Von der A2 aus ist der Aussichtsturm des Jahrtausendblicks zu sehen. Als futuristischer Rahmen aus Stahlstreben und türkis eingefärbtem Glas lugt er fast direkt an der Ausfahrt Bad Eilsen aus den Baumkronen des Weserberglands. Im Expo-Jahr 2000 eröffnet, war er lange Herzstück des wunderbaren naturnahen Themenparks Erlebniswelt Steinzeichen. Nach dessen Insolvenz verfiel der Park und Vandalen halfen kräftig nach. Jetzt ist der Aussichtspunkt wieder zugänglich und bietet einen herrlichen Blick übers Schaumburger Land. Ob sich der Aufstieg lohnt? Wir haben es ausprobiert.
Eigentlich wollen wir an diesem Tag nur eine Runde Spazieren gehen. Auf Instagram habe ich Fotos vom Jahrtausendblick gesehen. Man kann da wieder rauf, erfahre ich auf Nachfrage bei der Nutzerin, die die Bilder gepostet hat. Nur das Drumherum sei schon sehr traurig, schreibt sie mir. Der Freizeitpark sei halt total kaputt.
Wir wohnen quasi gleich um die Ecke. Klar, dass wir bei nächster Gelegenheit einfach mal vorbeigucken.
Steinzeichen Steinbergen in der guten alten Zeit
Was haben wir die Erlebniswelt Steinzeichen geliebt! Es war ein ruhiger, unspektakulärer Themenpark über Gesteinskunde und Erdgeschichte in einem alten Steinbruch. Neben den Ausstellungen mit Informationsgehalt gab es viel zum Selbermachen und zum Spielen für Kinder.
Ein riesiger Abenteuerspielplatz, Streichelziegen, ein toller langer Barfußpfad. Als die Jungs klein waren, hatten wir regelmäßig Jahreskarten.
Ich mochte diese unaufgeregte Attraktion ohne zu viele Superlative total gerne. Auf lange Sicht aber hat sie sich hier im ländlichen Raum anscheinend nicht getragen. 2012 machte der Freizeitpark dicht.
Steinzeichen Steinbergen heute
Seitdem war das großzügige Gelände mitten im Wald zwar abgesperrt, aber wohl nicht völlig abgeriegelt. Immer wieder kam es zu Brandstiftungen. Irgendwelche Idioten zelebrierten ihre Zerstörungswut. Und Altmetalldiebe nahmen mit, was sich zu Geld machen ließ.
So ist der Steinzeichen-Park heute ein Lost Place. Um es gleich vorwegzunehmen: Mit den Beelitz Heilstätten oder anderen Berühmtheiten dieser Szene kann er nicht mithalten. Dazu ist alles doch noch zu neu und einfach nur kaputt gemacht. Wer morbide Fotomotive pittoresken Verfalls sucht, wird so ganz viel nicht finden.
Der neue Biergarten am Steinzeichen
Als wir auf den Parkplatz in direkter Nähe der Autobahnabfahrt einbiegen, staunen wir nicht schlecht: Er ist fast voll. Große Plakate werben für einen Biergarten, der am Eingang des ehemaligen Themenparks von mir vollständig unbemerkt eröffnet hat. (Das ist tatsächlich das erste Mal in vier Jahren, dass mir etwas derart Wissenswertes entgeht, weil ich keine Tageszeitung mehr lese.)
Vom kostenlosen Parkplatz aus ist es ein kurzer, aber steiler Fußmarsch zum Biergarten. Wir laufen unter der Autobahnbrücke hindurch und vorbei am alten Kassenhäuschen. Am Absperrgitter hängt ein kurzer Infotext (leider voller Rechtschreibfehler), in dem potenzielle Besucher erfahren, was sie in etwa erwarten wird, wenn sie die weiteren 150 Meter zum Biergarten zurücklegen.
Die neuen Betreiber kommen aus der Larp-Szene, also dem Live-Rollenspiel. Die ursprüngliche Planung sah vor, das Gelände vor allem an wechselnde Veranstalter solcher Conventions zu vermieten. Als Kulisse für endzeitliche oder zur Not auch mittelalterliche Fantasy-Abenteuer hätte das Areal seinen Reiz. Die Corona-Auflagen haben dem nun vorerst einen Riegel vorgeschoben.
Als vorläufige Notlösung ist der Gastgarten mit Getränkeausschank entstanden. Hier sind alle willkommen – zufällige Spaziergänger, Motorradfahrer auf Ausfahrt, mittelalterlich gewandete Rollenspiel-Fans.
