Braucht man die Heritage Card für eine Irland-Rundreise? Lohnt sich das? Kommt drauf an, sage ich nach einem eingehenden persönlichen Test als Familie.
Was ist die irische Heritage Card und brauche ich die?
Die gute Nachricht zuerst: Viele, wenn nicht die meisten Sehenswürdigkeiten in Irland sind frei zugänglich. Malerisch verfallene Burgen und Klosterruinen, prähistorische Dolmen, Grabhügel und Steinkreise: Das ist Irland. Und das meiste davon könnt ihr euch gratis anschauen. In diesem Sinne: Niemand braucht die Heritage Card unbedingt. Ein erfüllter Irlandurlaub lässt sich auch prima ohne die kleine Plastikkarte verbringen, der euch Zugang zu ganz bestimmten Sehenswürdigkeiten auf der ganzen Insel ermöglicht.
Knapp 100 Sehenswürdigkeiten landesweit sind unter der Verwaltung des Office of Public Works (OPW). Diese Behörde kümmert sich um Unterhalt und Bewahrung des kulturellen Erbes in Staatsbesitz. Auch diese kosten nicht alle Eintritt. Aber etliche voll eingerichtete Herrenhäuser und andere historische Örtlichkeiten sind kostenpflichtig. Reisende können genau wie Einheimische die Heritage Card kaufen und dann ein Jahr lang all diese Sehenswürdigkeiten quasi gratis besichtigen.
Vorher müsst ihr die Heritage Card natürlich kaufen. Aber lohnt sich die Heritage Card für einen Irland-Urlaub?
Welche Sehenswürdigkeiten sind bei der Heritage Card inklusive?
Um aktuell 88 Sehenswürdigkeiten kümmert sich das OWP. Diese Sehenswürdigkeiten sind verteilt über gesamte irische Republik.
Update: Als ich den Artikel 2018 geschrieben habe, waren es noch fast genau hundert. Einige müssen über die Corona-Zeit irgendwie „verloren gegangen“ sein. Dafür sind alle Preise seit unserer Irlandreise damals genau gleich geblieben – bis auf Bru na Boinne, die kräftig erhöht haben.
Knapp die Hälfte davon sind frei zugänglich.
Es bleiben 45 Sehenswürdigkeiten, für die „normale“ Besuchende Eintritt zahlen müssen, wer die Heritage Card besitzt, jedoch nicht.
Eine vollständige Liste aller OPW-Sehenswürdigkeiten inklusive Eintrittespreisen gibt es hier: Dirket-Link zur pdf-Broschüre des OPW.
Wie viel kostet die Heritage Card?
Für Erwachsene kostet die Heritage Card 40 Euro, für Kinder ab zwölf Jahren 10 Euro (darunter frei). Familien (2+5 bis 18 Jahre) zahlen 90 Euro.
Die meisten kostenpflichtigen Attraktionen im Rahmen der Heritage Card haben Einheitspreise. Der größte Teil dieser Sehenswürdigkeiten (38, wenn ich richtig gezählt habe) entspricht der Kategorie D. In der zahlen Familien normalerweise 13 Euro Eintritt. Teurer sind nur wenige größere Burgen und Herrenhäuser sowie das Glanzstück des prähistorischen Irlands: Brú na Bóinne mit den begehbaren Grabhügeln Newgrange und Knowth.
Entsprechend könnt ihr euch ausrechnen, wie viele Besichtigungen ihr in eurem Urlaub durchziehen müsst, damit sich die Irish Heritage Card finanziell rentiert.
Wie funktioniert die Heritage Card in der Praxis?
Wer eine Heritage-Card erwerben möchte, kann das an den meisten (nicht allen!) historischen Stätten tun, die die Stiftung verwaltet. Eine Liste der Anbieter gibt es auf der Webseite von Irish Heritage.
Der Kauf ist eine Sache von wenigen Minuten. Die Karte ist dann für den Rest des Kalenderjahres gültig. Bei jedem weiteren Besuch in vom OPW verwalteten Sehenswürdigkeiten legt ihr eure Karte vor und bekommt dann kostenlos ein Ticket ausgehändigt.
