Dass die Römer damals in Germanien irgendwie nicht recht erfolgreich waren, ist bekannt. Manchem hallt auch noch der markige Satz: „Varus, gib mir meine Legionen wieder!“ durch den Kopf, wenn er in den Tiefen seines Geschichtswissens kramt. Und „Hermann der Cherusker“ hatte irgendwas damit zu tun, oder? Wir wollten’s genau wissen und fuhren nach Kalkriese, dem Ort der schicksalsträchtigen „Varusschlacht“.
Schicksalsträchtiger Originalschauplatz
Der Herbstwind rauscht sacht in den Bäumen, und zu unseren Füßen gluckert ein Bächlein, als wir auf den Engpass zwischen Kalkrieser Berg und dem angrenzenden Moor zuschreiten. So ähnlich muss es auch vor 2000 Jahren gewesen sein, als drei römische Legionen plus Reiterstaffeln, Hilfstruppen und Versorgungstross hier auf dem Weg ins Winterlager vorbeimarschierten. 25.000 Mann mögen das gewesen sein, die sich im kalten Herbstregen in Reih und Glied durch Unterholz und Morast quälten.
Ein Weg aus penibel geordneten Stahlplatten weist uns die Richtung, die die römischen Soldaten im Jahr 9 n. Chr. nahmen. Wir überschreiten den Bach und hören Publius Quinctilius Varus zu, der uns über Kopfhörer die Ausgangssituation schildert, in der sich seine Truppen damals befanden.
Ein Mann namens Arminius mischt sich ein – traditionell bekannter unter dem (falsch übersetzten) Namen Hermann der Cherusker.
Während die beiden in unserem Audio-Guide streiten, ob die Geschehnisse an diesem schicksalsträchtigen Tag als Schlacht oder eher als Schlachten bezeichnet werden müssen, bemerken wir, wie auch der Boden unter unseren Füßen in Unruhe gerät. Der Stahlplattenweg fällt aus der Ordnung und verdeutlicht das Chaos, in das die streng gedrillten Soldaten stürzten. Ihre Feinde überfielen sie im unwegsamen Terrain von einem angelegten Erdwall aus. Die Römer hatten keine Chance, sich in ihren erprobten Kampfstellungen zu formieren. Von hinten drängten die eigenen Leute nach, und der aufstrebende germanische Fürstensohn mit den römischen Bürgerrechten, der Vertraute des Feldherrn, gab sich als Verräter und Drahtzieher des ganzen zu erkennen.
Ein Achtel des römischen Gesamtheeres wurde in diesen Tagen vernichtet, und ein tiefes Trauma entstand bei den besiegten Besatzern.
Hintergründe im Museum
Mehr über die Hintergründe dieses schauerlichen Aufeinandertreffens erfahren wir im Museum nebenan.
Es dauert ein paar Momente, bis wir die Fronten an unseren Audio-Guides geklärt haben. Wir haben zwei Geräte mit je zwei Kopfhörern besorgt. Martin und ich wollen die Erwachsenen-Führung hören, aber die Jungs können sich nicht auf eine gemeinsame Richtung einigen und streiten sich, wer die Knöpfe drücken darf. Also disponieren wir um, hören alle die Kinderführung im gemischten Doppel – und haben nicht das Gefühl, irgendetwas Wesentliches verpasst zu haben. „Prof. Dr. Kalkriesel“ erklärt uns (fast) alle Ausstellungsstücke unterhaltsam und trotzdem gründlich.
Viele Exponate laden außerdem zu handfesten Erkundungen ein. In einer Schublade finden wir ein römisches und ein germanisches Kochbuch. Wir lernen viel über die unterschiedlichen Kulturen der beiden Völker, über gesellschaftlichen Zusammenhalt, über die Materialien, die sie beim Bau und im Kunsthandwerk verwendeten, was sie anzogen – und natürlich wie sie kämpften.
Noch einmal werden wir Zeuge eines schlagfertigen Streitgesprächs zwischen Varus und Arminius, die sich geisterhaft gegenüberstehen und das Elend aus der Retrospektive des Jenseits betrachten.
Janis fasziniert ein Modellversuch, bei dem auf Knopfdruck unzählige Metallkugeln durch ein ähnliches Geländeprofil rollen und in den vielen Gräben und Löchern verschwinden. Nur wenige schaffen es ans Ende der engen Bahn: genau wie die Soldaten damals.
Was uns die Toten erzählen können, lernen wir anhand eines Maultierkiefers. Der hat den Archäologen nämlich verraten, dass der vierbeinige Armeeangestellte im Mittelmeerraum geboren wurde und mit drei Jahren seine erste Dienstreise über die Alpen antrat, innerhalb weniger Monate in die Heimat zurückkehrte und sich dann erst auf seine letzte Mission mit fatalem Ausgang begab.
Ausblick über das Schlachtfeld
Etwa eine Stunde dauern „Prof. Dr. Kalkriesels“ Ausführungen. Zwischendurch gibt es noch all die anderen Dinge zu entdecken, und so bleiben wir bestimmt gut zwei Stunden im Museum.
Am Ende der Ausstellung führt eine Treppe in den gut gesicherten Freiluftturm. Hier lassen wir uns in 14 Metern Höhe den Wind um die Nase wehen und überblicken das Gelände, das sich in den vergangenen zwei Jahrtausenden doch ganz schön verändert hat.
Vor unserem inneren Auge zieht der viele Kilometer lange Heerzug durch den Wald, all die Gestalten, die wir im Museum als Zinnsoldaten gesehen haben. Und da hinten ist ein Stück des Walls rekonstruiert, von dem aus die Germanen angriffen…
Bei einem ausgiebigen Spaziergang durch den Park folgen wir den Entdecker-Stationen zum Thema Boden und Untergrund. Im römischen Kräutergarten picknicken wir, und dann bleibt uns nur noch eine Stunde für die Sonderausstellung „Gladiatoren – Tod und Triumph im Colosseum“. Zu wenig, um alles zu sehen, aber unsere Füße sind mittlerweile anderer Meinung.
Unser Fazit: Absolut empfehlenswert! Und definitiv ein Ganztags-Programm.
Praktische Informationen zum Museum der Varusschlacht Kalkriese
Museum und Park Kalkriese befinden sich im gleichnamigen Ortsteil Bramsches bei Osnabrück. Bis Ende Oktober ist die Ausstellung täglich (außer montags) von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Von November bis März schließt das Museum bereits eine Stunde früher.
Die Familienkarte (zwei Erwachsene, zwei Kinder) kostet für Park und Museum 16 Euro, in Kombination mit der Sonderausstellung 20 Euro. Die Audio-Guides kosten zusätzlich 3 Euro pro Gerät und können mit je zwei Kopfhörern bestückt werden. Unserer Erfahrung nach lohnt sich diese Investition!
Mehr Informationen gibt es auf www.kalkriese-varusschlacht.de.
Unsere Top Ten deutscher Museen
Übrigens: Die Varusschlacht Kalkriese hat es in unsere ganz persönlichen Top Ten der Museen in Deutschland geschafft!
Mit Kindern ins Museum: Unsere Top Ten der besten Museen in Deutschland
[…] von „Zypresse unterwegs“ hat über das Museum geschrieben. Ebenso Lena Marie, die auf „Family 4 travel“ einen schönen Ausflugstipp […]
[…] sich heute ein fesselndes Museum. Per Audioguide kann man Varus und Arminius streiten hören. Family4travel mochte den […]