[Reiseblogger-Kooperation] Merseburg? Das ist doch die Stadt mit den Zaubersprüchen, lautet mein erster Gedanke. Ansonsten weiß ich fast nichts über die Kleinstadt in Sachsen-Anhalt (und nicht einmal das weiß ich, sondern glaube bis kurz vor der Abfahrt, dass wir nach Sachsen fahren). Erst vor Ort, zwischen alten Gemäuern und hübsch renovierten Fassaden, lerne ich Merseburg kennen – und ich mag die historische kleine Stadt, die sich ideal an einem einzigen Tag erkunden lässt.
Dies ist Teil 2 unserer Mini-Serie über die drei Residenzstädte Weißenfels, Merseburg und Zeitz, die wir am ersten Maiwochenende erkundet haben.
Der erste Eindruck täuscht
Es ist längst dunkel, als wir nach langer, stressiger Fahrt endlich in Merseburg ankommen. Und wie tags drauf in Weißenfels ist unser erster Eindruck nicht gerade bombastisch. Industrie, hässliche Neubauten.
Wir schlafen im BestWestern Hotel in Merseburg. Das liegt direkt an einer Straßenkreuzung und neben einer Bahnunterführung.
Egal jetzt. Mir ist auch wurscht, wie die Zimmer aussehen. Ich will nur noch ins Bett.
Unsere Hotel-Empfehlung für Merseburg
Aber Merseburg hat seine erste positive Überraschung noch für heute geplant.
Das Best Western habe ich in in vager Erinnerung an das Holiday Inn in Köln-Troisdorf in die mentale Kategorie „halt so ’ne Hotelkette, wo man abends ins Bett fallen kann und morgens irgendwie satt wird“ gesteckt. Tatsächlich entpuppt es sich als Haus mit durchaus nettem Ambiente.
Best Western, so lerne ich, ist gar keine klassische Hotelkette, sondern ein Zusammenschluss individueller Hotels mit eigenem Charakter. Das Hotel in Merseburg hat vier Sterne, und unser Familienzimmer ist in Wirklichkeit eine Suite mit abgetrenntem Wohnzimmer mit Kinder-Schlafcouch, zwei Bädern und Holzterrasse.
So falle ich doch nicht sofort ins Bett, sondern lese mich erst noch mal durch unser bevorstehendes Programm, während ich in unserer Sprudelwanne einweiche.
Gegen den Bahn- und Verkehrslärm liegen übrigens Oropax bereit. Ich benutze sie nicht und schlafe trotzdem hervorragend.
Eine noch bessere Überraschung ist das Frühstück am nächsten Morgen. Mit gutem Essen bin ich sehr leicht glücklich zu machen. Ein full English breakfast inklusive baked beans übertrifft meine Erwartungen, und dazu gibt es eine große Auswahl an losen Teesorten. Silas dichtet spontan eine Ode an den Fleischsalat, Janis probiert sich durch das breite Müsli-Angebot, und beide Jungs schwelgen in der heißen weißen Schokolade, die sie sich selbst am Buffet zapfen können.
Der Nabel Merseburgs: Dom und Schloss
So gestärkt kann der Tag eigentlich nur gut werden. Erster offizieller Anlaufpunkt ist der Dom. Natürlich. Er ist Merseburgs unangefochtenes Zentrum.
Als wir später am Tag unseren Radius erweitern, um ein vollständigeres Bild von der Stadt zu bekommen, merken wir, dass die hübsche Altstadt nicht groß ist und drum herum wenig reizvolle Wohnviertel mit Mietskasernen liegen. Aber als Tagesgast oder Wochenend-Tourist braucht uns das nicht stören. Denn das Zentrum um Dom und Schloss herum ist wunderschön!
Bischof Thietmar und Kaiser Heinrich II. weihten die damals noch romanische Basilika im Jahr 1021 den Heiligen Johannes und Laurentius. In der Gotik bekam der Dom ein völlig neues Aussehen.
