Auf diesen Tag haben sich vor allem unsere Kinder lange gefreut: Der Ausflug in die südenglische Stadt Bath bedeutet nämlich auch ein Wiedersehen mit unserem ehemaligen Au-Pair-Mädchen. Stephanie hat sich große Mühe gegeben, uns die schönsten und kinderfreundlichsten Fleckchen ihres viel gerühmten Wohnorts zu zeigen.
Das Beeindruckende an Bath ist seine einheitliche Architektur. In der georgianischen Zeit – von 1714 bis 1830, als vier Könige hintereinander den Namen George trugen – entstand der Großteil der rund 5000 Gebäude, die in dieser Stadt unter Denkmalschutz stehen und auch von der Unesco als Weltkulturerbe ausgezeichnet sind. Ralph Allen, der Besitzer des nahe gelegenen Steinbruchs, verdiente sich im 18. Jahrhundert eine goldene Nase, als er den Rohstoff für den kompletten Bau-Boom in der aufstrebenden Kurstadt lieferte. „Am Anfang habe ich mich hier immer verlaufen, weil sich die Häuser alle so ähnlich sehen“, erzählt Stephanie. Inzwischen kennt sie sich gut aus und führt uns sicher an all den sehenswerten Gebäuden vorbei.
Berühmt geworden ist Bath natürlich – wie der Name schon sagt – vor allem wegen seiner römischen Bäder. Die heißen Quellen verhalfen schon den mediterranen Eroberern zu einem luxuriösen Vergnügen, das die Briten in späteren Jahrhunderten fortsetzten. Auch Jane Austen und ihre Zeitgenossen kombinierten hier noch gesundheitsfördernde Badeanwendungen mit dem süßen Leben eines Luxusurlaubs. Das opulente Gebäude der „Roman Baths“ befindet sich mitten in der Stadt, schräg gegenüber der Kathedrale. Es kann besichtigt werden, wie eine laaange Warteschlange vor dem Eingang illustriert. „Aber das lohnt sich überhaupt nicht“, befindet Stephanie. Einmal habe sie sich das angesehen, wo sie doch schon in Bath wohne. Der Eintritt sei aber selbst für sie als Studentin ganz schön teuer gewesen, und nach wenig mehr als einer Stunde sei sie durch gewesen mit Glanz und Gloria der Örtlichkeit. Für uns als Familie würde der Spaß 38 Pfund kosten – wir beschließen, uns die Hauptattraktion am Platz doch mal gepflegt zu sparen. Stattdessen betrachten wir die Himmelsleiter an der Domfassade und all die Straßenkünstler, die sich in den belebten Gassen tummeln.
Nach einem ersten Rundgang brauchen wir eine Picknick-Pause. Stephanie führt uns in den Henrietta Park, wo wir mitten in der quirligen Touristenstadt eine Oase der Ruhe finden (zumindest bis die Jungs ihre Sandwichs verspeist haben). In einem steinernen Becken schwimmen Goldfische, und zahme Eichhörnchen krabbeln uns fast in den Rucksack. Wir lassen uns Zeit, schließlich haben wir uns lange nicht gesehen und haben viel zu quatschen.
Silas war erst zwei, als wir Stephanie nach ihrem neunmonatigen Aufenthalt bei uns am Flughafen verabschiedet haben. Vier Jahre lang haben wir zwar immer mal wieder zusammen ihre Fotos bei facebook angeschaut und auch mal mit ihr gechattet („Mama, schreib: Ich will und darf und kann dich nicht vergessen, Stephanie!“). Trotzdem müssen sich die beiden Jungs natürlich erst wieder an das altbekannte Gesicht gewöhnen. Ungefähr vier Minuten dauert der Prozess, dann ist vor allem Silas wieder ganz dicke mit ihr, genau wie in alten Zeiten.
Highlight für die Kinder ist definitiv der Royal Victoria Park. Ganz in der Nähe des Royal Crescent und gut ausgeschildert als „botanical garden / play area“ erwartet die Jungs nach einem Spaziergang über die ausgedehnten Grünflächen ein riesiger Spielplatz. Hier könnten sie wahrlich einen ganzen Tag verbringen. Von der Baby-Schaukel bis zur Halfpipe gibt es für Kinder jeden Alters etwas zu tun. Auch Martin hat eine Menge Spaß, während er mit Silas zusammen den immensen Kletterturm besteigt. „Ich glaube, das ist der beste Spielplatz, den ich je gesehen habe!“ ruft Silas uns glücklich von ganz oben aus zu. Stephanie und ich machen es uns auf einer der zahlreichen Bänke im Schatten gemütlich. Hier kann man es wirklich aushalten.
