Der Themenpark Astrid Lindgrens Värld in ihrem Geburtsort Vimmerby zählt als die Königsdisziplin für alle, die im Schwedenurlaub ihren beliebten Kinderbüchern nachspüren wollen. Wer Urlaub in Småland macht, kommt um Astrid Lindgren kaum herum. Und Astrid Lindgrens Welt, wie besagter Themenpark auf Deutsch heißt, gilt diesbezüglich als die größte Attraktion für Familien mit Kindern. Aber lohnt sich der ausgesprochen stattliche Eintritt? Und was ist „ALV“ überhaupt? Wir teilen unsere Erfahrungen von unserem Ausflug in Astrid Lindgrens Värld mit fast 4-jährigem Kind und Teenager (16).
Lohnt sich Astrid Lindgrens Welt in Vimmerby?
Für alle Eiligen, die nur ganz kurz eine Antwort auf diese Frage suchen, nehme ich mein Fazit vorweg. JA! Meiner Meinung nach lohnt sich ein Besuch in dem berühmten Freilichtbühnen-Themenpark.
Zumindest für
- alle echten Astrid-Lindgren-Fans,
- die die Geschichten gut kennen (oder Schwedisch sprechen),
- die keinen Freizeitpark erwarten
- und denen rund 200 Euro Budget für einen Tag (für eine vierköpfige Familie, plus ggf. Fahrt-/Übernachtungskosten) nicht wehtun
Das ist die Kurzversion. Es folgt ein ausführlicher Erfahrungsbericht mit Begründung, wie ich zu dieser Auffassung komme. Ganz am Ende fasse ich noch einmal kompakt eine gute Handvoll Tipps für einen schönen Tag in Astrid Lindgrens Värld zusammen.
Astrid Lindgrens Värld aus Sicht menschenscheuer Geizhälse
Wer meinem Reiseblog family4travel etwas regelmäßiger folgt, weiß das schon: Wir sind in den Sommerferien 2023 zu viert als Familie zwischen Småland und Stockholm in Schweden unterwegs gewesen. Der ganze Reisebericht inklusive Roadtrip-Route steht hier:
Schweden mit Kind und Teenager: Småland – Stockholm
In jenem Artikel habe ich auch schon ganz kurz über unseren Besuch in Astrid Lindgrens Värld berichtet. Dass ich begeistert bin von einer Attraktion, die dermaßen teuer und voll ist, kommt nicht oft vor.
Wir sind ziemlich menschenscheues Gesindel. Am besten an Schweden gefällt uns eigentlich, dass es dort für alle viel Platz gibt und man dem Touristenpack (zu dem wir freilich selbst gehören) gut aus dem Weg gehen kann. Sämtliche Hypes betrachten wir per se erst einmal kritisch. Und nur, weil „alle“ etwas machen, tun wir es noch lange nicht.
Außerdem sind wir ziemliche Geizhälse. Wir sind der Meinung, dass uns die schönste Familienzeit eh draußen in der Natur erwartet. Völlig kostenlos. Wir geben viel Geld aus für Cappuccino und Schokoladentorte in schönen Cafés. Ansonsten sitzen wir eher drauf.
Und, als zwischenzeitlich hauptberuflich gewesene Reisebloggerin muss ich das dazusagen: Wir haben unseren Eintritt wie auch die ganze Reise zu 100 Prozent selbst bezahlt. Es gibt keine Verbindungen jedweder Art mit ALV oder der schwedischen Tourismusförderung. Und wir profitieren auch auf keine Weise davon, wenn ich euch überzeuge, Astrid Lindgrens Värld zu besuchen.
Wir sind einfach nur ehrlich begeistert.
Was ist Astrid Lindgrens Värld überhaupt?
Zu allererst: der „Astrid-Lindgren-Park“ in Vimmerby ist kein Freizeitpark! Wer Achterbahnen und Karussells erwartet, ist hier völlig falsch. (Eine Liste „richtiger“ Freizeitparks in Schweden gibt es auf der Website des Ferienhaus-Portals Schwedenliebe. Auch zu denen habe ich keine Verbindungen, es scheint nur die einzige brauchbare Übersicht zu sein.)
Aber was ist Astrid Lindgrens Värld dann?
