[Reiseblogger-Kooperation] Tschechien ist bekannt für seine gute, aber eher einfache und schwere Küche – die eigentlich mehr die Grundlage bildet fürs fantastische Bier. Als Reiseland für Gourmets hat unser östlicher Nachbar noch nicht viel von sich reden gemacht. Und wo das Bier im Mittelpunkt steht, denkt man ja nun auch nicht unbedingt an Kinder. Eine kulinarische Tour durch Prag mit Kindern zu buchen, ist deshalb nicht eben naheliegend. Wir haben es trotzdem gemacht – und waren sehr angetan. Einen ganzen Nachmittag lang haben wir uns alle Mann mit Eating Europe Tours Prague durch die tschechische Hauptstadt gefuttert.
Als Individualisten mit paradoxem Hang zur Touristenphobie haben wir ein gespaltenes Verhältnis zu geführten Touren. Wir erkunden Städte lieber in unserem eigenen Tempo, statt stumpf einer Gruppe hinterherzulaufen. Auf die ganz großen Sehenswürdigkeiten werfen wir zwar gerne mal einen Blick, aber in Wirklichkeit interessieren uns die kleinen Dinge viel mehr, die Menschen und ihre Geschichten.
Dass wir uns trotzdem für die Food Tour von Eating Prague Tours entschieden haben, hat einen Grund: Wir kennen den Anbieter schon aus Rom, wo Janis und ich Italiens kulinarische Dreifaltigkeit aus Pizza, Pasta und Gelato par exellence erleben durften. Deshalb wissen wir, dass diese Gourmet-Führungen von Eating Europe Tours keine Massenveranstaltung wird, dass die Guides mit Leib und Seele dabei sind und wirklich was drauf haben. Außerdem gibt es hier zu den lokalen Köstlichkeiten jede Menge lokales Insiderwissen dazu, was die Angelegenheit zu einem Erlebnis macht, das nachhaltig in Erinnerung bleibt. Der Preis ist zwar happig (84 Euro für Erwachsene, „nur“ 50 für Kinder), aber der Gegenwert beträchtlich.
Das kulinarische Abenteuer beginnt in einem Lebkuchen-Fachgeschäft
Unsere Erwartungen werden nicht enttäuscht. Wir treffen Eva in einem Lebkuchenladen in einer Seitenstraße nahe dem jüdischen Viertel. Der Duft von frisch Gebackenem hängt schwer in der Luft. Um uns herum ist das traditionelle Gebäck in allen denkbaren Variationen drapiert, fantasievolle Gebilde mit bunter oder weißer Zuckerschrift, auch Förmchen und Dosen und aller erdenklicher Zubehör für die Lebkuchenbäckerei.
Mitten im Verkaufsraum steht ein großer Tisch mit Stühlen. Eva, unser Guide, bittet uns, Platz zu nehmen. Neben uns sitzt ein Pärchen, mehr oder weniger in unserem Alter. Die beiden kommen von der Karibik-Insel Martinique, stammen aber ursprünglich aus Indien. Kurz nach uns stößt noch eine junge Amerikanerin mit asiatischen Wurzeln zu uns. Dann sind wir auch schon komplett. Eva füllt unsere Gläser mit Wasser und beginnt.
Es ist kein auswendig gelernter Vortrag über die Vorzüge der böhmischen Küche, den wir zu hören kriegen. Vielmehr berichtet Eva locker-flockig aus ihrem Leben und dem ihrer Mitmenschen hier in Prag.
„Eigentlich sind Kekse bei uns ein Weihnachts-Ding“, erzählt sie. „In der Adventszeit hat eine gute Hausfrau mindestens fünf Sorten vorzuweisen. Selbstgebacken, versteht sich. Lebkuchen hier zu kaufen, ist gemogelt. Ihr könnt euch denken, wie lange die Schlange hier in der Vorweihnachtszeit trotzdem ist…“
Eva serviert jedem von uns ein Tellerchen, auf dem drei nicht eben kleine Lebkuchen liegen. Mir schmeckt der „Verdammte“ am besten, den Eva auf Englisch „dammit cake“ nennt und der auf Tschechisch Sakrajda heißt. Das kommt daher, dass der Teig mit vielen Walnüssen und Pflaumenmus so schwer ist, dass es früher männlicher Muskeln bedurfte, um ihn zu kneten. Auch den Männern fiel die Tätigkeit nicht leicht, und so fluchten sie dabei am laufenden Band. Wer auf der Straße an einem geöffneten Küchenfenster vorbei ging und einen Mann den Lebkuchenteig verfluchen hörte, wusste Bescheid, welche Sorte dort in den Backofen kam.
