Gibraltar mit Kindern. Das kleine Fitzelchen Großbritannien im äußersten Süden Spaniens ist faszinierend. „Hässlich, teuer, braucht ihr nicht hin“, hören wir immer wieder, von Spaniern und Deutschen gleichermaßen. Lieber Ronda, lieber Tarifa, lauten die Tipps. Und während wir im Fall Andorra auf solche Ratschläge gehört haben, wollten wir Gibraltar trotz allem nicht verpassen. Zum Glück, denn wir hatten einen herrlichen Tag auf dem ollen Felsen. Teil 4 unserer Andalusien-Serie (und 2022 ein bisschen aktualisiert).
Von der Playa del Sol nach Gibraltar
Man muss dazu sagen: Wir sind ausgewiesene Großbritannien-Fans. Also, ich. Die britischen Inseln haben es mir angetan. Ich mag ja den Norden ohnehin lieber, als bei 35 Grad in der Sonne zu braten. Dass sich in Gibraltar zur Abwechslung mal das eine mit dem anderen verbinden lässt, ist ein witziger Gedanke, und deshalb muss ich unbedingt hin, als wir auf unserer Rundreise durch Andalusien quasi dran vorbeikommen.
Wir haben ein Apartment in einer dieser typischen spanischen Ferienanlagen in der Gegend um den Playa del Sol gemietet, den Sonnenstrand, der uns als solcher ehrlich gesagt gar nicht so interessiert. Für unseren Tagesausflug nach Gibraltar bedeutet das eine gute Stunde Fahrt. Wir beginnen den Tag angemessen mit einem englischen Frühstück.
Zu Fuß über die Grenze – und das Rollfeld
Unser Reiseführer* empfiehlt uns, auf spanischer Seite in einem Parkhaus zu parken. Wir kommen dem einfach mal nach. (Macht 4 Cent pro Minute.) Tatsächlich sind die Warteschlangen für Autos, an denen wir daraufhin gemütlich vorbeischlendern, recht lang. Um das Vereinigte Königreich zu betreten, ist eine (eher laxe) Passkontrolle erforderlich. Dann führt uns ein Spaziergang übers Rollfeld.
Die britische Krone hatte nach den kriegerischen Verwicklungen des frühen 18. Jahrhunderts wenig mehr als ein Stückchen Fels erobert. Als während Francos Regierung zwischenzeitlich keine Versorgung über Land möglich war, wurde der Flughafen in die äußerste Ecke des Staatsgebiets gequetscht. Teilweise wurde dafür das Meer aufgeschüttet. Kommt ein Flieger, gehen die Schranken runter und bringen den Individualverkehr kurzzeitig zum Erliegen.
Mit dem Doppeldeckerbus ins Zentrum
Wir wollen das volle Großbritannien-Feeling und steigen am Flughafen in einen roten Doppeldeckerbus. Linie 5 bringt uns für 2 Euro pro Person vorbei an Palmen und anderen Dingen fragwürdiger Britizität Richtung Zentrum. Aber da sind auch all die Insignien, die man im Vereinigten Königreich erwartet: rote Briefkästen, quietschige Werbetafeln mit überdimensionalen Pfund-Zeichen, elegante schwarze Mülleimer mit der Aufschrift „litter“.
Warum wir nicht auf den Affenfelsen wollten
Am Fuße der Stadtbefestigungen stehen wir dann und fechten unseren alten Interessenkonflikt aus. Martin möchte gerne Wandern und sich die Landschaft angucken. Ich möchte der englisch-spanischen Fusion nachspüren, möchte mir die Main Street unter mediterraner Sonne ansehen und eine Tasse Tee trinken. Die Jungs wollen eigentlich am liebsten zurück in die Ferienanlage und im Pool planschen.
