Meike Leopold, Expertin für digitale Kommunikation, hat eine Twitter-Diskussion aufgegriffen und eine Blogparade daraus gemacht: Das Blog – ein Medium von gestern? Das Thema dürfte keinen Blogger kalt lassen, wie professionell er oder sie sich auch immer versteht. Außerdem gefallen mir solche Vernetzungs-Aktionen über die altbekannte Reiseblogger-Bubble hinaus. Deshalb wird es heute auf family4travel überdurchschnittlich „meta“. Alle, die das herzlich wenig interessiert, möchte ich auf den nächsten regulären Reise-Beitrag vertrösten, wie immer am Sonntag, der euch wieder Inspirationen und handfeste Tipps für das Reisen mit Kindern liefern wird.

Blogs sind tot – es lebe das Blog!

Immer wieder – seit Jahren – wird aus allen möglichen Ecken suggeriert, Bloggen sei out, Blogs lägen kollektiv im Sterben. Gleichzeitig stiegen meine Leserzahlen (zumindest bis Corona kam).

Für mich persönlich waren die kontinuierlichen Abgesänge meines Mediums immer mal wieder relevant, wenn ich bei Kooperationen nicht den Zuschlag für individuelle Recherchereisen erhielt, weil Unternehmensleitungen lieber auf Influencer in den Social Media setzen wollten. Zigtausend Herzchen pro Bild, das macht Eindruck – und lässt manch einen vergessen, dass ein einzelnes in Szene gesetztes Foto dem Herzenden keinerlei echtes Entscheidungskriterium für oder gegen einen Urlaub am abgelichteten Reiseziel sein kann. Der Mix macht’s, marketingtechnisch gesehen. Und Blogs spielen dabei gerade im Reise-Sektor immer noch und auch in Zukunft eine wichtige Rolle.

Da ich nicht blogge, um Recherchereisen abzugreifen, sondern um meine werte Leserschaft mit authentischen Erfahrungsberichten und konkreten Ratschlägen für ihren eigenen Urlaub zu beglücken, änderte der Instagram-Influencer-Hype für mich nie viel. Ich blogge also munter weiter.

Das Medium eignet sich zu gut, um eigene Erfahrungen darzustellen, Tipps und Ratschläge aus erster Hand zu geben, unabhängig zu informieren.  Informationen in „echt“, ausführlich und persönlich, dazu nachhaltig über Jahre im Netz auffindbar: Das ist, was Blogs können. Und dafür wird mein Blog ja auch gelesen.

Warum immer weniger Leute zu Bloggern werden

Meine These: Bloggen wird immer schwieriger. Heute könnte ich als IT-technisch unvorbelastete Wald-und-Wiesen-Journalistin wahrscheinlich nicht mehr damit anfangen. Die Hürden wären mir zu hoch.

Als ich vor siebeneinhalb Jahren beschloss, unter die Blogger zu gehen, richtete ich mir so ein kleines Dings bei wordpress.com ein. Da musste ich nicht mehr können als heute bei Facebook: hier Texte eintippen, da Bilder hochladen, auf „veröffentlichen“ klicken, fertig.

ein wenig glamouröses Bild der Grenzbrücke in Frankfurt/Oder

Das erste Foto, das ich je in mein Blog geladen habe: Ein wenig glamouröses Bild der Grenzbrücke in Frankfurt/Oder mit dem vielsagenden Titel „IMG_8971“ machte den Auftakt meiner Reiseberichterstattung über unseren Trip ins Baltikum.

Auf meinem Weg der Professionalisierung konnte ich einen Schritt nach dem nächsten gehen. Mein Blog zog um zu einem „richtigen“ Hoster, wo ich ein anderes Design und praktische Plug-ins installieren konnte. Dank diverser Selbsthilfegruppen bei Facebook wurde ich immer wieder aufmerksam auf kleine Probleme beim Datenschutz, die ich nach meinen (geringen) Möglichkeiten so gut es ging löste. Dinge wie SSL-Zertifikate und ein Mindestmaß an SEO stellten mich vor Herausforderungen, die ich aber eine nach der anderen angehen konnte. Als dann die DSGVO um die Ecke kam, konnte ich auf ein gutes Netzwerk zurückgreifen, das mich bei der Umsetzung unterstützte. Seitdem balanciere ich technisch weiter am Abgrund, kann mich aber zumindest im Moment doch halbwegs gut halten.