Die kommerzielle Lebkuchenbäckerei ist eine wiederbelebte Tradition, berichtet Eva. Zu sozialistischen Zeiten wären solche kleinen Start-ups mit viel Liebe zum Detail undenkbar gewesen. Heute dagegen regieren Angebot und Nachfrage, und letztere lässt gerade im gastronomischen Bereich innovative Kleinunternehmen aus dem Boden schießen.
Entdeckungen in der Gourmet-Passage
Eva zeigt uns, wo wir diese Läden finden. Gleich mehrere sind in der Gourmet-Passage an der Dlouhá-Straße gelegen. „Früher waren das hier dunkle Gänge ohne Fenster“, erklärt Eva, die schon ihr ganzes Leben in Prag wohnt und sich bestens auskennt.
Heute haben sich in dem Gebäudekomplex aus den 1920er Jahren unter anderem ein veganes Café, eine Schokoladerie und ein italienisches Feinkostgeschäft eingemietet. Die lassen wir alle links liegen. Eva führt uns ans Ende der Passage. Aus dem Bistro „Sisters“ holt sie einen hölzernen Klapptisch und serviert uns kurz darauf mehrere liebevoll zurechtgemachte Schnittchen. Ein junger Mann aus dem Fleischergeschäft gegenüber bringt eine Platte mit verschiedenen Sorten Schinken und Wurst. Während wir im Stehen picknicken, erzählt Eva uns die Geschichten der beiden Geschäfte.
Hana Michopulu, die das Bistro zusammen mit ihrer Schwester leitet, war vorher Chefredakteurin von Prags erfolgreichster Kochzeitschrift. Die Wiedereinführung der Wochenmärkte in Prag mit frischem Obst und Gemüse geht auf ihre Initiative zurück, erzählt uns Eva, und auch das tschechische Butterbrot habe die kulinarische Pionierin in ihrem Bistro neu erfunden.
Der Inhaber des „Naše maso“, den Eva einen „celebrity butcher“ nennt, ist Fleischer in vierter Generation. „Natürlich hatte sein Vater keine eigene Fleischerei, es war ja alles volkseigen damals“, erklärt unser Guide. „Aber er hat die Familienehre wieder hergestellt, und halb Prag kommt, um hier frisches Fleisch zu kaufen. Seht euch bloß die Schlange an!“
In der Tat ist der Andrang enorm. Durch die Fenster können wir bis in die Schlachteküche sehen, wo ein Geselle gerade ein großes Stück Rind auseinandernimmt. Die Jungs schauen fasziniert zu, während sie selig sehr viel Schinken auf einem sehr kleinen Alibi-Stück Brot kauen.
Ich halte mich lieber an die Schnittchen. Das sind alles Ostblock-Klassiker, erklärt uns Eva, aber neu erfunden. Die Stulle mit dem Selleriesalat geht schon mal gut runter – und das, obwohl ich Sellerie eigentlich gar nicht mag. Die mit der Roten Beete schmeckt sogar richtig lecker, was vor allem an dem Klecks hervorragendem Ziegenfrischkäse liegt.
Eva erzählt, während wir essen. Wir dürfen alle Fragen stellen, die uns einfallen. Schnell entspinnen sich auch untereinander Gespräche, als wir die mehr als reichlichen Häppchen zwischen uns aufteilen – sehr klassisch übrigens: Jeder probiert alles, aber als es darum geht, reinen Tisch zu machen, halten sich die Männer ans Fleisch und die Frauen ans Gemüse. Danach sind wir eigentlich schon satt.
Sightseeing inbegriffen
Das macht nichts, denn bis zum nächsten Imbiss laufen wir uns wieder hungrig. Eva führt uns quer durch die Altstadt. Unterwegs deutet sie immer wieder auf Restaurants, die sie empfehlen kann, und auf Kneipen, in denen es besonders gutes Bier gibt. „Die besten zapfen direkt aus dem Tank ab, ohne den Umweg über das Fass“, meint sie. In den letzten Jahren seien unheimlich viele Mikrobrauereien aus dem Boden geschossen. „Und Bier ist teuer geworden. Für euch ist es immer noch billig, aber wir waren anderes gewohnt. Trotzdem funktioniert meine persönliche Daumenregel immer noch gut: Wo das Bier mehr als 50 Kronen kostet, trinke ich nichts.“
Eva für uns auch zu Sehenswürdigkeiten – vor allem solche, die durchaus sehens-wert sind, von den meisten Touristen aber nicht wahrgenommen werden. In der Jakobskirche zeigt sie uns die jahrhundertealte vertrocknete Hand eines Diebes, die ihm der Legende nach die Heilige Jungfrau hat abfallen lassen, als er sich mitsamt seiner Beute in der Kirche verstecken wollte. Eva freut sich, dass wir für solche Abstecher heute Zeit haben. „Manchmal muss jemand aus der Gruppe noch zum Flughafen oder hat andere Anschlusstermine, dann müssen wir das alles auslassen.“ Angegeben ist die Dauer der Führung mit „ca. vier Stunden“. Bei uns dehnt sich die Angelegenheit letztlich auf über fünf Stunden aus. Ein schlechtes Gewissen haben wir deswegen nicht: Eva ist sichtlich mit Feuereifer dabei und freut sich, dass wir es ganz genau wissen wollen.
