Lübeck ist für mich eine der schönsten Städte in Deutschland. Die gemütliche Hansestadt hat die perfekte Größe für einen Tagesausflug oder einen Städtetrip mit Kindern. Auch mit kleinen Kindern (und natürlich genauso mit großen) ist sie immer eine Reise wert. Das hier ist unser Erfahrungsbericht von unserem ersten richtigen Ausflug nach Lübeck mit Kindern.
Ausflug nach Lübeck im Winter
Klar, im Sommer ist alles schöner. Unser erster Besuch in Lübeck fällt aber leider in den Winter. Schnee liegt nicht – das passiert hier oben selten. Aber kalt ist es. Schon auf dem Weg vom Parkhaus bis zum Holstentor frieren meine kleinen Zehen ein.
„Tja, so ist das im Norden“, sagt Philip Kroll vom Lübecker Stadtmarketing. Er strahlt, als er mir (Stichwort „Blogger Relations“) eine Tasche mit allerlei Info-Material überreicht. Ihm haben wir es zu verdanken, dass wir die vielleicht glamouröseste aller Hansestädte heute mit einer Stadtführung erleben dürfen. Wir sind als vierköpfige Familie mit zwei Jungs im Grundschulalter unterwegs. Eine normale Stadtführung mit Kindern? Wir wollen es mal ausprobieren.
Mit Dietmar durch Lübeck
Und schon geht es los. „Ich bin Dietmar“, stellt sich unser Stadtführer vor und geizt dabei nicht mit nordischem Slang. „Wenn ihr Fragen habt, dann haut einfach dazwischen!“
Aber dann erzählt er selbst so viel und so lebendig, dass eigentlich kaum Wünsche offen bleiben.
Wir starten am Holstentor, das mindestens so schief steht wie der berühmte Turm von Pisa. Das liegt am morastigen Untergrund, erfahren wir. Und vor allem daran, dass die Wände des Tores auf der Außenseite dreimal so dick sind wie auf der der Stadt zugewandten Seite.
„Klar“, flüstert Silas mir zu. „Wegen den Kanonen und so.“
Und er hat recht! Lübeck ist wie eine Schildkröte, sagt Dietmar: ein Inselhügel, der von der Trave umflossen wird.
Lübeck: reich, uneinnehmbar und gewichtig
Die einmalige Lage war es, die Lübeck rasch zur viel zitierten „Königin der Hanse“ werden ließ. Sie verbindet die deutschen Handelsstädte mit der Ostsee, Skandinavien und den baltischen Gebieten. Und sie erweist sich als uneinnehmbar durch die natürliche Befestigung.
Lübecks Handelsgut entstammte hauptsächlich den Salinen des benachbarten Lüneburgs. Mit Salz ließen sich unschätzbare Vermögen verdienen damals. So platzte die Stadt bald aus allen Nähten vor Wohlstand. Als oberste Gerichtsbarkeit nahm sie eine Sonderrolle unter den Hansestädten ein. Während ihrer Glanzzeiten zählten fast 300 Hafen- und Binnenstädte in ganz Europa dazu.
Update: Die Geschiche der Hanse lässt sich in Lübeck gerade mit Kindern (aber auch ohne) wunderbar im Hansemuseum nacherleben. Für uns ist es eines der besten Museen in Deutschland! Ein ausführlicher Erfahrungsbericht steht hier:
Museums-Tipp: Das Europäische Hansemuseum Lübeck
Lübecks „Geheimgänge“
Wer im Wohlstand lebt, lockt Neider an. Sich vor den Toren außerhalb der Trave-Insel anzusiedeln, schien zu Hansezeiten keine gute Idee. Folglich stapelte man sich irgendwann, wie Dietmar anschaulich erzählt.
Die Innenhöfe wurden zugebaut, und in den Hinterhäusern lebten arme Witwen und Konsorten. Im Gegenzug hatten sie für die Herrschaften im Vorderhaus zu beten.
In regelmäßigen Abständen nämlich grassierten Pest und Cholera. Diese und andere Seuchen sorgten dafür, dass die Einwohnerzahl von 25.000 bis in die Neuzeit nicht überschritten wurde.
