Slow Travel ist gerade unter Reisebloggern und Co. in aller Munde (was nicht zuletzt daran liegt, dass die Jungs von 1ThingToDo eine Blogparade zu diesem Thema initiiert haben).

Slow Travel ist quasi die Gegenbewegung zum Fast-Food-Konzept, das etliche Mitreisende an den Tag legen, und dem bulimiegleichen Reiseverhalten, das vor allem asiatische Touristen gerne zeigen, aber auch viele junge Backpacker: so viele Ziele wie möglich in kürzester Zeit, welche sich dann in Form von Selfies über die Timelines der Social Media ergießen, ohne dass die Betreffenden überhaupt noch wissen, wo sie denn nun genau waren.

Die einen geben an, weil sie schon auf den dritten Kontinent dieses Jahr jetten, obwohl wir erst März haben.

Die anderen fühlen sich überlegen, weil sie bei diesem Trend nicht mitmachen, sich ihm bewusst widersetzen und ihren eigenen Trend kreieren: Slow Travel eben.

On the road...

Der Weg ist das Ziel…

Was ist Slow Travel?

Offenbar reicht es nicht, keine Reise-Bulimie, kein Reise-Fastfood zu betreiben. Den Begriff Slow Travel hat das gleichnamige Buch von Dan Kieran* geprägt, der vier Wochen lang quer durch England reiste – in einem elektrischen Milchkarren mit der Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h. Aus dieser horizonterweiternden Erfahrung strickt der Brite seine persönliche Reisephilosophie, die Foto-Sessions vor Sehenswürdigkeiten ebenso ablehnt wie Checklisten und Reiseführer.

Auch die Jungs von 1ThingToDo propagieren solche Reisen, ohne große Vorbereitung, ohne Plan, einfach treiben lassen. Dabei stellen sie aber eine weiter gefasste Definition von Slow Travel auf. Das Reisen selbst soll das Erlebnis sein, möglichst mit öffentlichen Verkehrsmitteln und viel Kontakt zu Einheimischen, nachhaltig und bewusst. Und eben langsam.

langzeitreise-kinder-europa

Vom Schaumburger Land bis nach Transsilvanien haben wir etwa sechs Wochen gebraucht. Langsam genug?

Im Grunde ist es nichts anderes als die alte Streitfrage: Bist du Reisender oder Tourist? (Und bist du etwas besseres, nur weil du dich Reisender nennst?)

Sind wir Slow Traveler?

Natürlich frage ich mich das, wenn ich solche Definitionen lese. Ganz abgesehen davon, ob ich das überhaupt sein möchte.

Rein vom Namen her sind wir sicher keine Slow Traveler, denn gerade unser Reisetempo bietet immer wieder Anlass für Diskussionen. Auf unserem großen Europa-Roadtrip waren wir zehn Monate lang nicht länger als eine Woche am Stück an einem Ort. Im Durchschnitt haben wir alle vier Tage das Quartier gewechselt. Innerhalb eines Jahres haben wir so 21 Länder bereist.

Auf geht's! Family4travel an Tag 1 der Reise.

Und haben dabei viel im Auto gesessen, denn wir waren ausschließlich mit unserem Touran unterwegs.

Selbst zurück in unserem bürgerlichen Leben als Durchschnittsfamilie auf Rügen-Urlaub eignen wir uns kein gemächliches Tempo an. Erst vorgestern habe ich wieder festgestellt, dass wir einfach zu viele Hummeln im Hintern haben: Innerhalb eines Tages waren wir mit Hiddensee komplett durch.

Das klingt nicht eben so, als dürften wir uns um die Qualitätsplakette des goldenen Slow Travelers bewerben.

Wandern? Oder eher Spazieren gehen? Egal, wie man es definiert, einmal rund um den Oderteich laufen macht allen Spaß!

Es gibt einfach zu viel zu entdecken, als dass wir es lange an einem Ort auhalten würden.