Auf Bierzeltgarnituren und an einigen überdachten Tischen genießen die Gäste ihre Getränke. Es gibt auch Eis am Stiel und einige mittelalterlich angehauchte Süßigkeiten bei den fliegenden Händlern, die ihre Waren in diesem Bereich anbieten. Weiter hinten gibt es Holzschwerter, Schmuck und einen Stand zum Bogenschießen. Ein richtiger kleiner Mittelaltermarkt hat sich hier im Eingangsbereich des alten Steinbruchs etabliert.
6 Euro Eintritt, bitte
Wer mehr vom alten Freizeitpark sehen und hoch zum Jahrtausendblick laufen will, muss Eintritt zahlen. Und das nicht gerade wenig: 6 Euro pro Person, Kinder bis 14 Jahre 2 Euro.
Das ist einerseits verständlich, wenn man um die Situation der Betreiber weiß. Es geht wohl auch um Versicherungen, die gezahlt werden müssen, um überhaupt Leute aufs Gelände lassen zu können. Möglich, dass es selbst mit diesem Eintrittspreis kaum hinreicht, annähernd kostendeckend zu arbeiten.
Andererseits ist es für das Gebotene meinem persönlichen Empfinden nach völlig unangemessen. Wer nach dem Grundsatz lebt: „Jetzt will ich auch was sehen für mein Geld“, wird vermutlich enttäuscht sein. Ich empfehle, die Angelegenheit als Spende an ein motiviertes Team in Schwierigkeiten zu sehen (oder die Tour gleich ganz sein zu lassen).
Spaziergang entlang neuzeitlicher Ruinen
Der Rundweg folgt dem des alten Freizeitparks. Etliche Gebäude, die dieser nutzte, stammten noch aus Zeiten des aktiven Steinbruchs. Das erste Gebäude ist ein Tunnel, der einst als Schutzraum bei Sprengungen diente, später als 3D-Kino genutzt wurde. Hier sind wohl die Kulissen eines ersten Live-Rollenspiels mit kräftigem Horror-Anteil stehen geblieben – zart besaitete Kinder sollten hier nicht unbedingt vorpreschen und sich allzu genau umsehen.
Das war dann aber auch schon alles, was sich – zumindest meinem Eindruck nach – seit der Übernahme der neuen Betreiber baulich und dekorativ verändert hat. Der Rest des Rundgangs besteht aus den neuzeitlichen Ruinen, die der Themenpark hinterlassen hat.
Es folgt ein größeres Gebäude, in dem zu Steinzeichen-Zeiten eine große Sammlung von Geduldspielen und Knobeleien untergebracht war. Es ist begehbar, aber leer. Ähnlich sieht es mit dem Themenkino aus, wo die große Leinwand zerfetzt am Boden liegt.
Wo Kinder früher Stelzenlauf und andere Geschicklichkeitsspiele ausprobieren konnten, haben die Wände ein paar Graffiti abbekommen. Von großem künstlerischen Wert erscheinen die mir nicht.
Ab und zu lassen sich ein paar Motive entdecken, die noch als sehenswert durchgehen. Vor allem der abgerockte Barfußpfad, das demolierte Restaurant und das leere Ziegengehege lassen mich jedoch ausschließlich traurig zurück.
Schön sind hingegen die Strecken durch den Wald, die dazwischen liegen. Der komplette Rundweg umfasst knapp zwei Kilometer. Wer zum Jahrtausendblick möchte (und das sollte man auf jeden Fall, wenn man schon den Eintritt bezahlt hat), hängt zusätzliche 700 Meter auf dem Panoramaweg dran. Immer wieder geht es gut bergauf. Vor allem aber ist es grün und schön schattig. Ein paar Kunstwerke sind noch da, die schon zu Zeiten des Themenparks die Laufstrecken aufwerten sollten.
Highlight: Der Jahrtausendblick
Wirklich sehenswert ist (nur) der Aussichtsturm. Er erhebt sich auf dem höchsten Punkt des Messingbergs, den der Panoramaweg erklimmt. Insgesamt ist die Plattform 250 Meter hoch. Über 156 Stufen geht es zuerst über Feldstein, schließlich über durchsichtigen Gitterstahl nach oben.
Der Ausblick über das Weserbergland ist wahrhaft grandios. Als Mensch mit ausgeprägtem Höhenangstproblem kann ich den immer gar nicht so genießen. Aber selbst ich traue mich dann doch bis zur großen Aussichtsplattform rauf!