Die Folge für das heutige Stadtbild sind die vielen abenteuerlichen Durchgänge, die in ein Gewirr von Gässlein und Hinterhöfen führen. Die Jungs sind begeistert von diesen „Geheimgängen“. Später erkunden wir noch eine ganze Reihe von denen auf eigene Faust.
Geschichte und Geschichten im Lübecker Rathaus
Jetzt aber nimmt uns Dietmar erst einmal mit in das alte Rathaus. Äußerst nobel und schick ist es, wenn auch – wie in solchen Gebäuden üblich – ein wilder Mix an Stilen und Epochen.
Wir lernen, was es mit den glasierten Ziegeln auf sich hat. Die dienten hauptsächlich zu Protz-Zwecken. Denn für die Glasur war eine Menge Salz nötig. Die zu verschwenden konnte Lübeck sich leisten.
Und wir hören nicht nur Geschichte, sondern auch Geschichten. Das ist es, was mir gute Stadtführungen so sympathisch macht: Man erfährt mehr als die schnöden Fakten aus dem Reiseführer, und zwar mundgerecht präsentiert.
Dass der Teufel persönlich beim Bau der Marienkirche mitgeholfen hat und was dabei passiert ist, kann ich zwar auch im Internet erfahren. Aber wenn ich mich nicht akribisch auf den Städtetrip vorbereite, entgeht mir diese hübsche Sage ohne Dietmars Begleitung.
Stadtführung durch Lübeck mit Kindern
Im alten Sitzungssaal lassen sich die Jungs auf das geschichtsträchtige Ratsgestühl fallen.
„Ihr haltet aber gut durch“, lobt unser Stadtführer sie.
Außer unserem Sieben- und Neunjährigen laufen noch zwei wenig ältere Mädchen mit, die ebenfalls einen interessierten Eindruck machen.
Im Sommer gibt es extra Stadtführungen für Kinder. Aber jetzt zur außersaisonalen Un-Zeit müssen sie mit durch das Erwachsenen-Programm.
Kaffeetrinken im Café Niederegger
„Fandet ihr es denn trotzdem nett?“, frage ich meine Jungs, als wir wenig später im Café Niederegger sitzen.
„Klar“, antworten beide ohne Zögern.
Sie wollen die Formalitäten hinter sich bringen, denn an der Kuchentheke lockt eine schier unglaubliche Auswahl an Torten mit und ohne Marzipan. Niederegger ist ein Muss. Das hat uns auch Dietmar noch eingeschärft, bevor er uns wieder in die kalten Straßen entlassen hat. Das haben wir gerne als Ausrede benutzt, um gleich schräg gegenüber des Rathauses durch den Marzipan-Laden in den ersten Stock zu stürmen.
Die süße Masse gehört mindestens ebenso untrennbar zu Lübeck gehört wie das Holstentor. Sie ist auf der Speisekarte omnipräsent: Marzipan-Tee, Marzipan-Cappuccino, heiße Schokolade mit Marzipan-Aroma. Letztere ist ganz schön süß, geben selbst meine Schleckermäulchen zu. Aber der Cappuccino ist großartig!
Und mit vereinten Kräften bewältigen wir sogar die dicken Tortenstücke. Die Mohrenkopftorte wählen wir einstimmig zum Favoriten.
„Superlecker! Aber mehr als ein Stück braucht man nicht“, antwortet Martin auf die Frage der Bedienung, ob es denn geschmeckt habe.
„Och“, sagt die schlanke junge Frau mit süffisantem Lächeln. „Ich schaff zwei.“
Jetzt wissen wir auch, warum sie uns bei der Auswahl so kompetent beraten konnte.
Das Niederegger Marzipan-Museum
Das Marzipan-Abenteuer ist damit aber noch nicht zu Ende. Vom Café aus führt eine etwas versteckte Treppe hinauf in ein kleines, kostenloses Museum.