Es handelt sich um Skandinaviens größtes Freilichttheater. Und natürlich um eine große Hommage an die Autorin, die mit ihren Kinderbüchern die Welt verändert hat. Konkret heißt das: Im Park befinden sich neun Bühnen, auf denen über hundert Schauspielerinnen und Schauspieler jeden Tag (im Sommer) insgesamt 30 Theateraufführungen abliefern. Jede dauert etwa 20 Minuten und ist damit wunderbar kindgerecht. Häppchenweise werden so sieben Geschichten aus den beliebten Kinderbuch-Klassikern erzählt:
- Pippi Langstrumpf
- Michel aus Lönneberga
- Ronja Räubertochter
- Madita
- Die Brüder Löwenherz
- Karlsson vom Dach
- Rasmus und der Landstreicher
Außerdem gibt es noch die „kleine Bühne“, auf der immer mal wieder Musik gespielt wird.
Außerhalb der Aufführungszeiten dürfen die Kulissen besichtigt und bespielt werden. Darüber hinaus gibt es mindestens neun Spielplätze. Nur die wenigsten sind allerdings klassische Vertreter dieser Gattung mit ordnungsgemäßen Spielgeräten. Stattdessen eignen sie sich hervorragend zum Abtauchen in ganze Welten voller Fantasie – nicht nur für Kinder.
Astrid Lindgrens Värld ist 180.000 Quadratmeter groß. Wir haben während unseres Besuchs ungefähr acht Kilometer zurückgelegt. (Allerdings sind wir überdurchschnittlich viel hin und her gelaufen, glaube ich.)
Wie viel kostet der Eintritt?
In der Saison 2023 kostet der Eintritt für ein Tagesticket in Astrid Lindgrens Värld für Erwachsene ab 15 Jahren 465 Kronen. Umgerechnet sind das etwa 40 Euro. Kinder ab drei Jahren zahlen 350 Kronen: fast 30 Euro. Familientickets gibt es nicht. Für die klassische Familie mit zwei Kindern bedeutet das 140 Euro Eintritt. Dazu kommt das beinahe obligatorische Parkticket für 60 Kronen (gut 5 Euro). Mittagessen, hier eine Waffel, da eine Tüte Karamellbonbons und all die Souvenirläden: Die 200 Euro sind schnell voll. (Nicht zwangsläufig: Es gibt auch Picknicktische.)
Wer zwei oder drei Tage in Astrid Lindgrens Värld bleiben will, bekommt Rabatt.
Warum zur Hölle ist das SO TEUER?!?!
Wie ein Park ohne Fahrgeschäfte, nur mit ein paar Spielplätzen und etwas Theater so teuer sein kann, sorgt bei vielen Familien für Unverständnis. Allerdings ist zu bedenken, dass der Betrieb von Astrid Lindgrens Värld 500 Mitarbeitende erfordert. 125 davon stehen im Sommer jeden Tag auf der Bühne, darunter viele Kinder. Die Schauspielerinnen und Schauspieler werden aus ganz Schweden zusammengecastet. Ich war überrascht, wie hoch das künstlerische Niveau ist! Ganze (oder halbe) Familien ziehen für die Saison plus vorangehende Proben nach Vimmerby um, damit die Kinder sich den typisch schwedischen Traum erfüllen können, in Astrid Lindgrens Värld auf der Bühne zu stehen. Kultur kostet Geld.
Außerdem geht mit dem Erlebniskonzept des Parks ein hoher Verschleiß einher. Das gilt zum Glück nicht für die Leute auf der Bühne – aber für die Kulissen. Alle dienen außerhalb der Aufführungszeiten als Spielplätze. Die Häuser sind teils bis zum letzten Detail eingerichtet. Anfassen ist überall erlaubt, spielen erwünscht. Eltern wissen: Wenn Kinder so richtig spielen, geht es zur Sache. Da muss regelmäßig renoviert und die Einrichtung erneuert werden.
Klar: Ihr seid keine Melkkühe für schwedische Kultureinrichtungen. Überlegt euch knallhart, ob sich die Investition für euch rentiert. Wir können diese Frage für unsere Familie mit einem klaren Ja beantworten. (Das heißt: Wir Eltern und unsere kleine Tochter können das. Den Teenager-Sohn haben wir schon eher mitgeschleift und durch regelmäßige Genussmittelkäufe bei Laune gehalten. Hat sich in unserem persönlichen Kosten-Nutzen-Empfinden trotzdem gerechnet.)
Übrigens: Junibacken, das Astrid-Lindgren-Kinderkulturhaus in Stockholm, ist fast genauso teuer. Und im Vergleich bietet Astrid Lindgrens Värld in Vimmerby sooo viel mehr! Dafür ist Stockholm mit Kindern ein absolutes Abenteuer für sich!
