Familienurlaub in Transsilvanien – das klingt für das mitteleuropäische Ohr im ersten Moment absurd. Rumänien ist für uns Deutsche doch furchtbar weit ab vom Schuss und immens vorurteilbehaftet. Wir haben das trotzdem einfach mal gewagt und haben die rumänische Provinz gut zwei Wochen lang erkundet. Irgendwann wird es eine ganze Serie von Erfahrungsberichten zu unseren einzelnen Zielen geben. Jetzt, von unterwegs aus, beschränke ich mich auf einen kleinen Überblick und die dringende Empfehlung: Nur Mut! Packt eure Kinder ein und fahrt da hin! Ja, es ist mitunter abenteuerlich, aber es ist doch deutlich europäischer als ihr wahrscheinlich denkt, und es hat wunderschöne Seiten!

Zuerst die unvermeidliche Frage: Wimmelt es da nicht von Vampiren?

Es wimmelt durchaus von Vampir-Touristen, und auch die asiatischen Reisegruppen sind bereits in Transsilvanien angekommen. Trotzdem waren wir erleichtert, dass nicht alles auf Dracula-Kitsch ausgerichtet ist. Wer danach sucht, findet fast überall entsprechend ausgeschmückte Gastronomie und Souvenirs. Vor allem Sighişoara/Schäßburg, der wahrscheinliche Geburtsort der Dracula-Vorlage Vlad Tepeş, und die in Bram Stokers Roman erwähnte Stadt Bran nutzen dieses touristische Pfund zum Wuchern. Und sie ist ja auch ganz interessant, die Kulturgeschichte des Vampirglaubens. In der „Dracula-Burg“ Bran widmet man sich den Legenden auf durchaus auf durchaus angemessene und interessante Art und Weise (anders als in verkitschten Geisterbahn-Örtlichkeiten in der Stadt).
Wer tatsächlich Angst vor nächtlichem Beiß-Besuch hat, kann sich übrigens zumindest jetzt im Herbst gut bei den Händlern entlang der Landstraßen eindecken, die verkaufen nämlich überall lange Knoblauchketten (und Paprika, Zwiebeln, Kürbisse und Kohl) an ihren Ständen am Straßenrand.

Die "Dracula-Burg" in Bran ist durchaus sehenswert - hat allerdings mit Vampiren nichts zu tun.

Die „Dracula-Burg“ in Bran ist durchaus mit morbidem Charme ausgestattet – hat allerdings mit Vampiren nichts zu tun.

Was genau heißt eigentlich Transsilvanien?

Die Gegend „hinter den Bergen“ (so die wörtliche Übersetzung) ist keine Verwaltungseinheit, es ist einfach nur eine historische Region im Zentrum Rumäniens. Ob man sie Transsilvanien oder Siebenbürgen nennt, macht keinen Unterschied, denn das Gebiet ist identisch. Mit knapp 60.000 Quadratkilometern ist die Region ein gutes Stück größer als Niedersachsen. Früher endete hier die Welt, denn schon in der Walachei (die hinter dem Karpatenbuckel beginnt) herrschten die Türken. Im hinterletzten Zipfel ihres christlichen Abendlands siedelten die fernen Habsburger Monarchen Wehrbauern aus Deutschland und Ungarn an, die sie mit der Aussicht auf Selbstverwaltung und Steuerbegünstigungen motivierten. Noch heute ist die Gegend deshalb eine bunte Mischung aus verschiedenen Völkern. Übrigens: Eine Theorie besagt, dass auch „unser“ Rattenfänger von Hameln seine eingefangenen Kinder hierher umsiedelte.

In Deutsch-Weißkirch steht heute noch eine der typischen Wehrkirchen der Siebenbürger Sachsen.

In Deutsch-Weißkirch steht heute noch eine der typischen Wehrkirchen der Siebenbürger Sachsen.

Ist Transsilvanien sicher für Familien?

Diese Frage hat für verantwortungsvolle Eltern sicher einen besonders hohen Stellenwert. Auch wir haben sie uns ausführlich gestellt. Beim Schreiben aber dehnte sich dieser Punkt derartig aus, dass ich mich entschieden habe, einen eigenen Beitrag daraus zu machen, den es hier zu lesen gibt.

Welche Stadt ist eine gute Basis?

Wir sind kreuz und quer durch die Region getingelt und haben unsere Reiseziele von den Wohnorten einladungsfreudiger Couchsurfer abhängig gemacht, wie es so unsere Art ist. Auf diese Weise haben wir ziemlich viel von Land und Leuten zu sehen gekriegt. Auch für etwas planvollere und konservativere Familien ist eine Rundreise keine schlechte Idee. Wer lieber an einen Ort fahren und von dort aus Ausflüge unternehmen will, dem empfehle ich Sibiu/Hermannstadt. Hier hat es uns – von Umgebung und Stadtbild her – mit Abstand am besten gefallen. Die mittelgroße Stadt (ca. 150.000 Einwohner) ist für rumänische (und auch deutsche!) Verhältnisse ausgesprochen hübsch, im Zentrum fast vollständig restauriert, verfügt über eine herausragende Infrastruktur in Sachen Unterkünfte, Einkaufsmöglichkeiten, Café- und Restaurant-Szene sowie kulturelle Einrichtungen. Braşov soll ebenfalls sehr hübsch sein, liegt etwas zentraler und damit näher an manchen Sehenswürdigkeiten, hat dafür aber auch den längeren Anfahrtsweg für Auto-Reisende (wir sind leider nur kurz durchgefahren).

