Ich bin nicht die einzige, der Montreux gefällt. Seit dem frühen 19. Jahrhundert blüht der Tourismus in der kleinen Stadt am Genfer See, und die Liste der Gäste mit großen Namen ist seitdem lang und länger geworden. Herrschaftliche Luxushotels der „Belle Epoche“ zeugen davon (auch ein paar hässliche Betonklötze aus den 70ern). Berühmt ist Montreux für seine gnadenlos wunderschöne Uferpromenade, die dank subtropischem Mikroklima den ganzen Winter über blüht und bei unserem Besuch im April vor exotischen Pflanzen in allen Farben beinahe überquoll. Was für ein Anblick! Silas und ich sind am See entlang bis zum Chateau de Chillon gelaufen, einer märchenhaften Wasserburg – und wir haben auch das ursprüngliche Dorf am Hang erkundet, das der touristische Trubel fälschlicherweise links liegen lässt.
Dieser Beitrag ist Teil unserer Serie „AbenTEUER Schweiz: 2 Wochen Backpacking mit Kind zwischen Berner Oberland und Genfer See“.
Eine Woche verbringen der 10-jährige Silas und ich ganz alleine am Genfer See. Sein großer Bruder wohnt ein ganzes Stück landeinwärts bei einer Gastfamilie und lernt dort als Austauschschüler (nicht besonders viel) Französisch. Papa Martin muss arbeiten und kann sich uns erst über Ostern anschließen. So lange also können wir machen, was wir wollen, Silas und ich.
Nachdem wir uns Lausanne buchstäblich von unten bis oben angesehen haben, steht uns beiden der Sinn nach einem neuen Abenteuer. Also setzen wir uns in den Zug und fahren (auf wunderschöner Strecke großteils direkt am Seeufer entlang!) in weniger als einer Stunde nach Montreux.
Montreux mit Kind – eine gute Idee?
In Montreux und den zur Gemeinde zählenden Dörfern wohnen rund 26.000 Menschen. Wie eine Stadt fühlt sich die Ortschaft zwischen Seeufer und Berghang nicht an.
Vor dem Bahnhofsgebäude erstreckt sich eine Straße mit Geschäften und Hotels. Als wir die hinter uns lassen, indem wir einem Wegweiser zum Wasser einer Treppe hinunter folgen, fühlen wir uns eher wie in einem Kurort. Das ist nicht ganz falsch, denn vor 150 Jahren war es Mode, die Sommer aus gesundheitlichen Gründen im milden Klima des Genfer Sees zu verbringen (oder zumindest eine gute Ausrede).
In den Osterferien geht es ruhig zu. Die Menschen sind entspannt, in Urlaubsstimmung. Viele haben Kinder oder Enkelkinder dabei. Die Atmosphäre erinnert uns ein wenig an das kroatische Opatija. Es geht ein klein bisschen gediegen zu, aber auch höchst relaxt (und so ein bisschen ist der Lack ab, was andererseits bedeutet: kein Retorten-Perfektionismus).
Die blühende Uferpromenade von Montreux
Der Ausblick ist das wunderbarste an Montreux. Der Genfer See ist überall ausgesprochen hübsch, aber hier am Ostufer ist er an Schönheit kaum zu überbieten. Am gegenüberlegenden Ufer des kristallklaren Sees erheben sich majestätisch die Alpen mit ihren schneebedeckten Gipfeln.
Und vor unseren Füßen wogt die blanke Blütenpracht. Das Bepflanzen der Promenade hat in Montreux eine lange Tradition. Jetzt, in den Osterferien, stehen wir vor einem Meer aus Tulpen und Narzissen, außerdem blühen hier Hibiskus, Rhododendron, selbst der Flieder ist schon gut dabei. Viele Beete sind nach bestimmten Farbmustern gestaltet, etliche mit Gartenkunst garniert. Wir fühlen uns ein bisschen an den Park der Gärten in Bad Zwischenahn und die Herrenhäuser Gärten in Hannover erinnert, nur dass dieses Blumenvergnügen keinen Eintritt kostet.
Spielplätze in Montreux
In der herrlichen Frühsommersonne bei über 20 Grad schlendern Silas und ich am Seeufer entlang. Vom Bahnhof aus haben wir uns ortseinwärts nach links gewandt. So erreichen wir nach ein paar Schritten die Tourist Information, wo es die passende kostenlose Karte gibt, um Montreux zu Fuß zu erkunden.
Direkt daneben wartet schon der erste Spielplatz auf Silas. Alle paar Meter finden sich mindestens ein paar kleine Spielgeräte. Ein richtig schöner mit Kletterburg steht direkt neben der alten Markthalle. Auch für (kleinere) Kinder ist Montreux ein dankbares Ausflugsziel. Mein 10-Jähriger ist schon ein bisschen groß, um sich lange dort alleine zu beschäftigen, aber ausprobieren muss er es natürlich schon. Ich habe nichts dagegen, denn die Aussicht auf Wasser, Berge und Blumen könnte ich noch stundenlang genießen.
