Bergbaugeschichte ist im Harz allgegenwärtig. Vor allem in Goslar geht kein Weg daran vorbei. Schließlich verdankt die Stadt ihren Status als UNESCO-Welterbe (auch) dem Erzabbau im Rammelsberg. Mehr als tausend Jahre lang ist hier Bergbau betrieben worden. Heute ist das Besucherbergwerk Rammelsberg ein Ausflugsziel der Extraklasse nicht nur für Familien. Hier kommt unser ungeschönter Erfahrungsbericht aus Sicht einer Mutter mit zwei Teenagern und einem Kleinkind.
Erfahrungsbericht aus Familiensicht vom Besucherbergwerk Rammelsberg
Das Besucherbergwerk Rammelsberg haben wir im Februar 2022 besichtigt. Mit von der Partie waren neben mir meine beiden großen Jungs Janis (17) und Silas (15) sowie die kleine Franka (2,5).
Über das ganze Drumherum unserer Reise habe ich hier geschrieben: Goslar mit Kindern: Familienauszeit im Harz. Dort gibt es auch einen Tipp, wie man am schönsten von Goslar aus zum Besucherbergwerk kommt.
Für Tag zwei unseres Kurztrips mit Kindern in Goslar beraumen wir nach etlichem Hin und Her die Besichtigung des Besucherbergwerks Rammelsberg an. Der gesamte Komplex ist – gemeinsam mit der Goslarer Altstadt und allen Außenanlagen des Oberharzer Wasserregal – als Weltkulturerbe bei der UNESCO gelistet. Von mindestens 956 bis 1988 wurde hier Erz geschürft. Verschiedene Buntmetalle (vor allem Kupfer, Zinn, etwas Silber) steckten im Berg. 27 Millionen Tonnen Erz kamen in diesen mehr als 1000 Jahren ans Licht. Gigantisch! Auch wenn die Förderung seit Langem ruht (nix mehr zu holen), gilt die Angelegenheit als ausgesprochen sehenswert.
Schon letztes und vorletztes Mal im Harz und immer mal wieder zu Hause zwischendurch haben wir uns gesagt, dass wir uns das unbedingt mal anschauen müssen. Aber irgendwie hat es nie gepasst.
In den Rammelsberg geht es erst ab 4
Auch diesmal hadern wir ein bisschen. Die Führungen unter Tage erlauben Kindern erst ab vier Jahren die Teilnahme. Was mir im ersten Moment diskriminierend und bevormundend vorkommt, hat später beim Anblick der Verhältnisse im Berg mein vollstes Verständnis.
Auch Brillenträgern wird nahegelegt, von einer Führung abzusehen, solange FFP2-Masken vorgeschrieben sind. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit sind Brillengläser permanent beschlagen. Ich komme zum Glück zumindest zeitweise ohne aus. Bei Janis ist das anders. So erklärt er sich bereit, mit seiner kleinen Schwester oben zu bleiben. Sein Bruder – der schon in Bottrop mal 1100 Meter tief in Deutschlands vorletztes Kohlebergwerk einfahren durfte – möchte sich die Sache nämlich schon sehr gerne mal ansehen.
Auf dem Weg des Wassers im Röder-Stollen
Wir entscheiden uns für die kürzeste und beliebteste Tour: die Besichtigung des Röder-Stollens. Etwa eine Stunde lang folgen wir mit einer kleinen Gruppe einer Führerin in den Berg hinein. (Es gibt auch noch andere Möglichkeiten. Alle Führungen sind auf der Rammelsberg-Website aufgeführt.)
Die Erfahrung ist superspannend und intensiv. Nach einem kurzen Fußmarsch und einem kleinen Exkurs am Herzberger Teich stehen wir vorm Stolleneingang. Kurz darauf umgeben uns rund 200 Jahre alte Gänge. Die Helme, die wir tragen, dienen hier nicht nur der Zierde. Teilweise geht es nur gebückt voran. An den Tunnelwänden blühen bunte Vitriole: verschiedene Sulfate, die sich aus dem Wasser ablagern und Kristalle bilden. Überall tröpfelt es.
Industriegeschichte unter Tage
Bald schon stoßen wir auf Zeugnisse der ausgeklügelten Mechanik, mit der Bergmeister Röder hier bereits im 18. Jahrhundert den Abbau industrialisierte. Dann stehen wir vor einem gigantischen Wasserrad. Mit diesen „Kehrrädern“ wurde vor Ort die Kraft erzeugt, um Förderkörbe hinauf und hinunter zu bewegen. Da die dafür nötigen Hohlräume aus Stabilitätsgründen nicht überall geschaffen werden konnten, übertrug man die Energie teils über lange Gestänge.