Brauche ich die App für Astrid Lindgrens Värld?
Neu und zumindest auf der Homepage des Parks überall empfohlen ist die eigene App. Sie gilt als hilfreicher Führer zu den verschiedenen Spielorten und hat alle Spielzeiten parat. Auch wenn sich kurzfristig etwas ändert – etwa Verschiebungen aufgrund von starken Regenschauern – zeigt die App das an.
Ich habe mir die App runtergeladen und vor Ort dann völlig vergessen. Zum Navigieren hat uns die kleine Papierkarte gereicht, die Silas am Eingang mitgenommen hat. Den schon zu Hause sorgfältig ausgearbeiteten Plan, wann wir welche Aufführung besuchen wollen, haben wir gleich nach der ersten Vorstellung über den Haufen geworfen.
Wie viele Aufführungen schafft man realistisch anzuschauen?
Mit einem knapp vierjährigen Kind ohne große Theatererfahrung schaffen wir an dem einen Tag im Park vielleicht drei Aufführungen, dachte ich. Nachher haben wir tatsächlich viereinhalb gesehen, ohne es darauf anzulegen. Und wir haben trotzdem schätzungsweise 90 Prozent vom Park abgelaufen und auch stundenlang gespielt.
Ich glaube, bei den Familien im Astrid-Lindgren-Park gibt es zwei Sorten: die, die möglichst viel Theater sehen wollen, und die, die möglichst viel spielen wollen. Natürlich geht auch beides. Alle Vorstellungen könnt ihr jedenfalls nicht an einem einzelnen Tag sehen. Einige Teile überschneiden sich. Wenn ihr einen guten Platz haben wollt, solltet ihr etwa 15 Minuten vor Vorstellungsbeginn da sein.
Wenn ihr euch die Sets genau ansehen und – viel wichtiger – ausgiebig darin spielen wollt, solltet ihr den Spielplan hingegen zu Rate ziehen, um euch antizyklisch zu bewegen: mindestens 15 Minuten nach Aufführungsende kommen und spätestens 15 Minuten vor der nächsten weiterziehen.
Die Theateraufführungen finden auf acht verschiedenen Bühnen statt. (Eigentlich sind es sogar neun, da in Nangijala sowohl das Kirschtal als auch das Heckenrosental bespielt werden.) Die Geschichten aus den Büchern werden in handlichen Häppchen von rund 20 Minuten serviert. Das passt prima zur kindlichen Aufmerksamkeitsspanne. Nicht nur meine kleine Tochter hat diese Zeit jeweils problemlos durchgehalten. In keiner Aufführung, wenn ich mir das so überlege, gab es Theater im Zuschauerraum. Gut möglich natürlich, dass ich immer zu gefesselt vom Bühnengeschehen war, um diskrete Rückzüge um mich herum mitzuschneiden. Aber meiner Auffassung nach haben praktisch alle Kinder alle Aufführungen von vorne bis hinten verfolgt. Und das, obwohl fast die Hälfte von ihnen kein Schwedisch versteht.
Ist in Astrid Lindgrens Värld echt alles auf Schwedisch und nichts auf Deutsch?
Ja! Einzelne Warnschilder sind auf Englisch und Deutsch übersetzt. Und bei den verschiedenen Stationen gibt es Schilder mit (arg) verkürzten Zusammenfassungen der Geschichten auf Englisch und Deutsch. Sonst ist alles auf Schwedisch. Die Aufführungen werden nicht übersetzt. Auch die Ansagen vor und nach den Aufführungen nicht.
Und wisst ihr was? Das macht nichts! Ich hab es immer wieder gelesen und nicht geglaubt, bis ich es selbst erlebt habe: Den Kindern ist es wumpe, welche Sprache ihre Heldinnen und Helden auf der Bühne benutzen. Sie kennen die Geschichten. (Wenn nicht, seid ihr in Astrid Lindgrens Värld allerdings falsch.) Und die meisten von ihnen sind so aus dem Häuschen, sie live und in Farbe zu erleben, dass ihnen der Wortlaut völlig nebensächlich ist.
