber wieder Wandern, Städte besichtigen und uns selbst verpflegen. Aber wir sind froh und dankbar, dass wir auf diese Weise sogar mehr als gedacht von diesen nördlichen Traumzielen gesehen haben, ohne ins Flugzeug steigen zu müssen. Es war schon ein toller Urlaub. Ich wundere mich selbst ein bisschen. :)
Mehr Erfahrungsberichte über unsere erste Kreuzfahrt
Ich bin nicht dazu gekommen, über jeden einzelnen Landgang zu bloggen. Leider. Dafür habe ich nach unserem krassen Europa-Roadtrip einfach zu viel Material gehabt und zu viel, was mir sonst noch unter den Nägeln brannte. Aber diese Artikel sind über die Stationen unserer Nordland-Kreuzfahrt mit Kindern entstanden:
- Landgang: Die Orkney-Inseln an einem Tag
- Skara Brae: Das Steinzeit-Dorf mit den IKEA-Regalen
- Island individuell an einem Tag: Der Golden Circle
- Isafjördur: Landgang in Islands abgelegenster Stadt
- Dimmuborgir bei Akureyri: Ausflug ins Land der Trolle
- Alesund mit Kindern: Erdbeerhäuser und Engelbesuch
Und außerdem möchte ich euch noch diesen Artikel ans Herz legen:
Seekrank auf Fähren und Kreuzfahrtschiffen: Übelkeit bei Kindern (und Erwachsenen)
Übrigens: Wer schon ein bisschen mehr über unseren Spitzbergen-Ausflug lesen möchte, kann sich rüber zu Gecko Footsteps klicken. Sabine hat neun andere Reiseblogger nach ihren Lieblingsinseln in Europa gefragt, und wir sind mit dabei.
Und diesen Bericht einer „persönlichen Jungfernfahrt“ habe ich bei meiner Blogger-Kollegin MrsBerry entdeckt – für alle, die sich noch ein bisschen mehr für den konkreten Ablauf einer Kreuzfahrt interessieren.
Liebe Lena, deine reflektierten Beiträge sind immer so angenehm zu lesen. Ich kann deine Gedanken zur Kreuzfahrt sehr gut nachvollziehen.
Am Godafoss war ich übrigens auch schon… zufällig, weil der isländische Linienbus eine Panne hatte. Die Bremsen waren kaputt, wir sind beim Parken fast in die Schlucht gerutscht…
P.S. Über Silas Kommentar zu den ionischen Säulen musste ich echt schmunzeln :).
Danke schön, Heike! Kaputte Bremsen, das klingt ja gruselig… – Ich seh grad, dass du just in Finnland warst. Da muss ich doch auch mal wieder schmökern gehen in deinem Blog. :)
Eine Kreuzfahrt hat eindeutig viele Vorteile, aber eben auch Nachteile. Doch der Vorteil, recht viele Ziele in kurzer Zeit anzusteuern (und das quasi Nachts im Schlaf) überwiegt für mich. Ich freue mich, dass ihr auf eurer ersten Kreuzfahrt auch viel Freude hattet und so viele tolle Ziele sehen konntet. Ich bin ja ein klitzekleines bisschen neidisch ;-)
GlG
Christina
Ja, der Chauffeur-Effekt ist nicht zu verachten. :)
[…] Kindern auf einem Kreuzfahrtschiff unterwegs – und fand es überraschend gut, wie etwa Lena von family4travel. Auch Claudia von fernweh- mit-kids ist mit ihrer Familie schon auf diese Art gereist. Zur […]
[…] Kindern auf einem Kreuzfahrtschiff unterwegs – und fand es überraschend gut, wie etwa Lena von family4travel. Auch Claudia von fernweh-mit-kids ist mit ihrer Familie schon auf diese Art gereist. Zur […]
Bin gerade über einen alten Planet Hibbel Post hier gelandet und musste schwer grinsen über euer Dilemma. (Also über „darf man eine Kreuzfahrt genießen“ Dilemma, nicht das mit dem Visum, das war natürlich voll bescheuert! :( ) interessant fand ich die Überlegung mit dem Boot nach Amerika zu fahren um die Umwelt zu schonen. Ich hab mal irgendwo gehört, meine ich noch zu erinnern, dass Kreuzfahrtschiffe die schlechteste Umweltbilanz überhaupt haben, viel schlimmer als Flugzeuge. Aber das relativiert sich dann vermutlich durch die vielen zwishenstops, die man sonst angeflogen hätte? Oder ist meine Info einfach falsch?
Ganz liebe Grüße aus Berlin, ich les mich mal noch ein bisschen durch Deinen Blog :) (ein sabbatical steht bei uns nämlich auch in den nächsten Jahren auf dem Plan)
Mila
Hallo Mila, wie schön, dass du hier hergefunden hast!
Ich glaube, es ist nicht einfach, die Ökobilanz wirklich zu vergleichen, weil ja auch nicht abschließend zu beurteilen ist, welcher Aspekt nun wirklich wie schlimm ist. Es läuft wohl immer auf Äpfel und Birnen hinaus, und je nachdem, welche Lobby nun vergleicht, kommen unterschiedliche Ergebnisse dabei raus. ;) Ich war vor ein paar Jahren mal auf einer Panel-Diskussion zum Thema Ökologie der Kreuzfahrt auf der ITB, und da habe ich als Quintessenz mitgenommen, dass Kreuzfahrten immer noch besser sind als Fliegen. Aber ich weiß zugegebenermaßen nicht mehr 100%ig, ob das nur gilt, wenn man es so rechnet, dass man alternativ jedes dieser Ziele mit dem Flugzeug einzeln angeflogen hätte. Damals wurde gesagt, das würde sich ja jetzt alles eh relativieren, wenn die Schiffe mit den neuen Partikelfiltern ausgestattet werden. Ich meine gelesen zu haben, dass das aber kaum passiert ist bisher. Aber ich lehne mich jetzt auch weit aus dem Fenster, denn wirklich informiert bin ich zu dem Thema nicht. Ich würde es auf jeden Fall auf die Recherche-Liste setzen, bevor ich noch einmal eine Kreuzfahrt buche.