[Reiseblogger-Kooperation] Der Friedrichstadt-Palast ist voller Superlative. Er beherbergt eine der größten Bühnen Europas, auf der beinahe jeden Abend über hundert Künstler mit 27 verschiedenen Muttersprachen auftreten. Die Show selbst lässt sich kaum beschreiben ohne die inflationäre Verwendung von Worten wie opulent, glamourös, gigantisch. Aber ist so eine Show im Friedrichstadt-Palast was für Kinder? Gefällt denen sowas? Dürfen sie überhaupt mit? Lohnt sich der Friedrichstadt-Palast mit Kindern? Wir haben kurzerhand unsere eigenen geschnappt und die Sache ausprobiert. Unser Erfahrungsbericht.
Friedrichstadt-Palast Berlin mit Kindern
Anfang Februar 2019 haben wir die VivID Grand Show im Friedrichstadt-Palast gesehen. Wir waren als vierköpfige Familie mit unseren beiden Jungs Janis (14) und Silas (12) dort. Unsere Plätze lagen im Hochparkett rechts in der vierten Reihe. Als Blogger mit Berichterstattungsabsicht haben wir kostenlose Pressekarten zur Verfügung gestellt bekommen. Es folgt ein langer, ausführlicher Erfahrungsbericht.
Wem die Kurzversion reicht: Es war toll und absolut empfehlenswert – mit einigen Einschränkungen.
Weitere Empfehlungen für Berlin mit Kindern habe ich für die Museumsinsel, ein cooles Offline-Stadtrallye-Spiel und schokoladige Cafés. Noch viel, viel mehr Tipps für Familien in der Hauptstadt hat Tanja von Familienreisefieber in ihrem Blog gesammelt!
Was IST der Friedrichstadt-Palast überhaupt?
Als ich zum ersten Mal vom Friedrichstadt-Palast höre, erwähnt ihn mein Vater als etwas Großartiges in Berlin, das offensichtlich jeder kennt. Auf Nachfrage erhalte ich von ihm die Kurzbeschreibung: „das größte Revue-Theater der DDR, das auch heute noch erfolgreich ist“. Nachdem meine Eltern sich vergangenes Jahr dort eine Show angesehen haben, entnehme ich ihren Schwärmereien, dass es sich um eine Art Varieté handeln muss. Als ich kurz darauf zufällig im Rahmen der ITB eine Blogger-Einladung erhalte, vereinbare ich gleich einen Besuch mit meiner Familie für die nächste Berlin-Reise.
Erst als diese ein Jahr später tatsächlich ansteht, beginne ich, mich näher mit dem Thema zu beschäftigen. Ich lerne, dass der Friedrichstadt-Palast in seiner heutigen Form im Jahr 1984 erbaut wurde, als Vorzeige-Prunk der DDR-Führung. Seinen Namen hat er vom gleichnamigen Stadtteil, und den hat er auch schon vom Vorgängerbau übernommen. Schon ab 1919 gab es einen ersten Friedrichstadt-Palast, hervorgegangen aus der Fusion eines Zirkus und eines Theaters.
Varieté? Musical? Gigantische Materialschlacht?
Dieses Zeugungsgeschehen allein verdeutlicht schon recht gut, was der Friedrichstadt-Palast eigentlich ist. Aus Elementen von Zirkus und Theater entstand um die vorige Jahrhundertwende überall – vor allem in Paris – die neue Unterhaltungsform des Varietés. Die war zumindest anfangs auch eng mit dem Thema Erotik verknüpft. (Fun Fact: Der erste dokumentierte Striptease war eine Varieté-Nummer in Paris.)
Während sich das klassische Varieté zu einem bunt gemixten Programm aus Akrobatik, Artistik und Kleinkunst wie Zauberei und Bauchrednerei entwickelte (quasi Zirkus ohne Tiere in schick), bildete sich vor allem im amerikanischen Raum die Form der Revue heraus. Bei der geht es mehr um die pompöse Zurschaustellung des Schönen. – Und da „das Schöne“ in aller Regel weiblich ist, haben spitze Zungen nicht ganz unrecht, wenn sie den Terminus „Fleischbeschau“ einbringen. Klassisches Element des Revue-Theaters, das man vielleicht aus alten Filmen kennt, ist die leicht bekleidete und mit Federboas ausgestattete Girl-Reihe, die im ästhetischen Gleichschritt die Bühne für den Star des Abends bereitet. Der komnmt daraufhin singend im glitzernden Abendkleid eine Treppe hinunter geschritten. – Ganz genau so eine Szene gibt es auch in der VivID-Show.