Außerdem liegt Astrid Lindgrens Värld ja mitten in Schweden. Den Kulturschock, sich in einem anderen Land zu befinden, in dem anders gesprochen wird, haben die allermeisten Kinder bereits überwunden. (Vielleicht ist es unter diesem Gesichtspunkt eine gute Idee, den Besuch des Themenparks eher ans Ende des Urlaubs zu legen. So haben wir es gemacht. Das hat auch mir als nur sehr rudimentär Kundiger der schwedischen Sprache ermöglicht, meine Kenntnisse auf dem natürlich gewachsenen Höhepunkt maximal auszunutzen. [Und ja, sorry, irgendwie habe ich in diesem Satz meinen inneren Justus Jonas gechannelt, und die Drei Fragezeichen gehören nun wirklich nicht in Astrid Lindgrens Welt…])
Unser persönlicher Erfahrungsbericht aus Astrid Lindgrens Värld
Und für alle, die es noch genauer wissen wollen, kommt jetzt meine ganz persönliche und beinahe schon obszön ausführliche Rezension von Astrid Lindgrens Värld im Sommer 2023 mit fast 4-jährigem Kind und Teenager.
Anreise und Unterkunft
Wir reisen an diesem Tag aus Hultsfred an. Das ist nur eine knappe halbe Stunde entfernt und eine ganz gute Basis zum Erkunden von Astrid-Lindgren-Land. (Das Preisniveau ist dort nämlich etwas angenehmer für Unterkünfte als in Vimmerby selbst und der direkten Umgebung. Vielleicht liegt es daran, dass Hultsfred schon zu einer anderen Kommune gehört und deshalb in einigen Datenbanken nicht auftaucht, wenn man nach „Unterkunft nahe Vimmerby“ sucht.)
Wer bereit ist, (noch) tiefer in die Tasche zu greifen, kann direkt neben dem Park sehr hübsche dazugehörige Unterkünfte buchen. Ein Tinyhouse zur Selbstverpflegung (23 Quadratmeter mit zwei Doppelstockbetten) gäbe es in der Hauptsaison etwa für umgerechnet 169 Euro pro Nacht. Wer länger bleibt, bekommt auch Rabatt. Wir bezahlen in Hultsfred für eine Zwei-Zimmer-Ferienwohnung weniger als die Hälfte. (Aber das ist dann auch eine ziemliche Bruchbude.)
Für Familien, die ihre Unterkunft selbst mitbringen, gibt es selbstverständlich auch Stellplätze fürs Wohnmobil und Campingplätze. Damit kenne ich mich null aus. Zu allen entsprechenden Infos könnt ihr euch auf der offiziellen Homepage durchklicken.
Astrid Lindgrens Värld öffnet um zehn Uhr morgens. Wir reisen so an, dass wir um zwanzig vor zehn auf den Parkplatz rollen. Das Timing ist perfekt.
Parken bei Astrid Lindgrens Värld
Die Ersten sind wir keineswegs. Es ist Hauptanreisezeit. Aber die Organisation ist gut. Wer klug war, hat auch das Parkticket gleich online vorgebucht und bezahlt. Dass wir dazugehören, zeigen wir dem ersten Parkwächter in der entsprechenden Fahrspur kurz auf dem Handy. Schon bekommen wir ein physisches Parkticket ausgehändigt und dürfen weiterfahren.
Junge Leute in orangen Westen weisen uns den Weg über den riesigen Parkplatz. Zack, zack, zack, rollen die Autos Seite an Seite in die Parklücken. Ich komme mir beinahe vor wie in einem Trickfilm oder einem Werbespot, so nahtlos funktioniert das hier.
Ein bisschen doof: Es wird wirklich eine Parklücke nach der anderen gefüllt. Einen Parkplatz abseits wählen, auf dem man bequem beide Türen öffnen kann, ist nicht drin. Es klappt trotzdem gut.
Alternativen zum Parkplatz von Astrid Lingrens Värld
Da der Astrid-Lindgren-Park etwas außerhalb von Vimmerby liegt, sind Alternativen zum großen Bezahlparkplatz rar. Außerdem ist es für Einheimische immer blöd, wenn bei Großveranstaltungen Wohngebiete zugeparkt werden. (Wir sprechen da aus Erfahrung.)
Wer die Parkgebühr von umgerechnet gut fünf Euro sparen möchte, sollte sich lieber eine Anreise mit dem Zug überlegen. Die umweltfreundlichere Anfahrt kostet von Hultsfred aus zwar auch 60 Kronen – pro erwachsener Person. Dafür spart sie Sprit. Die Haltestelle befindet sich nur wenige Minuten Fußweg von Astrid Lingrens Värld entfernt. (Wir haben es nicht gemacht, weil wir blöderweise auf der Website der falschen Zuggesellschaft gelandet sind, deren erste Bahn erst um viertel nach zehn in Vimmerby einfährt. Das Reiseportal der Schwedischen Eisenbahn SJ zeigt hingegen alle Verbindungen an.)
