Auf family4travel lief gerade unsere erste Blogparade zum Thema „Meine Reisen als Kind“. Natürlich haben wir uns ganz viele Beiträge von anderen Bloggern gewünscht, damit eine schöne Leseliste zum Schmökern zusammenkommt. Aber wir gehen auch in die Eigenproduktion. Nach Janis (12) und Silas (9) ist im family4travel-Familienbetrieb heute meine Mama an der Reihe, von ihren eigenen Reisen als Kind zu erzählen.
So, Mama, auf geht’s. Du bist 1957 geboren und als Einzelkind hier im Schaumburger Land aufgewachsen. Deine Eltern hatten in Lindhorst einen kleinen Bauernhof. Mit Reisen war da nicht viel, oder?
Für meinen Vater schon. Der hat einfach einen Zettel auf den Küchentisch gelegt: „Bin in Berchtesgaden“, und dann konnten wir alleine melken. Ich schätze, du hast deine Leidenschaft von ihm geerbt. Mein Vater ist gerne verreist. Auch mehr als meine Mutter. Aber sie haben mehrere Reisen zusammen unternommen, nach Mittenwald, in die Berge… Als ich dann da war, haben sie mich einfach zu Hause gelassen, bei der Oma. Oder mein Vater ist alleine gefahren.
Stand das echt nie zur Debatte, dass du mitkommst?
Nein. Nie. Das war einfach kein Thema.
Hast du das als Kind vermisst, dass ihr nie in den Urlaub gefahren seid?
Man kann ja nichts vermissen, das man nicht kennt. Aber… Meine Freundin Gundi ist einmal im Jahr mit der ganzen Sippe – Omas, Tanten, Onkel, Cousinen – nach Österreich an den Wörthersee gefahren. Darum hab ich sie schon immer beneidet. Danach haben wir dann „Bedienung im See-Café“ gespielt, und auf diese Weise konnte ich wenigstens ein bisschen daran teilhaben.
Du und Opa, ihr habt doch aber oft gemeinsame Ausflüge gemacht. Hat das das irgendwie kompensiert?
Immer sonntags nach dem Mittagessen. Mit dem Fahrrad auf der B65… Richtung Bad Nenndorf, Apelern, Deister. Das war so unser Revier. Oft als Suche nach den familiären Wurzeln: Da ist der Hof, da kommt der und der her – hat mich aber überhaupt nicht interessiert. Danach gab es immer eine Einkehr, und ich durfte eine Sinalco trinken, so eine gelbe Brause. Und es gab so gebrannte rote Erdnüsse, die aus runden Gefäßen kamen, in die man einen Groschen stecken musste. Das waren unsere Ausfahrten, so nannten wir das. Verreisen war das aber nicht.
Und so klassische Verwandtenbesuche?
Ja, die gab es, in Niedernholz. Sieben Kilometer weit weg… Da war ich bei meiner Oma, und dann wohnten da ja auch noch Onkel Günther und Onkel Wilhelm, alle in einem Haus. Meine Oma hatte Zeit für mich, wir haben was zusammen gespielt oder im Garten gewerkelt. Von der Schwarzen Margret habe ich mir Bücher ausleihen dürfen, und ich habe im Garten gelegen und gelesen, ohne dass jemand sagte, ich könne doch schon mal die Hühner füttern.
Später kam dann manchmal auch Onkel Fritz, der hatte schon ein Auto, und wir haben uns alle zu sechst in diesen blauen NSU Prinz gequetscht und haben Ausfahrten gemacht.
Du bist aber auch als Kind einmal länger von zu Hause weg gewesen. Erzähl mal von der Kinderkur!
Ja… Ich war zehn oder elf, und man war der Meinung, ich sei zu dünn und bräuchte eine Luftveränderung. Langeoog, Haus Dünenheim, vier Wochen. Ich hatte ganz furchtbares Heimweh, und das durfte man nicht zeigen. Die Briefe nach Hause wurden zensiert. „Wir haben heute eine Wanderung am Meer gemacht und waren auf dem Leuchtturm“, so was stand dann da drin. Da ich nicht schwimmen konnte, durfte ich nie mit ins Wasser. Die Betreuerinnen waren alles „Tanten“. Morgens gab es einen ärztlichen Check-up mit Messen und Wiegen, ‚Hat das Schwein gut zugenommen?‘. Dann Gymnastik, immer an der frischen Luft, dann Frühstück, Mittagessen, Mittagsschlaf, zwei Stunden! Man musste wirklich still sein, und auf dem Gang schlich eine „Tante“ auf Socken umher und kontrollierte, ob jeder im Bett lag. Ganz furchtbar.
Wobei das für mich als Kind schon alles sehr spannend war, allein schon die Zugreise, und dann das Meer… Das war ja das erste Mal, dass ich das Meer gesehen habe. Das mochte ich schon damals gerne. Und die Luftveränderung zeigte auch ihre Wirkung. Das Essen war gut, und ich habe voller Stolz nach Hause geschrieben, dass ich vier Scheiben zum Abendbrot gegessen habe.
Wann hast du deine erste richtige Reise gemacht, die du als solche bezeichnen würdest?