Heute können eigentlich nur noch technisch versierte Menschen ein Blog starten. Natürlich sind Inhalte nach wie vor wichtig für die Leser, ohne sie wird niemand Erfolg haben. Aber als technisch unbedarfter Schreiberling, wie ich einer bin, funktioniert das spätestens seit der DSGVO doch nur noch mit einem entsprechend fähigen Team im Rücken.

Ein Blogger ohne gute Inhalte ist ein erfolgloser Blogger. Ein Verfasser guter Inhalte ohne technische Kenntnisse ist – kein Blogger.

Blogs früher und heute

Kein Wunder auch, dass sich die Kreativen auf die Social-Media-Plattformen verlegen (und auch die Selbstdarsteller, die es früher ja auch unter den Bloggern in großer Vielzahl gegeben hat und die sich heute Influencer nennen). Dort ist es nach wie vor so: hier Texte eintippen, da Bilder hochladen, auf „veröffentlichen“ klicken, fertig.

Dass man bei der Gelegenheit als Medienschaffende*r nicht mehr im eigenen Haus regiert, nicht nur Technik, sondern auch die Spielregeln aus der Hand geben muss, ist eine in meinen Augen sehr bedauerliche Begleiterscheinung.

Im Reiseblogger-Sektor überleben meiner Wahrnehmung nach auf der einen Seite die, die wie ich mit viel Herzblut in die Sache reingewachsen sind und wie der Frosch im Butterfass kämpfen. Für einzelne gibt es immer Gründe, aufzuhören.

Was chronologisch gesehen von unten nachwächst, hat meist ein anderes Kaliber. In der neuen Blogger-Generation dominieren die, die technisch-analytisch und businessorientiert-professionell an die Sache rangehen, profitabel im Team arbeiten, sicher zum Teil auch gute Inhalte liefern, aber eben nicht mehr die Seele der früheren Blogosphäre verkörpern.

Ob früher alles besser war, ist eine Frage, die man wohl je nach Generationszugehörigkeit und Gemütszustand beantwortet. Ich selbst trauere „der guten alten Zeit“ schon hinterher. Dass es meiner Wahrnehmung nach in Blogs heute vielfach anders zur Sache geht, muss für die Leser*innen aber nicht unbedingt schlecht sein. Und auch unter uns alteingesessenen Riesebloggern funktioniert der Zusammenhalt oft immer noch gut – wie zum Beispiel gerade vergangene Woche mein Roundup „Die schönsten Wege durchs Moor“ mit 17 Teilnehmer*innen gezeigt hat.

wandern im moor roundup

Für dieses Gemeinschaftswerk haben 17 Reiseblogger Texte und Bilder geliefert. (Ja, sorry, es fällt mir ein wenig schwer, diesen Text sinnvoll zu bebildern, das ist der Hauptgrund für die eingestreute Eigenwerbung.)

Das Blog als natürlicher Feind der Social-Media-Plattformen

Insofern gebe ich Claudia von Claudia on tour recht, die in ihrem Beitrag zur Blogparade schreibt: „Ich blogge nun seit bald neun Jahren und genau so lange wird Blogs auch immer wieder die Berechtigung abgesprochen. Wiederkehrend wird das baldige Ende der Bloggerszene prophezeit und andere Plattformen und Kommunikationskanäle in den Himmel gehoben.“

Als Blogger haben wir schon einige davon kommen und gehen sehen. Google+ zum Beispiel. Facebook ist mittlerweile ja wohl auch auf dem absteigenden Ast. TikTok läuft Instagram den Rang ab. Nachdem es vor Jahren noch hieß, als Blogger müsse man jetzt unbedingt mit YouTube-Videos anfangen, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben, springen aktuell viele auf den Podcast-Zug auf. Aber ich kleine Bloggerin bin immer noch da und hatte – vor Corona, wie gesagt – bessere Leserzahlen als je zuvor.

