Dieser Erfahrungsbericht erzählt ganz persönlich über unsere Reisen nach Tallinn mit Kindern. Ich teile, was wir in Estlands Hauptstadt im Spätsommer 2024 erlebt haben und welche Aktivitäten wir Familien empfehlen können. Außerdem habe ich einige weitere Anlaufstellen recherchiert, wo ihr noch mehr Infos für einen tollen Städtetrip mit euren Kindern erfahren könnt.
Wer wir sind und wie wir mit Kindern nach Tallinn kommen
In Tallinn sind wir zwei Mal mit Kindern gewesen: 2012 und 2024. In diesem Erfahrungsbericht fasse ich beide Reisen zusammen. Unterwegs sind wir jeweils auf einem Roadtrip als Familie im PKW. Nur die Konstellation ändert sich. Das erste Mal in Tallinn sind unsere beiden Söhne im Grundschulalter dabei. Beim zweiten Mal sind die schon groß und bleiben zu Hause. Dafür ist zwischenzeitlich ihre kleine Schwester auf der Bildfläche erschienen: die fünfjährige Franka.
Ein Tag in Tallinn mit Kind
Auf unserem zweiten Roadtrip durchs Baltikum haben wir aufgrund von Urlaubstagen und weiteren Sachzwängen nur zwei Wochen Zeit. Das ist bedauerlich wenig für so ein weit entferntes Reiseziel. Zumal, wenn man wie wir aus Überzeugungsgründen der Nachhaltigkeit auf das Flugzeug verzichtet. Da wir bei unserer ersten Reise durch die Region die estniche Hauptstadt recht gründlich besichtigt haben (siehe unten), beschränken wir unseren Aufenthalt in Tallinn diesmal schweren Herzens auf einen einzigen Tag.
Tallinn besitzt viele interessante Ausflugsziele. Da wir vormittags mit der Fähre aus Helsinki ankommen und abends schon bei Freunden in Tartu sein müssen, bleibt uns wenig Zeit. Es reicht gut hin für einen schönen Bummel durch die bezaubernde Altstadt und einen Ausflug zum berühmten Fernsehturm.
Tallinn mit Kind im Buggy
Obwohl Franka schon fünf ist, haben wir es uns leicht gemacht und den Buggy mitgenommen. Das erweist sich als hervorragende Idee. Der Fahrradanhänger von Thule*, den wir vor drei Jahren aus dritter Hand gekauft haben, hat mit uns schon viel mitgemacht. Er lässt sich auch schieben und ist extrem geländegängig. Dabei ist er so geräumig, dass auch die Fünfjährige noch halbwegs bequem darin unterkommt. So kann sie sich jederzeit in ihr kleines Reich zurückziehen. Gerade bei einem Roadtrip mit vielen Ortswechseln und extremem Input ist das Gold wert. Für uns Eltern erweitert das den Radius enorm. Wir müssen keine Rücksicht nehmen auf kurze Beine.
Dann schläft Franka sogar ein. Der kindliche Schutzmechanismus gegen zu viele Impulse ist bei ihr prima intakt. Dank Buggy kommt er uns zupass. Wir Eltern erleben so plötzlich und unerwartet ein Date zu zweit, indem wir in das supersüße Innenhof-Café „Chocolaterie Pierre“ einkehren. Natürlich hätten wir unser Mädchen auch gerne wach dabei gehabt. Die unverhoffte Paarzeit genießen wir trotzdem nach Kräften.
Tallinn Fernsehturm
Etwas außerhalb der Stadt, nördlich am Meer im Villenstadtteil Pirita, steht der Fernsehturm von Tallinn. Eigentlich ist der kein absolutes Must-See. Dass ich unbedingt hin will, hat mit dem Roman zu tun, an dem ich gerade schreibe. Wenn ihr länger als einen vollen Tag in der Stadt seid und euch für die Thematik interessiert, ist ein Besuch schon ganz interessant.
