Sigriswil ist nicht gerade ein Massentourismus-Ziel in der Schweiz. Die Samtgemeinde erstreckt sich vom Ufer des Thuner Sees (560 Meter über dem Meeresspiegel) bis auf über 2000 Meter Höhe am Sigriswiler Rothorn und vereint elf Dörfer. Wer hier Urlaub machen möchte, findet durchaus eine Handvoll Hotels, aber eher Ferienwohnungen und Pensionen. Den bombastischen Ausblick auf den Thuner See (die Schweizer schreiben Thunersee) braucht man aber gefühlt nur mit wenigen Mitreisenden teilen. Idylle pur! Wir haben hier zwischen Winter und Frühling ein paar herrliche Tage verbracht – als Backpacker, Couchsurfer und Wanderer mit Kind.
Dieser Bericht ist Teil unserer Serie „AbenTEUER Schweiz: 2 Wochen Backpacking mit Kind zwischen Berner Oberland und Genfer See“.
Dass wir überhaupt in Sigriswil landen, liegt, wie so oft, einzig daran, dass hier nette Couchsurfer wohnen, die uns zu sich einladen. Wir wissen ja: Schöne Ecken gibt es überall, und die Einheimischen können uns zeigen, wo die sind. Aber mit Sigriswil haben wir einen echten Glücksgriff getan.
Hoch über dem Thuner See
Nach unserem Tagesausflug in Thun sammelt uns unser Gastgeber Patrick auf dem Heimweg auf. Es gibt Busverbindungen hoch in die Sigriswiler Bergdörfer, aber die Fahrt ist doch recht umständlich und langwierig. Wir freuen uns über den Shuttle, der immer noch lange genug dauert und etliche Serpentinen umfasst.
Dafür ist die Aussicht dann wirklich atemberaubend! Unsere Gastgeber wohnen im Dorf Ringoldswil, am Südhang des Berges mit dem typisch Schweizerisch klingenden Namen Schwändiblueme. Auf knapp tausend Metern Höhe blicken wir direkt auf den Thuner See. Gegenüber der blauen Wasserfläche streckt sich der Niesen in den Himmel, der auf 2361 Meter ansteigt.
Eile mit Weile
Zunächst aber sehen wir gar nichts von der landschaftlichen Pracht. Als wir oben im traditionellen Bergbauernhaus unserer neuen Freunde ankommen, ist es schon dunkel. Und am nächsten Morgen hat mitten im April der Winter ein Comeback beschlossen.
Während des dichten Schneetreibens genießen wir fürs erste Schweizer Gastlichkeit und spielen mit Claudia und ihrer kleinen Tochter Emina die Schweizer Version des Mensch-ärgere-dich-nicht: Eile mit Weile. Weil anders als beim deutschen Spiel nicht nur die direkt im Weg stehenden Männchen nach Hause müssen, sondern auch alle überholten, ist der Name Programm.
Wir nutzen die Zeit, um uns nebenbei über das Landleben in der Schweiz und in Norddeutschland, unterschiedliche Gepflogenheiten und generell Gott und die Welt auszutauschen.
Spaziergang durchs Dorf zum Niesen-Bänkchen
Am Nachmittag klärt das Mistwetter ein bisschen auf, und wir trauen uns nach draußen. Claudia und Emina führen uns auf ihrer Haus-Route bergauf zum Niesen-Bänkchen. Das ist einfach nur ein netter Rastplatz auf der Almwiese über dem Dorf. Wir sind jedoch von der Postkarten-Idylle sehr beeindruckt und genießen den kleinen Spaziergang sehr.
Auf dem Weg durch das Dorf und den Hang hinauf begegnen wir Schafen und Kälbchen. Die geschwungenen Almwiesen porträtieren die Postkarten-Schweiz. Dass Schnee und Frühlingsblüten dabei aufeinandertreffen, erhöht den Reiz der Landschaft nur noch.
Die althergebrachte Architektur findet sich nicht nur in Form alter Bauernhäuser, sondern auch bei Neubauten. Tradition steht in der ganzen Schweiz hoch im Kurs. In Sigriswil mit seiner bäuerlichen Prägung ist das besonders deutlich. Wir haben mit unseren Gastgebern nicht über Politik gesprochen, aber die rechtspopulistische Schweizerische Volkspartei (SVP), die auch landesweit mit 29,4 Prozent stärkste Kraft ist, hat in Sigriswil bei der Nationalratswahl 2015 satte 56 Prozent der Wählerstimmen erhalten.
Wandern durch die Riderbach-Schlucht
Eine weitere Wanderung – die den Namen eher verdient als unser gemütlicher Aufstieg zum Niesen-Bänkchen – führt uns von Sigriswil hinab nach Oberhofen am Ufer des Thuner Sees.
Der Schnee vom Vortag ist fast weggetaut, und auf den ersten Metern haben wir eine fabelhafte Aussicht auf den See.
Durch ein dunkles Waldstück geht es bergab. Dann erreichen wir die Schlucht. Ein Schild warnt vor Murenabgängen und empfiehlt uns, zügig durch den Gefahrenbereich zu marschieren. Wir tun wie geheißen, haben aber trotzdem Gelegenheit, die bedrohlich hohen Felswände zu bestaunen. Das vorherrschende Gestein heißt Nagelfluh und ist ein Konglomerat, das ein bisschen aussieht wie minderwertiger Waschbeton.
Weiter geht es auf ausgesprochen hübschen Pfaden, immer in der Nähe des Riderbachs. Wir umrunden riesige Felsblöcke, auf denen sich einzelne Bäume festkrallen. Ich weiß gar nicht, wohin mit all der Schweiz-Liebe, die bei diesem Naturgenuss in mir aufkommt. Wir träumen von Mehrtageswanderungen, die rund um den Thuner See durchaus möglich und wohl auch recht beliebt sind.
Unten im Flusstal holt uns dann doch wieder der Winter ein. Binnen Minuten umgibt uns dichtes Schneetreiben. Silas fängt die dicken Flocken mit dem Mund.
Kurzbesuch in Oberhofen
Dann sind wir bald in Oberhofen angekommen. Der kleine Ort mit knapp 2500 Einwohnern gehört nicht mit zur Samtgemeinde Sigriswil, sondern ist eigenständig. Viel Zeit und Muße zum Sightseeing haben wir leider nicht. Beim Durchlaufen sehen wir mehrere hübsche alte Häuser und Villen, und den Hauptsitz des Internationalen Skiverbands, der hier von jeher seinen Sitz hat.
Hauptsehenswürdigkeit von Oberhofen ist wohl das Schloss Oberhofen direkt am Thuner See. Der mittelalterliche Prachtbau wechselte im Laufe der Geschichte immer wieder den Besitzer und beherbergt heute ein Museum.
Wir nutzen von Oberhofen aus wieder unseren Privat-Shuttle. „Normale“ Urlauber kommen aber auch mit dem Bus wieder bis nach oben nach Sigriswil.
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Ich mag die Schweiz wirklich sehr, sehr gerne, es ist ein wunderschönes Land. Leider kenne ich nur wenige Orte (Bern, Zürich, St.Gallen), der Thuner See war mir nicht bekannt, zahlt sich als Reiseziel aber sicher aus…
Den Thuner See kennt man eventuell noch, weil Interlaken an seinem anderen Ende liegt. Und Thun als Stadt ist halt auch wirklich hübsch.
Ich war überrascht, wie vielseitig die Schweiz ist. Vor allem dann unten in der Französischen Schweiz ist vieles wieder ganz anders, und natürlich kulturell ganz anders geprägt.