Das nordöstliche Andalusien rund um das kleine Städtchen Gorafe bietet eine atemberaubende Landschaft. Die spektakuläre Schlucht des Gor gilt als europäischer Grand Canyon. Wer sich für prähistorische Megalithkultur interessiert, findet hier die größte Dichte neolithischer Großsteingräber in ganz Europa. Obwohl diese spannende Region gerade mal eine Stunde Autofahrt vom Besuchermagnet Granada mit der berühmten Alhambra entfernt liegt, verirren sich nur wenige Touristen hierher. Gorafe ist für die Reise durch Andalusien ein echter Geheimtipp!
Gorafe: wieder ausgegraben
Und damit meine ich jetzt erst einmal nicht die archäologischen Ausgrabungen der Region, sondern meine eigenen Reise-Erinnerungen. Denn unsere Rundreise durch Andalusien liegt schon einige Zeit zurück. In Spanien waren wir im Mai und Juni 2015 im letzten Teil unserer elfmonatigen Reise durch Europa.
Warum also jetzt diese Exhumierung? Schließlich gibt es mehr als reichlich neueres Material, über das ich auch noch nicht gebloggt habe… Aber kürzlich hat Ria on tour für einen Roundup in ihrem Blog die schönsten Roadtrip-Routen in Spanien gesammelt. An solchen Aktionen nehme ich immer gerne teil. Für mich sind das schöne Gelegenheiten, selbst wieder in Reise-Erinnerungen zu schwelgen.
So habe ich mich für meinen Beitrag zum Spanien-Roundup durch unsere alten Andalusien-Fotos gewühlt. Und jetzt habe ich große Lust, ein bisschen mehr darüber zu schreiben als schmale 200 Wörter für Ria. Für Gorafe hatte ich damals schon einen eigenen Blogbeitrag in meiner Andalusien-Serie geplant. Irgendwie ist nichts daraus geworden. Wahrscheinlich kamen mir aktuellere Kooperationsreisen dazwischen, deren Berichte zeitnah raus „müssen“. Aus professioneller Sicht lohnt sich ein ausführlicher Artikel über den Canyon von Gorafe mit seinen Megalithgräbern bei dem minimalen Suchvolumen eh nicht. Aber jetzt, wo ich wieder Hobby-Bloggerin bin, mache ich es einfach!
Warum lohnt sich ein Ausflug nach Gorafe?
Der kleine Ort Gorafe ist mit seinen knapp 400 Einwohnern eher ein Dorf. Die Siedlung an sich ist nichts Besonderes. Es gibt eine unscheinbare Kirche, eine Apotheke, eine Handvoll Restaurants. Ein Hotel und die eine oder andere „Casa Rural“ bieten Übernachtungsmöglichkeiten. Aber das Leben tobt anderswo.
Sehenswert in Gorafe ist vor allem die Umgebung. Der kleine Ort liegt am Beginn der Schlucht des Gor. Der kleine Fluss hat sich hier vor Urzeiten tief in den weichen Untergrund gefressen. Auf rund fünf Kilometern führt die Landstraße durch den immer enger werdenden Canyon. Dann schraubt sie sich in Serpentinen hinauf an den oberen Rand der Schlucht. Hier ist die Aussicht nun erst recht überwältigend!
Für Besucher, die sich für Geschichte interessieren, ist das alles freilich nur die spektakuläre Kulisse hochkarätiger historischer Sehenswürdigkeiten. Die internationale Bedeutung von Gorafe liegt in den ausgesprochen zahlreichen Megalithgräbern der Umgebung.
Die Großsteingräber von Gorafe
Rund 240 Megalithanlagen sind rund um Gorafe verzeichnet. Damit tut sich der Parque Megalitico de Gorafe als Fundstätte prähistorischer Schätze europaweit hervor. Beinahe nirgendwo ist die Konzentration an Großsteingräbern höher.