314 Meter hoch ist der Turm. Auf 170 Metern befindet sich die Aussichtskanzel, die zahlender Kundschaft geöffnet ist. In der Geschichte der Unabhängigkeit Estlands spielt der Fernsehturm eine Rolle. Im unteren Bereich gibt es eine kleine Ausstellung dazu. Mit dem Fahrstuhl geht es dann 22 Stockwerke in die Höhe.
In der Aussichtskanzel ist der trockene Rundumblick zu genießen, zusammen mit einigen weiteren Infos und einem kleinen Bällebecken für Kinder. Ein Stockwerk höher wartet ein wirklich nett eingerichtetes Café mit gar nicht mal so abgehobenen Preisen.
Außerdem ist da noch der Aussichtsbalkon. Wer ganz mutig ist, kann sich ein Sicherheitsgeschirr anlegen lassen und vor der Absperrung die Füße über die Kante baumeln lassen (quasi Bungee ohne Sprung). Ich habe mich nicht erkundigt, ob das im Eintrittspreis von 37 Euro pro Familie (!) inbegriffen gewesen wäre. (Kein Interesse, danke.)
Mehr Erfahrungen aus Tallinn mit Kindern
Der nun folgende Text stammt aus meinem alten Reisetagebuch aus dem Jahr 2012. Auch damals waren wir mit Kindern in Tallinn: mit unseren beiden Jungs, die inzwischen erwachsen sind. Weil wir damals vieles besichtigt haben, das wir diesmal auslassen mussten, möchte ich meinen alten Erfahrungsbericht nicht einfach löschen. Alle Infos zu Preisen und Öffnungszeiten habe ich aktualisiert, bzw. verlinke ich auf die jeweiligen Websites. Am Ende des Artikels verweise ich außerdem auf einige Reiseberichte und Tipp-Sammlungen jüngeren Datums in anderen Reiseblogs.
Trubel und Bernstein
Mein erster Eindruck von Tallinn, nachdem wir fast zwei Wochen schon durch den Süden und Westen von Estland gereist sind: unglaublich teuer. Und unglaublich viele Touristen in der Altstadt. Mehr noch als in Riga (zumindest kam es mir so vor). Sehr viele Reisegruppen, die den Schildern der Kreuzfahrt-Reedereien hinterherliefen.
Ich hatte mich so auf Tallinn gefreut. Aber es ist mir doch entschieden zu wuselig, zu teuer, zu touristisch. So ein bisschen wie Rothenburg ob der Tauber. Ernsthaft schön, aber hoffnungslos überfüllt.
Die Jungs klebten vor jedem Schaufenster mit Bernstein-Kitsch, von denen es hier Unmengen gibt. Janis rechnete, ob er es mit seinem Taschengeld auf eine dieser Bernstein-Collagen bringen könnte. (Zum Glück konnte er nicht.)
Unser wirkliches Ziel verloren wir aber nicht aus den Augen. Schließlich hatten die Jungs moniert: „Wir wollen endlich mal wieder was Interessantes machen, was auch Kindern Spaß macht! – Wir wollen ins Museum!“
NUKU Puppen-Museum Tallinn
Schließlich rief uns Lautsprechermusik zu einem Schaufenster, wo eine Show mit mechanischen Apparaturen begann, mit Flugmobilen im Steampunk-Stil. Siehe da: Die Installation gehörte zu einem Museum. Und da die Apparaturen einen ziemlich coolen Eindruck machten, ließ ich mich nicht lange bitten. Es war ein Marionettenmuseum, oder besser gesagt, eins für Puppentheater, für das Tallinn offenbar bekannt ist.
Ich musste arg schlucken, als die Lady am Tresen mir 18 Euro abknöpfen wollte. Ich fragte sogar nach, ob ich mich verhört hätte. Nein, sagte die Dame konsterniert, das sei schließlich das modernste Museum Estlands. Okay, dann wollten wir uns das halt auch mal ansehen…
Für die beträchtliche Summe gab es in der Tat einiges zu sehen: eine große Anzahl Touchscreens und eine große Anzahl Marionetten. Lauter Stars des estnischen Kinderfernsehens, die uns so überhaupt nichts sagten. An den Vitrinen lasen Kameras die Tickets aus, um die Texte automatisch in der richtigen Sprache und im altersgerechten Schwierigkeitsgrad anzuzeigen. Hm.
