Die Beelitz Heilstätten rund 40 Kilometer südwestlich von Berlin haben einen geradezu legendären Ruf als fotogene Lost Places. Nun aber wird nach und nach alles renoviert. Schon jetzt sind die beliebtesten Ruinen nur noch mit viel Glück und nur bis Baubeginn der Sanierungen auf öffentlichen Führungen zu sehen. Es gibt jedoch – zumindest aktuell – auch noch einige spannende verlassene Gebäude rund um die Heilstätten, denen man ohne jeden Eintritt und ohne illegale Zaunübertritte zumindest nahe kommt. Unser Erfahrungsbericht von einem ganz normalen, ganz unaufgeregten Familienausflug zu den Ruinen der Beelitz Heilstätten, kostenlos.
Dieser Bericht ist eigentlich nur dadurch entstanden, dass wir den Opa in der Parkinson-Fachklinik in Beelitz-Heilstätten besucht haben. Dass er seine Kur in einem derart historischen Ort absolviert, ist uns erst ebendort so richtig klar geworden. Also sind wir spontan auf Spurensuche gegangen, und anschließend habe ich fleißig recherchiert.
Beelitz Heilstätten im Überblick
Um die vorige Jahrhundertwende als modellhafter Klinik-Komplex für Lungenkranke errichtet, in den beiden Weltkriegen als Lazarett und danach als Militärhospital der stationierten Sowjets genutzt, verfiel das architektonisch bemerkenswerte Ensemble jahrzehntelang. Nun werden aus den pittoresken Ruinen nach und nach moderne Fachkliniken und stylische Wohnungen des oberen Preissegments. Schmuddel-Image und die Begeisterung der Bohême weichen je nach Sichtweise zukunftsfähigen Wohnkonzepten, hipstertauglichen Gentrifizierungsmaßnahmen oder sanierter Langeweile. Zuverlässig erhalten bleibt die Ruinen-Romantik wohl nur in dem Teil der alten Frauenklinik, den der Baumkronenpfad erworben hat.
Was sind die Beelitz Heilstätten überhaupt?
Etwas außerhalb der kleinen Stadt Beelitz entstand ab dem Jahr 1898 eine Lungenfachklinik. Im Gegensatz zu den renommierten Sanatorien in der Schweiz (manch einer erinnert sich vielleicht an Thomas Manns Zauberberg*) sollten hier auch einfache Leute kuriert werden, die durch Armut und die Nebenwirkungen der Industrialisierung in großer Zahl von Tuberkulose oder auch Berufskrankheiten wie „Staublunge“ betroffen waren. Das war die Grundidee der Arbeiter-Lungenheilstätten Beelitz-Heilstätten.
Bis ins Jahr 1930 wuchsen hier gut 60 Gebäude mitten im Wald. Das innovative Konzept war städteplanerisch durchdacht und von vornherein so aufgebaut, dass die Wege kurz und effizient blieben. Gleichzeitig spielten die Hygiene und Ansteckungs-Prävention eine große Rolle.
Und man bedachte erstmals auch die gesundheitsfördernde Wirkung der Ästhetik – denn ein wirklich hilfreiches Heilmittel gegen die „Schwindsucht“ gab es erst seit der Entwicklung entsprechender Antibiotika 1943. Bis dahin galt die Stärkung des Kranken durch gutes Essen, eine gesunde Umgebung und vor allem viel frische Luft als einzige Möglichkeit, der Volkskrankheit Herr zu werden. So bekamen tatsächlich auch die einfachen Patienten architektonische Spielereien zu sehen, die die Besucher heute noch faszinieren.
Das Areal der Beelitz Heilstätten ist in vier Sektoren getrennt: Männer- und Frauen-Heilstätten teilen sich jeweils noch einmal in die Bereiche für ansteckende und nicht-ansteckende Krankheiten. Der Klinik-Komplex war damit nicht ausschließlich Tuberkulose-Kranken gewidmet, diese stellten jedoch die größte Gruppe dar. Und Beelitz war zwar ein besonders großes Sanatorium, aber keineswegs das einzige. Knapp 100 solcher Heilstätten gab es kurz nach der Jahrhundertwende im Kaiserreich, in denen zeitgleich insgesamt mehr als 10.000 Lungenkranke stationär unterkamen. 600 dieser Betten standen in Beelitz-Heilstätten, 1904 wurde die Zahl noch einmal verdoppelt.
Geschichte der Heilstätten nach der Tuberkulose-Zeit
Durch die allgemeine Verbesserung der Lebensbedingungen und der hygienischen Zustände – und nicht zuletzt durch die Behandlung in ebensolchen Heilsätten – ging die Zahl der Tuberkulose-Kranken Anfang des 20. Jahrhunderts deutlich zurück. Die Beelitz Heilstätten blieben jedoch weiter in Betrieb.
