Fortsetzung von Samstag, 28. Juli 2012.
Heute Morgen ging die Familie dann gleich wieder auf Achse. Edwards’ Hobby sind Über-Land-Rallyes mit dem Auto, und schon beim ersten E-Mail-Wechsel hatte er angekündigt, dass an diesem Tag eines der Saison-Highlights anstehe. So hatten wir vormittags das Haus ganz für uns. Wir schliefen bis halb neun, machten geruhsam Frühstück, und bis wir loskamen, war es halb zwölf. Das tut uns aber durchaus gut, zwischendurch auch mal eine ruhige Kugel zu schieben, selbst wenn wir dadurch ein paar Sehenswürdigkeiten weniger auf den Reiseführer-Listen abhaken können.

Dann sind wir noch mal nach Riga reingefahren, um uns den Zentralmarkt anzuschauen (diesmal mit dem Auto). Der war auch wirklich sehenswert. Es handelt sich um alte Zeppelinhallen, verbunden durch provisorische, aus Spanplatten gefertigte Gänge. Innen reihen sich Marktstände und Kühltheken aneinander, thematisch geordnet nach Fisch, Fleisch, Gemüse, Backwaren, Haushaltsgeräten, Kleidung, Gewürzen, Süßigkeiten – und sogar eine ganze Hallenecke für Honigprodukte gab es.

Witzigerweise waren manche Hallenteile abgetrennt und als Supermärkte hergerichtet: ganz normale Läden der gängigen Ketten, obwohl es doch (fast) das ganze Sortiment auch draußen an den Ständen gab. Vor den Hallen breitete sich der Markt weiter aus, da gab es Obst und Socken, von denen ich mir ein Paar grüne wollene Kniestrümpfe in landestypischem Strickmuster kaufte – bei 30 Grad. Abseits der Halle machten wir es uns dann sehr unromantisch auf dem Bordstein bequem und aßen unsere leckeren Hefeteilchen mit Kartoffelbreifüllung. Und auch dort: kein bisschen Müll. Zwar torkelten da etliche Alkoholiker umher, doch selbst die nahmen ihre leeren Wodkaflaschen alle wieder mit. Irre.

Bei den Markthallen und dem Hauptbahnhof beginnt das russische Viertel. Schon in weit vorsozialistischen Zeiten haben sich die ziemlich ungeliebten Nachbarn aus dem Osten hier angesiedelt. Die Unterschiede in Mentalität und Wohlstand sind gut sichtbar: Hier ist keine Spur von Jugendstil, stattdessen reihen sich abgewrackte Holzkaschemmen aneinander, die aber durchaus einen eigenen morbiden Charme besitzen. Ende der 80er Jahre waren nur noch 64 Prozent der Menschen in Lettland Letten. In Riga haben immer noch mehr als 30 Prozent der Einwohner die russische Staatsbürgerschaft.

The Russian quarters of Riga - no Art Nouveau to be found there...

Die russische Altstadt.

Jetzt spielen die Jungs am Strand. Wir sind in Jurmala, dem Badeort Lettlands. Es sind mehr als 30 Grad und der fast weiße, wunderbar feine Sand ist so heiß, dass man barfuß kaum darauf laufen mag. Das Wasser dürfte Badewannentemperatur haben, denn es geht sehr flach rein und zieht sich über mehrere Sandbänke. Die Jungs haben die Ansage gekriegt, nicht weiter als bis zu Silas’ Bauchnabel reinzugehen, und das lässt ihnen im Wortsinn mehr als genug Spielraum.

Jurmala, Latvias most popular beach.

Jurmala..

Auch hier ist alles geleckt sauber. Nicht mal Zigarettenkippen findet man.
Und ebenfalls wie in Litauen gilt auch hier: Es gibt kaum Übergewichtige. Leider gilt das nur für die Frauen. Martin hat viel zu gucken, ich überhaupt nichts. Bis jetzt hab ich noch keinen einzigen Mann gesehen, der einen zweiten Blick gelohnt hätte. Als ich heute Mittag dachte, endlich einen entdeckt zu haben, drehte sich seine Frau um und sagte zum gemeinsamen Kind: „So, Oskar, und jetzt fahren wir zum Strand“ – auf Deutsch…

 

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