Erfahrungsbericht aus meinem Reisetagebuch
Lange stand hier mein originaler Eintrag meines Reise-Tagebuchs aus Prä-Blogger-Zeiten im Internet. Der ist zwar absolut authentisch, aber dann doch nicht so ganz hilfreich. Deshalb folgt im Anschluss doch noch etwas mehr Substanz…
„Wir waren gestern in der Barbarossahöhle im Kyffhäuser. Das war total schön und beeindruckend, kann ich jedem nur empfehlen. Silas zufolge war es „das coolste Abenteuer, das ich dieses Jahr so hatte bis jetzt“. :)
Ich hab vergessen, wie das Zeug geologisch heißt, aus dem die Höhle besteht. Es ist jedenfalls eine Form von Gips und deshalb ganz anders als andere Schauhöhlen. Keine Stalaktiten und Stalagmiten. (Seltsam, nebenbei bemerkt, dass diese beiden Zwillings-Erscheinungen so unterschiedlich geschrieben werden. – Aber es stimmt, Stalaktit mit k, Stalagmit mit g. Wikipedia gibt der Word-Rechtschreibprüfung Recht.)
Jedenfalls, was den Besucher da in der Barbarossahöhle umgibt, ist nichts dergleichen. Es blättert in bizarren Formen von den Wänden ab und sieht sehr organisch aus. Wie Hautlappen oder Darmzotten. Ich habe mich gefühlt wie im Magen eines gigantischen Drachen. Die Führung war sehr gut, informativ und trotzdem auch für Kinder prima geeignet.
Das Kyffhäuserdenkmal kann man sich dagegen sparen, von vorne bis hinten. Nur Touristenabzocke.“
Diesen Eintrag meines Reise-Tagebuchs habe ich am 20. Februar 2012 verfasst.
Weil dieses Rohmaterial aber beim besten Willen keinen vernünftigen Blog-Beitrag abgibt, muss noch ein bisschen Butter bei die Fische…
Die Barbarossa-Höhle
Zunächst einmal: Anhydrit heißt das Material, aus dem die Nicht-Tropfsteinhöhle besteht. Auf [einer inzwischen toten Internetseite] heißt es, sie sei „vom geologischen Standpunkt betrachtet einzigartig und sucht, Schönheit und Eigenart betreffend, ihresgleichen.“ In Europa jedenfalls gibt es meiner Recherche zufolge keine weitere Anhydrit-Höhle zu sehen. Allein schon deshalb lohnt sich ein Besuch – es ist wirklich etwas ganz anderes als andere Höhlen. Erstaunlichste Gebilde, kristallklare Seen, ein wirklich durch und durch märchenhaftes Erlebnis.
Legenden um die Barbarossa-Höhle
Noch viel schöner als die geologische Sehenswürdigkeit aber finde ich die Legende, die sich um den alten Kaiser und den Berg rankt.
Sie beginnt mit der zu allen Zeiten gültigen Überzeugung, dass früher alles besser war. In diesem Fall bezieht sich die glorifizierte gute alte Zeit auf die Regierungsepoche Kaiser Friedrichs I., der sich seines roten Bartes wegen den Spitznamen Barbarossa einhandelte.
Obwohl kundige Historiker*innen durchaus die eine oder andere Schwäche und Fehlentscheidung des Herrschers aufzählen könnten, war man sich im Volk im Laufe der Jahrhunderte bald einig, dass unter dem Rotbart alles in Butter war. Und dass man ihn gern zurück hätte, den guten Kaiser. Dieser Wunsch war Samen des Gedanken, dass der Mann niemals wirklich fort und schon gleich gar nicht gestorben sei. Immerhin mochten sich auch seine zeitgenössischen Untertanten im Jahre 1190 schon nicht mit dem Gedanken anfreunden. – So ein großer Kaiser führt doch keine Heere durch siegreiche Schlachten und zieht einem Kreuzzug entgegen, um dann unrühmlich in einem Fluss zu ertrinken!
So kam der abergläubische Pöbel bald zu der Überzeugung, Gott habe den Herrscher entrückt, gewissermaßen um ihn für schlechte Zeiten aufzusparen. Mit der unsäglichen Kleinstaaterei würde es bald ein Ende haben, denn Barbarossa kommt zurück und eint das Reich, jawohl!
