Seit Jahr und Tag verbringen wir unseren Urlaub immer wieder an der Ostsee (bei Oma und Opa in Bad Doberan). Spätestens seit ich für unseren Ostsee-Reiseführer recherchiert habe, kennen wir zwischen Klützer Winkel und Usedom beinahe jeden Fleck der Küste Mecklenburg-Vorpommerns. Aber eben nur beinahe. Die Tatsache, dass ich besagten Reiseführer nicht alleine, sondern gemeinsam mit der Verlegerin Stefanie Holtkamp geschrieben habe, sorgt dafür, dass ich mich ganz prima mit meinem eigenen Buch selbst überraschen kann. Auf diese Weise sind wir zu einem wunderbaren geführten Stadtbummel durch Wismar mit Kindern gekommen, entlang aller Sehenswürdigkeiten und Spielplätze der hübschen Hansestadt.
Zu meiner Ehrenrettung: Natürlich kenne ich Wismar. Auf dem Weg in den Ostseeurlaub haben wir hier manches Mal Station gemacht. Aber da wir die Kleinstadt bei der Aufteilung unserer Recherche-Gebiete mehr oder weniger zufällig in Stefanies Zuständigkeitsbereich sortiert haben, haben wir uns Wismar nie systematisch erschlossen. Meine Kollegin hat das aber getan und stellt somit in unserem Buch einen Rundgang vor, der alle Sehenswürdigkeiten von Wismar und alle Orte, die Kinder interessieren, miteinander verbindet.
Stadt-Entdeckertour für Kleine und Große
„Die schöne Altstadt mit den drei großen Backsteinkirchen gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO. Grund genug, der Stadt einen Besuch abzustatten, wenn Sie in der Region unterwegs sind“, schreibt Stefanie in ihrer Einleitung zu Tour Nummer vier in unserem Ostsee-Führer. Insgesamt gibt es 55 Wander- und Entdeckertouren zwischen Wismar, Rügen und Usedom. Ungefähr die Hälfte davon habe ich recherchiert, die andere Stefanie. Über Wismar schreibt sie weiter: „Außerdem gibt es in den verwinkelten Gassen viele schöne Cafés und originelle kleine Läden. Wismar hat Stil. Das interessiert Ihre Kinder nicht? Keine Angst, auf unserem Weg durch Wismars Gassen kommen Klein und Groß auf ihre Kosten.“
Vom Hafen in die Stadt
Wir nehmen also unser Buch und tun so, als seien wir ganz normale Urlauber. Vom Parkplatz aus laufen wir zum Startpunkt der Tour am Alten Hafen. Unsere Jungs sind mit 13 und 11 ja schon recht groß, aber vermutlich ist es immer dasselbe, wenn man Wismar mit Kindern besucht: Eine gewisse Zeit muss man einfach einplanen, um Möwen und Schiffe anzugucken.
Bei einem früheren Besuch sind die Jungs und ich auch schon mal mit der Poeler Kogge mitgefahren, die hier ganz in der Nähe ablegt – auch eine tolle Sache, wenn man mehr Zeit in Wismar mit Kindern verbringt.
Heute aber halten wir uns an unseren Reiseführer. Der leitet uns vorbei an den ersten prächtigen Hanse-Fassaden und gleich einmal auf einen kleinen Spielplatz.
Das Geburtshaus eines berühmten Piraten (oder eines anderen rauen Gesellen)
Ganz in der Nähe soll sich auch das Geburtshaus des berüchtigten Piraten Klaus Störtebeker befinden. Zumindest ist den Taufregistern zufolge in der Speicherstraße 8 im Jahr 1368 ein gewisser Nicolao Störtebeker geboren, der später aus der Stadt flog, weil er bei einer Schlägerei für mehrere Knochenbrüche verantwortlich gewesen sein soll. Ob es sich dabei wirklich um „den“ Klaus Störtebeker gehandelt hat, ist allerdings fraglich, denn der gab an, aus Rotenburg an der Wümme zu stammen. Wie dem auch sei, allein schon die bunte Haustür in der Speicherstraße ist sehenswert.