Dass Blogs totgesagt werden, wirft ja auch die Frage auf: Von wem? Plappern diejenigen vielleicht nur Leuten nach dem Mund, die vom Erfolg all jener Plattformen profitieren? Immerhin bin ich als selbstständiger Blogger ein freies Medium, niemandem als meinen eigenen ethischen Maßstäben (und besagten komplizierter werdenden rechtlichen Vorgaben) Rechenschaft schuldig. An mir verdient niemand außer dem Webhoster. Ich liefere niemandem Content für seine Plattform (also doch, tue ich schon, ich teile meine Inhalte ja auch auf Facebook, Twitter, Instagram – aber ich erhöhe die Verweildauer der App-Nutzer nicht unbedingt, sondern locke sie im Gegenteil weg davon ins „freie Internet“). Vielleicht liegt es auch daran, dass Blogs keine gute Lobby (mehr) haben?

Reiseblogger Instastory

Ich bin ein großer Fan von Instastorys, über die ich gerne „live“ von unterwegs berichte (hier zum Beispiel aus unserem 6-wöchigen Irland-Sommer). Ist also keineswegs so, dass ich als Blogger Social-Media-abstinent wäre.

Benchmark Kommentarzahl

Was natürlich stimmt: Die Kommentar-Moral geht seit Jahren stetig zurück. Während meiner Anfangszeit als Blogger gehörte es beinahe noch zum guten Ton, unter jedem gelesenen Artikel einen Kommentar zu hinterlassen. Erst neulich habe ich in meinen alten Texten von 2014 gelesen. Unter Berichten gleich welchen Themas befinden sich zehn, manchmal 20 Kommentare. Heute muss man schon entweder über hochemotionale Themen schreiben, um eine schriftliche Reaktion zu provozieren, oder sich mit Kollegen in abgekarteten Kommentar-Ketten organisieren.

Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Rund 70 Prozent meines Traffics erhalte ich mittlerweile über mobile Endgeräte. Wer am Handy liest, macht sich nicht die Mühe, ein Feedback zu tippen. Es ist einfach dreimal so aufwändig wie an einer Zehn-Finger-Tastatur und passiert deshalb nicht nur dreimal seltener, sondern gerät als impulsgesteuerte Reaktion vollständig aus dem Blickfeld.

Schade. Aber ich bin ja selbst nicht besser. Hier müssen wir uns wohl einfach nur daran gewöhnen, dass sich Bloggererfolg nicht mehr an der Kommentarzahl ablesen lässt.

Blogger auf Bloggerreise

Das waren noch Zeiten: 2016 auf einer Bloggerreise in der Lüneburger Heide.

Andere Blogger-Meinungen

Dem widerspricht Blogger-Coach Anna Koschinski in ihrem eigenen Beitrag vehement. Sie sieht es als durchaus bewältigbare Aufgabe jedes Bloggers, Interaktion mit Leserinnen und Lesern zu generieren. Bernhard vom schlossBlog sieht das Schwinden von Diskussionen in Blog-Kommentaren weitergefasst: „ich bin der Überzeugung, dass das, was ich bemäkel ein kulturelles Phänomen ist, das ich ja nicht nur hier, sondern auch anderenorts empfinde. Vielleicht ein Resultat der Informationsüberflut allerorten.“