Ein bisschen witzig ist, dass das elektronische Zeitalter in dieser Hinsicht auf der grünen Insel noch nicht angekommen ist. Sowohl bei der Ausgabe der Karte als auch bei jeder einzelnen Besichtigung ist Papierwirtschaft angesagt. Euch wird ein dickes Buch vorgelegt, in dem ihr Namen und Adresse (Land reicht, zumindest später bei den einzelnen Besichtigungen) eintragen sowie eine Unterschrift leisten müsst.
Angesprochen auf die Putzigkeit dieser Handhabung gab mir ein Mitarbeiter recht. Ihm zufolge werden die Bücher mehrere Jahre am Ort gelagert, ohne dass irgendwer noch mal reinguckt. Danach landen sie dann irgendwann in der Zentrale, wo mit Sicherheit auch niemand mehr reinguckt. Ich schätze mal, dass hauptsächlich die endgültige Besucherzahl pro Jahr interessiert, die dann einen Einfluss auf die Zuwendungen des OPW hat. Aber wer da Details der Verarbeitung persönlicher Daten wissen möchte, sollte sich auf der Homepage schlau lesen. Da habe ich mich nicht näher mit beschäftigt.
Welche Sehenswürdigkeiten der Heritage-Card lohnen sich überhaupt?
Das ist natürlich immer persönliche Geschmackssache. Eine Kunsthistorikerin wird hier anders antworten als eine Familie mit beschränktem Budget. Im Folgenden gebe ich meine persönliche Meinung wieder. (Und obwohl ich tatsächlich mal Geschichte studiert habe, gehöre ich definitiv eher ins zweitgenannte Lager. Deshalb bin ich wahrscheinlich kritischer als viele Irland-Reisende ohne Kinder, denen das Geld tendenziell lockerer sitzt.)
Wir haben 2018 folgende Sehenswürdigkeiten mit der Heritage Card besichtigt:
- Dublin Castle
- Donegal Castle
- Glenveagh Castle (Donegal)
- Dun Aengus (Aran Islands)
- Derrynane House (Ring of Kerry)
- Gallarus Oratory (Dingle)
- Muckross House (Killarney)
- Ceidhe Fields (Mayo)
- Sligo Abbey
- Carrowmore Megalithic Cemetery (Sligo)
- Charles Fort (Kinsale)
Bei fast jeder einzelnen Sehenswürdigkeit war ich hinterher froh, nicht die ansonsten erforderlichen 13 Euro Eintritt für uns als Familie ausgegeben zu haben. Obwohl wir so fleißig waren mit unseren Besichtigungen, haben wir umgerechnet immer noch gut 8 Euro pro Besuch bezahlt, statt der normalen 13. Bedenkt man, dass die Gallarus Oratory (in der es wirklich kaum etwas zu sehen gibt, objektiv betrachtet, immerhin handelt es sich um eine leere Kapelle) nur 3 Euro Eintritt kostet, und dass wir nicht immer vollzählig waren, ist die Bilanz noch trauriger.
Nett ist, dass man, wenn man die Heritage Card nun schon einmal hat, sorglos alles mögliche besichtigen kann, wenn gerade schlechtes Wetter ist.
Aber wie gesagt: Die meisten der Ausflugsziele, in denen wir waren, erschienen mir im Nachhinein eigentlich nicht besonders empfehlenswert. Die Sehenswürdigkeiten der obigen Liste, die ihre 13 Euro Eintritt für Familien wirklich wert sind, waren in meinen Augen
- Glenveagh Castle (sehr interessantes Dekor, spannende Geschichten)
- Dun Aengus (allein schon, weil es die Sehenswürdigkeit auf den Aran-Inseln ist)
- Ceide Fields (schöne Ausstellung und sehr, sehr spannende Führung – aber ich bin auch ausgemachter Fan des Neolithikums)
Und Brú na Bóinne ist auch bewegend! Da waren wir allerdings schon 2010, damals ohne Heritage Card. Heute zahlt eine Familie dort 48 Euro für das volle Programm. Wer diesen lohnenswerten Besuch einplant, hat die Kosten für die gesamte Angelegenheit natürlich eher raus.