Die Jungs fanden den Raum toll, wo man die Marionetten hinter Glas mithilfe des Touchscreens selbst bewegen konnte.
Ich stellte interessiert fest, dass die ersten Puppenspieler schon kurz nach der Besiedlung Tallinns im 16. Jahrhundert dort auftraten.
Richtig cool war dann eine Gruselgruft, in der sich fernsehtaugliche Puppen zu Licht- und Soundeffekten einer Geisterbahn bewegten. Hätte es noch drei, vier mehr von solchen Räumen gegeben, hätten wir noch mal drüber reden können, ob der Preis angemessen war.
Update 2024 zum Marionetten-Museum
Aktuellen Rezensionen bei Google entnehme ich, dass es die Gruselgruft nicht mehr gibt. Dafür scheint sich tatsächlich der Eintrittspreis seit 2012 nicht erhöht zu haben! (Andererseits haben Touchscreens seitdem auch etwas von ihrer Faszination verloren…) Alle aktuellen Infos zu Eintrittspreisen und Öffnungszeiten gibt es auf Englisch auf der Museums-Website.
Stadtmuseum Tallinn
Eine knappe Stunde später kämpften wir uns durch die Touristenmassen auf dem Marktplatz, bewunderten einzelne Häuser auf dem Weg und erreichten schließlich das Stadtmuseum. Dort kostete das Familienticket 6,20 Euro und brachte uns allen wesentlich bessere Unterhaltung.
Für die Kinder gab es Mitmach-Stationen zur Geschichte des Hafens, zu Burgberg und Stadt, über Gilden und Kaufleute, vom Mittelalter bis in die Neuzeit. In einem im Stil der 60er Jahre eingerichteten Wohnzimmer parkten sich die Jungs vor einen Fernseher und sahen estnischsprachige Sowjet-Propaganda. Das kam mir sehr zupass, da ich mich so ausführlich der Besatzungsgeschichte widmen konnte.
Offenbar spielte Estland durchaus eine Sonderrolle in der Sowjetunion. Vor allem durch die insgesamt eher unüblich hohe wirtschaftliche Produktivität. Da qualitative Arbeit keineswegs belohnt wurde, resignierten die Esten in späteren Jahrzehnten wohl. Dann kultivierten sie ihren typischen rabenschwarzen Sarkasmus, der mir in der Tat schon am lebenden Objekt immer wieder aufgefallen ist.
Update 2024 zum Stadtmuseum Tallinn
Ein Familienticket (2+x) kostet hier inzwischen 16 Euro. Alle aktuellen Infos zu Tickets und Öffnungszeiten sowie Sonderausstellungen und Aktivitäten gibt es auf Englisch auf der Museums-Website.
Essen gehen in Tallinn
Dann rief Martin an, und wir verabredeten uns zum Mittagessen. Wieder unternahmen wir den Versuch, ein halbwegs bezahlbares Restaurant zu finden.
Von der Idee eines ausführlichen Essens verabschiedeten wir uns schnell und nahmen schließlich etwas abseits in einem schönen Innenhof auf den Plätzen eines Cafés Platz. Dann eben nur ein Stück Kuchen. Als die Karte kam, stellte sich jedoch heraus, dass der Kuchen-Kostenpunkt auch bei fünf Euro lag – pro Stück. Und am Nebentisch sahen wir, dass die nicht eben groß bemessen waren. Ein kleiner Cappuccino sollte 3 Euro kosten. Also klappten wir die Karte zu, nickten freundlich zur Kellnerin rüber und machten uns vom Acker.
Was zum Mitnehmen gab es auch nicht wirklich. Und Bäckereien sind in ganz Estland praktisch unbekannt. (Brot kauft man im Supermarkt, wo sonst?)