Andrang am Eingang von Astrid Lingrens Värld
Während sich der Großparkplatz hinter uns wie im Zeitraffer füllt, schwanke ich zwischen Entsetzen und Faszination. Inzwischen ist es Viertel vor zehn. Wir klappen den Buggy aus (unbedingt mitnehmen!) und beladen ihn mit unserem Gepäck. Dann reihen wir uns in den Massenandrang ein, der sich Richtung Eingang schiebt. Im aufgeregten Geschnatter um uns herum hören wir viel Deutsch, viel Schwedisch und sporadisch viele andere Sprachen. (Die Homepage-Aussage, dass lediglich 20 Prozent der Parkgäste aus dem Ausland kommen, scheint nicht für die deutschen Sommerferien zu gelten.)
Etliche kleine Mädchen signalisieren durch ihre Kleidung, welche Heldin aus den Astrid-Lindgren-Büchern sie am liebsten mögen. Da sind die Ronjas in schlichten Naturfarben. Die Pippis tragen Zöpfe, manche auch unterschiedliche Strümpfe. Sogar etliche Maditas im Matrosenkleid sind zu sehen.
Schon während wir uns dem Saum des Gedränges nähern, kommt Bewegung in die Masse. Um zehn vor zehn öffnen sich die Tore. Genauso effizient wie auf dem Parkplatz ergießt sich die Schar generalstabsmäßig organisiert in den Park. Fast alle haben Onlinetickets und halten im Vorbeigehen einfach nur ihr Handy unter den Scanner. Wer tatsächlich erst vor Ort noch Tickets kaufen muss, begibt sich vorher zu dem kleinen Kassenhäuschen mit der entsprechenden Beschilderung. Die Schlange ist hier erstaunlich kurz.
Richtig rein in Astrid Lingrens Värld
Der Park empfängt uns und die Hundertschaften anderer Astrid-Lindgren-Fans mit Livemusik am zentralen Platz. Dort beginnt die „echte“ Krachmacherstraße, die Kulisse für die Verfilmung von 1991/92 war. Hier liegt nicht nur Lottas Zuhause und nebenan das Haus von Tante Berg.
In den ebenfalls begehbaren anderen Häusern sind Cafés und Souvenirshops untergebracht. Pippi Langstrumpf und Michel aus Lönneberga haben als die beliebtesten Buchfiguren sogar jeweils ihren eigenen Fan-Shop. Wer ohne geflochtene Rattenschwänze gekommen ist, kann sich hier noch schnell die passende Perücke besorgen. In einem dritten, allgemeineren Shop stehen auch Maditas und Lisabets Matrosenkleider zum Verkauf. Und auch sonst ungefähr ALLES, was Kommerz und Kapitalismus aus Astrid Lindgrens Werken herausgekitzelt haben. (Die Autorin selbst stand diesem Themenpark deshalb zuletzt eher kritisch gegenüber. Sie favorisierte Junibacken in Stockholm – das heute mindestens genauso kommerzialisiert ist.)
Wir haben von den Besten gelernt und lassen uns nicht ablenken. Eisern marschieren wir an all den verlockenden Attraktionen vorbei. Wir wissen: Vorne knäult sich erst einmal alles, während die hinteren Teile des Parks anfangs noch beinahe menschenleer sind. Tipp: Unbedingt die erste Stunde der Öffnungszeit ausnutzen und am anderen Ende von Astrid Lindgrens Värld verbringen!
Katthult: Eintauchen in Michels Welt
Unser erster Gang führt uns nach Katthult. Am originalen Schauplatz bei Rumskulla sind wir tags zuvor vom überfüllten Parkplatz geflüchtet. Jetzt wollen wir wenigstens den Nachbau sehen, bevor sich die volle Wucht des Massenandrangs in die Kulisse ergießt.
Mit Michel beginnt die erste Aufführung des Tages um 10:30 Uhr. Die ersten Zuschauer*innen sitzen schon auf den Stufen im Halbrund vor der Theaterkulisse. Noch dürfen alle Schaulustigen die Bühne aber betreten und das liebevoll eingerichtete Bauernhaus erkunden, in dem Michel mit seinen Eltern, der kleinen Schwester Ida, der dummen Lina und seinem besten Freund Alfred wohnt. Natürlich besichtigen wir auch den Tischlerschuppen voller geschnitzter Figuren. Alle sind handgemachte Unikate.