Der „Marzipan-Salon“ ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich ein Thema selbst auf kleinem Raum und mit wenigen Ausstellungsstücken hervorragend darstellen lässt. Zumindest dieses Thema.
Es ist etwas mühsam, den Basistext über die geografische Ausbreitung der Spezialität auf der mit Mandeln gefüllten Plexiglaswand zu entziffern. – Aber das ist auch schon mein einziger Kritikpunkt an der gründlichen kleinen Ausstellung.
Besonders fasziniert sind wir alle vier von der Versammlung lebensgroßer Marzipangestalten. Die Zeitgenossen stellen den Werdegang der Süßigkeit auf dem europäischen Kontinent dar. Da ist der Perser, in dessen Heimatland die Mixtur aus Mandeln, Honig (später Zucker) und Rosenwasser erfunden wurde. Eine Nonne steht für die Überlieferung der Rezeptur in Klöstern.
Der Apotheker und sein Mörser verkörpern die Herstellung der Masse, die als Kräftigungsmittel unter die Leute gebracht wurde. Bis ins 18. Jahrhundert besaß seine Zunft das Monopol. Kaiser Karl IV. (ebenfalls anwesend in der illustren Runde) bekräftigte das gesetzlich. Luise Charlotte, Mutter des russischen Zaren, war ebenso versessen auf die damalige Trend-Nascherei wie der gesamte Hochadel. Hervor stach mit ihrer Unsitte, sie sich allmorgendlich in den Kaffee zu stippen.
Johann Georg Niederegger, Namensgeber der heutigen Marke, nimmt das neben ihr mit stoischer Miene zur Kenntnis. Er war gar kein Lübecker, wie uns Dietmar schon auf der Stadtführung verraten hat, sondern „Ausländer“: Er stammte aus Ulm. 1806 übernahm er hier eine Konditorei. Damit legte er den Grundstein für den Firmenerfolg. Heute produziert Niederegger bis zu 30 Tonnen Marzipan pro Tag.
Die Jungs bestaunen inzwischen die versammelten Wahrzeichen Lübecks, ebenfalls hergestellt aus der süßen Knetmasse.
„Geht lieber einen Schritt zurück!“, ermahne ich sie.
Keine Glasscheibe, kein Absperrband. – Ich sehe Silas schon als Naturkatastrophe in die bunte Miniatur-Szenerie poltern.
„Wollt ihr mal herkommen und probieren?“
Die Dame hinter der Theke der Schau-Konfiserie entschärft die Situation, indem sie den Kindern ein Schmankerl hinüberreicht. Sie zeigt, wie filigran sich mit dem Werkstoff Marzipan arbeiten lässt.
Die Berufswahl ist geklärt
Eine Broschüre wirbt für den Ausbildungsberuf der „Fachkraft für Süßwarentechnik-Konfekt“.
„Das will ich mal werden!“, beschließt Janis.
„Dann musst du aber nach Lübeck ziehen“, wende ich ein.
„Macht doch nichts“, sagt er. „Ist doch eine schöne Stadt.“
Silas sieht goldenen Zeiten entgegen: „Und wir kommen dich dann immer besuchen und essen, was du in der Zwischenzeit hergestellt hast.“
Gut, dann wäre das auch geklärt.
Unser Fazit: Lübeck mit Kindern
Zurück im Auto ziehen wir die Bilanz unserer Hansestadt-Stippvisite.
Am besten fanden die Jungs die Torte. Das ist klar.
Aber wie war das denn nun mit der Stadtführung?
„Es war auf jeden Fall gut, dass wir die gemacht haben“, urteilt Janis. „Sonst hätten wir ja viel weniger über die Stadt gewusst.“
Silas ergänzt: „Sonst hätten wir nie erfahren, dass diese Kerben da an der Säule am Marktplatz von einem Pranger sind!“
Nee, weil wir sie nicht mal bemerkt hätten.
Von der überwältigenden Renaissance-Schnitzkunst an der Tür zum Gerichtssaal im Rathaus und von den typischen Grundrissen der Handelskontore sagen sie natürlich kein Wort. Gegen Spuren eines mittelalterlichen Schandpfahls können solche Lappalien bei Jungs im Grundschulalter wohl nicht mithalten.