In beiden Weltkriegen nutzte man große Bereiche des Komplexes als Militärhospitale. 1916 erholte sich unter vielen anderen der Gefreite Adolf Hitler hier von der Verwundung, die seinen sehr kurzen Fronteinsatz beendet hatte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg zog die Rote Armee in Beelitz-Heilstätten ein und übernahm den Komplex als größtes Militärhospital außerhalb der Sowjetunion. Zur Zeit der Wende suchte der an Leberkrebs erkrankte Erich Honecker hier Zuflucht, um sich der deutschen Justiz zu entziehen.
Nach der Wiedervereinigung (Honecker war inzwischen längst nach Moskau ausgereist) übergab die ebenfalls im Zerfall begriffene Sowjetunion das Areal der Bundesrepublik. Es wurde an einen Investor verkauft, der jedoch pleite ging, bevor es zu irgendwelchen Arbeiten kam. So verfielen die Heilstätten zusehends (ähnlich wie in Heiligendamm).
In der Folge tauchten einerseits in der Künstler-Szene und im Internet immer mehr schaurig-schöne Fotos aus den verlassenen Krankenhäusern auf, die den Ruf des Ortes als romantisch-morbide Lost Places zementierten. So wurden Filmemacher auf die Location aufmerksam, und Teile der Heilstätten sind in etlichen Filmszenen zu sehen, von „Männerpension“ über den Polanski-Streifen „Der Pianist“ bis zur Hollywood-Produktion „Operation Walküre“ mit Tom Cruise.
Andererseits zog der Ruhm der Lost Places auch die Sorte Leute an, die sich nicht an den Ehrencodex der Fotografen und Hobby-Entdecker halten. So kam mit den illegalen Zaunübertritten auch reichlich Vandalismus ins Spiel, der den morbiden Zauber brach und die trotz allem immer noch wertvolle historische Bausubstanz schädigte.
Wie sieht der Ort Beelitz-Heilstätten heute aus?
Fährt man in Beelitz-Heilstätten von der Autobahn ab oder steigt am Bahnhof an der gleichnamigen Station aus dem Zug, befindet man sich auf der zentralen Durchgangsstraße nach Finkenwalde, der Hauptachse des kleinen Ortes, der Männer- und Frauen-Heilstätten voneinander trennte.
Straßenschilder weisen zu den verschiedenen Fachkliniken, die in einigen historischen Gebäuden neu untergekommen sind (außer der schon erwähnten Parkinson-Fachklinik sind das vor allem eine neurologische Rehabilitationsklinik sowie eine Fachschule für Pflegepersonal). Ein Landhotel mit Restaurant wirbt in einem der verputzten Klinkerbauten um Gäste. Sehr präsent ist die Beschilderung des Baumkronenpfades, der über mehrere große Parkplätze verfügt. Und an mehreren Punkten ist großflächige Werbung für frisch sanierte Wohnungen zu sehen.
Die historischen Gebäude selbst liegen meist etwas abseits der Durchgangsstraße und sind heute noch hübsch im umgebenden Wald eingebettet. Der Großteil wird inzwischen saniert, ist schon damit fertig oder wartet auf den Baubeginn. Betreten werden dürfen die Grundstücke nur noch von Mietern, Eigentümern oder ernsthaften Interessenten mit Termin.
Auch da, wo allem Anschein nach noch keine Bauarbeiten passieren, ist das Betreten verboten. Das war es freilich immer, auch als die ersten Lost-Places-Fotografen ihre wunderschönen Aufnahmen machten. Spätestens aber seit die neuen Investoren es ernst meinen mit den Renovierungsvorhaben, werden die dichten Zäune auch von einem Wachschutz im Auge behalten.
Wo kann man noch was von den Beelitz Heilstätten sehen – kostenlos?
Ein kleiner Spaziergang durch den Ortsteil Beelitz-Heilstätten bringt aber auch ganz gesetzeskonformen Besuchern noch ein paar spannende Einblicke, für die man weder die befestigten Wege verlassen noch das Portemonnaie zücken muss.
Spaziergang zur alten Männerklinik
Vom Bahnhof aus rechts herum bringt uns die Durchgangsstraße in Richtung der ehemaligen Lungenheilstätten. Auf der Bahnhofseite der Straße (also rechts, wenn wir laufen) waren die Männer untergebracht, gegenüber die Frauen.