Unter unseren Füßen sind durchsichtige Gitterroste und dann mindestens zehn Meter Nichts. Puh, das hätte ich mit meiner Höhenangst gern vorher gewusst! Natürlich gibt es ein stabiles Geländer. Spätestens auf der Wendeltreppe hinab könnten kaspernde Kleinkinder da aber leicht zwischenrutschen. Und als sich das mächtige Rad knarzend zu drehen beginnt, ist das auch für uns Erwachsene ein ganz schön gruseliger Moment. Ich bin wahnsinnig froh, dass ich mein Kind über Tage gut aufgehoben weiß. Und ich bin froh, dass Silas mich zu dieser Tour überredet hat. Die Führung ist ein grandioses Erlebnis!
Museen am Rammelsberg
Wer vor oder nach der Führung noch Zeit hat oder wer gar nicht erst in den Berg möchte oder darf, kann sich überirdisch gleich mehrere Museen anschauen.
Der aktive Betrieb am Rammelsberg ruht seit 1988. Die Lagerstätten sind schlichtweg ausgebeutet. Viele Bereiche der Anlagen über Tage sind deshalb begehbar.
Ausstellung im Magazin
Wichtigster Teil des Museumsbereichs ist das Magazin. Wo früher Ausrüstung verwahrt wurde, führt nun eine komplexe Ausstellung durch die Zeit. Diese erstreckt sich auf zwei Etagen (und ist leider nicht so richtig barrierefrei – wer mit Rollstuhl oder Buggy die Ebene wechseln möchte, muss erst Personal bitten, einen historischen Lastenaufzug zu aktivieren).
Mit diversen Audio-Elementen und Installationen versucht die Ausstellung verschiedene Sinne anzusprechen. Letztlich bleibt die Geschichtsvermittlung recht textlastig (aber gut formuliert). Wahrscheinlich wäre ich begeisterter, wenn ich persönlich das Thema Bergbau spannender finden würde. So konzentriere ich mich vor allem auf die mitgelieferte Stadtgeschichte, während sich oben die Brüder abwechseln, ihre schlafende Schwester zu bewachen. (Natürlich mit Handy in der Hand. Teenager in Museen…)
Besonders interessant und bewegend finde ich die Aufarbeitung der Zwangsarbeit und anderer Frevel am Rammelsberg im Dritten Reich. So wurden während des Zweiten Weltkriegs „russische“ (de facto also auch ukrainische und belarussische) Kriegsgefangene eingesetzt. Noch schlechter als diesen ging es aber gegen Ende des Krieges wohl italienischen Zwangsarbeitern, die für den „Verrat“ ihres Landes leiden mussten. (Nach dem Sturz Mussolinis 1943 versuchte Nazi-Deutschland, das vormals verbündete Italien zu besetzen. Das ist so ein Kapitel, das ich selbst als „gelernte Historikerin“ gar nicht so auf dem Schirm hatte.) Betroffene und Zeitzeugen kommen zu Wort in absolut lesenswerten Texten. Hier verbringt selbst mein Teenager konzentriert eine Viertelstunde. (Der eine zumindest. Der andere ist der Meinung, sein kulturelles Soll mit der „anstrengenden Führung“ erfüllt zu haben.)
Lohnt sich nur das Museum Rammelsberg ohne Führung?
Wer sich für Bergbau per se interessiert, kann in den Ausstellungen am Rammelsberg Stunden verbringen.
Ich selbst empfinde Bergbau zwar als durchaus wichtige, aber doch eher unspannende Sache. Obwohl ich mich für überdurchschnittlich museumsaffin halte, bin ich nach einer guten Stunde mit dem Museum durch. Ohne die erlebnisreiche Führung durch den Stollen wäre ich vom Rammelsberg-Besuch vermutlich enttäuscht gewesen. Mit 9 Euro für Erwachsene für „nur Museum“ käme meine ganz persönliche Kosten-Nutzen-Bilanz nicht in den grünen Bereich.
Besucherbergwerk Rammelsberg für Familien
Generell lohnt sich ein Ausflug mit (älteren) Kindern im Besucherbergwerk meiner Meinung nach absollut! Wie aber machen es Familien denn nun am besten, wenn sie die Bergbaugeschichte am Rammelsberg erleben wollen?