Mit dem Merseburger Schloss, das als Königspfalz seinen Anfang nahm, später Bischofspalast und schließlich Residenzschloss der Herzöge von Sachsen-Merseburg wurde, ist der Dom quasi zusammengewachsen. Heute residiert dort die Stadtverwaltung, und auch das Kulturhistorische Museum ist in den herrschaftlichen Räumen untergebracht. Dem Ensemble schließt sich ein hübscher Park an.
Die Merseburger Rabensage
Von unserem Hotel aus finden wir leicht zu Fuß zum Dom.
Bevor wir den Eingang erreichen, entdecken die Jungs die in ihren Augen größte Sehenswürdigkeit von Merseburg: den Rabenzwinger. In einem Sandsteinkäfig, passend zum Design der Kirche, schaut ein Rabe neugierig durch die Scheibe, die heutzutage die Gitterstäbe ersetzt.
Seit mehr als 400 Jahren ist der Merseburger Rabe hier eingekerkert, erfahren wir (möglicherweise hat der individuelle Träger dieses Amtes zwischendurch mal gewechselt). Das Verbrechen, das der Vogel einst beging, lautet offiziell schwerer Diebstahl. Inoffiziell hatte es wohl mehr damit zu tun, einen Bischof hinters Licht geführt zu haben.
Die Sage geht so: Bischof Thilo von Trotha vermisste eines Tages seinen wertvollen Siegelring. Da außer ihm nur sein langjähriger Diener in dem Turmzimmer gewesen sein konnte, machte der Bischof kurzen Prozess mit dem Mann, gleichwohl der seine Unschuld beteuerte. Später fand sich der Ring in einem Rabennest wieder. Als Zeichen seiner Reue und als Mahnmal gegen im Jähzorn gefällte Urteile ließ Thilo einen Raben vor der Kirche inhaftieren. Statt Todesstrafe gab es diesmal lebenslänglich, und zwar in Sippenhaft für alle Zeiten.
So kommt es, dass der Rabe von Merseburg noch heute als Touristenattraktion dient.
Im Zuge eines gesteigerten Bewusstseins für Tierschutz ist der historische Rabenkäfig heute um eine geräumige Voliere erweitert, und auch die Einzelhaft ist aufgehoben: Heute ist es ein Rabenpaar, das für den frühneuzeitlichen Diebstahl büßt.
Merseburg mit Kindern: Der Rabe als Domführer
Auf diese Weise wurde der Rabe freilich das Maskottchen für die Stadt Merseburg. Wir begegnen ihm überall, und auch im Dom begleitet er uns: in Form der Audioführung für Kinder. Über Kopfhörer erzählt uns der Merseburger Rabe nicht nur, wie er ins Stadtwappen kam, sondern vor allem auch über die Ausstattung und Geschichte des Doms.
Eine knappe Stunde dauert das Kinderprogramm. So viel Zeit würden wir uns normalerweise nicht für die Besichtigung einer Kirche nehmen. Der Rabe macht uns auf viele Details aufmerksam, an denen wir sonst achtlos vorbeigegangen wären. Zum Beispiel erklärt er uns die Funktion eines Lochs in der Decke, durch das zu Pfingsten Tauben als Symbol des Heiligen Geistes in die Kirche geflogen kamen.
In der Krypta dürfen die Jungs die Akustik des Raumes mit einem Gong testen, und gemeinsam spähen wir in die Gruft, wo die Prunksärge der verstorbenen Herzöge lagern.
Mir gefällt es vor allem im stillen Kreuzgang, wo Bischof Thietmar als Brunnenfigur sein Werk im Blick behält.
Der Merseburger Dom ist Montag bis Samstag von 9 bis 18 Uhr geöffnet, sonntags erst ab 12 (November bis Februar 10 bis 16 Uhr, sonntags ebenfalls ab 12). Eintritt: Eine Familienkarte kostet 17 Euro. Die Kinder-Audioführung ist an der Dom-Kasse erhältlich und kostet pro Gerät einen Euro zusätzlich zum Eintritt. Wer mit der Bahn anreist, erhält 10 % Rabatt.