Allerdings mag Franka Michel nicht. Bei der Aussicht, dass sein cholerischer Vater hier im wahrsten Sinne gleich die Bühne betritt, drängt sie zum Weitergehen.
Nangijala: Zu Besuch bei den Brüdern Löwenherz
Die Geschichte der beiden Brüder, die mit deren Tod beginnt, ist üblicherweise ein Lindgren-Buch für etwas ältere Kinder. Die zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz vierjährige Franka kennt es aber gut (aus bestimmten Gründen; ich möchte hier nicht darüber diskutieren).
Unserer Geländekarte entnimmt Martin, dass wir uns dem Kirschtal nähern und es sich bei dem kleinen Haus vor uns um den Tulipa-Hof handelt. Frankas Augen beginnen zu leuchten. Kurz überzeugt sie sich an der Hand ihres großen Bruders, dass sie nicht doch die echte Sophia stört. Zu dieser Stunde haben wir das Häuschen aber ganz für uns allein. Franka kann ihr Glück kaum fassen. „Du bist Sophia, und ich bin – nein, ich bin Sophia, und du bist Paloma, die weiße Taube!“, fordert sie mich auf. Ihre Stimme überschlägt sich fast vor Begeisterung. „Ich packe den Korb für Krümel und Jonathan mit dem Essen, und du kommst da so langgeflattert, okay?“
Eigentlich bräuchten wir gar keinen weiteren Astrid-Lindgren-Park mehr.
Kirschtal und Heckenrosental
Irgendwann können wir „Sophia“ doch überzeugen, mit uns den Rest von Nangijala zu erkunden. Wir besichtigen den Reiterhof und überqueren die Brücke, auf der Jonathan nach seinem viel zu frühen Tod auf seinen kleinen Bruder wartet, bis auch der seine schwere Krankheit hinter sich lassen kann. Die zwei großen Halbkreise der Zuschauerränge sind noch komplett leer. Der erste Teil der Löwenherz-Geschichte beginnt erst um viertel nach elf, später als die meisten anderen. Dafür endet der fünfte Teil auch als letzter – mit Kampf, Feuer und Gebrüll sowie dem unheimlichen Drachen Katla und dem Hinweis, dass diese Aufführung nicht für Kinder unter neun Jahren empfohlen wird.
Wir lassen deshalb schweren Herzens alle Brüder-Löwenherz-Aufführungen aus. (Vielleicht können wir in ein paar Jahren mit älterem Kind wiederkommen und dann alle fünf Teile ansehen. Das wäre ein Plan.) Dafür erkunden wir die Kulissen aber ausgiebig. Sie sind meiner Meinung nach die schönste und am aufwändigsten gestaltete Welt im Themenpark. Unzählige liebevoll eingerichtete Häuser dürfen wir erforschen. Auch in die gruselige Unterwelt trauen wir uns, die zu Katlas Höhle führt.
Bei Ronja Räubertochter
Als die ersten anderen Parkgäste eintrudeln und auf den Rängen Platz nehmen, erinnert uns das daran, dass wir ja auch Theater ansehen wollen. Wir wechseln dazu in die nahegelegene Mattisburg. Ronja Räubertochter ist nämlich Frankas liebste Heldin. (Oder Madita. Vielleicht auch Lotta. Oder die Kinder von Bullerbü. Franka liebt sie alle, besonders auch Mio, mein Mio, der in Astrid Lindgrens Värld allerdings praktisch gar nicht vorkommt.)
Unseren Buggy parken wir auf dem dafür ausgewiesenen Parkplatz. Zehn Minuten vor Vorstellungsbeginn sind die Ränge hier schon gut gefüllt. Wir setzen uns auf die letzte Stufe und picknicken erst mal eine Runde. Das rächt sich, als Lovis die Bühne betritt und nach einer freundlichen Begrüßung zunächst alle Zuschauenden zum Aufstehen motiviert. Alle sollen noch mal mindestens eine Stufe nach vorne kommen und zusammenrücken, um denen Platz zu machen, die auf den letzten Drücker auch noch ins Theater wollen. Das klappt erstaunlich gut.
Nachdem wir entsprechend zusammengepfercht sind, instruieren Lovis und Glatzen-Per noch zumindest diejenigen von uns, die Schwedisch verstehen, ja keine Regenschirme aufzuspannen (weil dann alle dahinter nichts mehr sehen). Dann beginnt die Geschichte mit Ronjas Geburt und Franka ist hin und weg.