Die allermeisten anderen Ziele aus der Liste hat man – jedenfalls mit Kindern – in weniger als einer Stunde abgefrühstückt. Das heißt natürlich nicht, dass sich ein Besuch nicht lohnt. Aber ihr solltet nicht zu viel erwarten.
Gute Gründe für die Heritage Card im Irland-Urlaub
Demnach lohnt sich die Heritage Card für eine Irlandrundreise eigentlich nicht.
Ich sehe das allerdings gerne auch noch aus einem anderen Blickwinkel. Die Einnahmen aus dem Kauf der Heritage Card tragen zum Unterhalt der Sehenswürdigkeiten und damit des kulturellen Erbes Irlands bei. Gleiches gilt natürlich auch für die Eintrittsgelder, die direkt bezahlt werden. Mit der Heritage Card im Zweifelsfall ein bisschen zu „überzahlen“, erhöht aber höchstens eure kulturellen Karmapunkte.
Insofern bin ich froh und glücklich, dass wir uns die Heritage Card für unseren Irland-Urlaub gekauft haben. Wir haben Irland etwas Gutes getan und die Karte hat uns motiviert, mehr Sehenswürdigkeiten anzuschauen, als wir es sonst wahrscheinlich getan hätten.
Unser Fazit: Lohnt sich die Heritage-Card jetzt oder nicht?
Man könnte es so sehen: Für das Geld, das ihr für die Heritage Card ausgebt, erwerbt ihrdas angenehme Gefühl kultureller Freizügigkeit. An vielen Orten könnt ihr dann spontan historische Stätten besichtigen und euren Horizont erweitern mit Angelegenheiten, für die ihr sonst wahrscheinlich kein Geld ausgegeben hättet. Das kann durchaus eine tolle Chance auf kulturelle Zufallsbekanntschaften mit Themen sein, von denen ihr gar nicht wusstet, wie spannend sie sind. Und zusätzlich stellt sich die Zufriedenheit ein, etwas Gutes getan, sinnvolle Projekte unterstützt zu haben.
Familien, die im ohnehin schon nie spuckebilligen Irland-Urlaub rechnen müssen, weil ihnen das Geld nicht so locker sitzt, sollten aber vielleicht doch besser durchkalkulieren: Was interessiert uns wirklich? Wie viele Besichtigungen sind realistisch zu schaffen? Welche Möglichkeiten gibt es überhaupt in der Region, die wir bereisen?
Außerdem solltet ihr aufpassen, nicht in eine Art Sammel-Wahn zu verfallen und eure Urlaubstage nur noch mit möglichst vielen Heritage-Card-Zielen zu füllen, damit die sich rentiert. Denn wie gesagt: Die schönsten Sehenswürdigkeiten Irlands sind gratis! Was bringt es, möglichst viele Burgen abzufrühstücken, wenn eine Wanderung durch die herrliche Natur völlig kostenlos ist und immer neue Anblicke liefert?
Wenn man es rein finanziell sieht, lautet die Antwort auf die Ausgangsfrage wohl in den meisten Fällen: Nein, die Heritage Card lohnt sich für deutsche Touristen eigentlich nicht.
Mehr Tipps für den Irland-Urlaub (mit Kindern)
Hier im Blog gibt es über 30 Berichte, die im Rahmen unserer Recherche-Reise 2018 für unseren Reiseführer (siehe unten) entstanden sind. Eine kleine Auswahl:
- Unser Irland-Sommer: 6 Wochen auf dem Wild Atlantic Way mit Kind und Teen
- Die 5 schönsten Herrenhäuser in Irland: Von Donegal bis Cork
- Einmal rund um Dingle: Ein perfekter Tag (mit Kindern)
- Westport House mit Pirate Adventure Park: Lohnt sich ein Besuch?
- Connemara: Lohnt sich ein Besuch in Kylemore Abbey?
Alle unsere Erfahrungsberichte im Überblick samt Kartenansicht gibt dieser Artikel:
Irland mit Kindern: Tipps und Erfahrungen für den Familienurlaub
Werbung: Unser Irland-Reiseführer für Familien
Das greifbare Produkt unseres Herzblut-Projektes ist der Reiseführer „Irland mit Kindern“, den ich zusammen mit Stefanie Holtkamp geschrieben habe.