Wir verließen den Altstadtbezirk (und damit den vorzeigbaren Teil Tallinns), und außerhalb der Stadtmauern gerieten wir schließlich in ein Lokal, wo wir uns Vorspeisen für sechs bis sieben Euro gönnten und davon halbwegs satt wurden.
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Update 2024 zum Preisniveau in Tallinn
Manchmal muss ich schmunzeln, wie geizig wir damals unterwegs waren. Heute würde ich sagen: Warum fährst du so weite Strecken, wenn du dir dann nichts Landestypisches gönnst? Andererseits hat uns diese Sparsamkeit wenige Jahre später unsere 11-monatige Europareise ermöglicht, ohne vorher auf Reisen zu verzichten.
Allgemein ist das Preisniveau in Tallinn in der Gastronomie immer noch ziemlich hoch. Das Stück Kuchen in einem malerischen Altstadtcafé hat im Sommer 2024 je nach Torte 6 bis 8 Euro gekostet. Außerhalb der Tallinner Altstadt sind die Preise deutlich günstiger. Allgemein liegt das Niveau so ungefähr bei den aktuellen deutschen Preisen – nach dem krassen Anstieg der jüngeren Vergangenheit allerdings. In Tartu und Valga haben wir Kuchen für 3-4 Euro pro Stück gegessen.
Und noch ein bisschen Sightseeing
Den Rest des Nachmittags schlenderten wir durch die Stadt. Wir sahen uns den Burgberg an, auf dem das estnische Parlament steht. Die Eigenständigkeit des kleinen Landes war in der Geschichte lange ein wunder Punkt.
Als die russischen Zaren hier herrschten, zimmerten die sie dem alten Symbol des nationalen Stolzes (der Burg eben) um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert erst einmal eine orthodoxe Kirche direkt vor die Nase. (Die Mehrheit der Esten war damals „wie alle Skandinavier“ Lutheranischer Konfession. Heute bekennen sich je nach Statistik weniger als 30 Prozent der Menschen in Estland überhaupt einer Religion zugehörig.) Wir besichtigten die Aleksander-Nevskij-Kathedrale und staunten über den verschwenderischen Umgang mit Blattgold. (Fotografieren ist hier streng verboten.)
Eigentlich als Mittelpunkt gedacht war die Domkirche mit Wurzeln im 13. Jahrhundert und damit für estnische Verhältnisse verdammt alt. Der schmucklose Bau fiel aber, ehrlich gesagt, zwischen orthodoxem Prunk und touristischem Kitsch nicht weiter auf.
Diesen Eintrag meines Reisetagebuchs habe ich am 8. August 2012 verfasst.
Noch mehr über Tallinn mit Kindern (und ohne)
- Einen ausführlichen Bericht gibt es über unseren Besuch im Tallinner Freilichtmuseum Rocca Mare.
- Einen kurzen Erfahrungsbericht über zwei Tage in Tallinn mit Kind aus dem Jahr 2019 gibt das Blog Krümels große Reise.
- Eine Zusammenstellung über die wichtigsten Sehenswürdigkeiten von Tallinn (von denen wir ja doch die meisten ausgelassen haben), gibt es bei meinem Reiseblogger-Kollegen in Nicolos Reiseblog.
- Und wer eine umfassende Darstellung mit 25 breit gefächerten Tipps für Tallinn und einem kurzen Vergleich zwischen den drei baltischen Hauptstädten lesen will, möchte ich zum Blog Konpasu schicken.
Mehr über Estland mit Kindern
Die komplette Übersicht über mein altes Reisetagebuch aus dem Jahr 2012 zum Thema Estland mit Kindern gibt es hier:
Der authentische Reisebericht von 2024 steht hier:
Roadtrip durchs Baltikum mit Kind: Estland, Lettland, Litauen (und ein bisschen Finnland)
Übrigens: Wenn ihr Fragen zu Tallinn mit Kindern habt, stellt sie mir gerne über die Kommentarfunktion!
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