Blick von oben in St. Georgen
Jetzt ist Kultur angesagt, denn die nächste Station ist die St.-Georgen-Kirche. Das stattliche Backstein-Ensemble kann frei betreten werden. Eine Gemeinde gibt es hier nicht mehr, nur ab und zu Konzerte. Und der Kirchturm dient Touristen als Ausguck. Für 3 Euro pro Person (Kinder ab sechs Jahren 2 Euro, darunter frei) bedient ein Mitarbeiter den gläsernen Fahrstuhl, der mitten im Kirchturm zur Aussichtsplattform auffährt. Die Leute, die gerade von oben kommen, schwärmen vom Blick. Da ich weder Höhen im Allgemeinen noch Fahrstühle besonders mag, verzichten wir auf dieses Abenteuer.
Gut zu wissen: Unabhängig vom Kirchturmbesuch gibt es in St. Georgen eine kostenlose Toilette.
3D-Kino im Kirchturm
Bis zu unserem nächsten Punkt ist es nicht weit (überhaupt legen wir an diesem Tag laut unserem Reiseführer gerade einmal zweieinhalb Kilometer zurück). Der einsame Turm der St.-Marien-Kirche blickt uns schon entgegen, als wir St. Georgen verlassen.
Das Kirchenschiff gibt es nicht mehr. Es bekam im Zweiten Weltkrieg einen Bombentreffer, und in den 60er Jahren gab ihm eine Abrissbirne den Rest. Im Turm aber gibt es eine kleine Ausstellung in drei Räumen. Zwei davon können kostenlos betreten werden. Dort sind Modelle der Marienkirche aus besseren Zeiten zu sehen, ebenso von den anderen Kirchen in Wismar.
Im mittleren Raum hat sich ein kleines 3D-Kino etabliert, das den Animationsfilm „Bruno Backstein“ zeigt. Das simple Filmchen dauert vielleicht zehn Minuten, verdeutlicht in dieser Zeit aber anschaulich, wie die gigantischen Backsteinkirchen mit mittelalterlicher Technik gebaut werden konnten. Für unsere Jungs, die in kultureller Hinsicht möglicherweise latent überfüttert sind, alles schon gesehen und an der Waldorfschule sogar selbst schon Backsteine hergestellt und damit gemauert haben, ist das eigentlich ein alter Hut. Trotzdem amüsieren sie sich über den animierten Backstein, dessen Augenbrauen in der Luft schweben, und empfinden das Kirchenkino als Highlight des Tages.
Erwachsene zahlen 3 Euro pro Person, Kinder 2 Euro. Eine 3D-Brille gibt es leihweise dazu.
Alter Schwede: der Wismarer Marktplatz
100 mal 100 Meter misst der Marktplatz von Wismar und ist damit einer der größten in Norddeutschland.
Einen Teil nimmt die Wasserkunst ein: ein prachtvoller Brunnen, der seit dem frühen 17. Jahrhundert die Wasserversorgung der Stadt sicherstellt.
Weiterer Blickfang am Marktplatz ist das Restaurant „Alter Schwede“, das sich in Wismars ältestem Bürgerhaus der Backsteingotik befindet. Die Fassade an sich macht viel her, stammt sie doch ungefähr aus dem Jahr 1380. Die Jungs erblicken aber auch sofort den „Schwedenkopf“ im Portal, der eins von Wismars Wahrzeichen ist.
Mysterium Schwedenköpfe
Was genau es mit diesen Schwedenköpfen in Wismar auf sich hat, ist ungeklärt. Zwei dieser Holzköpfe stehen „schon immer“ an der Hafeneinfahrt vor Wismar auf Holzständern im Wasser. „Schon immer“ reicht aktuellen Forschungen zufolge aber womöglich nicht weiter als bis ins 18. Jahrhundert zurück.