Slow Travel als Lebensgefühl

Dabei gehe ich mit den grundsätzlichen Überlegungen der Slow Travel Pioniere durchaus konform. Ich finde auch, dass der Weg das Ziel ist. Dass eine Raupe am Wegesrand mindestens ebenso spannend sein kann wie die Führung per Audioguide durchs Kolosseum (eine Erkenntnis, um die man kaum umhin kommt, wenn man mit Kindern reist).

Wer mit Kindern Wandern geht, betreibt auf jeden Fall Slow Travel im engeren Sinne, ob er will oder nicht. Raupenfund an den Aber Falls in Wales.

Wer mit Kindern Wandern geht, betreibt auf jeden Fall Slow Travel im engeren Sinne, ob er will oder nicht. Raupenfund an den Aber Falls in Wales.

Wir finden auch, dass Begegnungen mit echten Menschen das Salz in der Suppe des Reisens sind und für die meisten Aha-Erlebnisse und Horizonterweiterungen unterwegs verantwortlich. Wir legen Wert darauf, jedes unserer Reiseländer „von innen“ kennen zu lernen. Deshalb lieben wir Couchsurfing.

Und wir lassen uns gerne treiben, nehmen uns ein paar Stunden oder einen ganzen Tag, um eine Stadt zwanglos zu erkunden und uns gezielt zu verlaufen, dabei die Atmosphäre in uns aufzunehmen und die feinen Nuancen zu spüren, die sie von ihren Schwestern weiter im Norden oder weiter im Süden unterscheidet.

Eng und dunkel und im Sommer angenehm kühl, wenn draußen mehr als 40 Grad herrschen: die Altstadtgassen in Split.

Im kroatischen Split haben wir uns, glaube ich, die Zeit genommen, uns in jeder Altstadtgasse einzeln zu verlaufen.

Keine Verteufelung der Reiseplanung

Gerade mit Kindern aber ist das „einfach drauf los“ reisen nicht uneingeschränkt zu empfehlen. Ich möchte morgens schon wissen, wo wir abends schlafen (allein schon aus Kostengründen, denn ich will bei hereinbrechender Dunkelheit nicht einfach irgendwas nehmen, bloß damit die Kinder ins Bett kommen). Deswegen buchen wir unsere Quartiere mehrere Tage im Voraus.

Und ich bin auch gerne informiert über unsere Reiseziele. Vor unserem Rügen-Urlaub habe ich die „Gebrauchsanweisung für Rügen und Hiddensee“* von Holger Teschke gelesen, der mir locker und humorvoll viele Hintergründe über die Inseln erläutert hat, die ich sonst nicht verstanden hätte. Auf unserer großen Reise haben wir uns meistens notgedrungen auf die Wikipedia-Artikel und Podcasts von Deutschlandradio beschränkt. Wenn wir uns länger in einem Land aufgehalten haben (in Rumänien waren wir z.B. insgesamt vier Wochen, in Italien sogar sechs), hat sich ein klassischer Reiseführer für uns durchaus bezahlt gemacht.

Ich möchte offen und neugierig durch unbekannte Gegenden streifen – aber nicht ahnungslos und unbedarft.

Nein, das war in Wirkichkeit nicht unsere Unterkunft. Es war das Nachbarhaus.

Ich möchte einschätzen können, was ich sehe. Zum Beispiel die Zustände hier im Donaudelta.

Slow Travel – ist das was für uns?

Letztlich ist es so wie bei allen Ideologien, Konzepten und Modeerscheinungen: Jeder kann sich das raussuchen, was für ihn selbst passt, und sich – unabhängig vom Umfang dessen – den Stempel entweder aufdrücken lassen oder nicht.

Ich habe nicht das Bedürfnis, mich Slow Traveler zu nennen. Und ebenso wenig habe ich das Gefühl, mich von diesem Begriff distanzieren zu müssen. Wir reisen bewusst und mit großer Liebe zu unserer gemeinsamen Passion. Das muss genügen.

Und ich finde, das tut es auch.

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