Wir lieben es, Neues zu erkunden. Dass wir noch nie zuvor dort waren, reicht uns als Grund, mal hinzufahren. Wenn dann auch noch ein bronzezeitliches Freilichtmuseum und eine hübsche Altstadt dazukommen, sind wir Feuer und Flamme. Ein Tag in Hitzacker: Erfahrungsbericht eines Familienausflugs.
Hitzacker im Wendland
Hitzacker liegt in Niedersachsen. Gerade so eben noch, denn zehn Kilometer östlich und nördlich ist Mecklenburg-Vorpommern. 15 Kilometer südöstlich schiebt sich ein Stück von Brandenburg vor. Und 25 Kilometer südlich beginnt schon Sachsen-Anhalt. „Zonenrandgebiet“ nannte man das früher, als es die DDR noch gab.
Lüchow-Dannenberg heißt der Landkreis, Wendland die Region. Am ehesten kennt man sie noch, weil das Atommülllager in Gorleben um die Ecke liegt. Denn ansonsten gibt es nicht so ganz viel – nur reichlich Gegend.
Diese Gegend ist schön! Mitten durch fließt die Elbe, in die noch zahlreiche andere Bäche und Flüsschen münden. 2006 trat sie dramatisch über die Ufer. Damals schlug Hitzackers Stunde des zweifelhaften Ruhms, denn die Stadt gehörte zu den am schwersten betroffenen. Die Altstadt ist auf einer kleinen Insel im Fluss gelegen und wurde damals komplett überflutet. Die Bilder gingen durch alle Medien.
Zwischenstopp in Hitzacker
Wir sind an diesem Tag auf dem Rückweg aus dem Ostsee-Urlaub. Um mal eine andere Gegend kennenzulernen – das Wendland eben – haben wir beschlossen, über die Landstraßen zu fahren. Dabei folgen wir unserem alten Prinzip, einfach da anzuhalten, wo wir eine Pause brauchen. Diesen Zeitpunkt bestimmt in unserer Familie derzeit Franka, die auf diesem Trip knapp zehn Monate alt ist.
Aus besagten Nachrichtenbildern von damals habe ich im Hinterkopf, dass Hitzacker eine schöne Stadt sein soll. Als unser Baby also aus dem Mittagsschlaf aufwacht und aus dem Kindersitz möchte, halten wir sie noch etwas hin und folgen den Ortsschildern.
Und dann gleich den Schildern zum Freilichtmuseum. Denn wir haben ein Faible für die Vorzeit, und „Archäologisches Zentrum“ klingt ganz so, als wäre das was für uns.
Archäologisches Zentrum Hitzacker
So landen wir im ersten bronzezeitlichen Freilichtmuseum Deutschlands. In dem idyllisch gelegenen Areal reisen wir mehr als 3000 Jahre in der Zeit zurück.
Übermäßig groß ist das Museum nicht – und damit perfekt für einen kurzen Besuch auf der Durchreise. Es umfasst drei rekonstruierte Langhäuser, ein Grubenhaus und eine Totenhütte sowie etliche kleine Nebengebäude. Teils in experimenteller Archäologie, also nur mit damaligem Werkzeug, sind die Bauten seit 1990 rekonstruiert worden.
Wir beginnen unseren Rundgang im größten der drei Langhäuser. In Gebäuden wie diesen lebten in der Bronzezeit Menschen und Tiere unter einem Dach.
Die Erklärungstafeln sind recht übersichtlich. Es ist vor allem die Stimmung, die uns hier bezaubert.
Mitmach-Museum
Was mir (als ehemaliger Museumspädagogin) gefällt: Vieles ist auf Anfassen und Mitmachen ausgelegt. Wegen Corona findet in diesem Sommer nicht alles wie geplant statt. Eine steinerne Handmühle ausprobieren und mit (ordnungsgemäß desinfizierten) Schutzbrillen Feuerstein bearbeiten, dürfen wir aber doch.
Interessant ist auch ein Blick in den bronzezeitlichen Gemüsegarten. Hier wächst vieles, was wir auch von unserem heutigen Einkaufszettel kennen – und einiges Unbekanntes. In Reih und Glied (und daher vermutlich historisch nicht ganz korrekt) stehen alte Getreidesorten wie Einkorn und Emmer. Zum Vergleich wird moderner Hochleistungsweizen daneben gezeigt.