Aber schön, dass auch dieses Detail mal gewürdigt wird, nehme ich an.
Praktische Infos für Lübeck mit Kindern
Termine und Zeiten für Lübecker Stadtführungen variieren je nach Saison. Ganzjährig gibt es aber mindestens samstags und sonntags eine um 11 Uhr. Spezielle Kinder-Stadtführungen starten im Mai und Juni am ersten Samstag des Monats um 14 Uhr, im Juli und August an jedem Samstag zur selben Zeit (sofern mindestens vier Kinder zusammenkommen). Treffpunkt ist jeweils das Welcome Center am Holstentor. (Update: Vieles hat sich seit unserer Tour damals geändert. Familien sollten unbedingt online nachschauen, bevor sie planen.)
Das Niederegger Café mit dem kostenlos zugänglichen Marzipan-Salon befindet sich in der Breiten Straße 89. Im Erdgeschoss ist der große Marken-Shop. Er muss durchquert werden, ebenso wie das Café im ersten Stock. [Update 2023: Möglicherweise existiert das Marzipan-Museum nicht mehr. Der Link, den ich hier gesetzt hatte, führt ins Leere und auf der Niederegger-Homepage gibt es keinen Hinweis mehr darauf. Wir werden das bei nächster Gelegenheit überprüfen…]
Noch ein Tipp für Lübeck mit Kindern
Von einem weiteren Zwischenstopp an einem ausgemachten Regentag haben wir einen Supertipp für Lübeck mit Kindern (und ohne) mitgebracht: das Hansemuseum. Hier geht es zum ausführlichen Erfahrungsbericht: Europäisches Hansemuseum Lübeck.
Mehr Städtetrips mit Kindern
Hier im Reiseblog family4travel haben sich im Laufe der Jahre eine Menge Erfahrungsberichte aus erster Hand angesammelt. Städtetrips in Deutschland habe ich in folgenden drei Übersichtsartikeln gesammelt, die jeweils auf Detail-Berichte verlinken:
- #cities4family: Städtetrips mit Kindern in Niedersachsen
- Kurzurlaub in Deutschland: Die 20 schönsten Städtetrips mit Kindern
- Kleinstadtperlen: 24 alternative Städtetrips mit Kindern
Insgesamt habe ich in Deutschland über fast 200 Reise- und Ausflugsziele geschrieben. Die komplette Übersicht inklusive Kartenansicht gibt es hier:
Familienurlaub in Deutschland: Unsere geballten Tipps
Transparenzhinweis: Die Stadtführung war für uns dank der Vermittlung von Lübeck und Travemünde Marketing kostenlos. Unsere Begeisterung ist trotzdem echt. :)
Ich liebe Lübeck! Die Stadt ist eine meiner deutschen Lieblingsstädte und leider war ich jetzt schon lange nicht mehr da. Mit deinem Bericht war es nun ein bißchen so, als wäre ich selber durch die schöne Stadt spaziert! Danke!
Ja, ich finde Lübeck auch ganz bezaubernd. Wohin ich den Award „Lieblingsstadt“ verleihen müsste, kann ich gar nicht sagen. Da gäbe es viele Anwärter, z.B. auch Göttingen, Hameln, Rostock, Goslar, Osnabrück und Lüneburg (das sind die, die mir jetzt ganz spontan dazu einfallen). Aber ja, Lübeck spielt definitiv in derselben Liga.
Freut mich, wenn ich ein paar schöne Erinnerungen wecken konnte. :)
Lübeck fand ich bei einem Besuch auch wunderschön, leider zu Vor-KInder-Zeiten.
Aber du hast mir richtig Lust gemacht, das auf die „must-see“-Liste zu setzen und auch mal wieder in den Norden zu fahren.
Es ist auch für Kinder eine tolle Stadt, und es wird auch einiges geboten, wenn man nicht gerade im Spätherbst auf der Matte steht.
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Lübeck ist eine traumhafte Stadt und immer eine Reise wert.