Für den Normalfall ist sicher das klassische Familienticket für alle Ausstellungen über Tage sowie die etwa einstündige Führung durch den Röderstollen ideal. Alternativ gilt auch die Einfahrt mit der Grubenbahn als gut geeignet für Kinder. Diese Führung beleuchtet den Bergbau im 20. Jahrhundert. Beide Führungen starten stündlich. Das Familienticket inklusiver einer Führung (egal welcher) kostet 33 Euro. Wer beide mitmachen möchte, zahlt 43 Euro.
Lohnt es sich, wenn ein Elternteil mit den Kindern oben bleibt?
Die Frage, ob sich ein Besuch trotz (altersbedingtem) „Berg-Verbot“ lohnt, stellt sich natürlich vor allem für Familien mit kleinen Kindern. Gibt es auch ältere, abenteuerlustige Kinder in der Familie, würde ich ihnen zuliebe schon zum Rammelsberg-Besuch raten.
Falls nicht sowieso ein Elternteil aus Platzangst- oder Brillen-Gründen oben bleiben muss, ist dann halt Schnick-Schnack-Schnuck zur Entscheidungsfindung angesagt, wem als Babysitter der größte Spaß entgeht.
Doof ist, dass auch in solchen Fällen ein komplettes Familienticket gelöst werden muss, beziehungsweise dass es kein „halbes“ Familienticket gibt. (Ich weiß, dass auch Alleinerziehende das oft als Schlag ins Gesicht empfinden.) Ein normales Familienticket für 33 Euro war für uns vier beispielsweise immer noch einen Euro günstiger (immerhin), als für Silas und mich einzeln die Führung und für Janis und Franka nur Museumstickets für Kinder und Jugendliche zu lösen. (Kinder kosten hier nämlich immer Eintritt, auch unter drei und wenn sie während des Besuchs fast ununterbrochen schlafen.) Für diese 33 Euro hätte theoretisch auch Janis mit runter gedurft, und auch noch den Papa hätten wir mitnehmen können. Grundsätzlich ist es natürlich toll, dass (heile) Familien hier so subventioniert werden. Über die Einführung eines Single-Familientickets würde aber bestimmt nicht nur ich mich freuen.
Ab welchem Alter lohnt sich der Rammelsberg für Kinder?
Speziell für Kinder sind mir im Museumsbereich keine Highlights aufgefallen. Natürlich kann es auch für sie spannend sein, einfach durch die Hallen voller geheimnisvoller riesiger Maschinen zu laufen. Unsere Franka war (bevor sie der Mittagsschlaf überkam) angemessen beeindruckt. Ein ausgewiesenes Kinder-Museum oder auch nur besonders kinderfreundlich sind die Ausstellungen am Rammelsberg aber nicht.
Meiner Meinung nach lohnt sich ein Besuch auch für Familien erst so richtig mit Führung. Ab vier Jahren dürfen Kinder wie gesagt mit in den Berg. Ob das für jedes Kind ab vier gleich eine gute Idee wäre, bezweifele ich. Wenn ich an meine Nichte denke, die gerade fünf geworden ist, könnte so ein Bergwerk-Abenteuer je nach Tagesform schon noch ziemlich überwältigend sein.
Auch sollte man sich als Begleitperson gut genug kennen. Wenn ich zum Beispiel mit meiner Höhenangst ringe, bin ich kurzzeitig keine besonders gute Mutter. Die Emotionen und Unsicherheiten meiner Kinder kann ich dann nicht auffangen. Wer mit kleinen Kindern in den Berg geht, sollte sicher sein, dass er oder sie Enge, Siff und riesige knarzende Räder gut wegsteckt. Oder dass noch jemand anders dabei ist, der im Zweifelsfall Halt geben kann. Wenn die Aussicht auf ein solches Abenteuer einfach nur spannend klingt – go for it!
Ich ganz persönlich würde sechs Jahre für ein gutes Mindestalter halten. (Aber wie bei allem, was mit Kindern zu tun hat, kann es da riesige individuelle Unterschiede geben. Eltern werden das jeweils am besten beurteilen können.)