Er beinhaltet 60 kindertaugliche Wandertouren entlang der irischen Westküste sowie viele familienfreundliche Ausflugsziele, alle von uns persönlich ausprobiert. Bestellen lässt er sich hier bei Amazon*, aber auch in jeder anständigen Buchhandlung.
Transparenz-Hinweis: Als Geschichts-Enthusiastin habe ich unsere Heritage Cards diesmal tatsächlich komplett aus eigener Tasche bezahlt, obwohl ich vermutlich auch eine Journalisten-Mitgliedschaft hätte kriegen können. Da ich den Großteil der Recherchezeit allein mit den Jungs unterwegs war, hatten wir eine Erwachsenen- und eine Schülerkarte. (Silas war noch keine zwölf.) Als mein Mann dann für zwei Wochen mit von der Partie war, habe ich ein paar Mal doch für uns alle den Joker mit Presse-Ausweis gespielt (was ja wohl legitim ist, wenn man für einen Reiseführer recherchiert und deshalb notgedrungen eine sehr viel höhere Besichtigungs-Schlagzahl hat als privat). Für diesen Artikel habe ich mit einer „normalen“ Familie gerechnet, die eine Familienkarte besitzt. Ob ich selber bezahle oder als Bloggerin/Journalistin/Reiseführerautorin freien Eintritt bekomme, hat keine Auswirkungen auf meine Meinung.
Für Card-Liebhaber hier ein Tipp, der uns letztes Jahr in zwei Wochen ganz viele Türen in den Niederlanden geöffnet hat: die Museumkaart. Etwa 60 Euro für Erwachsene, etwa 33 für Kinder (ab 4 Jahren sinnvoll, da man bei vielen Sachen ab diesem Alter Eintritt bezahlen muss). Dafür kann man als Niederländer oder permanent dort Wohnender ein Jahr lang, als Tourist 4 Wochen lang wahnsinnig viele und oft ansonsten auch sehr teure Museen besuchen, die sich über die ganzen Niederlande verteilen. Allein in Amsterdam beispielsweise das NEMO, das Anne Frank Haus, das wirklich empfehlenswerte Schiffahrtsmuseum, das Eye Film Institut, das Rembrandthaus, das Rijksmuseum, … weitere Highlights für uns waren die Dampflokfahrt von Hoorn nach Medemblik, die Weiterfahrt mit dem alten Dampfschiff nach Enkhuizen und das dortige Freiluftmuseum sowie das Freilichtmuseum in Arnheim. Vieles hätte für Erwachsene zwischen 10 und 20 Euro Eintritt gekostet. Wir waren im April 2018 mit einem 3- und einem 6-Jährigen unterwegs, der Kleine musste nirgends bezahlen. 2020 wollen wir noch einmal hin und weitere Highlights erkunden. Der Pauschalbetrag ist zwar nicht ganz niedrig, hat sich bei unserem zweiwöchigen Aufenthalt aber bereits ausgezahlt. Außerdem finde ich es mit Kindern sehr angenehm, notfalls eine Ausstellung auch rasch wieder verlassen und gegebenenfalls ein weiteres Mal besuchen zu können und dabei keine finaziellen Pleiten zu erleben. Wir können die Karte auf jeden Fall empfehlen, ebenso wie die Niederlande als Reiseland für Familien, denn wir haben es dort als äußerst kinderfreundlich erlebt.
Ein interessanter Artikel. Zurzeit planen wir zwar keinen Urlaub für Irland, sollten wir es uns aber doch einmal auf die Fahne schreiben, denke ich an deine Zeilen zurück und werde noch einmal genauer hineinschnuppern.
Ja, es ist immer gut, sowas im Hinterkopf und schon mal davon gehört zu haben, finde ich.
Eine kleine Anekdote:
wir kamen kurz vor Besichtigungsschluss in einer alten Abtei an. Die freundliche Dame an der Kasse sagte uns: Das lohnt wohl nicht mehr, wir schließen gleich. Wir legten unsere Heritage-Karten vor und sie sagte: Ach, Sie sind Mitglieder. Dann kommen Sie gerne herein, aber bitte machen Sie nachher die Tür hinter sich zu.
Haha, ja, das klingt sehr nach Irland! :) Danke fürs Teilen!