Verrotten für die Wissenschaft
Spannend ist auch die Brandruine, die unter wissenschaftlicher Beobachtung verfällt. Hier hat der Betreiberverein des Archäologischen Zentrums aus der Not eine Tugend gemacht. 2008 wurde ein Langhaus durch Brandstiftung zerstört. Statt die Trümmer einfach wegzuräumen, erforscht man nun, wie sich die Natur rund um die Ruine entwickelt und wie sich die Bodenproben mit der Zeit verändern. So hofft man, Erkenntnisse für die Beurteilung „richtiger“ archäologischer Funde zu gewinnen.
Infrastruktur im Freilichtmuseum Hitzacker
Vor allem Schulklassen besuchen das Archäologische Zentrum. Daher sind mehrere große Picknickplätze vorhanden. Es gibt jedoch auch einen sehr hübschen Café-Bereich. Kaffee, kalte Getränke, Eis am Stiel und mit Glück (und ohne Corona) auch Kuchen gibt es am Kassenhäuschen zu kaufen.
Gut und wichtig für uns waren die Toiletten mit Wickeltisch. Kostenlose Parkplätze gibt es direkt vor der Tür. Ein kleines Stück weiter befindet sich ein Wohnmobilparkplatz. Dessen Gäste sowie Radler auf dem Elberadweg können im Museum gegen Gebühr auch eine Waschmaschine nutzen, habe ich gelesen.
Eintritt und Öffnungszeiten
Einzeln zahlen Erwachsene 4 Euro Eintritt, Kinder bis 14 Jahre die Hälfte. Eine Familienkarte kostet 10 Euro. Es gibt diverse Kombikarten, die auch für andere Attraktionen in Hitzacker und Umgebung gelten.
Geöffnet hat das Freilichtmuseum von Anfang April bis Ende Oktober täglich von 10 bis 17 Uhr.
Hitzacker im Grünen
Nach unserem Bronzezeit-Abenteuer lassen wir unser Auto auf dem Museumsparkplatz stehen. Das Stadtzentrum ist fußläufig erreichbar und der Parkplatz groß genug, dass wir ihn niemandem wegnehmen.
Zunächst folgen wir aber dem Tipp der Kassenfrau und werfen noch einen Blick auf die Biberburg. In Sichtweite des Museumseingangs führt eine Brücke über den Harlinger Bach, der hier in die Jeetzel mündet. Von dort aus ist der Damm zu sehen, den der Nager mit seiner Familie errichtet hat.
Wer mehr Zeit in Hitzacker verbringt, kann von hier aus auch gleich loswandern. Zum Restaurant Elbterrassen zum Beispiel – aber das haben wir nicht ausprobiert.
Naturnahe Übernachtungsmöglichkeit
Gleich nebenan befindet sich übrigens auch das brandneue „Werkhaus destinature Dorf“. Klingt jetzt ein bisschen wie Werbung, aber wir sind auch hier nur zufällig vorbeigekommen, haben von außen und dann später zu Hause auf der Homepage einen Blick drauf geworfen und gedacht: hört sich interessant an. Die Unterkunft hat sich Nachhaltigkeit in Großbuchstaben auf die Fahnen geschrieben. Die grob gezimmerten Glamping-Hütten wirken ein bisschen hippie-esk und auf mich unheimlich einladend. Wenn wir eine coole Übernachtungsmöglichkeit in Hitzacker mit Kindern bräuchten, wäre das hier mein erster Anlaufpunkt.
Zunächst aber versacken wir auf dem Spielplatz. Der befindet sich direkt vor dem Museum und verfügt auch über eine Nestschaukel. Unser Baby ist begeistert und will gar nicht mehr aussteigen.
Aber ein bisschen was vollen wir von der Stadt dann doch noch sehen. Und so laufen wir über einen schmalen Fußweg entlang naturnaher Gärten in wenigen Minuten bis zur Altstadtinsel.
Bummel durch Hitzackers Altstadt
Hitzacker ist so schön, wie ich mir erhofft habe. Groß ist es nicht. Ein paar wenige Altstadtgassen. Keine großen Attraktionen. Aber ein bezauberndes Flair.