Die Merseburger Zaubersprüche
Von hier aus geht es in die Ausstellungsräume der Domstiftsbibliothek. Die besteht seit mehr als tausend Jahren, und so lagern hier einzigartige uralte Schriften.
Kronjuwel der Sammlung sind die berühmten Merseburger Zaubersprüche, die ein Mönch irgendwann im neunten oder zehnten Jahrhundert in den Einband einer Gebetssammlung kritzelte. Die herausragende Bedeutung dieses Schriftstücks besteht darin, dass es altnordische Götter beim Namen nennt und somit den Übergang heidnischer Glaubenspraktiken in christliches Brauchtum des Mittelalters dokumentiert.
Seit wir die althochdeutschen Worte im Deutschunterricht der neunten Klasse auseinandergepflückt haben, kann ich zumindest den ersten der beiden Sprüche auswendig aufsagen (was mir und meinen unchristlichen Zauberkünsten vielleicht eines Tages noch nützlich sein wird, wenn ich mal einen Gefangenen befreien muss…). Alte Schriften faszinieren mich eh, und so war der Abstieg in den Schauraum der Bibliothek etwas ganz Besonderes für mich.
Das Original der Zaubersprüche gibt es allerdings nicht zu sehen, es ist seit seiner Entdeckung im Jahr 1841 schon zu sehr nachgedunkelt und muss sehr geschützt verwahrt werden. Aber ob Laien wie wir auf das Original oder ein gut gemachtes Faksimile gucken, macht eh keinen Unterschied.
Der Zugang zu den Ausstellungsräumen der Domstiftsbibliothek ist im Eintritt für den Dom inbegriffen.
Mittagspause im Domherren-Café
Zum Mittagessen haben uns die Mädels von der Tourismusförderung ins Domherren-Café geschickt – und das stellt sich in der Tat als hervorragender Tipp heraus. Die Gaststube des mittelalterlichen Steinhauses ist urgemütlich eingerichtet, inklusive historischem Kachelofen. Hier gefällt es mir auf Anhieb, aber bei dem herrlichen Wetter sitzen wir dann doch lieber draußen im Garten. Wir schwelgen in den superleckeren hausgemachten Flammkuchen: Von klassisch bis Bri-Apfel-Calvados ist hier alles dabei. Auch die Kuchen sehen gut aus, aber die passen jetzt nicht mehr rein.
Wir kommen mit Inhaber Gerd Schlosske ins Gespräch und finden heraus, dass er und ich im selben Ort zur Schule gegangen sind: in der Kleinstadt Bückeburg im Schaumburger Land. Der Wirt zeigt uns auch den Gewölbekeller, in dem schon zu Domherren-Zeiten wertvolle Weine lagerten und heute auch Veranstaltungen gefeiert werden. Sein neuester Plan: Urgroßmutters Kaffeetafel inklusive Goldrandgeschirr. Ich bin entzückt.
Das Domherren-Café befindet sich ganz in der Nähe des Krummen Tores in der Domstraße 8. Geöffnet ist mittwochs bis samstags von 14 bis mindestens 19 Uhr, sonntags schon ab 12.
Merseburg mit Kindern: Scriptorium im Museum
Unser nächster Programmpunkt lautet: selber uralte Schriften anfertigen. Oder na ja, nachmachen. Nach Voranmeldung bietet das Kulturhistorische Museum nebenan im Schloss einen familientauglichen Crashkurs in mittelalterlicher Handschrift an. Und so begeben wir uns ins Kellergewölbe und nehmen Platz an den stilechten Schreibpulten, wo Frau Hampel schon die Tintenhörnchen für uns gefüllt hat. Die Museumsführerin erklärt uns, worauf es ankommt beim Schreiben mit Federkiel, und was königliche Urkunden und deren Schreiber auszeichnete.