Bevor der Familiensegen ernstlich in Schieflage gerät, finden wir einen gemeinsamen Nenner: Auf den Felsen wollen wir alle nicht. Eine Seilbahn bringt Touristen in das Naturschutzgebiet Upper Rock. Eigentlich ist das die Hauptattraktion Gibraltars. Von dort kann man gut bis nach Afrika gucken und die freilaufenden Affen bewundern, die einzigen (mehr oder weniger) wild lebenden von Europa. Außerdem befinden sich dort die Eingänge weiterer kostenpflichtiger Attraktionen, die allesamt mit britischer oder präkolonialer Militärgeschichte zu tun haben. Für die Hin- und Rückfahrt inklusive Eintritt in den Nationalpark zahlen Erwachsene 31,50 Euro, Kinder von fünf bis zwölf Jahren 19,50 Euro. Dafür sind wir viel zu geizig. Außerdem fahre ich nicht gerne Seilbahn.
Update: Die Preise haben in den vergangenen Jahren natürlich krass angezogen. Einen aktuellen Erfahrungsbericht aus dem Jahr 2021 samt Preisen und MIT Besteitung des Affenfelsens (aber ohne Stadtbesichtigung) bietet Julia vom Familiengarten.
Stadtbummel durch Gibraltar mit Kindern
Also laufen wir fürs erste Richtung Innenstadt. Die Mischung aus England und Andalusien amüsiert uns. Typisch britische Tafeln mit Schriftzügen aus Neon-Kreide werben wahlweise für fish and chips oder für Churros. Der Pub namens „The Horseshoe“ mit den typischen goldenen Lettern auf rotem Grund liegt direkt gegenüber des Restaurants „Al Andalus“.
Auffällig sind die vielen Juweliere. Aus steuerlichen Gründen kaufen Briten hier traditionell ihren Schmuck.
Wir bummeln gemütlich die Hauptstraße hinunter. Ich bin sehr zufrieden mit dem bisherigen Tagesverlauf. Auch die Jungs dackeln brav und interessiert mit uns mit.
Wie wir doch auf dem Affenfelsen landeten
Dann entdeckt Martin ein Schild, das einen Fußweg zum Affenfelsen ausweist. Sofort wittert er seine Chance.
– Ja, meinetwegen. Dann halt doch. Immerhin sind wir mit der Main Street tatsächlich recht schnell fertig. Also lassen wir drei anderen uns zum Treppensteigen motivieren.
Außerdem sind die Straßen abseits der touristischen Stadtzentren für uns ohnehin immer spannend. Wir gucken gerne dort hin, wo die echten Menschen wohnen.
Bei unserem Aufstieg begegnen uns kleine Mädchen in Schuluniformen. Sie liefern sich eine hitzige Diskussion in einer Sprache, die wir für Spanisch halten. Wahrscheinlich aber sprechen sie Llanito, den ortsüblichen Dialekt. Der mengt ins Spanische auch englische, italienische und andere Wörter.
Patriotismus am Upper Rock
Eins der Mädchen verschwindet hinter einer Haustür, neben der ein demonstrativer Union Jack hängt. In den Vorgärten und Höfen Richtung Berg fällt uns das gehäufte Aufkommen britischer Flaggen auf. Patriotismus ist hier anscheinend weiter verbreitet als auf der Insel. Kein Wunder, denn für Gibraltars Bewohner ist die Landeszugehörigkeit eine Frage vor allem wirtschaftlicher Brisanz.
Mehr oder weniger seit Anbeginn der Enklavenzeit fordert Spanien das Stückchen unfruchtbare Land zurück. Lange war es für Großbritannien eine Frage des Stolzes, wenn nicht militärstrategischen Denkens, die südliche Dependance zu behalten. In letzter Zeit hat sich die Einstellung im Mutterland geändert. Man hätte wohl nichts dagegen, die unrentable Außenstelle wieder abzugeben.
Sehr wohl etwas dagegen haben die Bewohner der Stadt am Felsen. Heute ist es ausschließlich ihr Widerstand, an dem die überfällige Flurbereinigung scheitert und die das Kuriosum am Leben erhält.
