Kilmartin Glen gilt als eine Wiege Schottlands. Hier ist die Dichte an prähistorischen Sehenswürdigkeiten so hoch wie an wenigen anderen Stellen Großbritanniens. Eine ganze Reihe Steinkreise, Großsteingräber und Monolithen liegen hier nah beieinander. Sie lassen sich auf einem kurzen Spaziergang durch das Tal verbinden. Ihre Geschichte erzählt das Kilmartin Museum. Hier befindet sich auch unser liebstes Café in ganz Schottland.
Aktuelle Besucher-Infos für Kilmartin Glen
Unseren ursprünglichen Erfahrungsbericht habe ich im Jahr 2013 geschrieben. Ihr findet ihn originalgetreu im Folgenden. Die Gegebenheiten im Gelände waren auch bei unseren Besuchen 2017 und 2018 noch genauso. Eine detaillierte Wegbeschreibung mit etlichen Hintergrund-Infos befindet sich in unserem Familien-Reiseführer „Schottland mit Kindern„*, den wir zwischenzeitlich veröffentlicht haben.
Das Kilmartin Museum ist allerdings aktuell und noch bis 2023 geschlossen. Es wird von Grund auf renoviert und bekommt ein neues Konzept. Wir sind sehr gespannt! Die Fortschritte lassen sich auf der Webseite des Museums verfolgen. (Dort gibt es auch eine schöne „Unterrichtseinheit“ zum Download, die eigentlich für UK-Homeschooling während des Corona-Lockdowns gedacht ist, mit etwas Vorbereitungszeit aber bestimmt auch deutschen Familien einen tollen Zugang zu den prähistorischen Sehenswürdigkeiten ermöglicht.)
Leider betrifft die Schließung vorerst auch das Café. Ab dem Sommer (und nach Corona) soll es aber zumindest wieder Außengastronomie geben.
Die Steinkreise, Grabhügel und Monolithen sind nach wie vor zugänglich. Der Eintritt ist frei. Wer nicht Mitglied im National Trust ist, muss für das Parken bezahlen.
Aus meinem Reisetagebuch…
Der heutige Tag steht für uns ganz im Zeichen der schottischen Frühgeschichte. Wir fahren ein paar Kilometer nach Kilmartin. Das Tal nennt sich gern die Wiege Schottlands. Unzählige Funde aus prähistorischen Zeiten untermauern diesen Ruf. Seit mehr als 5000 Jahren haben die Menschen hier beeindruckende Spuren hinterlassen: Monolithen, Grabhügel, Steinkreise, Felsritzungen. Das Kilmartin Museum gibt einen guten Überblick. Es erzählt von den Lebensumständen der Menschen, die das als heilig verehrte Tal bevölkerten.
Kilmartin Museum für Familien
Gerade für Familien ist das Museum ideal. Groß ist es nicht. In den vier Räumen haben sich die Macher jedoch viel Mühe gegeben, das Beste aus den bescheidenen Platzverhältnissen zu machen. Kinder können auf steinzeitliche Weise Mehl mahlen, sich kreativ mit den Felsenbildern auseinandersetzen und mit Steinen Musik machen. An mehreren Hörstationen klingen auf Knopfdruck frühzeitliche Instrumente aus den Kopfhörern.
Ein Haufen wirklich interessanter Funde ist zu sehen. Das Hauptaugenmerk aber liegt auf der Vermittlung der alltäglichen Lebenswelt der vorzeitlichen Siedler im Wandel der Zeit – soweit sie sich rekonstruieren lässt. „Wo sonst gibt es ein Museum, in dem der Besucher Grabfunde in der Vitrine betrachtet und nur aus dem Fenster schauen muss, um den Hügel zu sehen, aus dem sie stammen?“, heißt es – frei übersetzt – in der Broschüre des Museums. Und in der Tat hat die Ausstellung mitten im Fundgebiet einen großen Reiz.
Die Geschichte eines „heiligen Tals“
Wir lernen, wie sich die zahlreichen Hinterlassenschaften in der Landschaft zeitlich einordnen lassen. So sind die ersten markanten Bauwerke der Menschen die bis zu 7000 Jahre alten Ganggräber, in denen Verstorbene in mehreren Kammern beigesetzt wurden.
Die berühmten Steinkreise tauchten erst auf, als die Siedler begannen, Korn zu säen und zu ernten. Bestattet wurde weiterhin in den alten Ganggräbern.
Rund tausend Jahre später gerieten die Steinkreise langsam wieder außer Mode. Mit Steinen bedeckte Grabhügel, so genannte Cairns, waren der neue Trend. Man bestattete Urnen in Kisten aus Steinplatten und überhäufte diese mit Wackersteinen. Vielleicht war es ein Menschenschlag mit Hang zur Tradition oder Bewusstsein für nachhaltige Nutzung, der eine solche Steinkiste in der Mitte des alten Steinkreises platzierte und dann nicht nur die Urnenkiste, sondern gleich auch den alten Ritualplatz mit Steinen bedeckte.
