Der folgende Batzen Text war ursprünglich Teil meines sehr langen Seelen-Striptease anlässlich von family4travels 5. Geburtstag. Weil ich aber ganz gerne in Mails an potenzielle Kooperationspartner darauf als „best practice“-Beschreibung verlinken möchte, ohne dass diese sich durch den Rest kämpfen müssen, mache ich jetzt einen eigenständigen Beitrag daraus. Er behandelt eine Reise aus redaktionellen Kooperationen, die ich als Reisebloggerin als erfolgreich erlebt habe. Und er plaudert so ein bisschen aus dem Nähkästchen, wie solche Kooperationen überhaupt zustande kommen und was sie für Arbeit mit sich bringen.
Meine Arbeit als Reiseblogger
Es ist eine gängige Annahme: Reiseblogger dürfen ständig gratis verreisen.
Als Antwort darauf ein klares: Na ja.
Wir machen das wirklich, dass wir uns Reisen von Partnern sponsern lassen und die als Familie auch oft richtig genießen. Das ist die eine Seite der Dinge.
Bis eine Blogger-Kooperation in Form einer gesponserten Reise steht, braucht es aber auch viel Zeit und viele Mails. 2016, 2017 und auch 2018 ist es mir jeweils gelungen, eine volle Woche in den Herbstferien zusammenzuschustern.
Nehmen wir als Beispiel für eine gute gesponserte Reise unseren #f4tBY Bayern-Roadtrip. Der war toll! Aber es war auch viel Arbeit, im Vorfeld beim Anbahnen, hinterher beim Schreiben, und auch währenddessen, denn eine Recherchereise ist einfach kein Urlaub. Es ist eher so was wie ein richtig toller Traumjob und für die Kinder ein spannendes Abenteuer. Aber eben keine Erholungsreise, nie.
Reiseblogger machen gratis Urlaub
Allein schon aus steuerrechtlichen Gründen kann kein Blogger eine Woche Hotel-Urlaub für einen kleinen Artikel erwarten. Zumindest nicht, wenn er oder sie sich darauf beruft, keinen geldwerten Vorteil zu genießen, sondern allein Recherche-Grundlagen zu sammeln.
Im konkreten Fall setzte sich unser Bayern-Roadtrip wie folgt zusammen. Für drei Nächte brachte uns die Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald in einem ernsthaft tollen Familienhotel unter – große Klasse, haben wir sehr genossen. Dafür haben wir aber auch ein strammes Programm absolviert, um einen fundierten Bericht über die Destination Bayerischer Wald schreiben zu können. In einem echten Urlaub hätten wir nie und nimmer so viele (tolle, teils teure) Programmpunkte an so vielen verschiedenen Orten in der gesamten Region untergebracht. Aber es war ja eben ein Rechercheaufenthalt, bei dem Fotos und Texte darüber entstehen sollten, was der Bayerische Wald als Familienurlaubsziel alles zu bieten hat.
Zwei Nächte waren wir anschließend in ein Vier-Sterne-Hotel in Bad Reichenhall eingeladen. Der Kontakt hat sich, ebenso wie der zum Bayerischen Wald, auf der Berliner Tourismusmesse ITB ergeben (wo ich mir auch jedes Jahr drei Tage als „Geschäftsreise“ auf eigene Kosten um die Ohren schlage). Das begleitende Programm habe ich mit der Tourismusförderung von Bad Reichenhall abgestimmt – auch wieder Arbeit, denn dazu muss ich mich ja erst wieder vorstellen, mein Media Kit mit aktuellen Zahlen zur Reichweite vorlegen (das ich auch erst einmal anlegen und dann regelmäßig aktualisieren muss) und die potenziellen Partner davon überzeugen, dass meine Arbeit einen seriösen Mehrwert bietet. Oft renne ich da offene Türen ein. Manchmal kostet es einige Überzeugungsarbeit. Und manchmal (zum Glück immer seltener) gibt es überhaupt keine Reaktion.
Zwei weitere Nächte haben wir dann in München verbracht, auf Einladung derselben kleinen Hotelkette.
Und die Fahrtkosten?
Um die Woche rund zu kriegen und die langen Anfahrtswege zu wuppen, haben wir noch einmal bei Verwandten und einmal auf eigene Kosten in Fulda zwischenübernachtet.
Die Fahrtkosten zahlen wir dabei übrigens immer selber. (Andere Blogger verhandeln da offenbar erfolgreicher, was man so hört. Für uns war bisher nur ein einziges Mal ein Zugticket inklusive.)