Er schläft tief und fest in einem Berg, erzählt man sich. Und wenn die Zeit gekommen ist, tritt er hervor, als sei nichts geschehen. Wo genau er schlief, darüber herrschte Uneinigkeit. Es gab da mehrere Regionen, die ihre Berge ins Gespräch brachten.
Seit dem 16. Jahrhundert waren sich zumindest die Anwohnenden des Kyffhäusers sicher über kaiserliche Nachbarschaft. Und spätestens die Brüder Grimm legten sich dann auf den Thüringer Höhenzug fest, indem sie 1816 „Friedrich Rotbart im Kyffhäuser“ in ihre Sagensammlung aufnahmen.
Demnach sitzt der Gute mit dem Gesicht in den aufgestützten Händen an einem steinernen Tisch, selbst wie zu Stein geworden. Nur sein roter Bart wächst und wächst. Bis er sich drei Mal um den Fuß des Tisches gewunden hat, wird er weiterschlafen.
Alle hundert Jahre allerdings erwacht Friedrich und fragt seinen Zwergen-Diener: „Fliegen die Raben noch um den Berg?“ Und da dieser bejaht, murmelt er unwirsch: „So muss ich noch hundert Jahre weiterschlafen.“
Mehr Wahrheitsgehalt als gedacht!
Von einer Höhle im Kyffhäuser wusste man zu dieser Zeit allerdings noch nichts! Dass der in der Legende beschriebene unterirdische Palast überraschend nahe an der Wahrheit dran ist, entdeckte man erst 1865 auf der Suche nach Kupferschiefer.
Den fand man nicht, aber mit der Barbarossahöhle war man mehr als zufrieden. Clevere Menschen waren fix dabei, den Mythos zu inszenieren. So sind nicht nur die unterirdischen Hallen nach den herrschaftlichen Räumlichkeiten benannt („Empfangssaal“, „Tanzsaal“), sondern es gibt auch einen Thron und den Tisch, an dem sich sogar Spuren des roten Bartes finden lassen.
Schon im Jahr nach ihrer Entdeckung liefen weit mehr als 2000 Tourist*innen durch die Höhle, obwohl sich der Zugang damals noch recht beschwerlich gestaltete.
Das Kyffhäuser-Denkmal
1890 begann man mit dem Bau des Kyffhäuser-Denkmals. (An das habe ich tatsächlich keine guten Erinnerungen. Es ist – wie ich jetzt bei meinen Recherchen gelernt habe – in der Tat sogar kleiner als der Kaiser in unserer eigenen Nachbarschaft.) Das war genau 700 Jahre nach Friedrichs Tod, und die Raben flogen immer noch. In Sachen deutscher Einheit lief es gerade recht gut, und vermutlich erwartete niemand die unmittelbare Wiederkunft des Kaisers zu diesem Zeitpunkt.
In den folgenden Jahrzehnten war es dann deutlich schlechter um das Reich bestellt, und auch mit der Population der schwarzen Vögel ging es bergab.
Unsere Höhlen-Führerin sagte uns bei unserem Besuch, die Raben seien am Kyffhäuser niemals ausgestorben und erfreuten sich heute wieder guter Gesundheit.
Ich aber denke mir, sie müssen wenigstens 1990 mal kurz verschwunden gewesen sein – denn da hat Barbarossa ja ganz offensichtlich gewirkt in Sachen deutscher Einheit. (Wenn er sich auch gut verkleidet, den roten Bart ab- und einen Pfälzer Dialekt angelegt hatte…) :)
Die Adresse der Barbarossahöhle lautet Mühlen 6, 06567 Rottleben/Kyffhäuser. Sie ist weiträumig ausgeschildert. Zu besichtigen ist sie nur mit einer Führung, die ab 10 Uhr zu jeder vollen Stunde beginnt. Die letzte Führung des Tages findet von November bis einschließlich März um 16 Uhr, im Sommerhalbjahr um 17 Uhr statt. Die Familienkarte (2+3) kostet 27 Euro. Ein Parkplatz ist vorhanden. 2012 kostete er einen zusätzlichen Euro.
Aktuelle Preise und Öffnungszeiten findet ihr immer auf der Website.
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