Er bringt übrigens auch meinen Punkt weiter oben ganz wunderbar auf die Spitze: „Ich blogge also aus Egoismus. Verfolge eigene Zwecke und behalte die Hand auf dem Content. So werde ich unsterblich, bis jemand die Providerrechnung nicht bezahlt und die Domain abgeschaltet wird.“ Und in eine ganz ähnliche Kerbe haut Christian de Vries in seinem Blog über Kommunikationsmanagement: „Entscheidend ist die Unabhängigkeit. Und die Sicherheit. So lange der Hoster nicht seine Bude anzündet, und ihr regelmäßig euren Obolus bei ihm abdrückt, könnt ihr gemeinsam mehrere Jahrzehnte alt werden. Da bin ich mir bei den Plattformen mittlerweile nicht mehr so sicher.“

Dass Blogs auch heute noch einen echten Unterschied machen können, auch wirtschaftlich gedacht, argumentiert Robert von Regional Digital, der regionalen Unternehmen digitales Marketing nahebringen möchte: „Dieser Hebel kann gewaltige Kraft entfalten. Vielleicht findest du in deiner Kleinstadt 10 beeindruckte Leser, die über deinen Artikel mit ihren Freunden sprechen. Das bringt dir einen größeren langfristigen Nutzen als ein Facebook-Post mit 1000 Likes.“

„Gemischtwaren-Blogger“ Henning Uhle erinnert daran, dass schon Anfang des Jahrtausends bei ihrem Aufkommen Blogs „als die Klowände des Internets“ verunglimpft wurden. Außerdem setzt er sich mit der schrumpfenden Aufmerksamkeitsspanne der Menschen im Allgemeinen auseinander, die ich hier in meinem Beitrag gar nicht angesprochen habe: „Ich glaube, man diskutiert über solche Dinge wie “Blog oder Schrott” immer wieder, weil Blogs deshalb gewaltig an Reichweite verloren haben, weil viele Menschen denken, sie könnten sich durch eine Überschrift ein Urteil erlauben. Bei einem Instagram Post gibt es in den seltensten Fällen irgendwelche Texte, die länger als 30 Sekunden aufhalten.“ 

Und Katrin von Hilgerlicious (inzwischen offline), deren Vergangenheit wie die meine in der Printpresse liegt, spricht dem Phänomen Blog zwar eher Retro-Chick zu, sieht aber für diesen neben dem schnelllebigen Mainstream immer noch eine feste Nische im Medienmix: „Nur – es gibt immer noch eine Minderheit, die auf Text steht. Die es liebt, Content in ihrer eigenen Geschwindigkeit zu konsumieren. Mal was überfliegen, anderes nochmal nachlesen. All das geht bei Video oder Podcast nicht.“

Ich bin sehr gespannt, was im Laufe der Blogparade noch an Wortmeldungen dazu kommt. Meike sammelt alles auf der Aussgangsseite der Blogparade und bei Twitter unter dem #liveloveblog.

Und die Moral von der Geschichte

Ist ja logisch: Wenn man leidenschaftliche Blogger fragt, ob Bloggen noch sinnvoll ist, dann erhält man lauter positive Antworten. Alles andere wäre merkwürdig.

Aber ich bin tatsächlich überzeugt: Unabhängige Blogs sind weiterhin ein wertvolles Element in der Medienlandschaft. Sie können prima Mittel zum Zweck im Marketing sein. Vor allem aber sind gut gemachte, qualitativ hochwertige Blogs damals wie heute sinnvolle Lektüre für ihre Leser.

Ich denke, dass es weiterhin schwieriger wird, ein unabhängiges Blog gesetzeskonform zu führen. Solange ich es irgendwie kann, werde ich es aber tun. Das Bewusstsein, damit quasi mein eigenes Medium zu steuern, inhaltlich niemandes Untertan zu sein, gibt mir eine Menge. Und ich bin überzeugt, dass ich damit wiederum meinen Leserinnen und Lesern eine Menge geben kann.

family4travel bloggeburtstag 7

Ich blogge schon ganz schön lange… Das war mein Beitragsbild zum siebten Bloggeburtstag.

Die Blogparade „Das Blog – ein Medium von gestern?“ läuft noch bis zum 15. Februar bei start:talking.