In der Handelsschule bin ich mit unserer Clique ans Deutsche Eck nach Koblenz gefahren. Fünf Mädels. Das war eine Gruppenreise mit der katholischen Jugend, glaube ich. Da hatten wir uns drangehängt, weil Rose katholisch war. Ohne Eltern, das war schon was. Da waren wir 16. Aber an die Stadt habe ich überhaupt keine Erinnerungen, ehrlich gesagt. Nur an die Weinverkostung… Uns war die Gegend nicht wichtig, nur dass wir Mädels unseren Spaß hatten…
Welchen Stellenwert hat das Reisen für dich heute?
Och, so einen mittleren. Meine Seligkeit hängt nicht davon ab, aber gewisse Ziele interessieren mich schon. Einige Ziele habe ich noch auf meiner Liste, zum Beispiel möchte ich gerne noch mal nach Lissabon und auch nach Andalusien, zur Alhambra und so. Und ich würde auch gerne mal nach Süditalien oder Sardinien reisen. Aber es ist jetzt nicht so, dass ich sage, da muss ich ganz unbedingt hin.
Und im Herbst fährst du mit den Jungs und mir ins Allgäu. Freust du dich darauf, mit deinen Enkelkindern zu reisen? Und sollen wir Papa einen Zettel auf den Küchentisch legen: „Sind in Roßhaupten“?
[Lacht.] Das hätte ja nicht die gleiche Wirkung, wir haben ja ein ganz anderes Kommunikationsverhältnis. Papa sagt ja nur: „Och, fahrt doch.“ Just for fun könnte ich mir das aber vorstellen, um eine Tradition fortzusetzen. Und natürlich freue ich mich, mit meinen Enkeln zu reisen. Ich bin schon ganz gespannt und hoffe nur, dass ich mithalten kann, konditionsmäßig, wandertechnisch.
[Dass es letztlich leider anders gekommen ist, habe ich später hier erzählt: Bayern oder Ostsee – Was ist los mit family4travel?]
Mehr Kindheitserinnerungen ans Reisen
Einen wunderbaren Komplementär-Bericht gibt es bei 2 on the go: Kindheitserinnerungen: Reisen in den 60er und 70er Jahren. Da erzählt Gina, was damals in Sachen Familienurlaub durchaus auch möglich war, in anderen Familien. Allerdings musste auch bei ihr der kleine Bruder anfangs noch zu Hause bleiben, weil er „zu klein“ war. Spannende Ergänzung bzw. andere Aussicht, auch wenn Gina doch ein paar Jahre jünger sein dürfte als meine Mama.
Die Liste aller eingegangenen Texte gibt es hier: Blogparade: Meine Reisen als Kind.
Ein sehr schönes Interview, Lena! Deine Mama sieht auf dem ersten Bild so goldig aus, wie eine waschechte Bilderbuch-Omi :-)
Ich denke auch, dass das Reisen damals noch nicht so einen hohen Stellenwert hatte wie heutzutage. Da hatten die meisten Familien ja noch ganz andere Sorgen und eine hohe Arbeitslast. Umso schöner, dass deine Mama das nun mit euch zusammen nachholen kann.
Ich weiß es nicht genau, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass meine Eltern als Kinder großartig mit ihren Familien verreist wären. Aber das war damals in der DDR ja auch nochmal komplizierter.
Liebe Grüße und weiterhin eine schöne Reise
Christin
Ich find es vor allem toll, die Blogparade als Anlass zu nehmen, da mal drüber zu reden. Ich denke immer, ich wüsste alles über die Familiengeschichte – und dann kommen doch immer wieder noch ganz neue Aspekte zum Vorschein.
Liebe Lena,
ich komme mir gerade sehr, sehr alt vor. Bin schließlich 2 Jahre älter als Deine Mutter, oben genannte Oma. Und für mich und meine Familie gehörte das Reisen auch schon in den 60ern dazu. Da ist jetzt mein Ehrgeiz geweckt, ein ganz gegenteiliges Lebens- und Reise-Bild zu zeichnen.
Mein Beitrag kommt bestimmt!
Liebe Grüße – auch an deine Mutter. Die sieht wie ich finde gar nicht wie eine Omi aus, richtig jung und aktiv kommt sie rüber auf den Fotos.
Ulrike
Ich freu mich schon auf deinen Beitrag, Ulrike!
Meine Mama ist beides, aktiv und eine tolle Oma. Wärst du bestimmt auch! ;) Ich glaube, jedes Lebensalter hat seine Vor- und Nachteile. In eurem Alter ist man halt kein junger Hüpfer mehr, kann dafür aber eine ganz andere Gelassenheit an den Tag legen, weil man über entsprechend Lebenserfahrung verfügt. Also, denke ich mir. Ich werd es früh genug aus eigener Erfahrung beurteilen können, hoffe ich. :)
Hihi, so viel Jahre jünger als deine Mama bin ich gar nicht 😉
Danke fürs Verlinken,
Liebe Grüße
Gina
Und ich hatte schon Bedenken, ob es überhaupt nett ist, jemanden in einem „Oma“-Artikel zu verlinken…