Sauerkrautsuppe für Sauerkraut-Hasser
Den nächsten Gang nehmen wir im Restaurant Zvonice ein. Das befindet sich in einem alten Glockenturm. Zwischen dem Gebälk sitzen wir in elegant-rustikalem Ambiente in der 6. Etage und blicken auf die Stadt hinab. „Meine Schule war gleich da drüben“, erzählt Eva. „Aus dem Fenster konnte ich die Tauben im Turm beobachten. Der stand früher auch leer, wie so vieles. Prag hat sich echt gemacht.“
Währenddessen löffeln wir Böhmens vielleicht traditionellstes Gericht: Sauerkrautsuppe. Ich hasse Sauerkraut und will eigentlich nur ein Probierlöffelchen nehmen, um den Teller dann zu Martin rüber zu schieben. Aber der Eintopf ist so pfiffig angemacht, dass ich meine Portion in der Tat auslöffele.
Der „geheime Garten“ von Prag
Weiter führt uns unser Weg durch die Lucerna-Passage, über die Eva allerhand Interessantes zu erzählen weiß, und in der wir zum ersten Mal einem Kunstwerk von David Černy begegnen. Der Prager Aktionskünstler mag Provokationen und hat etlichen Ecken seiner Heimatstadt seinen Stempel aufgedrückt.
Von der Vodičkova Straße ab führt Eva uns zum vielleicht schönsten Ort Prags. Wir durchschreiten ein unauffälliges Portal in einem eher schäbig anmutenden alten Haus – und befinden uns gleich darauf in einem wunderschönen Garten. „Styl & Interier“ heißt der Laden, der Einrichtungshaus, Dekogeschäft und Café-Restaurant in einem ist. „Hier sieht man kaum Touristen“, sagt Eva. „Aber viele Prager kommen hierher und arbeiten bei schönem Wetter vom Garten aus am Laptop.“ Würde ich hier wohnen, wäre diese grüne Oase mit Sicherheit mein Stammlokal.
Wir nehmen an einem langen Tisch im Inneren Platz und bewundern die Möbel, die alle käuflich sind. Die freundliche Bedienung serviert uns eine Variation des traditionellen Griebenschmalz, aufgepeppt mit Granatapfel und getrockneten Tomaten. Nicht so mein Fall, ehrlich gesagt, und die einzige Gelegenheit, bei der ich etwas übrig lasse. Aber das wundervolle Ambiente entschädigt mich.
Kaffeehauskultur und Sonntagsbraten
Den fulminanten Abschluss unserer Tour bildet die Einkehr im Café Louvre in der westlichen Altstadt. Hier haben schon Berühmtheiten wie Franz Kafka und Albert Einstein gespeist. Zu sozialistischen Zeiten war das Café zwar geschlossen, sagt Eva, aber man bemüht sich, an den alten Glanz anzuknüpfen. Die Vorschriften der Denkmalpflege machen das mitunter nicht einfach – so konnte bisher keine Klimaanlage installiert werden, die an diesem heißen Tag doch schmerzlich fehlt. Aber das plüschige Ambiente ist schon ganz nach meinem Geschmack.
Und als erst das Essen auf dem Tisch steht, sind eh alle nur noch voll des Lobes. Es gibt „Svičkova“: Rinderbraten mit böhmischen Knödeln und einer absolut köstlichen Sauce aus würzigem Gemüse. Selten habe ich ein so gut zubereitetes traditionelles Fleischgericht gegessen. Janis pflichtet mir bei, auch für ihn ist Hauptgang der Höhepunkt.“ Eva und unsere Mittourenden staunen nicht schlecht, dass beide Kinder ihren Teller vollständig leeren, obwohl sie auch bei den meisten anderen Stationen anständig reingehauen haben. „Es ist halt sooo lecker“, schwärmt Janis, und Silas nickt.