Gegenleistungen fürs „kostenlose“ Reisen
Während wir „gratis“ unterwegs sind, bin ich ständig am Wuseln, um genügend Fotos zu machen. Auf Twitter gebe ich aktuelle Zwischenstände, und für Instagram mache ich buchstäblich im Vorbeigehen eine Instastory mit Fotos, kleinen Videosequenzen und Texten. Den Balance-Akt, das Erlebnis trotzdem als Familien-Event zu genießen und nicht nur durch die Kameralinse wahrzunehmen und sofort zu Produkten zu verarbeiten, kriege ich dabei ganz gut hin, denke ich. Aber die Gefahr, genau das zu tun und damit meine Motivation, den Job überhaupt zu machen, ad absurdum zu führen, ist immer da.
Wieder zu Hause geht es dann an die richtige Arbeit. Im Fall München sind zum Beispiel ein Bericht über das Hotel, einer über München mit Kindern bei Regen und einer über das Deutsche Museum entstanden. Mit letzterem habe ich wieder einen „Separat-Deal“ abgeschlossen, also einfach nach dem Motto „hey, wir sind ganz gute Blogger (siehe Zahlen im Media Kit) und möchten gern vorbeikommen, um uns alles anzugucken, Fotos zu machen und darüber zu berichten“ (natürlich wesentlich seriöser formuliert).
Versucht man das ernsthaft gegeneinander aufzurechnen, habe ich für zwei Hotelübernachtungen mit Frühstück für vier Personen und ein Familien-Ticket im Museum ungefähr 24 Stunden am Schreibtisch gesessen, das Social-Media-Gewusel währenddessen nicht mitgezählt, und Anfahrt, ÖPNV und Verpflegung noch selbst bezahlt. Dass das weder Schnorrerei noch ein praktikables Geschäftsmodell ist, dürfte jedem klar sein.
(Und auch, dass ich dann nicht noch zusätzlich Fotos mit vollen Nutzungsrechten an die Kooperationspartner rausgebe, wie es zunehmend gefordert wird. Viele professionelle Blogger verdienen so ihr Geld, dass sie richtig gute Fotos verkaufen.)
Nicht, dass ein falscher Eindruck entsteht: Ich liebe diese Art von Arbeit! Vor allem natürlich unterwegs. Sowas wie in München sind ganz fantastische Tage, an denen wir alle massig viel Spaß haben! Aber richtige Urlaubstage, an denen wir tun und lassen können, was wir wollen, sind es eben nicht.
Und spätestens, wenn wir wieder zu Hause sind, setze ich mich hin und arbeite gefühlt meine „Schulden“ ab.
Wobei mir natürlich keiner sagt, dass ich so viel Zeit in so viele Berichte stecken soll. Ich hätte das alles auch in einem hastig zusammengestrickten Mist-Beitrag abhandeln können, nur brechen mir dann natürlich die Leser weg, und ganz ehrlich: Ich möchte vor allem Menschen zum Reisen inspirieren, und dafür sollte ich gute Texte schreiben.
Wer eingeladen wird, muss auch positiv schreiben?
Wichtig ist, dass mir Kooperationspartner dabei nie inhaltlich reinreden. Das ist die Grundvoraussetzung dafür, dass ich mich als journalistisch arbeitender freier Blogger fühlen darf.
Es hat aber auch noch NIE irgendwer auf mich eingewirkt oder auch nur durchblicken lassen, dass ich gerne freien Eintritt haben kann, aber nur, wenn ich positiv berichte. [Update 2022: Doch, inzwischen habe ich auch diese Erfahrung machen müssen. Sie kam ausgerechnet von einem Partner, der nun weiß Gott genug Werbe-Etat hat und nicht davon abhängig sein dürfte, ob ein kleiner Blogger bei ehrlich positivem Grundtenor auch mal eine Kleinigkeit kritisch anmerkt. Da gab es dann eine klare Ansage zurück, dann schmollende Stille am anderen Ende und natürlich keine zweite Einladung.] Ich habe ja vorher lange genug als freie Mitarbeiterin einer lokalen Tageszeitung gearbeitet, und in dieser Hinsicht ist da der Umgang der allermeisten Institutionen mit mir als Bloggerin oder Journalistin identisch.
Klar, dass ich keinen Verriss schreibe, wenn ich auf Kosten eines Tourismusverbands oder Hotels irgendwo eingeladen bin. Zum Glück war das bisher auch nie nötig. Dass ich nicht automatisch in den höchsten Tönen jubele, sage ich bei der Anbahnung der Kooperationsgespräche immer gleich schon dazu. Und zumindest in einem Fall wurde daraufhin kräftig zurückgerudert, und es kam (bisher) keine Kooperation zustande (und ich habe wieder Zeit investiert, die sich so gar nicht auszahlt). In aller Regel folgt darauf aber die Versicherung, dass man das keinesfalls erwarte, dass man im Gegenteil authentische Berichterstattung schätze.
Und wenn eine Kooperation richtig schlecht ist?
Witzigerweise werde ich das oft gefragt, aber es kam praktisch kaum je vor. Bestes Gegenmittel ist vermutlich, dass ich die Kooperationsangebote gründlich prüfe und nur solche annehme, die ich zwar vielleicht auf eigene Kosten nie buchen würde, die mich aber ernsthaft interessieren.