Fakt ist, dass Wismar nach dem Dreißigjährigen Krieg 1648 der schwedischen Krone zugesprochen wurde und zumindest formal bis 1903 (!) zu Schweden gehörte.
Das erklärt aber auch nicht, warum hier dann seit dem Barock bunte Holzköpfe in Mode kamen, die der Symbolik nach Herkules-Büsten sind (wegen der Löwen-Kapuze). Möglicherweise wurden die Schwedenköpfe in der Hafeneinfahrt immer mal wieder erneuert, und die ausgetauschten bekamen gewissermaßen ihr Gnadenbrot an anderen Stellen der Stadt, beispielsweise im Portal der damals schon existenten Schenke. Trotz eingehender Untersuchungen scheint nichts wirklich historisch Belastbares bei der Sache herausgekommen zu sein.
Aber so ein Mysterium ist fürs Stadtmarketing ja auch nicht schlecht. Im heutigen Wismar sind die Schwedenköpfe jedenfalls wieder allgegenwärtig.
(Kinderfreundliches) Café 28
Unser Reiseführer nennt kein besonders empfehlenswertes Café oder Restaurant in Wismar beim Namen – zu groß ist die Auswahl rund um den Marktplatz.
Wir entscheiden uns für das Café 28 seitlich neben dem Rathaus. Ich steh ja voll auf altmodisch-plüschiges Interieur (in Cafés, nicht bei mir zu Hause). Kurz zögern wir auf der Türschwelle, denn das Café 28 wirbt mit einer Raucher-Lounge. Drinnen im Hauptraum ist aber tatsächlich nichts davon zu riechen (nur draußen im Flur auf dem Weg zum Klo kommt der Gestank etwas durch).
Die Kuchen-Auswahl ist groß und lecker, die Bedienung ist nett und berät die Jungs eingehend bei der schwierigen Entscheidung. Ob sich die verschnörkelten und gepolsterten alten Möbelstücke dauerhaft mit kleineren Kindern vertragen würden, wage ich zu bezweifeln. Mit Babys und Kleinkindern gibt es sicher bessere Einkehrmöglichkeiten in Wismar. Unsere Jungs sind mit der Örtlichkeit jedenfalls vollauf zufrieden (und ich auch).
Von Spielplatz zu Spielplatz in Wismar
Natürlich nehmen wir den optionalen Schlenker mit und statten auch dem Spielplatz im Lindengarten einen kurzen Besuch ab – selbst wenn unsere Jungs dem Alter schon mehr oder weniger entwachsen sind.
Entlang der „Frischen Grube“, einem kleinen Wasserkanal, laufen wir dann auf die St.-Nikolai-Kirche zu. Hier treffen wir auch die Bronzeschweine, nach der Stefanie unsere Tour benannt hat. Gegenüber steht das Schabbellhaus, in dem das Stadtmuseum von Wismar untergebracht ist. Nach umfangreicher Renovierung hat es inzwischen wieder geöffnet (Eintritt 8 Euro für Erwachsene, Kinder bis 14 in Begleitung ihrer Eltern frei). Wir haben leider nicht mehr genug Zeit und verschieben unseren Besuch deshalb auf nächstes Mal.
Vor der St.-Nikolai-Kirche finden die Jungs schon den nächsten Spielplatz.
Kirche mit Kinderspielzimmer
Auch die Besichtigung der Nikolai-Kirche ist frei. 20 Minuten bleiben uns noch dafür, laut angeschlagenen Öffnungszeiten. Der vermutlich ehrenamtliche Mitarbeiter scheint seine Motivation für heute aber schon verbraucht zu haben. Er wirft uns missmutige Blicke entgegen, als wir so kurz vor Feierabend noch in das stattliche Gotteshaus schlüpfen, um uns umzusehen. Ab viertel vor beginnt er damit, penetrant mit seinem Schlüsselbund zu scheppern. Schade, denn so habe ich nicht den Nerv, mich in der durchaus sehenswerten Kirche richtig umzuschauen.