Freddie Mercury und die Musik
Auf der anderen Seite der Markthalle stoßen wir auf einen Herrn, den Silas nur flüchtig kennt. „Irgendein Sänger?“, fragt er nach einem Blick auf die Plakette, die immerhin auch in Englisch beschriftet ist (keineswegs selbstverständlich im französischen Teil der Schweiz!). Ich singe ihm ein paar der Melodien vor, die Freddie Mercury als Sänger der Gruppe Queen geschrieben hat, und Silas‘ Gesicht hellt sich auf. „Ach, der! Aber was hat der mit diesem Ort zu tun?“
Wir googeln und finden heraus, dass der Sänger einen Großteil seiner letzten Lebensjahre in Montreux verbrachte, und dass Queen hier seit den 70ern ein eigenes Studio besaßen.
Auch andere Sänger zog es in die Stadt mit dem angenehmen Klima und der gehobenen touristischen Infrastuktur. So geht der Rock-Song „Smoke on the Water“ auf den Brand des örtlichen Casinos zurück, dem die Gruppe Led Zeppelin in Montreux beiwohnte.
Der Ruf als Musikstadt liegt übrigens auch am Montreux Jazz Festival, dem zweitgrößten der Welt, das jedes Jahr im Juli stattfindet.
Spaziergang am Quai des Fleurs
Silas und ich spazieren weiter am Quai des Fleurs entlang – so heißt die Uferpromenade aus offensichtlichen Gründen. Wir legen immer wieder Pausen ein, blicken auf den See, bewundern die Segeljachten und die Berge. Überall gibt es kleine Sitzgelegenheiten direkt am Wasser: Bänke, die oft so eingewachsen sind, dass sie von der Promenade gar nicht einsehbar sind. Ideale Picknickplätze!
Wählt man den Weg immer am Wasser entlang, sind es nicht ganz vier Kilometer bis zum Chateau de Chillon. Am kleinen Hafen von Territet geht der Quai des Fleurs in den Quai Ami Chessex über, und das letzte Drittel des Weges ist nicht mehr ganz so hübsch zurechtgemacht. Dafür haben wir nun streckenweise Aussicht auf Weinberge (und die Bahnschienen). Und ziemlich bald kommt auch schon die märchenhaft schöne Wasserburg in Sicht.
Märchenburg Chateau de Chillon
Seit über tausend Jahren steht an dieser Stelle eine Burg. Von hier aus kassierte man Zölle für den Schiffsverkehr auf dem größten See der Schweiz (und Frankreichs). Berüchtigt sind die Verliese, in denen der Geistliche François Bonivard, ein Befürworter der Reformation aus Genf, im 16. Jahrhundert acht Jahre lang einkerkert war. Der englische Dichter Lord Byron (auf dessen Spuren wir unfreiwillig zu wandeln scheinen, weil er europaweit fast an jedem einzelnen Ort, den wir besuchen, schon im frühen 19. Jahrhundert gewesen ist) hat ein Gedicht darüber geschrieben. „The Prisoner of Chillon“ sorgt bis heute für den Ruhm der Burg.
Silas würde das Chateau gern besichtigen. Die Eintrittspreise sind mit 12,50 Franken für Erwachsene und 6 Franken für Kinder bis 15 Jahre für Schweizer Verhältnisse echt moderat. Aber das Wetter ist so schön, und wir haben zu lange auf dem Weg getrödelt, als dass wir uns sowohl die Burg von innen als auch noch die Oberstadt anschauen könnten. Außerdem liebgäugele ich mit einem Cappuccino. Bei der Aussicht auf ein Stück Kuchen lenkt Silas ein, dass wir die ideale Ritterburg schließlich schon in Carcassonne besichtigt haben.
Also strolchen wir nur ein bisschen um das alte Gemäuer herum, inspizieren die Auswahl an Sepplhüten und Almglocken im Souvenirladen und legen einen kurzen Stopp an der Badestelle ein, die zu Füßen der Burg liegt (in Richtung Montreux, ausgeschildert als „plague“).
Nicht übersehen: die Oberstadt von Montreux
Wer als Tourist einen Tagesausflug in Montreux verbringt, übersieht leicht den alten Stadtkern des gediegenen Urlaubsortes. Der Aufstieg über die doch recht steilen Straßen ist außerdem ganz schön anstrengend. Aber er lohnt sich!
Hier oben ist noch richtig „altes Dorf“ zu sehen. Auch das Museum von Montreux befindet sich hier (das wir wieder aus Zeitgründen auslassen).