Die Grabanlagen stammen zumeist aus der Jungsteinzeit. Ihre kulturelle Blüte erlebte die Region wohl gegen Ende des Neolithikums und bis in die Kupferzeit hinein. In Zahlen: Die vorzeitlichen Bauwerke sind bis zu 5000 Jahre alt, einige aber auch „erst“ um die 4200. In der Fachwelt werden sie nicht nur für ihre schiere Anzahl, sondern vor allem auch für die bauliche Vielfalt bewundert. Es gibt quadratische und fünfeckige Grundrisse, rechteckige und trapezförmige Zugänge. Die Mode änderte sich in der Architektur hier offensichtlich häufiger als anderswo. Trotzdem ähneln die Bauten anderen Megalithgräbern in Nord- und Zentraleuropa. (Genauso gut könnten wir natürlich sagen: Unsere paar Hünengräber ähneln denen in Andalusien.) Zumindest für uns ordinäre Touristen unterscheidet sich ein andalusisches Megalithgrab von einem britischen oder deutschen nicht mehr als eine spanische McDonald’s-Filiale von einer bei uns. (Wobei – wenn ich so darüber nachdenke, habe ich wesentlich mehr Großsteingräber von innen gesehen als McDonald’s-Filialen…)
Im Gegensatz zu ihren nördlichen Verwandten waren die Megalithanlagen von Gorafe aber wohl nie von Erde bedeckt. Steinern prangten sie am Rand der Schlucht (wohl) als weithin sichtbare Zeichen des Besitzanspruchs der hier lebenden Menschen. Ganz ähnlich hielten es die jungsteinzeitlichen Bewohner nördlicherer Gefilde, etwa an der Ostseeküste. (Dort ist alles, was allzu nah an der Klippe gebaut war, im Laufe der Jahrtausende allerdings oft erosionsbedingt ins Meer gestürzt.)
Megalithkultur im Museum
Aber gut, ich sollte das Erklären geschichtlicher Zusammenhänge wohl besser den zuständigen Institutionen überlassen. In Gorafe wäre das das Centro de Interpretacion del Megalitismo de Gorafe.
Vom Dorfplatz aus weisen Schilder den Weg. Hinter der Kirche liegt das Museum eingebettet in die Natur, die gleich am Ortsrand beginnt. Auf die Architektur des Museums ist man sehr stolz. Sie nimmt Elemente der Megalithanlagen auf. Durch ein Panoramafenster geht der Blick in die Landschaft.
Wer einen Ausflug nach Gorafe einlegt, beraumt fast immer auch einen Museumsbesuch an. Überall wird in der Region für das Centro geworben und auf den Einsatz modernster Multimedia-Technik hingewiesen. Ich liebe Museen per se. Natürlich waren wir drin.
Ehrlich gesagt hatte ich mir mehr versprochen. Das Fotografieren war zumindest bei uns damals verboten, deshalb habe ich keine Bilder zu bieten. (Wer welche sehen will: Auf GoogleMaps haben User trotzdem etliche hochgeladen.) Im Zentrum befindet sich eine Art Arena mit einer ungewöhnlichen 3D-Leinwand. Diese zeigt zwei Mal am Tag einen Film auf Spanisch. Weil – zumindest damals – nichts auf Englisch übersetzt war, bekamen wir als Deutsche ein recht informatives Heftchen über die Megalithkultur von Gorafe ausgehändigt. Ehrlich gesagt wäre es zielführender gewesen, nur das Heft zu kaufen und die Besichtigung wegzulassen.
Eine funktionierende Homepage scheint es nicht zu geben. Über das andalusische Tourismusportal habe ich 4 Euro als aktuellen Eintrittspreis für 2022 recherchiert. Die Filmvorführungen gibt es demnach Dienstag bis Sonntag um 12 und um 17 Uhr. Sehr viel mehr gibt es im Museum nicht zu sehen, sodass sich ein Besuch nur zu diesen Uhrzeiten lohnt. (Wenn ich es recht in Erinnerung habe, öffnet es auch nur dann.)
Wie kommt man nach Gorafe?
Wer eine Rundreise durch Andalusien macht, hat es mit dem Auto (oder Wohnmobil) mit Abstand am einfachsten. Ob es auch Möglichkeiten gibt, Gorafe mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen, konnte ich auf die Schnelle und ohne Spanischkenntnisse nicht in Erfahrung bringen. Zumindest erinnere ich mich an eine Bushaltestelle.
Mit dem Auto geht es von Granada aus in einer knappen Dreiviertelstunde über die A-92 nach Guadix. (Hier haben wir damals gewohnt – in einer Wohnhöhle, die wir über AirBnB gemietet haben. Weiter unten ist der Bericht verlinkt.) Über die N-342 und die Gr-6100 geht es dann in weniger als einer halben Stunde nach Gorafe.
Und wo finde ich jetzt die Großsteingräber von Gorafe?
Der Parque Megalítico de Gorafe beginnt schon ein Stückchen vorher. Da, wo bei Google Maps der Tag mit diesem Wortlaut verortet ist, befindet sich eine gute Parkmöglichkeit (Koordinaten: 37°26’56.5″N 3°01’10.2″W). Von dort geht es zu Fuß beliebig weit am oberen Rand der Schlucht entlang zu etlichen Megalithgräbern. Deren Zustand ist so mittelprächtig. Die Aussicht ist aber fantastisch! (Alle Canyon-Fotos in diesem Beitrag sind auf dieser Strecke entstanden.)