Dann wird es mucksmäuschenstill, als wir uns unserem Übungsblatt der karolingischen Minuskel zuwenden. Die Konzentration steht beiden Jungs ins Gesicht geschrieben. Ich hätte ja nicht darauf gewettet, dass ausgerechnet diese beiden an eine außerschulische Schreibübung mit sonderlich großem Enthusiasmus herangehen. Aber doch, sie sind mit Feuereifer dabei und kopieren erst die altertümlichen Buchstaben, fertigen dann ihre eigene Urkunde an und schreiben schließlich noch ihren eigenen Namen in Schönschrift auf ein Stück echtes Pergament.
Der Scriptoriums-Workshop des Kulturhistorischen Museums Merseburg ist telefonisch buchbar unter (03461) 401318.
Viel Museum, wenig Zeit
Als wir das Scriptorium verlassen, ist der Nachmittag schon fortgeschritten. Allzu viel Zeit haben wir nicht mehr, bis das Museum schließt. Die komplette Stadtgeschichte von den ersten steinzeitlichen Siedlungsspuren bis in die Gegenwart kriegen wir so nicht mehr bewältigt. Das ist bedauerlich, denn vor allem in den oberen der drei Museumsetagen ist die Ausstellung gut gemacht.
Martin und ich laufen wenigstens mal schnell durch, bleiben immer wieder hängen und staunen vor allem über die filigranen Glasperlenstickereien, für die Merseburg im 19. und frühen 20. Jahrhundert bekannt war.
Die Jungs, deren Aufmerksamkeitsspanne fürs erste durch ist, lassen wir in der Ecke mit den Bausteinen, wo sie ihren eigenen Dom errichten.
Das Kulturhistorische Museum Schloss Merseburg ist über den Innenhof des Schlosses zugänglich. Geöffnet ist täglich von 9 bis 18 Uhr (November bis Februar nur bis 16 Uhr). Einzeln kostet der Eintritt für Erwachsene 3,50 Euro, für Kinder ab sechs Jahren 2 Euro (darunter frei). Das Kombiticket Merseburger Dom und Museum kostet 9 Euro, ermäßigt 5,50 Euro.
Tagesausklang in Merseburg
In der Abendsonne wollen wir noch ein bisschen mehr von Merseburg sehen und schlendern hinunter zum Fluss. Unten auf der Brücke über die Saale haben wir noch einmal einen schönen Blick auf das Renaissance-Ensemble aus Dom und Schloss. Die Jungs freuen sich an modernerer Kunst: Das Brückengeländer ist mit Tierfiguren bestrickt.
Nach einer kurzen Inspektion, dass wir ansonsten nicht allzu viel Hübsches in Merseburg verpassen, schlendern wir zurück zum Hotel. Hier wartet im hauseigenen Steak-Restaurant Azado unser Abendessen auf uns.
Unsere letzte Amtshandlung für heute ist ein Gang in den Keller. Dort befindet sich nämlich ein kleiner Pool, was die Jungs außerordentlich freut, und ein Wellnessbereich mit zwei Saunen für uns Erwachsene. Der perfekte Ausklang eines wunderschönen Tages in Merseburg mit Kindern.
Wo wir nicht waren: Mehr Tipps für Familien in Merseburg
Hätten wir mehr Zeit in Merseburg gehabt, hätten wir uns gerne noch folgende Ausflugsziele angesehen (externe Links):
Transparenzhinweis: Wir waren von der Tourismusförderung der Städte Merseburg, Weißenfels und Zeitz eingeladen, diesmal also nicht auf eigene Kosten unterwegs. Das ist super, denn ohne diese Einladung hätten wir uns Merseburg wohl nicht unbedingt als Urlaubsort ausgesucht und all diese tollen Erlebnisse verpasst. Unsere Meinung bleibt trotzdem unabhängig und immer aufrichtig.
[…] berichtet, wie die Tour mit Kindern nach Merseburg […]