Dabei sind laut einer Analyse des Wählerregisters (Quelle: Wikipedia 2015) nur 27 Prozent der Einwohner britischer Herkunft. Trotzdem stellt dieser Teil die größte ethnische Gruppe dar. „Nur“ 24 Prozent haben spanische Wurzeln. Die anderen stammen aus Italien, Portugal und anderen südeuropäischen Staaten.
Durch den Nebeneingang in den Nationalpark
Wir lassen die Bebauung hinter uns und stehen gefühlte tausend Treppenstufen später vor der Moorish Castle. Die maurische Burg entstand ab 1160 als erste von vielen Festungen am Ort.
Hier müssen wir Wegzoll berappen, denn weiter geht es nur mit Ticket für den Nationalpark. Wenigstens hält sich das Eintrittsgeld für Fußgänger in Grenzen: 1 Euro für Erwachsene, 50 Cent pro Kind. Update: Auch das hat sich wohl gravierend geändert. Laut Julia zahlen inzwischen alle an allen Eingängen dieselben Preise. Für 13 Pfund pro Erwachsenem und 8 Pfund für Kinder von fünf bis elf Jahren ist dann aber auch der Eintritt für alle Sehenswürdigkeiten mit drin. Wir zahlen, denn nach dem anstrengenden Aufstieg wollen wir jetzt auch wenigstens zum ersten Aussichtspunkt.
Seit einer Weile laufen wir schon auf dem Asphalt der Straße. Jetzt im Mai sind zum Glück noch nicht so viele Busse und Autos unterwegs, aber entspanntes Wandern ist etwas anderes…
Affen treffen auf Gibraltar
Wir müssen aber auch nicht weit laufen, bis sich unsere persönlichen Erwartungen erfüllen. Zwei Kurven und ein paar Ruinen-Anblicke später treffen wir auf den Eingang der World War II Tunnels. Die interessieren uns eher wenig. Trotzdem finden wir hier alles, was wir sehen wollen: den Ausblick bis nach Afrika und einen Affen.
Der kleine Kerl wirkt wie ein zuverlässiger Angestellter des tourist board. Pflichtbewusst erfüllt der die Erwartungen der Urlauber, indem er auf die bereitstehende Kanone klettert und niedlich in jede Kamera blickt.
Die Berberaffen stecken tief mit drin im Gibraltar-Mythos. Ob sie die letzten Überlebenden der europäischen Affenpopulation sind oder – wahrscheinlicher – irgendwann aus Afrika importiert wurden, weiß man nicht so genau. Der Legende nach bleibt die britische Staatsangehörigkeit so lange bestehen, bis der letzte Affe den Felsen verlässt. – Ein Umstand, der Winston Churchill während des zweiten Weltkriegs dazu veranlasste, für ein bisschen frisches Affenblut aus Marokko zu sorgen. Nur zur Sicherheit, versteht sich.
Wer die Affen füttert, muss mit hohen Geldstrafen rechnen. Und damit, dass die Affen sich mit einem Taschendiebstahl bedanken.
Tea Time bei 35 Grad
Theoretisch könnten wir jetzt weiter wandern bis zum Gipfel. Oder wir könnten uns diverse Militärausstellungen ansehen, die als Touristenattraktionen über den Berg verteilt sind. Dann gäbe es noch die St. Michaels Cave, eine kleine Tropfsteinhöhle.
Aber so direkt auf der Straße Wandern macht nicht einmal Martin Spaß. Und der Nachmittag ist schon fortgeschritten. Also machen wir uns auf den Rückweg.
Schließlich wollen wir rechtzeitig zur Teezeit wieder in der Stadt sein. Auf eine cream tea Zeremonie haben wir uns nämlich schon lange gefreut.