Ein Mal (nicht bei der #f4tBY-Aktion) gab es eine Sache, bei der ein Kritikpunkt im Bericht mehrere Nachfragen nach sich zog – aber nicht, um mir zuzusetzen, sondern um die Sache an sich klären zu können.
Ein anderes Mal sind bei unserem unterstützten Aufenthalt ein paar gravierende Dinge schiefgelaufen, sodass ich mich nicht in der Lage sah, einen positiven Bericht zu verfassen. Weil ich gerne glauben wollte, dass die erlebten Zustände nicht dem Normalfall entsprechen, habe ich mich mit der PR-Abteilung dann geeinigt, das ganze einfach zu wiederholen.
Schwierige Zeiten
2020-22 habe ich mich für eine Weile fast völlig aus dem Kooperationsgeschäft rausgehalten. Ich habe das immer als echte Win-win-Situationen gesehen, bei denen meine Lesenden den Hauptgewinn davontraggen, weil ich dank Recherchehilfe von dritter Seite viel guten Content erstellen konnte.
Leider setzte sich in vielen Finanzämtern die Überzeugung durch, dass es sich bei jeder für uns kostenlosen Unterbringung und jedem freien Eintritt um geldwerte Vorteile handele, die als Einkommen versteuert werden müssen. Da für mich in der Realität Kooperationen meist harte Arbeitstage sind, an denen ich meine Familie möglichst gut gelaunt durch ein straffes Programm schleusen muss, lohnt sich das für mich in den wenigsten Fällen. Denn ich bin nicht bereit, als freie Bloggerin unbezahlt zu arbeiten und 34% des Reisewerts obendrauf ans Finanzamt zu bezahlen. Daher habe ich nur noch Einladungen zu individuellen Pressereisen angenommen, wenn sich die Möglichkeit einer parallelen bezahlten Tätigkeit bot, bespielsweise das Verfassen eines vergüteten Beitrags für ein Stadtmagazin oder ein Corporate Blog. Das hat mein Finanzamt (kurioserweise) jeweils von der Ernsthaftigkeit meiner Arbeitstätigkeit überzeugt.
Inzwischen hat sich die Situation wohl entspannt. Rechtlich verlässlich ist wenig, und so richtig weiß man immer erst, was durchgeht, wenn die Bewilligung der Steuererklärung durch ist. (Und selbst das passiert ja unter Vorbehalt.) Ich gehe grundsätzlich nur noch so viele Kooperationen ein, dass mich böse Überraschungen dahingehend wenigstens nicht finanziell ruinieren (wie es anderen Reisebloggerinnen in meinem Bekanntenkreis tatsächlich passiert ist).
Rückblick auf 5 Jahre Kooperationen
[Dieser Teil ist von 2018.] Ich habe gerade mal nachgezählt auf meiner PR-Seite, wo ich alle abgeschlossenen Kooperationen aufliste. Demnach habe ich in den vergangenen fünf Jahren mit 16 Destinationen zusammengearbeitet (zuletzt ganz fantastisch mit Sachsen), mit 14 Übernachtungsbetrieben und 18 Ausflugszielen wie Museen, Freizeitparks etc.
Manche Blogger-Kollegen klagen, dass es immer schwieriger wird, gute Reise-Kooperationen abzuschließen. Ich kann das so nicht bestätigen.
Klar ist es doof, wenn sich nach mehreren netten Mails oder einem guten Messe-Gespräch plötzlich keiner mehr meldet und man wieder nur unbezahlt doofe Schreibtischarbeit für die Tonne produziert hat.
Und ja, das kommt öfter vor, als mir lieb ist, dass ich ein total gutes Konzept ausgearbeitet habe, von dem ich selbst voll überzeugt bin, dass es dem Anbieter echt weiterhelfen würde, und dann kommt nicht mal ein „danke für Ihre Mühe“, sondern einfach nur Schweigen im Walde. Oder herablassende Bemerkungen über meine Zahlen (die echt nicht so schlecht sind, dafür dass kein einziger Follower gekauft ist!).
Aber unterm Strich stimmt die Sache für mich (meistens zumindest). Ich bin gerne Reiseblogger, und meine Arbeit macht mir Spaß.
Dass sie sich finanziell nicht auszahlt, macht mir (meistens) nichts aus, denn ich bekomme „gefühlt“ viel zurück: Erfahrungen, Erinnerungen, so viele positive Überraschungen, so viele Möglichkeiten, Zeit mit meinen Kindern zu verbringen und gemeinsam mit ihnen die Welt zu erkunden.
Mein Media-Kit
mit aktuellen Zahlen zur Reichweite und meinen konkreten Möglichkeiten und Bedingungen für Kooperationen gibt es übrigens auf der PR-Seite bequem zum Download.
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