Wenn man die Shows im Friedrichstadt-Palast unbedingt in eine bestimmte Schublade stecken will, ist das Revue-Theater vielleicht die passendste, aber so ganz darauf beschränkt ist „VivID“ nicht. Auch wenn atemberaubende Kostüme, ein gigantisches Spektakel an Bühnentechnik und weibliche (wie männliche!) Ästhetik die Hauptrolle spielen, gibt es durchaus eine Story, die die einzelnen Szenen zumindest lose verbindet.„VivID“ – die Geschichte auf der Bühne
Wir haben ein Programmheft auf den Knien, als wir in unseren bequemen Plüschsesseln Platz nehmen. Im Gegensatz zum klassischen Varieté sitzen wir nicht an Tischen und können auch keine Getränke während der Vorstellung bestellen. Stattdessen blättern wir durch das Heft und lesen uns gegenseitig schon mal die Vorstellungen der Charaktere der Show vor. Das ist gut so, denn ähnlich wie in der klassischen Oper fällt es schwer, der Handlung des Stücks ohne entsprechende Vorbereitung zu folgen. Schlimm wäre das auch nicht, denn die Story ist dünn und eher so etwas wie ein roter Wollfaden, der alles (notdürftig) zusammenhält. Mit einem Theaterstück oder auch einem Musical ist das nicht zu vergleichen.
Trotzdem erfahren wir so, dass es um die junge R’eye geht, die mit ihrem Vater das Theater besucht und dort von Androiden hinter die Bühne und in eine Parallelwelt entführt wird. Dort wird sie ebenfalls in eine Androidin verwandelt, kann sich aber bald von dem Kollektiv losreißen. Wie Alice im Wunderland durchquert sie daraufhin die magische Welt auf der Suche nach ihrer wahren Identität und ihrem Vater. (Der gibt in einer lustigen, aber inhaltlich doch reichlich fragwürdigen Nummer die Suche nach seiner Tochter auf. Stattdessen schnappt er sich eine vermeintlich unvorbereitete Dame aus dem Publikum. Mit ihr lässt er sich, ein lila Tütü tragend, unter die Decke ziehen, bevor er viel später fürs Happy End natürlich doch wieder auftaucht.)Was kriegt man denn nun geboten auf der Bühne des Friedrichstadt-Palast?
R’eyes Reise durch die bunte Fantasiewelt ist ein unglaubliches Feuerwerk der Bühnenkunst. Auf der nach eigenen Angaben größten Theaterbühne der Welt passieren in jeder Sekunde gefühlt hundert Dinge gleichzeitig. Zur bombastischen Musik verknoten sich Schlangenmenschen, übermannsgroße Schmetterlinge stelzen vorbei, und die skurrile Stachelschweinfrau fällt kaum auf, weil zwei Pfeilgiftfrösche auf schwingenden Stangen allerlei Saltos vollführen, während eine Handvoll Stiefmütterchen einen Ballett-Reigen tanzt. Die Bühne umfasst drei Ebenen, wobei auch immer wieder Künstler*innen in Tragegeschirren unter der Decke „fliegen“. Alles dazwischen dient als Leinwand für die farbenprächtige Lichtshow.
„Ich wusste gar nicht, wo ich hingucken sollte“, lautet denn auch Silas‘ erstes Statement in der Pause.
„Wie ein richtig krasser Traum“, urteilt sein Bruder.
Für mich ist es einerseits das blanke Spektakel an sich, das ich genieße. Allein schon die Kostüme sind der Hammer! Für die „VivID“-Show hat sich der berühmte Hutmacher Philip Treacy eingebracht, der auch für diverse königliche Familien sowie die Harry-Potter-Filme kreiert hat. Entsprechend beeindruckende Kopfbedeckungen werden über die Bühne getragen. Zwölf Millionen Euro Produktionsbudget hat der Friedrichstadt-Palast nach eigenen Angaben in die Show gesteckt. Dass dabei etwas durch und durch Bombastisches herauskommt, darf eigentlich nicht überraschen.
Auch hochrangige artistische Elemente sind aber integriert. Nur sehr, sehr lose in die Geschichte eingewoben performieren vier Südamerikaner unglaubliche Sprünge in ihrem „Double Wheel of Steel“. (Witzigerweise kennen wir die Jungs sogar schon von der Extraschicht im Ruhrgebiet.) Und ein usbekisches Duo schwingt am Trapez, allerdings an einer Sonderform, an der sich die beiden ausschließlich mit ihren Zähnen festhalten. Krasse Sachen, auf jeden Fall.Revue-Theater mit Kindern – Ist das nicht viel zu schlüpfrig?