In Sibiu sind (fast) alle Fassaden auf Hochglanz poliert. Siebenbürgens Vorzeigestadt steht deutschen Tourismusmagneten in nichts nach.

In Sibiu sind (fast) alle Fassaden auf Hochglanz poliert. Siebenbürgens Vorzeigestadt steht deutschen Tourismusmagneten in nichts nach.

Was sollte man in Transsilvanien gesehen haben?

Blöde Frage (schließlich wäre jemand, der nur reist, um möglichst viele Haken auf seine Bucketlist setzen zu können, sehr bedauernswert), aber häufige Frage. Ich wünschte, ich hätte die Zeit, an dieser Stelle von all den herrlichen Naturschönheiten, den ursprünglichen Dörfern, den alten Siedlungen der Siebenbürger Sachsen und den hübsch restaurierten Städten im Detail zu schwärmen. Aber das muss warten (ich bin zu beschäftigt, mir auf dieser Reise noch mehr großartige Zipfel Europas anzusehen…). Deshalb folgt eine nüchterne Aufzählung der Orte, die uns am besten gefallen haben:

Sibiu/Hermannstadt

Immer wieder haben wir erzählt bekommen, dass wir uns diese Stadt unbedingt ansehen sollen, und tatsächlich hatten alle diese Menschen Recht! Hier macht sich der Einfluss der mittelalterlichen Siedler aus deutschen Landen am deutlichsten bemerkbar. Hier befindet sich auch Rumäniens größtes Freilichtmuseum.

Von der "Lügenbrücke" hat man einen schönen Ausblick auf den kleineren der beiden Marktplätze von Sibiu. Warum sie so heißt und etliche andere Schwänke aus der Stadtgeschichte erzähle ich, wenn ich mehr Zeit habe.

Von der „Lügenbrücke“ hat man einen schönen Ausblick auf den kleineren der beiden Marktplätze von Sibiu. Warum sie so heißt und etliche andere Schwänke aus der Stadtgeschichte erzähle ich, wenn ich mehr Zeit habe.

Burg Bran

1920 ließ Königen Maria von Rumänien die mittelalterliche Burg zu einem für damalige Verhältnisse supermodernen und – für meinen Geschmack – wunderschönen Familienheim umrüsten. Der fantasievolle Stil der aus Großbritannien stammenden Monarchin, die monumentale Bergkulisse und natürlich die Dracula-Legende machen die Burgbesichtigung zu einem spannenden Erlebnis.

Sighişoara/Schäßburg

Eine nette kleine Stadt mit hübschem Altstadt-Zentrum und dem schönsten Café, das ich in Rumänien gesehen habe (Casa Cositorarului, Strada Cositorarilor 8). Das kleine Museum im Turm verrät wenig über die von deutschen Siedlern geprägte Stadtgeschichte auf Deutsch oder Englisch, zeigt aber eine erstaunliche Fülle an medizinischen Utensilien aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Sehenswert fanden wir den Friedhof mit all den deutschen Namen.

Die Treppe hinauf zur alten Universität von Schäßburg (heute die Deutsche Schule) führt durch einen "Holztunnel".

Die Treppe hinauf zur alten Universität von Schäßburg (heute die Deutsche Schule) führt durch einen „Holztunnel“.

Deutsch-Weißkirch

Die ursprünglichste und authentischste Siedlung der Siebenbürger Sachsen, die wir uns angesehen haben. Die imposante Wehrkirche fällt leider fast auseinander, beherbergt aber ein informatives kleines Museum und kann von oben bis unten besichtigt werden. Achtung 1: Kinder mit auf den maroden Kirchturm zu nehmen, empfiehlt sich nur für Mütter mit Drahtseilnerven. Achtung 2: Die Straße dorthin ist in grauenhaftem Zustand, die letzten zwei Kilometer können nur in Schrittgeschwindigkeit zurückgelegt werden.

Targû Mureş

Unsere Jungs mochten vor allem den Park mit dem großen, modernen Spielplatz in der Nähe des Zoos, aber die recht große Stadt (145.000 Einwohner) hat noch viel mehr zu bieten. Die orthodoxe Kirche mit den Wandmalereien ist sehenswert, und wer Glück hat, erwischt das einzige Englisch sprechende Gemeindemitglied in der Synagoge und bekommt eine großartige Privatführung. Der Kulturpalast lohnt ebenfalls einen Blick, aufgrund seiner eigenwilligen Interpretation des Jugendstils auch von innen.

Die Statue von Romulus und Remus vorm Kulturpalast von Targû Mures zeigt, wohin die Rumänen sich kulturgeschichtlich einordnen.

Die Statue von Romulus und Remus vorm Kulturpalast von Targû Mures zeigt, wohin die Rumänen sich kulturgeschichtlich einordnen.