Modernes Pilgerziel
Mittlerweile ist der Steinkreis wieder ausgebuddelt. Alles, was dabei zum Vorschein kam, ist heute im Museum zu sehen.
Dass der gekieste Kreis wieder Ziel zahlreicher Sinnsucher geworden ist, können wir live erleben. Als wir die prähistorische Stätte erkunden, trifft eine Gruppe älterer Frauen und einiger weniger Männer ein. Eine der Frauen ist mir schon im Museum durch ihre enthusiastisch vorgetragenen Schlussfolgerungen von arg zweifelhaftem historischen Wert aufgefallen.
Aus ihrer Westentasche holt sie ein Bündel Pendel hervor und verteilt sie an ihre Mitreisenden. Eifrig schwingt man nun Metallscheiben über diversen Steinen hin und her, um „Energiebahnen“ festzustellen. Eine Dame streckt sich rücklings auf dem holperigen Untergrund aus. Eine andere umarmt mit leerem Blick einen stehenden Stein.
Kinder in alten Gräbern
„Was machen diese Leute da?“ fragt Janis, der sich schon immer gern Gedanken über Gott und die Welt gemacht hat.
Ich erkläre es ihm, und er runzelt die Stirn.
„Vielleicht hast du ja auch das Gefühl, dass das hier ein heiliger Ort ist?“ frage ich suggestiv.
„Nö“, sagt er und zuckt die Schultern.
„Für mich ist das nur eine Sehenswürdigkeit“, ergänzt Silas und klettert im zweiten Steinkreis nebenan pietätlos in die Steinkiste. Die hat im Mittelpunkt etliche Jahrhunderte nach Errichtung des Kreises als Urnengrab gedient.
Ich informiere ihn darüber, dass er sozusagen gerade Hausfriedensbruch bei Verstorbenen begeht. „Findest du den Gedanken gar nicht gruselig, dass du da in einem Grab hockst?“ frage ich ungläubig.
„Nö, warum sollte ich?“ fragt Silas zurück. „Mich stört das nicht. Und wenn es die Toten stört, können sie sich ja beschweren.“
Janis hält kurz inne, als würde er auf Funksprüche aus der Geisterwelt lauschen. Dann verkündet er: „Die Toten sind hier schon viel zu lange tot, die stört nichts mehr. Und heilig finde ich hier auch nichts. Können wir jetzt picknicken?“
Ich verzichte darauf, den Pendeljüngern diese niederschmetternde Botschaft meines Nachwuchs-Mediums zu übersetzen. Stattdessen ziehen wir uns auf einen breiten Baumstumpf zurück und packen unsere Sandwichs aus.
Kilmartin Museum Café
Zwei Steinhügelgräber und fünf Monolithen später kehren wir zum Museum zurück und ergattern einen Tisch in dem wunderbaren Café, das im Nachbarhaus dazugehört. Die Preise sind hoch, aber dafür ist hier alles bio und fair. Der Gewinn kommt dem Museum zugute. Wir sitzen auf individuell gezimmerten Stühlen im Wintergarten und blicken auf den Grabhügel, um den herum die Kühe grasen. Der Möhrenkuchen ist himmlisch. Wir atmen tief durch und sind mal wieder hochzufrieden mit unserem Leben.
Diesen Eintrag meines Reisetagebuchs habe ich am 21. August 2013 verfasst.
Kilmartin Church
Wer die prähistorischen Sehenswürdigkeiten schon kennt und noch Zeit übrig hat, sollte unbedingt auch einen Blick auf Kilmartins Kirche und Friedhof werfen! Im Inneren des recht unscheinbaren Gotteshauses befinden sich zwei alte Hochkreuze aus dem frühen Mittelalter (9. und 10. Jahrhundert).
Auf dem Friedhof sammeln sich elaborierte Grabplatten. Sie stammen aus späteren Jahrhunderten, sind aber nicht weniger sehenswert.
Der Eintritt ist frei.
Mehr über Schottland mit Kindern
In meinem alten Reisetagebuch geht es mit diesem Eintrag weiter, schon auf dem Rückweg in Tynemouth, Nordengland: Schottische Klöße, eine Stadt im Sand und ein blutroter Mond.
Alle Schottland-Artikel, vor allem auch die aktuelleren mit mehr echten Infos, habe ich hier aufgelistet und verlinkt:
Schottland mit Kindern: Unsere gesammelten Erfahrungen
Dort gibt es auch eine Karte, auf der die mehr als 30 Orte eingetragen sind, über die ich bereits gebloggt habe.
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Hi! Kilmartin ist für unsere Schottlandreise gesetzt. Danke für die Inspiration. Nur eine halbe Stunde von unserer Unterkunft – und ein Steinkreis muss ja. Der Link zu Stonehenge funktioniert übrigens nicht.
Grüße von Sabine