Zur Kenntnis nehme ich jedoch die teils umgestalteten Kompartments im rechten Seitenschiff: Eins ist mit den Regalen eines karitativen Bücher-Basars bestückt, ein weiteres als Spielzimmer eingerichtet. Tolle Idee!
Dann entlassen wir den schlechtgelaunten Mann und seine lauten Schlüssel in den frühzeitigen Feierabend und laufen durch Wismars Fußgängerzone zurück zum Parkplatz.
Mehr Entdeckertouren an der Ostseeküste mit Kindern
Stadtrundgänge sind eher die Ausnahme in unserem Ostsee-Reiseführer für Familien. Die meisten unserer 55 Wander- und Entdeckertouren führen zwischen Meer und Küstenwald durchs Grüne. Es sind auch Tourenvorschläge fürs Fahrrad, fürs Kanu und sogar (ganz in der Nähe von Wismar) mit dem Alpaka dabei.
Mehr deutsche Kleinstädte
Renate vom Reiseblog Raus ins Leben veranstaltet noch bis zum 31. März eine Blogparade zum Thema „Die schönsten Kleinstädte in Deutschland“. Da Wismar die Definition von unter 50.000 Einwohnern erfüllt (knapp 43.000 sind es dort), reihe ich mich gerne dort ein.
Auch sonst mögen wir Kleinstädte sehr. Hier im family4travel-Blog gibt es Reiseberichte aus etlichen weiteren sympathischen Kleinstädten in Deutschland, zum Beispiel:
- Bad Nenndorf in Niedersachsen, wo die Süntelbuchen wachsen, die früher als „Hexenholz“ ausgerottet werden sollten
- Bad Pyrmont, die geschichtsträchtige Kurstadt im Weserbergland
- Bad Reichenhall im hinterletzten Zipfel Bayerns
- Bad Zwischenahn am Zwischenahner Meer im Nordwesten Deutschlands
- Bückeburg, meine bildschöne Geburtsstadt im Schaumburger Land
- Einbeck, die Fachwerkstadt, aus der mein Vater stammt
- Füssen im Allgäu, die Stadt neben den Königsschlössern
- Lauenburg an der Elbe, wo der Lauenburger Rufer ruft
- Lemgo, die Hexenstadt im Lipperland (NRW)
- Merseburg, wo Raben inhaftiert sind und uralte Zaubersprüche lagern
- Tangermünde, die hübsche Backstein-Stadt von Grete Minde
- Weißenfels, das Überraschungs-Ei in Sachsen-Anhalt
- Zeitz, die Kinderwagen-Stadt
Eine Übersicht über alle meine Blogbeiträge über die deutsche Ostsee gebe ich in diesem Artikel:
Deutsche Ostseeküste: Wo ist es wie voll/schön/kinderfreundlich?
Hallo,
ach die schönen Städte im Norden. Ich freue mich über Euren Beitrag zu meiner Blogparade.
Liebe Grüße
Renate
Das ist ja echt ein toller Artikel geworden! Klasse Inspirationen für die nächsten Reisen. Vielen Dank, dass ich mitmachen durfte. :)
Liebe Karina, den kommerziellen Link habe ich entfernt. Und ja, der wäre mir auch aufgefallen, wenn der Kommentar nicht so inhaltlich unpassend gewesen wäre.
[…] Tipps für Wismar mit Kindern bekommt ihr bei Family4travel […]
[…] Buch „Ostseeführer“ konnte sie zu Recherchezwecken einen geführten Stadtbummel durch Wismar mit Kindern machen. Die Tour ist speziell auf die Kleinen zugeschnitten, die den Hafen mit der Poelger Kogge, […]
Herzlichen Dank! Wir sind euch „nachgelaufen“ und hatten dank eurer Route einen wunderschönen, abwechslungsreichen und entspannten Tag!
Wie schön! Das freut mich!