Nur beim Nachtisch geht zu Silas‘ tiefster Enttäuschung auf halber Strecke nichts mehr. Der Apfelstrudel mit Vanillesauce schmeckt uns allen, aber irgendwann ist der Magen einfach voll. Also, der der Jungs. Ich kann mich nicht bergen, den Strudel aufzuessen, obwohl ich natürlich auch längst satt bin. Martin, der notorische Süßzahn, verputzt auch noch, was die Jungs übrig lassen.
Food-Tour mit Kindern – funktioniert?
Generell sind eher selten Kinder bei ihren Touren dabei, meint Eva, und wenn, dann meistens Babys im Tragetuch oder Kinderwagen, oder Teenager. Geführte Touren mit Kindern sind natürlich immer so eine Sache.
Abgesehen davon, dass man sich als durchschnittliche Familie bei dem Preis schon sehr genau überlegen wird, ob es einem das wert ist, finde ich aber gerade die Eating Europe Touren durch ihr Konzept durchaus geeignet für Kinder. Die Gruppen sind klein, der Mix aus Am-Tisch-Sitzen und Bewegung stimmt. Natürlich ist es hilfreich, wenn der Nachwuchs – wie unsere Jungs – fremdem Essen nicht nur tolerant begegnet, sondern gern aktiv Neues probiert.
Ein Hindernis ist vielleicht die Sprachbarriere: Die Eating Europe Touren sind auf Englisch. Eva sagt, sie hat eine Kollegin, die bei Bedarf auch Deutsch sprechen kann. Eine Tour auf Deutsch ist also prinzipiell möglich, erfordert aber ein separates Arrangement. Unsere Jungs verstehen mittlerweile selbst genug Englisch, aber auch zum Übersetzen ist in den Laufpausen genügend Zeit.
Unsere Jungs schwärmen jedenfalls immer noch von unserer Food-Tour durch Prag. Sie hatten viel Spaß, fanden’s sehr lecker und haben einiges gelernt. Wir sind froh, dass wir uns für die Eating Prague Tour entschieden haben und können es anderen Familien durchaus empfehlen.
Praktische Hinweise: So kommt man zur Eating Prague Tour
Alle Informationen inklusive Buchungsmöglichkeit befinden sich – auf Englisch – auf der Homepage. Die Touren starten je nach Saison meist täglich um 12.30 Uhr und dauern rund vier Stunden. Die Preise: Erwachsene 79 Euro, Kinder von vier bis zwölf 55 Euro, Teenager bis 18 zahlen 69 Euro (2022 aktualisiert).
Transparenz-Hinweis: Schon 2014 hat der Anbieter Eating Prague Tours mich und eine Begleitung zu einer Food Tour durch Prag eingeladen. Da ich damals anderweitig unterwegs war, haben wir die Sache nach Rom verlegt, wo es ebenfalls einen Ableger des Anbieters gibt. Jetzt haben wir das Arrangement in Prag nachgeholt. Martin und ich mussten für unsere Tour nichts bezahlen. Die Kinder schon, aber das war mir der Spaß wert. Meine Meinung bleibt immer unabhängig, egal ob eingeladen oder nicht.
Liebe Lena,
Bin gerade auf diesen Artikel gestoßen und finde ihn so toll. Wir sind gerade für ein paar Tage in Prag und ich hab mir gerade ganz viele Tipps notiert. Vielen Dank und liebe Grüße
Annika
Das freut mich! Oh, und falls du in der Gourmetpassage landen solltest, empfehle ich auch noch das Raw Café (ich glaube, so heißt es, das vegane Ding da), und dort einen Cappuccino mit Cashew-Mandelmilch. Es ist ganz in der Nähe des Lebkuchenladens, und wir haben dort auf den Start der Tour gewartet, weil wir zu früh waren. Ich hab erst geflucht, weil uns die „Veganität“ erst aufgefallen ist, nachdem wir saßen, und ich von Soyamilch überhaupt nichts halte. Aber diese Mandelgeschichte war echt total lecker.
Auf jeden Fall viel Spaß noch in Prag!
[…] Café ist ein echter Geheimtipp für Prag. Ich bin über den Bericht der Prague Eating Tour vom Blog Family4Travel auf dieses Café aufmerksam geworden und wollte es unbedingt selbst […]
[…] Eine kulinarische Tour durch Prag ist Lenas Tipp von family4travel für Euch. Eating PragueTour […]
[…] Das Vergnügen ist zwar nicht ganz billig. Aber trotzdem durchaus preis-wert. Unter dem Gesichtspunkt, dass es eine Stadtführung in Kleingruppe und eine Hauptmahlzeit plus etliche Snacks kombiniert. Einen ausführlichen Bericht dazu gibt es in meinem Blog. […]