Wenn schon Schweiz, dann wollen wir auch einmal richtig in die Berge. Interlaken klingt irgendwie ganz nach „typisch Schweiz“. Dass wir Interlaken als Station unseres Backpacker-Trips nutzen, liegt aber hauptsächlich an zwei Dingen. Die Lage auf der Landkarte passt gut zu unseren gesetzten Zwischenzielen Lausanne und Bern. Außerdem bietet Interlaken eine (ziemlich gute) Jugendherberge. Dann ist da eben noch dieses vage „hat man schon mal gehört“ in meinem Hinterkopf. Schnell stellen wir fest, dass solch eine nachlässige Herangehensweise der Streckenplanung ihre Tücken hat.
Dieser Text ist Teil unserer Serie „AbenTEUER Schweiz: Backpacking mit Kind zwischen Berner Oberland und Genfer See„.
Interlaken auf unserem Backpacking-Trip
Die erste Tücke meistern wir mit Bravour: Die Stadt hat zwei Bahnhöfe, Interlaken West und Interlaken Ost. Wir kommen aus dem Westen, aus Bern. Und wir schaffen es, nicht am ersten Bahnhof auszusteigen, sondern bis Interlaken Ost zu warten. Yay.
Nachdem wir diese Hürde umschifft haben, können wir praktisch nichts mehr falsch machen. Unsere Unterkunft für die Nacht ist die Schweizer Jugendherberge. Die befindet sich vom Bahnhof aus in direkter Sichtweite. Eine ausführliche Vorstellung des Interlaken Youth Hostel habe ich hier geschrieben: Schweizer Jugendherbergen – unsere Übernachtung in Interlaken.
Wie Interlaken zu Interlaken wurde
Nach dem Einchecken bummeln wir durch den Ort. Der Name kommt aus dem Lateinischen, heißt „zwischen den Seen“. Er passt, denn Interlaken liegt genau zwischen Thunersee und Brienzersee. (Die Schweizer haben die Angewohnheit, die Namen in ein Wort zusammenzuziehen. Ich schreib trotzdem lieber Thuner See und Brienzer See. Das ist im Deutschen ebenfalls erlaubt, auch bei Seen, die in der Schweiz liegen…)
Die Stadt zwischen den Seen hieß bis Ende des 19. Jahrhunderts eigentlich Aarmühle. Interlaken war erst nur der Name des mittelalterlichen Klosters ganz in der Nähe. Um das herum hatte sich lediglich ein kleines Dorf entwickelt. Erwartungsgemäß, möchte man fast sagen, gab es Querelen mit den Bernern um innerklösterliche Moral. (Denn in Interlaken lebten sowohl Mönche als auch Nonnen. Skandalös!) In Wahrheit ging es wohl vor allem um Landbesitz. Jedenfalls wurde das Kloster von der Berner Obrigkeit letztendlich geschlossen.
Aus irgendeinem Grund bekam aber im Laufe der Industrialisierung nicht Aarmühle Bahnhof und Postamt, sondern das kleine Klosterdorf. Wollte man in die Schweizer Sommerfrische fahren, bucht man eine Fahrkarte nach Interlaken. Die Rechnungen kamen anschließend gemäß Poststempel auch von dort. Da konnten die Einheimischen noch so oft sagen, dass sie in Aarmühle wohnten. So fügte sich die Stadt irgendwann und machte die Sache offiziell.
Zu jenem Zeitpunkt war Interlaken längst dabei, einer der tourismusträchtigsten Orte der Schweiz zu werden. Die adelige wie bürgerliche Schickeria Europas kam regelmäßig. Mit dabei war natürlich auch wieder unser alter Bekannter Lord Byron. (Dessen Spuren haben wir schon so oft gekreuzt! Im portugiesischen Sintra, im nordgriechischen Zitsa und im gar nicht so weit entfernten Montreux am Genfer See – der Kerl scheint dieselben Vorlieben für Reiseziele zu haben wie wir.)
Interlaken und die asiatischen Touristen
Heute sind es weniger die elitären Gesellschaftsschichten, die in die Stadt zwischen den Seen reisen. Vielmehr hat sich der Ort auf asiatische Touristen spezialisiert. Sie prägen Interlaken als Urlaubsziel massiv. Das sehen wir nicht nur an den Gesichtern um uns herum, sondern auch im konkreten Stadtbild.
Der Park in der Ortsmitte ist als (ausgesprochen hübscher) japanischer Garten angelegt. In der kleinen Fußgängerzone sehen wir immer wieder in verschiedenen asiatischen Sprachen beschriftete Restaurants, die entsprechende Kost bewerben (nehme ich an). Im Kurpark begegnen uns sogar Schilder, die ausschließlich Koreanisch beschriftet sind. Wir fühlen uns fast, als hätten wir eine Passivreise nach Asien angetreten.