Zum Ärger der Kinder trommeln wir eine gute Stunde später aber doch zum Aufbruch. Schließlich haben wir nur einen Tag Zeit, um Bath zu erkunden, und wir haben noch längst nicht alles gesehen. Außerdem sind wir nach drei Wochen Großbritannien längst angefixt und hängen an der Teetasse – es ist vier Uhr, wir brauchen unseren tea room. Auf der Suche nach einem bummeln wir zurück Richtung Innenstadt und kommen am Circus vorbei. Der kreisrunde Platz ist umgeben mit edlen, komplett gleichförmigen Reihenhäusern, die ebenfalls einen Kreis ergeben. „Hm“, sagt Janis und weiß nicht, was er von dieser Form der Architektur halten soll. Genauso wie das halbmondförmige Royal Crescent gehört der Circus zu den architektonischen Markenzeichen von Bath. Stephanie erzählt, dass Nicholas Cage hier mal eine Zeitlang wohnte. Um inkognito zu bleiben, montierte er seine Hausnummer ab. Unter den Fans sprach sich aber schnell herum, dass sie einfach nur nach dem „Haus ohne Hausnummer“ suchen mussten. Inzwischen ist er wohl an einen unscheinbareren Ort umgezogen.
Tea rooms sind nicht Stephanies Metier. Sie weiß bloß, dass es auf der Pulteney Bridge welche gibt. Nach dem Vorbild des Ponte Vecchio in Florenz ist die Brück über den Avon vollständig bebaut. Als wir die belebte Straße entlang flanieren, verrät nichts, dass unter unseren Füßen der Avon fließt. „The Bridge Coffee Shop“ sieht nett aus, hat aber keine Plätze mehr frei. Also nehmen wir mit dem „Café au Lait“ vorlieb, was sich als eher mittelmäßig herausstellt. Ich erhalte eine nicht gespülte Teetasse zum Kännchen. Als ich um eine neue bitte, klebt auch an der ein Lippenstiftabdruck der Vorbenutzerin.
Die Brücke müssen wir uns noch mal von unten angucken. Hinterm Coffee Shop steigen wir eine enge Treppe hinunter und schlendern am Avon-Ufer entlang. Von hier aus legen Schiffe zur Stadtführung zu Wasser ab. Die Jungs beobachten den Prozess genau. Dann zeigt Stephanie ihnen ein kleines Labyrinth, das in den Fußboden eingelassen ist. Die Kinder sind begeistert, und wir sind erstaunt, wie lange und wie intensiv sie sich mit dieser eher unscheinbaren Attraktion beschäftigen können.
Zum Abschluss dieses herrlichen Tages laden wir Stephanie in ihr Lieblingsrestaurant ein. Das Joya ist ein Italiener mittlerer Preisklasse mit schönem Ambiente und exzellentem Essen, das Personal zeigt sich vorbildlich kinderfreundlich. Durch die Abenddämmerung laufen wir schließlich zurück zum Auto, das wir auf dem großen Parkplatz an der Charlotte Street abgestellt haben. Junge Leute ziehen an den edel angestrahlten Fassaden der ehrwürdigen Gebäude vorbei, das nicht minder quirlige Nachtleben der Universitätsstadt beginnt. Wir verabschieden uns von Stephanie – diesmal hoffentlich nicht wieder für vier Jahre…
Detail-Infos in Bath:
– Römische Bäder, Abbey Church Yard (mitten in der Stadt), Preis furs Familienticket aktuell 38 Pfund (ca. 46 Euro)
– Henrietta Park, Zugang über Henrietta Street oder Great Pulteney Street, Eintritt frei
– Spielplatz Royal Victoria Park, Verlängerung der Royal Ave, Eintritt frei
– Restaurant Joya, 6 Newmarket Row, geöffnet täglich von 11 bis 23 Uhr.
Dieser Text basiert auf einem Eintrag meines Reisetagebuchs vom 31. August 2013. Mehr England-Reiseberichte aus jenem Familienurlaub inklusive Karte gibt es in unserem England-Inhaltsverzeichnis.
PS: Noch ein Reisebericht aus Bath aus Sicht einer Familie gefällig? Reisebloggerin Antje Gerstenecker von Mee(h)r-erleben war auch dort!
[…] Lauter kleine Highlights für die Kids Me(e)hr erleben: Bath. Verführerische Cupcakes und heiße […]