Entweder gleich hinter der Feuerwehr oder eine Straße weiter gegenüber des Haupteingangs zum Baumkronenpfad können wir rechts abbiegen, um auf das Gelände der alten Lungenheilstätte für Männer zu gelangen. Das Hauptgebäude liegt hinter einem Bauzaun. Anscheinend sollen hier bald die Sanierungsarbeiten beginnen. Noch bekommt man hier einen netten Eindruck vom pittoresken Verfall – wenn halt auch nur durch den Bauzaun.
Nicht abgesperrt sind hingegen die alten Liegehallen in direkter Nachbarschaft. Die langgestreckten offenen Pavillons dienten den Kranken als überdachter Anlaufpunkt für die Liegekur. Bis zu acht Stunden täglich genossen die Männer hier auf Pritschen und in Decken gewickelt die frische Luft des Berliner Umlands (und die Langeweile).
Ein kleines Stück weiter steht ein weiteres Hauptgebäude der Männerklinik. Es ist schon weitgehend durchrenoviert und beherbergt inzwischen die Neurologische Rehabilitationsklinik. Hier kann man also den direkten Vergleich zwischen noch alt und schon wieder neu sehen.
Spaziergang zum alten Heizkraftwerk
Hält man sich vom Bahnhof aus links, kann man eine nette kleine Runde auf dem Areal des Männer-Sanatoriums drehen (wenn ich das richtig sehe, war das der Teil für die nicht-ansteckenden Kranken). Der zentrale Blickfang, auf den wir hier zusteuern, ist das Kesselhaus des historischen Heizkraftwerks mit seinem großen Turm. Auch dieses befindet sich gerade mitten in der Renovierung und darf von Unbefugten nicht betreten werden.
Als wir vorbeischlendern, spricht uns ein Pärchen mit schwerer Fotoausrüstung an: Ob wir auch zum Lost-Places-Foto-Workshop wollten und wüssten, wo der Eingang sei? Helfen können wir da leider nicht, aber interessant zu wissen, dass hier offenbar immer noch solche Veranstaltungen stattfinden.
In unmittelbarer Umgebung des Heizkraftwerks gibt es mehrere Nebengebäude direkt an der Straße (die eigentlich mehr ein geteerter Waldweg ist). Zwei von ihnen stehen offen und sind auch nicht mit Verbotsschildern bestückt. Das ist die Stunde, unseren doch sehr zurückhaltenden Entdeckerdrang mit Kindern auszuleben: Hier trauen wir uns, auch mal um die Ecken zu gucken. Es sind allerdings technische Gebäude, die mit dem Thema Krankenhaus wenig bis nichts zu tun haben. Verfallen, rostig und spannend ist es trotzdem.
Nach wenigen Metern stehen wir dann schon wieder an der Durchgangsstraße. Tipp für die, die mit kleineren Kindern unterwegs sind: Wenn wir sie überqueren und in den Eschenweg einbiegen, ein kurzes Stück durch das moderne Wohngebiet laufen und dann links am Buchensteg entlang gehen, kommen wir zu einem kleinen Spielplatz.
Wie kann man noch mehr von den Lost Places der Beelitz Heilstätten sehen?
Mehr als diesen durchaus spannenden kleinen Einblick haben wir bei unserem spontanen Ausflug nach Beelitz nicht von den historischen Heilstätten gesehen. Wer mehr Interesse (und Geld) mitbringt, hat aber Möglichkeiten, mehr von dem geschichtsträchtigen Ort zu Gesicht zu kriegen.
Am leichtesten ist das als zahlender Kunde des Baumkronenpfads. Der führt in etlichen Metern Höhe über das Areal der Frauen-Heilstätte, auf deren Dach sich im Laufe der Jahre ein ganzer Wald angesiedelt hat. Da die Betreiber den gesamten Komplex gekauft haben, bleibt hier die Ruinen-Romantik auch dauerhaft erhalten. Eine Familienkarte (2+x) kostet im Sommer 28 Euro, in der Winter-Saison (eingeschränkte Öffnungszeiten) 25 Euro. Abgesehen von der Wanderung mit idealen Foto-Spots in luftiger Höhe gibt es auch Führungen am Erdboden durch die Gebäude (von März bis Oktober täglich zwei verschiedene Führungen, am Wochenende mehr, 8 bzw. 10 Euro pro Person zusätzlich, Kinder ermäßigt).
Andere Möglichkeiten, legal (und überhaupt am Wachdienst vorbei) in die (übrigen) historischen Gebäude zu kommen, sind bereits ziemlich rar geworden. Meinen Recherchen zufolge hat der Anbieter go2know zwar noch ein paar Foto-Touren im Angebot, aber nur noch unter Vorbehalt und bis Baubeginn.