Wir sind während der Rosenblüte da, und ich habe den Verdacht, dass das die beste Reisezeit für Hitzacker ist. Überall leuchten uns Kletterrosen an den Fachwerkfassaden und Rosensträucher in den kleinen Gärten entgegen.
Die Altstadt von Hitzacker liegt nicht ganz an der Elbe, sondern im Mündungsdelta der Jeetzel. Die ist eigentlich gar nicht so ein großer Fluss, dass sie sich so etwas Mondänes wie ein Delta leisten könnte. Aber Wasser ist hier eh allgegenwärtig. Die Landkarte des Wendlands sieht in dieser Hinsicht fast ein bisschen finnisch aus. Nicht umsonst liegt Hitzacker mitten im Biosphärenreservat Niedersächsische Elbtalaue.
Nah am Wasser gebaut
Folglich ist es auch in der Altstadt nie weit zum Wasser. Am äußersten Zipfel an der Jeetzelmündung markieren Skulpturen mit bunten Ringen die Höchststände historischer Hochwasser. Am anderen Ende der Insel liegt „Hiddos Arche“, ein Café-Schiff.
Dann gibt es den modernen Jachthafen, den alten Frachthafen – und die hölzerne Brücke am Ende des Fischergangs, die in Richtung des Weinbergs führt. Von dort soll man eine schöne Aussicht auf die Altstadt und die Elbe haben.
Diese Sehenswürdigkeit lassen wir heute aber aus. Viele kleine Stöberläden reizen mich. Aber ein ausgedehnter Shopping-Trip ist mit Baby, Mann und zwei Teenager-Jungs heute leider so gar nicht drin.
So bummeln wir nur noch eine kleine Weile an den hübschen Fachwerkfassaden vorbei. Eigentlich sollten wir uns so langsam auch wieder ins Auto setzen. Es liegen noch gut zwei Stunden Autofahrt vor uns.
Die Häuser der Lanke
Auf dem Rückweg machen wir noch einen winzigen Abstecher in die Straße Lanke. Im Halbkreis sind hier identische Doppelhäuser aus Backstein gebaut. Wir denken an Arbeiterwohnungen. Tatsächlich handelt es sich, wie wir durch Googeln herausfinden, um Wohnstätten, die in den 1930ern für Mitarbeiter der „Wirtschaftlichen Forschungsgesellschaft“ gebaut wurden. Die kümmerte sich in der Nazizeit um die Anlegung kriegswichtiger Rohstofflager und hat, wie wir lernen, auch bei Hitzacker mit Zwangsarbeitern ein riesiges unterirdisches Treibstofflager errichtet.
Dieser Hintergrund dämpft meine Begeisterung für die klug konstruierten Backsteinhäuser. Aber sehenswert sind sie allemal!
Mehr Ausflugsziele in Niedersachsen
Das Wendland war wie gesagt Neuland für uns. Folglich habe ich in direkter Umgebung auch keine weiteren Ausflugstipps auf Lager. Aber generell ist Niedersachsen ein großartiges Bundesland für Familienurlaub mit Kindern und für überraschend tolle Familienausflüge.
Das hier ist eine Auswahl aus meiner Sammlung von Erfahrungsberichten:
- Lüneburg: Dass schnödes Salz so spannend sein kann!
- Braunschweig mit Baby: Ausflug in die Welfenstadt
- Wolfenbüttel: Niedersachsens vielleicht schönste Stadt
- Hildesheim: Familienausflug im Winter
- Bückeburg: Ausflug ins Schaumburger Land
Die komplette Ladung gibt es verlinkt auf unserer GoogleMaps-Karte (klick) oder nach Bundesländern geordnet in diesem Beitrag:
Familienurlaub in Deutschland: Unsere geballten Tipps
Transparenz-Hinweis: In Hitzacker waren wir ganz spontan und „inkognito“. Den Eintritt haben wir selbst bezahlt, alle Ziele und Empfehlungen selbst rausgesucht.
Hitzacker war mir bislang nur aus der Fernsehserie „Girl Friends“ bekannt. Deinen Fotos nach zu urteilen, ist es dort wirklich sehr schön. Sollte ich mal in der Nähe sein, werde ich sicherlich auch mal einen Abstecher nach Hitzacker machen.
Viele Grüße
Annette
Die Serie kenne ich nicht. Aber hübsch ist Hitzacker auf jeden Fall!