St. Anna-See

Hierbei handelt es sich um einen bildschönen Vulkan-See in der östlichen Karpaten-Region Harghita. Im Sommer ist das kristallklare Gewässer als Badesee beliebt. Noch interessanter fanden wir das vielleicht zwei Kilometer entfernte Hochmoor, das einen weiteren Vulkankrater füllt und über einen Bohlensteg zugänglich ist. Achtung: Bären-Land!

Klar wie die Südsee: Die Wasserqualität vom Kratersee St. Anna sucht ihresgleichen.

Klar wie die Südsee: Die Wasserqualität vom Kratersee St. Anna sucht ihresgleichen.

Rimetea/Torockó

Die kleine Ortschaft wurde – wie so viele – im Mittelalter von deutschen Siedlern gegründet und trug damals den Namen Eisenburg. Später zogen ungarische Szekler zu, und diese Volksgruppe dominiert das Dorf bis heute gründlich. Unsere Couchsurfer in Budapest nannten es „das ungarischste Dorf, das es gibt“. Ein kleines Museum zeigt Bergbau-Geschichte und Trachten. Achtung: An einem Sonntag Anfang Oktober haben wir keine geöffnete Gastronomie vorgefunden.

Turockó sieht sehr ungarisch aus - und das ist kein Zufall.

Turockó sieht sehr ungarisch aus – und das ist kein Zufall.

Kleine Dörfer

Jedes kleine Dorf in Transsilvanien (oder ganz Rumänien) hält für den Mitteleuropäer museale Zeitreise-Erfahrungen bereit. Vor allem die allgegenwärtigen Pferdefuhrwerke sorgen dafür, dass man sich oft um hundert Jahre zurückversetzt fühlt. Wir haben einen ausgedehnten Spaziergang durch das kleine Dorf Tureni gemacht (nahe des Salzbergwerks von Turda, das als absolutes Touristen-Highlight in dieser Auflistung eigentlich nicht fehlen darf, das wir aber nicht besichtigt haben, weil auf dem Bild im Internet ein Holzsteg über einem Abgrund zu sehen war…). Hühnerhöfe, Schweineställe, traditionelle Heugaben und teils strohgedeckte Hütten – wären da nicht die abenteuerlich-hässlich verlegten Gasleitungen und der Plastikmüll in den Straßengräben, wäre die ländliche Idylle perfekt.

Blick vom Balkon unseres Pensionszimmers in Tureni bei Cluj-Napoca: Morgens gehen die Kühe zur Weide, abends gehen sie zurück. Normal (in Rumänien).

Blick vom Balkon unseres Pensionszimmers in Tureni bei Cluj-Napoca: Morgens gehen die Kühe zur Weide, abends gehen sie zurück. Normal (in Rumänien).

Wie kommt man da hin?

Wir sind über Österreich, Slowenien, Kroatien und Ungarn mit dem Auto hingefahren – es geht aber durchaus direkter. Von Hannover bis Sibiu fährt man 16 Stunden – genauso lange wie nach Rom oder an die spanische Mittelmeerküste. Mit ein, zwei Zwischenübernachtungen ist das gut zu schaffen (und die Strecke geht über Dresden, Prag und Budapest, da findet man schon ein lohnenswertes Plätzchen für einen Kurz-Stopp).
Schneller geht es natürlich mit dem Flugzeug (aber Leute, der Weg ist das Ziel!). Cluj-Napoca, Targû-Mureş und Sibiu sind transsilvanische Städte mit Flughafen. Direktflüge nach Sibiu gehen zum Beispiel von München aus (aber diese Angaben sind alle ohne Gewähr, denn in der Fliegerei hab ich absolut keine Aktien).

Mehr von unseren Rumänien-Erfahrungen

FAQ: Rumänien-Reisen (mit Familie)

Individuell reisen: Unterkünfte in Rumänien

Und über unsere 11-monatige Reise habe ich ein ganzes Buch geschrieben: „Die Entdeckung Europas“. In 42 in sich geschlossenen Kapiteln stehen dort die persönlichen Begegnungen und das „gefühlte Reisen“ während unseres Langzeit-Roadtrips im Mittelpunkt. Rumänien widme ich gleich drei Kapitel: eins über unsere Couchsurfing-Abenteuer bei vier verschiedenen Familien in Transsilvanien, eins über unser Bukarest-Debakel und eins über unseren Besuch im Donaudelta.  Mehr Infos über das Buch gibt es hier:

Die Entdeckung Europas: Unser Buch ist da!!

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Transparenzhinweis: Da wir uns im Rahmen des Blogger-Kodex verpflichtet haben, jede Unterstützung durch Tourismusförderung etc. offenzulegen, gebe ich zu Protokoll, dass wir in Sibiu von Rasvan, Mit-Initiator der löblichen Blogger-Initiative www.mysibiu.eu [gibt es leider inzwischen nicht mehr, hat sich alles auf Instagram verlagert] auf Kosten der Stadt zum Essen eingeladen worden sind. Das war allerdings lange nachdem wir uns aus freien Stücken in die wunderschöne Stadt verliebt haben.