Ganz großes Kino
In einer Rezension über Astrid Lindgrens Värld habe ich von Enttäuschung darüber gelesen, wie klein und billig die Kulissen doch wirkten im Vergleich zu den Welten, die die Fantasie beim Lesen erschafft. Das ist sicherlich einerseits richtig. Als jemand, die mit Theater mal ein bisschen was zu tun gehabt hat, bin ich vom technischen Stand der Aufführungen aber doch ziemlich begeistert. Klar, die Special Effects können mit Hollywood nicht ganz mithalten. Aber wie sich die Räuberburg öffnet, um uns Einblicke in die Steinhalle zu geben, und wie sich nach dem Blitzeinschlag der Höllenschlund auftut und die Mattisburg spaltet, ist doch beeindruckend. Die Rumpelwichte sind Handpuppen und der Graugnom, den der wütende Mattis quer durch den Wald zu Boden schleudert, ist ein leeres Kostüm. Das nimmt auch Franka wahr, später fragt sie danach. Es ändert aber nichts daran, dass sie mittendrin ist in der Geschichte, noch einmal ganz anders mitfiebert, mitleidet, mitliebt, als wenn sie das Hörspiel hört oder meiner Stimme beim Vorlesen lauscht.
Und die Schauspieler und Schauspielerinnen sind wirklich saugut! Gerade auch Ronja und Birk machen ihre Sache außerordentlich hervorragend. Der Text sitzt ohne jeden Schnitzer. Die Rollen verkörpern sie perfekt. Beide sind allerhöchstens zehn Jahre alt.
Und, was ich hier zum ersten Mal merke und was sich wie ein roter Faden durch alle Aufführungen zieht, die wir uns an diesem Tag anschauen: Die familiäre, liebevolle Stimmung zwischen den Darstellenden ist deutlich spürbar. Es macht unglaublich Spaß! Wir sind dankbar, dass sie ihre Liebe für die großen Werke der Kindheitskönigin mit uns teilen.
In der Pause in die Burg
Zum Abschluss des ersten Teils lädt Lovis uns in die Mattisburg ein. Die Räuber sitzen in der Halle, schütteln Hände, posieren für Fotos. Ronja ist allerdings nicht dabei. (Ich schätze, gesetzliche Bestimmungen schreiben für arbeitende Kinder auch in Schweden ein Mindestmaß an Pausen vor.)
Franka glaubt mir nicht, dass die Schauspielerin bestimmt in einem nicht öffentlich zugänglichen Pausenraum sitzt. Sie besteht darauf, dass wir uns auf der Suche nach Ronja mit all den anderen Leuten durch die Burg schieben. Genau so hatte ich das befürchtet und genau so mag ich das überhaupt nicht!
Bis wir den Ausgang gefunden haben und aus dem Gedränge wieder raus sind, ist es zu spät, unserem ursprünglichen Plan gemäß nach Birkenlund zu wechseln. Dafür steht der zweite Teil von Ronja Räubertochter schon unmittelbar bevor. Franka will hier eh nicht weg. Also nutzen wir die Gelegenheit, uns Plätze ganz vorne in der zweiten Reihe zu erobern. (Nett wie wir sind, verziehen sich Martin und Silas auf die hinteren Ränge.) So weit vorne ist das Erlebnis noch einmal intensiver.
(Allerdings sind die flachen Stufen als Sitzgelegenheiten für Erwachsene echt eine Zumutung! Bringt euch am besten Sitzkissen mit. Und zieht euch nichts an, was eine Fuhre in den Nacken gekippte Limonade dauerhaft ruiniert. Als ich aufstehe, klebt mir ein fremdes Butterbrot am Hosenbein. Es geht ähnlich unbequem, eng und emotional zu wie im Fußballstadion, nicht wie im Erwachsenen-Theater.)
Picknick bei Polly Patent
Wenn es nach Franka ginge, würden wir die Mattisburg gar nicht mehr verlassen. Aber ihr großer Bruder legt sein Veto ein: Er will jetzt endlich was essen. Außerdem ist bei Ronja jetzt länger Pause.
Wir laufen durch die „kleine Krachmacherstraße“ mit lauter begehbaren Spielhäusern. Am Picknickplatz „Stubben“ schnappen wir uns den einzigen freien Tisch. Es gibt schönere Orte zum Essen von Mitgebrachtem im Park. Sobald sie fertig ist, erkundet Franka den Straßenzug von Polly Patent („Polly hilft der Großmutter“). Leider sind hier alle kleinen Häuser verschlossen.
