Ein kleines Stück östlich von Bilbao,am Golf von Biskaya, liegt die Kleinstadt Gernika. Für die Identität der Basken spielt der Ort eine bedeutende Rolle. Für Touristen… na ja…
Dieser Artikel ist Teil unserer Serie Baskenland mit Kindern.
Die heilige Stadt der Basken
Wir besuchen Gernika an einem grauen Tag im Juni 2015. Es ist ein Tagesausflug von unserer Basisstation in Castro Urdialis aus. Bevor unser 10-monatiger Europa-Roadtrip in den Endspurt übergeht, wollen wir noch das Baskenland erkunden.
Gernika ist bei diesem Vorhaben beinahe unumgänglich. Sie wird als „heilige Stadt der Basken“ bezeichnet. Hier befindet sich einer der Treffpunkte, an dem die Oberhäupter der Familien regelmäßig zusammenkamen, sich ihrer gegenseitigen Treue versicherten und sich ihre Töchter vorstellten (ich denke mir das ganz ähnlich wie den Thing der Wikinger im isländischen Thingvellir).
Selbst die kastilischen Könige kamen hier her, um den Schwur zu leisten, dass sie die eigenständige Rechtsordnung der Basken respektieren.
Das alles passierte unter dem Blätterdach einer besonderen Eiche, und zwar jahrhundertelang. Starb der Baum ab, wurde daneben ein neuer gepflanzt, aus den Früchten des alten Baums.
Den letzten Stumpf kann man heute noch sehen, ein Tempelchen ist darum errichtet.
Krieg und Picasso
Traurige Berühmtheit erlangte der Ort, weil deutsche und italienische Flugzeuge ihn im April 1937 in Schutt und Asche legten. Francos faschistische Freunde lieferten ihrem Gesinnungsgenossen gern Schützenhilfe für seinen Bürgerkrieg und nutzten dabei die Gelegenheit, die gründliche Bombardierung eines zivilen Ziels einmal auszuprobieren.
Ob es weit mehr als tausend Tote gab oder doch nur maximal 300, variiert je nachdem, welcher Seite man zuhört.
Dass es auf jeden Fall ein ungeheures Verbrechen gegen die Menschlichkeit war, lässt sich hingegen nicht bezweifeln. Und selbst wenn nur ein einziger gestorben wäre – es war schlimm, und es begründete ein Trauma, das noch heute tief sitzt in der baskischen Seele. Sich um Zahlen zu streiten, geht am Thema völlig vorbei.
Die Stadt lag jedenfalls komplett in Trümmern. An den Anblick der Zerstörung erinnert bis heute ein Haufen Schutt, der sich als Mahnmal dauerhaft vor der Kirche türmt.
Wir stehen lange davor, lesen verschiedene Wikipedia-Artikel (unser erbärmlicher Ersatz eines Reiseführers) und lassen die geflickte Front der Kathedrale auf uns wirken, die absichtlich mit andersfarbigen Steinen repariert wurde.
Die von Franco erbetene Bombardierung Gernikas durch deutsche Piloten war weder die erste noch die letzte grausame Repression der nach Selbstbestimmung strebenden Basken. Der zugrundeliegende Konflikt zwischen der Volksgruppe und der spanischen Regierung ist bis heute nicht gelöst.
Pablo Picasso malte als seine Version des Massakers eins seiner berühmtesten Bilder: Guernika.
Als wir durch die kleine Stadt schlendern, laufen wir beinahe direkt in ein Filmset. Leider haben wir nicht herauskriegen können, um welche Produktion genau es sich handelt, aber ganz offenbar wird das Drama der Stadt einmal mehr verfilmt.
Sehenswürdigkeiten in Gernika
Gernika ist nicht groß. Nicht ganz 17.000 Einwohner verteilen sich auf mehrere eingemeindete Dörfer. Außer dem eingezäunten Baumstumpf und dem normalerweise wahrscheinlich leeren Marktplatz gibt es nicht viel zu sehen.
Eine Sache gibt es aber doch, die durchaus sehenswert in Gernika ist: das baskische Museum. Unten wirkt alles ein wenig trocken, vor allem, wenn man die meisten Fakten bereits aus Bilbao kennt. Ganz oben unter dem Dach aber befindet sich eine neu konzipierte Ausstellung zur baskischen Kultur, die ganz wunderbar aufgemacht ist. Hier geht es viel um baskische Sportarten (Pelota natürlich, aber auch witzige Dinge wie Steinheben) und Literatur (so haben die Basken zum Beispiel eine frühe Art von Poetry Slam erfunden und praktizieren diesen spontanen Dichterwettstreit bis heute).
Ansonsten haben wir ziemlich lange erfolglos nach einem netten Tapasladen oder einem Café gesucht. So richtig angesprochen hat uns nichts, so dass wir lieber wieder in unsere Ferienwohnung gefahren und dort selbst gekocht haben (das allerdings ist hauptsächlich unserem schmalen Budget geschuldet; ernsthaft hungern muss auch in Gernika kein Tourist, es gibt schon ein paar Läden).
Aber Gernika ist halt doch nur eine sehr kleine Kleinstadt.
Ausflug nach Gernika: Unser Fazit
Der Ort ist durchaus sehenswert für einen Spaziergang, aber ein ganzer Tagesausflug lohnt sich nicht, zumindest wenn man Kinder dabei hat. Nach zwei, drei Stunden ist man durch.
Wirklich sehr beeindruckend. Städte mit so lebendiger Geschichte finde ich immer wahnsinnig spannend. Toller Bericht!
Herzlich,
Anna
Danke! Und ja, vor allem, wenn man mehr oder weniger darüber stolpert.