Mehr Infos über die Beelitz Heilstätten
- Inka von Blickgewinkelt war schon vor Jahren mehrmals auf Foto-Tour sowohl durch die Männer- als auch durch die Frauenklinik und hat deshalb tolle Bilder „von früher“, die heute schon keiner mehr machen kann. Welche Touren es aktuell noch gibt, beschreibt sie in ihrem Bericht von 2017.
- Ines von Vier Mal Fernweh war auf dem Baumkronenpfad unterwegs und anschließend mit einer Führung in den Gebäuden, die zum Baunkronenpfad gehören.
- Gela von unterwegs mit Kind war mit ihrem Sohn auf dem Baumkronenpfad.
- Julia von Bezirzt hat den neuen Barfuß-Pfad ausprobiert, der sich in unmitelbarer Nähe zum Baumkornenpfad befindet.
- Mehr über die Beelitz Heilstätten als Drehorte hat Andrea von Filmtourismus.de zusammengetragen.
Lohnt sich ein Ausflug nach Beelitz in den Ort?
Wie gesagt: Beelitz-Heilstätten ist ein Ableger der Kleinstadt Beelitz. Die kennt man als Berliner wohl nicht nur wegen der Nähe zu den Lost Places, sondern vor allem wegen dem Spargel, der hier in der Gegend angebaut wird. Sollte man also unbedingt auch einen Abstecher in den Ort machen, wenn man die Ruinen und/oder den Baumkronenpfad an den Heilstätten besucht hat?
Wir haben die Kleinstadt als sympathisch und einladend erlebt. Als Kontrastprogramm zur Metropole Berlin ist sie als typischer Ort für Brandenburg eine interessante Erfahrung, wenn man nicht aus der Gegend stammt.
Die meisten Fassaden sind hübsch zurechtgemacht. Es gibt Kopfsteinpflaster-Straßen, ein paar kleine Boutiquen und echt alte, ursprüngliche Läden und Betriebe, dazu schmale Gassen. Kurios ist das AfD-Büro direkt neben dem Döner-Laden. Lange beschäftigen kann man sich hier nicht, aber ein kurzer Bummel ist eine runde Sache.
Empfehlenswert fanden wir vor allem auch das Café „Alte Wache 1903“ gegenüber der Kirche im Stadtzentrum. Hier gibt es richtig gute Torten „wie früher“ in einem heimeligen Ambiente.
Danke für den Bericht!
Wir waren 2012 mal dort, als wir noch keine Kinder hatten. Zu der Zeit könnten wir noch gut in den imposanten, morbiden Flair der Heilstätten eintauchen.
Damals waren nur wenige Gebäude gesperrt. Wir haben damals direkt bei der zuständigen Verwaltung nachgefragt, ob wir dort fotografieren dürfen und bekamen eine Karte des Geländes zurück, auf der die zugänglichen und die gesperrten Bereiche verzeichnet waren.
Vor Ort stellten wir fest, dass die Heilstätten eine regelrechte Touristenattraktion waren. Spannend war es allemal.
Schade, dass viele „lost places“ nach und nach verschwinden.
Liebe Grüße
Patrick
Wir „konnten“ eintauchen, sollte es heißen. Diese blöde Autokorrektur vom Handy! ;-)
Ah, spannend. 2012 war sicherlich die richtige Zeit. Dass sogar Geländekarten ausgegeben wurden, hab ich auch noch nicht gehört.
Viele haben bestimmt vorher auch nicht nachgefragt. Liebe Grüße
Herrlich diese alten Gemäuer. Für uns leider etwas zu weit weg.
Wer einen ausgiebigen Berlin-Trip plant, könnte hier einen Tagesausflug einlegen. Für eben mal an einem Samstagnachmittag ist es eher nur ein Ausflugsziel für Berliner und ganz nahe Anwohner, das gebe ich zu.
Hallo, es ist ein sachlicher Fehler bei Julia. Der Barfusspark gehört NICHT zum Baumkronenpfad.Es sind zwei getrennte Unternehmen. Ist für sich ein eigener Tagesausflug wert. LG Heike
Ah, okay, danke für die Richtigstellung. Bei mir habe ich es geändert.
Hallo liebe Julia.
Ist es aktuell immer noch möglich legal und Geldlos diese Wege zu erkunden?
LG
Hallo Viktoria, Julia hat ein anderes Blog, das ich hier nur verlinkt habe. Ich komme nicht aus der Gegend von Berlin, unser Besuch war deshalb nur eine einmalige Momentaufnahme. Wie genau es heutzutage dort aussieht, da müsste ich jetzt genauso googeln wie du. Inka, Ines und Gela – die anderen oben verlinkten Bloggerinnen – sind Berlinerinnen. Vielleicht wissen sie mehr.