Nein, ich sag das mal ganz ehrlich: In Interlaken habe ich zum ersten Mal in meinem Leben, außer negierend in politischen Debatten, das Wort „Überfremdung“ benutzt.
Ich weiß, ich weiß: dünnes Eis. Da könnten wir nun stundenlang drüber diskutieren, dass das mein Problem ist, meine mangelnde Weltgewandtheit. Dass westliche Touristenmassen in Agkor Wat und Co. mindestens genauso schlimm sind. Über unbewussten Alltagsrassismus. Und dass ich vielleicht überhaupt nicht fremdenfeindlich bin, sondern bloß allergisch gegen Menschenmassen, und deutsche Bierbäuche in Socken und Sandalen in dieser Anzahl als ebenso unangenehm empfände.
Aber das hier ist ein Reiseblog. Was ich in diesem Rahmen sagen will, ist lediglich: Als Urlauber muss man sich darauf gefasst machen, dass man sich den Ort mit extrem vielen Koreanern, Japanern, Chinesen und Thais teilen wird. Und dass dieses Phänomen sich bereits kräftig auf das Ortsbild ausgewirkt hat.
Warum so viele Asiaten in Interlaken sind
Eigentlich ist die Angelegenheit sehr interessant und bringt einen ins Grübeln. Natürlich lässt sich die Situation als Spiegelbild westlichen Tourismusverhaltens in anderen ach so ursprünglichen Urlaubsländern verstehen. Wie gesagt: weites Feld.
Später kommen wir mit der Rezeptionistin unseres Hostels ins Gespräch. Wir fragen sie, wie es überhaupt kommt, dass Interlaken bei asiatischen Touristen so hoch im Kurs steht. Die ganze Schweiz scheint bei ihnen beliebt. Aber in Interlaken erreicht der Trend seine Spitze.
„Die Jungfraubahn macht kräftig Werbung in Südkorea“, erklärt die Angestellte. Auch in Thailand und China glaubt man dank erfolgreichem Marketing offenbar fest daran, dass das Jungfraujoch und damit Interlaken eine der Topsehenswürdigkeiten Europas sind und mit Eiffelturm und Kolosseum auf einer Stufe stehen.
Eiger, Mönch und Jungfrau
Die drei großen Alpengipfel rund um Interlaken prägen das Panorama und den Ruf des kleinen Ortes als romantisches Reiseziel. Mit 4158 Metern ist die Jungfrau der höchste Berg der Trias (und der dritthöchste der Berner Alpen). In Sachen Höhe folgt der Mönch. Dann der Eiger, dessen Nordwand für manchen Krimi (und manches Drama) der Bergsteigergeschichte gesorgt hat.
Wir gucken uns den Zauber nur von unten an. Das ist spektakulär genug.
Wer über das nötige Kleingeld verfügt, nimmt die Jungfraubahn und fährt damit bequem aufs Jungfraujoch. Das kostet 210,80 Franken pro Erwachsenem ab Interlaken Ost. Also je nach Tageskurs knapp 200 Euro.
Bei ihrer Eröffnung 1912 war die elektrische Zahnradbahn eine Sensation. Auf knapp zehn Kilometern geht es fast 1400 Meter in die Höhe. Der Großteil der Strecke liegt im Tunnel. Inka von Blickgewinkelt hat vor einigen Jahren mal einen sehr authentischen Bericht darüber geschrieben. Tina und Manfred vom Urlaubsreise.blog geben darüber hinaus praxisorientierte Tipps für Wandermöglichkeiten und Sehenswürdigkeiten auf dem Jungfraujoch.
„Top of Europe“ lautet der Slogan der Jungfraubahn. Für die asiatischen Touristen ist sie absolute Pflichtnummer. „Ich empfehle eher das Schilthorn“, sagt unsere Rezeptionistin. „Von dort hat man einen herrlichen Ausblick auf Eiger, Mönch und Jungfrau. Und deutlich günstiger ist es auch.“
Da die Fahrt mit jener Seilbahn immer noch rund 100 Euro pro Person kostet (Kinder die Hälfte, mit Junior-Karte der SBB gratis), verzichten wir auch darauf. (Aber wer einen Erfahrungsbericht möchte: Inka war dort ebenfalls.)
Wanderung in Interlaken mit Kindern
Wir beschränken uns auf das, was von Interlaken aus gratis und bequem zu Fuß zu erreichen ist. Aber was ist in Interlaken ohne Auto erreichbar? Und wir haben nur einen einzigen Nachmittag in der Gegend. Also brauchen wir quasi ein Instant-Wandergebiet. Zum Glück liegt die perfekte Strecke direkt vor der Haustür.