Leider orientiert sich das Ambiente der in Frage kommenden Etablissements eher am kühlen iberischen als am plüschig-britischen Standard. Macht nichts, dafür schmecken die Scones mit clotted cream ausreichend originalgetreu.
Fazit: Gibraltar mit Kindern
Eine besonders schöne Stadt ist Gibraltar nicht.
(Teures) Sightseeing ist vor allem für Leute interessant, die sich für Militärgeschichte im Wandel der Zeiten interessieren.
Um sich das britisch-spanische Kuriosum der Stadt mal anzugucken, lohnt sich ein Ausflug aber nicht nur für ausgewiesene Großbritannien-Fans.
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Oh krass, das kostet Eintritt da oben?
Ich bin mit der Seilbahn hochgefahren und runtergelaufen… aber das war 100%ig viel viel viel viel billiger! Sonst hätte ich das niemals gemacht. Weiß aber nicht mehr wie viel, ist schon eine ganze Weile her.
Ich besichtigte damals noch die Tunnel, das war ziemlich cool, vor allem weil ich mit dem „Tunnel-Führer“ allein war.
Ich finde Gibraltar sollte man sich schon mal anschauen, wenn man in der Gegend ist. Aber du hast natürlich recht, besonders hübsch ist es nicht :)
Wir parkten damals übrigens einfach am Straßenrand vor der Grenze. Aber vielleicht kostet das in der Zwischenzeit ja auch was …
Man kann auch mit dem Auto hoch fahren, aber das kostet dann deutlich mehr (als zu Fuß, meine ich). Vor der Preistafel habe ich mehrere Leute (meist Briten) entsetzt aufstöhnen hören. :)
Die Parkplätze an der Straße waren kostenpflichtig, meine ich. Auf jeden Fall waren sie alle voll (aber wir waren auch zur besten Tageszeit dort, nach dem Frühstück losgefahren wie alle).
Liebe Lena,
schön zu lesen, dass es da immer noch so ist, wie es soll! Wir (mein Mann und ich, damals noch ohne Kinder, höchst anglophil) waren vor vielen Jahren mal für ein paar Stunden in Gibraltar, und ich fand: Allein für Baked Beans unter einem vergilbten Charles-und-Di-Foto mitten in Spanien (bzw. eben nicht) lohnt sich der Stau, den zu umgehen wir nicht clever genug waren.
Viele Grüße,
Maria
:) Oh ja, und die Parkplatzsituation in der Stadt ist problematisch. Jedenfalls haben wir nur einen einzigen freien Parkplatz bemerkt auf unserem Spaziergang.
Danke! :-) Durch euren schönen Bericht wurde ich dazu begeistert, meine alten Berichte (ca. 3 Jahre alt) noch mal anzufassen und aufzuarbeiten. Den Startschuss hab ich auch mal mit Gibraltar gemacht… :-) Wenn ihr Lust habt, schaut doch mal vorbei… :-) Als nächstes ist dann Sevilla dran.
Oh, fein, da bin ich gespannt. :)
Hallo Lena,
ich war im August auch in Gibraltar, aber leider war der Tag überhaupt nicht gut. Erstmal war die Seilbahn zu den Klippen wegen Wind nicht geöffnet. Den Weg über die Treppen habe ich zwar auch gefunden, aber im 8. Monat schwanger war das auch enorm anstrengend und ich habe nicht die ganze Strecke geschafft. Dann ist mir auch noch aufgefallen, dass ich mein Tablet im Bus von Madrid nach Algericas vergessen habe und bin schnell wieder zurück nach Algeciras zur Busstation um zu fragen, ob es dort aufgetaucht ist.
Das nächste Mal, wenn ich in Andalusien bin, bekommt der olle Felsen aber noch eine neue Chance ;-)
Viele Grüße
Christin
Oje, das klingt wirklich nicht nach einem gelungenen Tagesausflug. Im 8. Monat schwanger wäre ich ganz sicher auch nicht oben angekommen.