Mehr Industriegeschichte für Familien
Wie ich zwischendurch schon immer mal mehr oder möglicherweise auch weniger subtil habe durchklingen lassen, ist Industriegeschichte nicht mein persönliches Lieblingsthema. Es ganz unter den Teppich zu kehren, wäre jedoch fatal! Überall in Deutschland gibt es Museen und Ausflugsziele, die auch Kindern und Leuten wie mir das Thema näherbringen. Im Laufe der Jahre haben wir etliche davon besucht und über einige habe ich auch gebloggt.
Ganz, ganz begeistert bin ich immer noch von der Völklinger Hütte im Saarland. Das alte Stahlwerk lässt sich auf eigene Faust von oben bis unten erkunden. Unser Erfahrungsbericht: Völklinger Hütte – fantastische Welten aus rostigem Stahl.
Im Ruhrgebiet ist das Thema natürlich allgegenwärtig. Die alte Zeche Zollverein beherbergt unter anderem das gut gemachte Ruhr-Museum. Warum sich auch darüber hinaus ein Kurztrip lohnt, steht hier: Familienurlaub im Ruhrgebiet – ein toller Tag in Essen mit Kindern. Und über Silas‘ Abenteuer im tiefsten Bergwerk Deutschlands haben wir in unserem Beitrag über die Extraschicht berichtet, einer spektakulären Großveranstaltung der Industriekultur.
In Zeitz, gar nicht mal so weit entfernt vom Harz, gibt es die alte Brikettfabrik Hermannschacht. Dort haben wir eine ziemlich spannende Taschenlampenführung mitgemacht. Näheres steht in meinem Bericht über die Residenzstadt Zeitz.
Ein bisschen Industriegeschichte lässt sich auch bei uns zu Hause in Schaumburg erleben. Eine Wanderung durch einen kleinen Teil des Weserberglands führt zu interessanten Zeugnissen der Industrialisierung. Mein Bericht: Wanderung zwischen Exten, Strücken und Uchtdorf – von einem Eisenhammer zum nächsten.
Ein ganz, ganz wunderbarer Ort, der Industriegeschichte mit Sozialgeschichte und sehr vielen Angeboten speziell für Kindern verbindet, ist New Lanark in Schottland. (Überhaupt ist Schottland ein großartiges Reiseziel für Familien!) Auch darüber habe ich einen Erfahrungsbericht geschrieben: New Lanark – Industriegeschichte und schönste Natur.
Insgesamt finden sich hier im Blog mehr als 800 Erfahrungsberichte von Reise- und Ausflugszielen in ganz Europa. Allein über Deutschland gibt es mehr als 180, verteilt über alle Bundesländer. Eine Übersicht mit Karte gibt es hier: Familienurlaub in Deutschland – unsere geballten Tipps.
Transparenz-Hinweis: Im Besucherbergwerk Rammelsberg waren wir komplett auf eigene Kappe und „under cover“. Dass wir überhaupt in Goslar unterwegs waren, verdanken wir einer Einladung des Deutschen Jugendherbergswerks (DJH).
Ich fand den Harz mit Familie ja mega, dass Besucherbergwerk haben wir allerdings verpasst. Ob ich mich darunter gewagt hätte, weiß ich nicht. Finde das immer ein bisschen spooky so unter Tage. Aber meinen sehr an Geologie interessierten 10jährigen würde das sicher flashen. Next time! LG, Nadine
Wir haben es ja auch erst beim, keine Ahnung, 14. Mal geschafft. :D Die Erfahrung im Berg ist wie gesagt nicht ohne, aber doch absolut empfehlenswert!
Ich fand es im Bergwerk (mit Führung) superspannend, war allerdings ohne Kinder da. Die hätten in den dunklen Gängen sicherlich so viel Spaß gehabt wie ich, die Fahrt mit der Lorenbahn wäre bestimmt auch cool gewesen. Ich war ja sogar ein wenig enttäuscht, dass man nicht mehr mit dem Mega-Fahrstuhl 480 m tiefer in die Erde fahren darf, zu gefährlich angeblich.
Interessant, dass ihr das Bergwerk als nicht so kindertauglich empfunden habt; für mich war es der Hauptgrund, meine Kinder endlich mal mit in den Harz zu nehmen… Beweis steht allerdings noch aus ;-)
Viele Grüße
Jenny
Für größere Kinder finde ich es auf jeden Fall empfehlenswert! Für kleinere halt eher nicht. Und Kinder unter vier Jahren werden schlicht nicht reingelassen – was ich wie gesagt gerechtfertigt finde. Für Familien mit älteren Kindern ist der Rammelsberg absolut ein valider Grund für einen Trip in den Harz! :)