Für unseren Cappuccino-Stopp wählen wir den absolut empfehlenswerten Tea Room de la Baye. Wir sitzen draußen, zwar direkt an der Straße, aber es kommt kaum ein Auto vorbei. Bei Regen sitzt man auch drinnen nett, mit Blick auf den Genfer See. Der Kuchen ist hausgemacht und sehr lecker, die Bedienung trotz meines hanebüchenen Französischs supernett. Hier erleben wir einen dieser Glücksmomente, die uns auf Reisen immer wieder befallen.
Und noch bevor wir den Abstieg zurück zum Bahnhof antreten, wo wir unseren Tagesausflug nach Montreux offiziell beenden, sind Silas und ich uns einig: Das war ein absolut herrlicher Tag in einer wirklich, wirklich schönen Stadt!
Mehr Ausflugsziele für Montreux mit Kind
Hätten wir mehr Zeit gehabt (und mehr Geld, denn die Schweiz ist teuer!), hätten wir uns außer den erwähnten auch folgende Museen und Ausflugsziele gerne noch angesehen (externe Links):
- das Alimentarium, ein Museum der Ernährung (ganz in der Nähe des Hauptsitztes des Nestlé-Konzerns)
- Chaplin’s World, das Charlie-Chaplin-Museum in seiner ehemaligen Villa im benachbarten Vevey
- das Murmeltierparadies, ein kleiner Tierpark mit Ausstellung auf dem Gipfel des Rochers-de-Naye, zu erreichen entweder über die Zahnradbahn oder auch mit dem Auto/Bus [ist möglicherweise dauerhaft geschlossen, zumindest ist der Link tot und ich finde auf die Schnelle keine anderen Infos dazu, Update 2021]
Mehr Schweiz mit Kind
Weitere Berichte von unserem Backpacking-Trip durch die Schweiz mit Kind gibt es hier:
- AbenTEUER Schweiz: 2 Wochen Backpacking mit Kind zwischen Genfer See und Berner Oberland
- Genfer See: 6 Tipps für Lausanne mit Kind
- Genf low budget: Sightseeing mit Kind in der teuersten Stadt Europas
- Bern mit Kind: Einstein und Altstadt
- Schweizer Jugendherbergen: Unsere Übernachtung in Interlaken
- Interlaken: Zwischen Alpen und Asien
- Berner Oberland: Ausflug nach Thun mit Kind
- Sigriswil: Familien-Wandern über dem Thuner See
- Waadtländer Jura: Ausflug in die „kleinen Berge“
- Backpacking mit Kind in der Schweiz: Unsere Erfahrungen und Tipps
2019 haben wir einen weiteren Urlaub in der Schweiz verbracht. Auch darüber gibt es einige Berichte:
- Osterferien: Roadtrip zwischen Schwarzwald und Schweiz
- Tessin: Locarno mit Kindern (in der Jugendherberge)
- „Glamping“ in der Schweiz: Mobile Homes auf den TCS-Campingplätzen
- Schokoladenfabrik besichtigen: Unser Ausflug zu alprose in der Schweiz
- Bosco Gurin: Idylle im höchsten Dorf des Tessin
- Lugano mit Kind: Die größte Stadt des Tessin
Family4travel ist ein unabhängiges Reiseblog für Familien. Hier stecken unzählige Stunden Arbeit, Expertenwissen und Herzblut drin. Um auch weiterhin werbefreie, aufwändig recherchierte, aktuelle und hilfreiche Inhalte veröffentlichen zu können, biete ich Menschen mit sozialem Bewusstsein die Möglichkeit zur Unterstützung über Steady. Informiere dich, wie du Mitglied im Familienkreis werden und von handfesten Vorteilen profitieren kannst! → Klick!
Hibiskusblüten?? Ich bin verrückt nach diesem Anblick!! Die Bilder sind absolut herrlich und ich bin geneigt, die hohen Reisekosten, die eine Reise in die Schweiz verursachen, einfach mal zu ignorieren. Denn genau wir euch hat uns der Preis bis jetzt von der Schweiz ferngehalten. Ich freue mich auf alle weiteren Berichte! LG, Nina
Allein schon wegen dem milden Klima lohnt sich das in den Osterferien, finde ich. Das heißt, muss natürlich jeder für sich durchrechnen, inwiefern es sich lohnt. Aber ich merke immer noch, wie sehr wir von dieser Woche Frühsommerwetter am Genfer See zehren.
Ich hab von Schweizern in der Zwischenzeit auch gehört, dass sie selbst am Südufer des Sees in Frankreich Urlaub machen, weil es dort genauso schön, aber deutlich günstiger sei. Das kann ich allerdings nicht aus eigener Erfahrung beurteilen.
Das Mikroklima mit der subtropischen Vegetation beschränkt sich allerdings auf Montreux am Ostufer.
[…] family4travel: Montreux am Genfer See […]
[…] family4travel: Montreux am Genfer See […]