Eine Haarnadelkurve später und ein „Stockwerk“ tiefer gibt es einen weiteren kleinen Parkplatz. Von dort führt ein Trampelpfad zum hervorragend erhaltenen Conquin-Dolmen. So lassen sich die Highlights exemplarisch ohne viel Umweg erleben.
(Klar: Wer es „richtig“ machen will, gibt sich die volle Dröhnung und fährt mit dem Geländewagen mitten rein in die Wüste. Oder plant besser noch eine ausgedehnte Wanderung. Aber Vorsicht: Das wird in dieser Umgebung schnell ernst und braucht hochwertige Ausrüstung, gutes Offline-Kartenmaterial und vor allem ausreichend Wasser! Für Familien mit Kindern und Touristen mit durchschnittlichem Interesse und nur wenig Zeit ist diese Kurzversion hingegen ideal.)
Oder lieber in die Tabernas-Wüste?
Wer in Andalusien einen Ausflug in die Wüste machen möchte, hat oft eher jene bei Tabernas auf dem Zettel. Die Tabernas-Wüste liegt rund eine Stunde Fahrzeit südöstlich von Gorafe, etwa eine halbe Stunde nördlich von Almeria.
Dort wurden viele berühmte Western gedreht. Einige Westernstädte sind zu eintrittspflichtigen Vergnügungsparks umgebaut. (Die Rezensionen sind sehr gemischt. Wir waren selbst aber nicht drin). Andere Filmkulissen sind frei zugängliche Lost Places.
Tatsächlich ist es bei Tabernas deutlich „wüstiger“ als bei Gorafe. Wer diese Landschaftsform als solche erfahren möchte, sollte auch hier durchaus einen Ausflug einplanen. Wir sind hier westlich der A-92 einfach ein Stück in die Wüste gewandert und haben zwei alte Drehorte besichtigt.
Ich bin dankbar, dass wir Zeit für beides hatten. Müsste ich mich entscheiden, würde ich aber auf jeden Fall Gorafe empfehlen. Die Aussicht in die Badlands ist hier spektakulärer. Letztlich kommt es aber wohl auch darauf an, ob man sich persönlich mehr für Frühgeschichte oder mehr für Western interessiert.
Mehr Erfahrungsberichte über Gorafe
Im Web ist wenig über Gorafe als Reiseziel zu finden. Zumindest in deutscher Sprache sind Erfahrungsberichte Mangelware. Ein paar habe ich ausgegraben:
- Kristians Spanien-Reiseblog aus dem Jahr 2014 umfasst genau vier kurze Einträge. Einer beschreibt seinen Tagesausflug in die Wüste von Gorafe.
- Etwas aussagekräftiger und zumindest reich bebildert ist das (impressumslose) Reiseblog mb917 on Tour. Hier geht es um eine Andalusienreise mit einem umgebauten LKW 2021. Den Dolmen widmet der Blogger nur einen einzigen Satz. Dafür geht er auf die Thermalquellen ein, von denen wir überhaupt nichts mitgekriegt haben.
- Die Belgierin Ingrid schreibt auf Englisch sehr detailliert und zum Nachmachen geeignet über ihre Offroad-Tour durch die Badlands von Gorafe 2020 [leider inzwischen offline].
Mehr über Andalusien und Spanien
Ich habe damals zumindest über einige unserer Stationen in Andalusien ausführlich gebloggt. Zusammengefasst habe ich unsere Erfahrungen in diesem Artikel: Andalusien mit Kindern.
Folgende weitere Artikel habe ich hier im Blog veröffentlicht:
- Sevilla: Anleitung für einen perfekten Tag
- Cordoba: Wo eigentlich alles außergewöhnlich ist
- Granada: Familienausflug zur magischen Alhambra
- Guadix: Als wir zu Höhlenmenschen wurden
- Gibraltar: Großbritannien mit Sonnengarantie
- Cadiz: Warum diese Stadt eine zweite Chance verdient
Um individuelles Reisen durch Spanien geht es in diesem Artikel – in dem auch alle meine Beiträge über andere Regionen in Spanien aufgelistet und verlinkt sind: Reisen in Spanien individuell: Das muss man wissen.
Transparenz-Hinweis: Diesen Beitrag schreibe ich auf eigene Veranlassung aus Spaß an der Freude. Alle Links sind als reiner Service für euch Lesende gesetzt (wobei klar, sie schaden auch SEO-mäßig nicht, aber es ist kein abgekartetes Spiel und schon gar nicht bezahlt). Es gibt nicht einmal Affiliate-Links hier. Nichts zu holen für mich… Da fällt mir ein: Etwas Werbung für mein Buch könnte ich noch machen! ;) Die Entdeckung Europas behandelt in zwei der 42 Kapitel unsere Erfahrungen in Andalusien. Und über neue Follower bei Facebook und Instagram freue ich mich auch!