Wie ich eingangs schon schrieb, haben Varieté und Revue-Theater von jeher viel mit Erotik zu tun. Auch im Friedrichstadt-Palast gibt es viel nackte Haut zu sehen.
In der „VivID“-Show dreht sich eine komplette Nummer um das „Fun House“, das Freudenhaus. Sie beginnt mit frivolen Scherzen mit dem Publikum (die bei überzeugten Feministinnen sicher nicht gut ankommen). Dann steigert sich das mit entsprechend kostümierten Tänzerinnen und Tänzern einem Höhepunkt entgegen.
Ob man damit als Eltern ein Problem hat, wenn der Nachwuchs dabei zuschaut, hängt sicherlich vom eigenen Erziehungsstil ab. Unsere Jungs, die bei jeder Kuss-Szene im herkömmlichen Spielfilm „Horror!“ rufen und sich eine Decke über den Kopf ziehen, beschweren sich jedenfalls nicht. Im Gegenteil kringeln sie sich vor Lachen über die beiden Tänzer, die – augenscheinlich nackt, in Wirklichkeit schon bekleidet mit fleischfarbenen Slips – sich selbst und sich gegenseitig in komplizierten Manövern immer wieder mit einem Hut bedecken.
Friedrichstadt-Palast mit Kindern – eine gute Idee?
Die Grand Show dürfen sich Kinder offiziell ab sechs Jahren ansehen. Empfohlen wird der Besuch von den Machern erst ab acht Jahren. Das würde ich so nach meiner Erfahrung auch unterschreiben. Wobei natürlich jedes Elternteil noch mal gut überlegen muss, ob er oder sie seinem Kind so eine überwältigende Bühnenshow zutraut.
Zwei Reihen vor uns sitzt ein Mädchen im Grundschulalter, vielleicht gerade so acht. Ihre Mutter nimmt sie schon vor der Pause (und weit vorm „Fun House“) an die Hand und führt sie nach draußen, kommt auch nicht wieder. In der Pause entdecke ich wenige andere Kinder, meist zehn Jahre und aufwärts, die mir alle bester Dinge zu sein scheinen. Was genau unsere Jungs sagen, steht ausführlich weiter unten.
Einmal im Jahr gibt es eine Kinder-Show im Friedrichstadt-Palast. Dann dürfen Kinder ab drei Jahren in den Theatersaal. Ab fünf Jahren wird der Besuch empfohlen.
Unser ganz persönliches Fazit aus dem Friedrichstadt-Palast mit Kindern
Direkt nach der Show haben wir einen Tisch im Restaurant Bombay reserviert (direkt nebenan, groß und ein bisschen laut, aber durchaus empfehlenswert). Natürlich dreht sich unser Gespräch dabei um die Show. Um nicht alles mitschreiben zu müssen, nehme ich es mit dem Handy-Rekorder auf. Zu Hause stelle ich fest, dass dieses Gespräch, eigentlich nur als Gedächtnisstütze aufgenommen, ein perfektes und authentisches Fazit unseres Familienausflug in den Friedrichstadt-Palast abgibt. Deshalb gebe ich es hier vollständig transkribiert und nur der Lesbarkeit wegen ein ganz wenig geglättet wieder.
Hat die Show euren Erwartungen entsprochen?
Janis: Ja.
Silas: Ja.
Was habt ihr erwartet?
Silas: Ich habe erwartet, ganz viele pompöse Kostüme zu sehen. Aber ich habe nicht so viel Gesang erwartet, eher mehr Theater-Style. Man konnte ja nicht so wirklich die Handlung nachvollziehen. Das fand ich aber nicht wirklich schlimm.
Wie war es für dich, Janis?
Janis: Genau gleich.
Du hattest also auch mehr Story erwartet, mehr Theaterstück?
Janis: Ja. Weniger Singen.
Bei mir war es genau andersrum. Ich war eigentlich überrascht, wie viel Story es gab, und dass das tatsächlich so ein bisschen funktioniert hat, das in eine Geschichte zu packen. Aber ich hatte manchmal schon den Eindruck, sie haben da bei der Planung am Tisch gesessen und es gab Gespräche wie: ‚Hey, wir könnten dieses krasse Pärchen kriegen, das sich mit den Zähnen ans Seil hängt!‘ – ‚Cool, aber wie bauen wir das in die Story ein?‘ – ‚Ach, egal! Mit Zähnen am Seil!!’“
Alle lachen.
Silas: Den Eindruck hatte ich auch irgendwie so ein bisschen.
Was fandet ihr am coolsten?
Silas: Ich fand diese Nummer mit diesen riesigen Stahldingern, die sich gedreht haben, die fand ich am besten. Auch wenn ich das ja schon mal gesehen habe.