Eigentlich reicht für Leute wie mich aber auch schon der Blick vom kleinen Absatz, bis zu dem der Sicherheit suggerierende Stein reicht. Den kann ich nämlich wesentlich stressfreier auf mich wirken lassen…
Mein Fazit zum Steinzeichen Steinbergen mit Jahrtausendblick 2020
Ich bin froh, dass ich mir die neue Nachnutzung des Themenparks einmal angesehen habe. So konnte ich meine persönliche Neugier befriedigen, wie unser liebstes Ausflugsziel am Wochenende mit kleinen Kindern heute aussieht (leider sehr traurig).
Der Aufstieg auf den Jahrtausendblick lohnt sich der hammermäßigen Aussicht wegen zumindest bei gutem Wetter absolut!
Ich wünsche den Betreibern, dass es ihnen gelingt, dem Gelände nachhaltig neues Leben einzuhauchen (nicht zuletzt, weil ich selbst Larper bin – gerade deshalb habe ich aber auch noch etliche Fragezeichen, was eine sinnvolle Nutzung angeht).
Unter dem Gesichtspunkt eines gelungenen Familienausflugs finde ich den Eintritt ziemlich happig für das, was geboten wird. Vor allem, wenn Kinder dabei sind, sollte man vorher gut kommunizieren, dass von den Spielstationen absolut nichts mehr übrig ist und es sich eigentlich nur um einen Waldspaziergang mit einigen Extras zum Gucken handelt.
Abgesehen vom Preis-Leistungs-Verhältnis ist die Runde durch den ehemaligen Freizeitpark mit Besteigung des Jahrtausendblicks in meinen Augen aber ein netter Ausflugstipp für einen Sonntagnachmittag.
Mehr Ausflugsziele in Schaumburg und ganz Deutschland
Weitere Tipps für Ausflüge mit Kindern in Schaumburg inklusive unseren persönlichen Erlebnisberichten gibt es in der Kategorie Schaumburger Land (klick).
Besonders ans Herz legen möchte ich euch dabei meine Serie „Wandern in Schaumburg“. In sechs Teilen stelle ich dabei kurze Rundwege vor, die sich auch mit Kindern (und/oder Hunden) prima laufen lassen.
- Zwischen Schaumburger Wald und Harrl: Wandertouren rund um Bückeburg
- Zwischen Harrl und Bückebergen: Wandertouren rund um Bad Eilsen
- Zwischen Sandsteinskulpturen und Dinosaurierfährten: Wandertouren rund um Obernkirchen
- Zwischen Bückebergen und norddeutscher Tiefebene: Wandertouren rund um Stadthagen
- Zwischen Süntel und Wesergebirge: Wandertouren rund um Rinteln
- Zwischen Deister und Rehburger Bergen: Wandertouren rund um Bad Nenndorf
Im dazugehörigen Hauptartikel gibt es auch eine Kartenansicht:
Wandern in Schaumburg: Tipps für Spaziergänge mit Kindern
Insgesamt haben wir in sieben Bloggerjahren mehr als 190 Reise- und Ausflugsziele in allen 16 Bundesländern selbst getestet. Die Übersicht und den Link zur Karte gibt es hier:
Familienurlaub in Deutschland: Unsere Erfahrungen und Tipps
Transparenz-Hinweis: Als Blogger mit Berichterstattungsabsicht (die ich nach Blick auf die Preise ganz schnell entwickelt habe ;) ) brauchten wir keinen Eintritt bezahlen. Bei einem Blog mit journalistischem Anspruch (wie meinem) wirkt sich das immer nur auf das Dass des Berichtens, nicht aber auf das Wie aus.
Hallo Lena
Ich hab mir heute mal, in aller Ruhe, deinen Bericht über das Steinzeichen durchgelesen. Vielen Dank dafür. Auch ich war früher oft mit Betreuungskindern, aber auch sehr gerne privat da. Ist einfach wunderschön gewesen, von Bückeburg schnell erreichbar und mit den tollen Angeboten in „wilder“ Natur spitzenmäßig.
Ich bin zwar kein Larper, finde diese Art Veranstaltungen aber sehr schön, Gewande mich in Richtung Fantasy und Endzeit und besuche solche Veranstaltungen gerne als Gast. Ich werde jetzt, am Osterwochenende mal wieder hin fahren, mir alles ansehen und die 6,-€ , sozusagen, als Unterstützung für die Betreiber entrichten
Ich wünsche dir und deiner Familie schöne Feiertage
Liebe Grüße Jörn „Papa Joe“
Danke für das Feedback! (Wir waren in Schottland und ich komme erst jetzt dazu, alle zwischenzeitlich aufgelaufenen Kommentare zu bearbeiten.)
Ich war seit unserem beschriebenen Besuch nicht wieder dort. Für ergänzende Updates per Kommentar wäre ich deshalb sehr dankbar. Ich hoffe, ihr hattet eine gute Zeit!