Als Wanderkarten-App benutzen wir Osmand. Die funktioniert auch offline, wenn man sich das Kartenmaterial vorher runtergeladen hat. Sie zeigt uns den Weg vom Stadtzentrum ins Grüne. Am Ortsausgang kraxeln wir ein paar Höhenmeter empor und laufen eine gut ausgeschilderte Runde um den Kleinen Rugen. Der ist für Schweizer Verhältnisse wohl nicht einmal ein Hügel. Für unsere Zwecke reicht er bestens aus. „Der Ringweg“ führt uns zu ein paar interessanten Wegpunkten. Er ist Clara von Rappard gewidmet, einer Malerin des 19. Jahrhunderts aus Interlaken. Auf verschiedenen Infotafeln entlang des gerade einmal zwei Kilometer langen Rundweges lernen wir Wissenswertes über ihr Leben und über die Gegend zu ihrer Zeit.
Das Schönste: Kaum haben wir das wuselige Zentrum verlassen, umfängt uns die Schweizer Bergwelt (aus der Entfernung) mit wunderbarer Einsamkeit. Das Geschnatter der vielen jungen Backpacker verklingt. Auf den Waldwegen hören wir bloß Vogelgezwitscher und ab und zu Kuhglocken. Jawoll, so habe ich mir das vorgestellt!
Unser Fazit zu Interlaken mit Kind
Interlaken ist schon spannend, auch mit Kind.
Aber ganz ehrlich: Das benachbarte Thun ist viel, viel schöner. Und es hat gerade auch Kindern mehr zu bieten.
Übrigens: Meine Reiseblogger-Kollegin Alexandra von LevartWorld war in Interlaken mit ihrem Sohn. Die beiden haben Paragliding ausprobiert – ein Vergnügen, das hier fast so beliebt ist wie die Jungfraubahn.
Mehr Schweiz mit Kindern
Mehr Reiseberichte von unserem Backpacking-Trip durch die Schweiz mit Kind gibt es hier:
- AbenTEUER Schweiz: 2 Wochen Backpacking mit Kind zwischen Genfer See und Berner Oberland
- Genfer See: 6 Tipps für Lausanne mit Kind
- Genf low budget: Sightseeing mit Kind in der teuersten Stadt Europas
- Bern mit Kind: Einstein und Altstadt
- Schweizer Jugendherbergen: Unsere Übernachtung in Interlaken
- Interlaken: Zwischen Alpen und Asien
- Berner Oberland: Ausflug nach Thun mit Kind
- Sigriswil: Familien-Wandern über dem Thuner See
- Waadtländer Jura: Ausflug in die „kleinen Berge“
- Backpacking mit Kind in der Schweiz: Unsere Erfahrungen und Tipps
2019 haben wir die Schweiz erneut bereist. Diesmal war die ganze Familie dabei. Auch davon habe ich Reiseberichte geschrieben:
- Osterferien: Roadtrip zwischen Schwarzwald und Schweiz
- Tessin: Locarno mit Kindern (in der Jugendherberge)
- „Glamping“ in der Schweiz: Mobile Homes auf den TCS-Campingplätzen
- Schokoladenfabrik besichtigen: Unser Ausflug zu alprose in der Schweiz
- Bosco Gurin: Idylle im höchsten Dorf des Tessin
- Lugano mit Kind: Die größte Stadt des Tessin
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Oh mein Gott! 200 Euro für den Zug, 100 für die Seilbahn?? Ich fasse es nicht. Was Preise angeht, haben die Schweizer – sorry – nen Knall. :D
Die Asiaten sind mir übrigens damals wirklich ausschließlich auf der Jungfrau begegnet. Grundsätzlich kann ich damit gut leben, heute sind einfach viele Menschen sehr mobil. Ausschließlich fremdsprachige Schilder finde ich allerdings ebenfalls ziemlich seltsam. ;)
LG /inka
Sehr interessanter Bericht! Auf dem ominösen Schild steht (von oben nach unten) in Chinesisch, Koreanisch und Thailändisch „Zur Toilette“. Wobei ich allerdings nur das Chinesische wirklich lesen kann. Auf Chinesisch: „Waschen – Hand – Zimmer“. Für Westler gibt es bestimmt auch ein entsprechendes Zeichen in der Nähe.
Ich hab auch eben mal eine chinesische Kollegin gefragt: Die Schweiz ist sehr beliebt bei den Chinesen, vor allem Interlaken und Luzern. Aber sie glaubt nicht, dass sie für die Bahn so viel bezahlen. Wahrscheinlich gibt es einen guten Gruppendiscount.
LG
Ulrike
Ah, cool, vielen Dank für die Übersetzung, Ulrike!
Ob es ein WC-Schild in lateinischer Schrift gab, weiß ich leider gar nicht. Bestimmt. (Ich wollte grad „deutsches WC-Schild“ schreiben, was ja an sich schon absurd wäre, wenn man darüber nachdenkt ;) ).
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