Gorafe scheint noch ein richtiger Geheimtipp zu sein. Meine Andalusien-Reiseführer haben darüber kein Wort verloren – soweit ich mich erinnere. Wir mussten den Norden des Ostens leider auslassen. Dafür hat es uns in der Tabernas Wüste richtig gut gefallen und wir haben gleich 2 Westernparks besucht – unter anderem den total netten Western Leone, dessen Schild du oben zeigst. Ach, ich würde so gern im Herbst nochmal nach Andalusien. Aber alle vernünftigen Flüge sind unerschwinglich. Da komme ich billiger in die USA – was auch wieder absurd ist…
Wie auch immer: Toller, total spannender Beitrag!
Liebe Grüße
Gela
Es fällt mir schon lange auf, dass spanische Landschaften in den üblichen Wander- und Trekkingmagazinen eim Randdasein fristen. Wenn überhaupt tauchen die bekanntesten immer wieder auf, was bei einem landschaftlich derart facettenrwichen Land wirklich seltsam ist! Nei den Lesern der Magazine entsteht so der Eindruck, Spanien habe in Puncto Landschaft und Natur nichts Interessantes zu bieten, obwohl doch definitiv das Gegenteil der Fall ist!
Ich habe heute durch ein Vanlife Blogger – Pärchen zum.ersten Mal von dieser Wüste gehört. Von der Tabernasschon lange hingegen. Petsönlich war ich in der nördlichen Halbwüste Bardenas Reales in Navarra, die besonders dekorativ ist.
Aber sehr gern möchte ich die Landschaft von Gorafe und auch die Megalithgräber erleben. Autofahren geht leider nicht. Falls Flüge zu teuer sind, evtl. mot dem Flixbus in die nächstgelegene größere Stadt und von dort mit dem Alsabus in den Ort Gorafe.
Das gilt für viele Länder, habe ich den Eindruck. Ich bin ja nun selber Reiseführer-Autorin und es ist tatsächlich so, dass man sich vor allem in Reiseführern informiert, was man denn in seinen eigenen neuen Reiseführer reinschreiben könnte. Klar, neue Insider-Tipps sind die Königsdisziplin. Tatsache ist aber auch, dass man liefern muss, was die Leute erwarten, damit das Buch sich verkauft. Deshalb nutze ich mein Reiseblog gerne als Ausgleichssport. :)
Man kann ja vielleicht “ liefern was die Leute erwarten“ und die Insidertips halt noch hinzufügen, als Insidertips hervorgehoben, das macht normalerweise neugierig.
Bei Ländern, wie etwa Albanien, die für Touristen lange nicht zugänglich waren erwartet man unbekannte Landschaften und in solche Regionen orientieren sich die Leute, die schöne, touristisch wenig erschlossene Naturregionen suchen..
Bei einem bekannten Land wie Spanien, einem Haupturlaubsziel der Deutschen , kommen sie nicht darauf, dort nach so etwa zu suchen, denn da beherrscht das Image als massentouristischer und oft verbauter Badestrand meist das gesamte Image und schreckt Naturliebhaber obwohl man sich eigwntlich vorstellen könnte, dass da hinter den Stränden noch was sein muss, so klein ist das Land ja wohl nicht.
Ich wurde auf Spaniens unbekannte Landschaften auch nur zufällig aufmerksam, als sie mir auf youtube angezeigt wurden, während ich mir eigentlich nur Videos von den Kanaren anschauen wollte. Ich war ziemlich überrascht und habe mir viele der eindrucksvollen Orte auf der Landkarte markiert und nun schon etliche davon bereist, ich fande es gerade cool, dass da sonst keiner hinfuhr . Inzwischen sind es jedoch die jungen Van- Prople in ihren Wohnmobilen , die auch das unbekannte Spanien entdecken und darüber Videos hochladen. Auf Gorafe bin ich erst durch sie aufmerksam geworden.
Eine tolle Landschaft haben aber auch sie bisher nicht gefunden: das spektakuläre Gebiet um den Stausee Panta Sau bei Vic in Katalonien mit seinen hohen Orange schimmernden Felswänden, die sich über dem Wald rund um den See erheben. Einen besonders schönen Ausblick bietet ein kleiner kostenloser (2013) Stellplatz über der Staumauer.
Danke für den Tipp! :)