Janis: Mir hat die Nummer mit dem Vater und der Frau aus dem Publikum am besten gefallen. Das war witzig.Silas: Die war aber vorgewarnt. Die kam nicht wirklich aus dem Publikum.
Janis: Natürlich nicht. Das war bestimmt eine ausgebildete Schauspielerin.
Silas: ‚Susi und Strolchi‘ auch?
Hm, nee, ich glaub, die waren ehrlich aus dem Publikum gefischt [bei der Fun-House-Nummer].
Janis: Das fand ich auch sehr lustig. Aber das mit dem Vater war besser.
Ja, witzig fand ich das auch. Und schön, dass auch ein bisschen Comedy mit drin war. Aber es hat doch eigentlich überhaupt nicht in die Story gepasst, oder?
Janis: Nö.
Die Geschichte ist wirklich sekundär. Ich glaube, es ist schon eine Mischung aus Varieté und Musical, aber beim Musical gibt es sehr viel mehr stringente Story, glaube ich.
Martin: Ich war noch nie in einem Musical.
Janis: Ich auch nicht.
Silas: Ich auch nicht.
Hmmm, dann wird’s wohl Zeit… [Längere Abschweifung zum Thema Musical.]
Wie fandet ihr die Kostüme?
Silas: Sehr pompös, bisschen kitschig, aber das muss ja auch so sein. Damit man da auch hinguckt, und damit es abstrakt ist und so ein bisschen… halt nicht mehr normal ist. Dafür geht man ja ins Theater, um Dinge zu erleben, die nicht normal sind, sondern etwas Besonderes.
Janis: Ich fand, mit der Bühnentechnik hätte man noch mehr machen können. Ich hätte da noch ein paar Ideen…
Martin: Ich fand die Bühnentechnik toll gemacht. Beeindruckend und grandios, wie alles wie ein Schweizer Uhrwerk ineinandergegriffen hat.
Kellner: Die 322, wer bekommt die…?
Praktische Informationen zum Friedrichstadt-Palast
Die Grand Show „VivID“ läuft beinahe täglich noch bis Sommer 2020. Danach gibt es irgendwann eine neue, vermutlich ebenso grandiose Show. Für Familien kommen wahrscheinlich am besten die Nachmittagsvorstellungen infrage, die samstags und sonntags um 15.30 Uhr beginnen.
Tickets kosten je nach Sitzplatz zwischen 29,90 Euro (auf Plätzen mit Sichtbehinderung, in der Woche schon ab 19,80 Euro) und 144,90 Euro (VIP). Wir haben in unser Preiskategorie 2 gefühlt sehr gut gesessen und hätten pro Person 84,90 bezahlt. Ermäßigung für Kinder beträgt 25 Prozent. Die Abendshows unter der Woche sind etwas günstiger.
Viel mehr Infos, einen krass-bunten youTube-Trailer und die Möglichkeit zum Kartenkauf gibt es auf der Webseite des Friedrichstadt-Palasts.
Mehr Ausflugsziele mit Kindern in ganz Deutschland
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Familienurlaub in Deutschland: Unsere geballten Tipps und Erfahrungen
Transparenz-Hinweis: Wie oben schon erwähnt, waren wir als Blogger mit Berichterstattungsabsicht vom Friedrichstadt-Palast eingeladen. Bezüglich Inhalt, Art, Umfang, Zeitpunkt der Berichterstattung bin ich frei, weshalb das hier keine Werbung, sondern journalistisches Handwerk ist.
Liebe Lena,
wieder was gelernt! Über die Geschichte des Friedrichstadtpalast wusste ich wirklich gar nichts. Irgendwie wäre ich aber auch nicht auf die Idee gekommen, mit Kind dorthin zu gehen. Im Gegenteil: Ich war nur einmal dort, und das mit meiner Mutter, die – genau wie dein Vater – davon geschwärmt hat.
Liebe Grüße
Angela
Ich glaube, als Berliner hat man es nicht als Familienausflugs-Ziel auf dem Schirm. Wenn wir nahe bei wohnen würden, wären wir sicher auch nur mal ohne Kinder hingegangen. Ist ja schon eine Investition. Aber wenn wir schon mal eine Großstadt-Tour machen, dann können wir mit unseren Jungs eben auch schon mal so tolle Abend-Events (oder halt Bühnen-Shows am Nachmittag) mitnehmen, und das finde ich sehr angenehm. (Weshalb wir das jetzt auch gerade exzessiv ausnutzen, bevor es dann bei uns ja wieder etliche Jahre nicht geht…)