Birkenlund brechend voll
So ein bisschen ist stimmungsmäßig jetzt der Wurm drin. Wir wollen uns endlich Madita anschauen, was zeitlich auch gut hinkommt. Auf Birkenlund (auf Schwedisch Junibacken) gibt es auch deutlich bequemere Bänke. Wir ergattern eine, sogar im Schatten. Allerdings ist der Andrang so groß und/oder die Leute sind so rücksichtslos, dass sie vor uns stehen und uns komplett die Sicht versperren. Noch bevor das Theaterstück richtig losgeht, nimmt Martin deshalb die heulende Franka mit aus der Menge.
Die beiden finden letztlich richtig gute Stehplätze (ohne anderen die Sicht zu versperren): schräg neben der Bühne außerhalb des eigentlichen Zuschauerbereichs. Während Silas und ich vom Bühnengeschehen erst etwas mitbekommen, als Madita und Lisabet aufs Dach klettern, verfolgt die Dreijährige auf den Schultern ihres Vaters wieder glücklich alles von vorne bis hinten.
„Hejdå, Lisabet!“
Nach der Vorführung sind Martin und Franka mit die ersten, die auf Alvas Einladung hin den Bühnenbereich betreten. Die Kulissen sind wieder zum Spielen freigegeben. Der gesamte Cast steht aber außerdem noch zum meet & greet bereit. Franka guckt sich das Händeschütteln und Fotografieren ehrfürchtig an. Mehrmals fragen wir sie, ob sie sich auch anstellen möchte, um Madita und Lisabet hallo zu sagen. Aber nein, so richtig traut sie sich nicht. Sie schleicht schüchtern durch den Hintergrund und himmelt die beiden Mädchen an, ohne dass es denen auffällt.
Onkel Nilsson, wie alle Mitwirkenden perfekt für seine Rolle gecastet, bemerkt das kleine Kind im Off schließlich doch. Er ist nicht so umlagert wie die Hauptpersonen und spricht Franka jovial auf Schwedisch an. Wie der Blitz klebt die am Hosenbein ihres Papas. Der nimmt sie sofort auf den Arm und vermittelt. Siehe da: Dieser Onkel Nilsson spricht sogar ein bisschen Deutsch! Er bietet an, sie Madita und Lisabet vorzustellen. Aber Franka ist der ständig betrunkene Lebenskünstler aus dem Buch nicht ganz geheuer. Da bläst Alva auch schon zum Aufbruch: Das meet & greet ist zu Ende.
Onkel Nilsson winkt Franka zum Abschied zu und ruft: „Hejdå!“ Ich erkläre ihr, dass das auf Schwedisch tschüß heißt. Franka winkt immerhin zurück.
Während der kleine Trupp Birkenlund verlässt, rennt Franka doch noch hinterher. Als das unsichtbare Gummiband, das sie mit ihrer Mutter verbindet, maximale Länge erreicht hat, bleibt sie stehen und brüllt: „Hejdå, Lisabet!“ (Die Schauspielerin hört es nicht und dreht sich nicht um. Trotzdem zählt Franka es bis heute zu den größten Leistungen in ihrem Leben, dass sie „Lisabet tschüß gesagt“ hat.)
Von Spielplatz zu Futterstelle zu Spielplatz
Der Tag vergeht nun wie im Flug. Frankas Aufnahmefähigkeit ist erst einmal durch. Kurz überlegt sie, im Buggy Mittagsschlaf zu machen. Dann ist aber alles zu interessant. Ein kleiner klassischer Spielplatz mit einem eisernen Drehkarussell lockt sie. Den großen Bruder lockt dagegen der Duft frischer Waffeln nebenan.
Während wir essen, wird Franka des größten Spielplatzes von Astrid Lindgrens Värld gewahr. Wo Karlsson vom Dach wohnt und auftritt, sausen die Kinder mehrere abenteuerliche Rutschen hinab. Das Mittagstief ist überwunden: Ruckzuck verschwindet mein Kind in dem ziemlich unübersichtlichen Gebäude und rutscht mir erst Minuten später glücklich vor die Füße.
Später entdeckt sie auch noch das Zuhause von Nils Karlsson Däumling schräg gegenüber. Die „Riesenwohnung“ leistet bei schlechtem Wetter bestimmt gute Dienste als Indoorspielplatz. (Eine weitere Spielscheune und ein Kino stehen für ausgemachte Regentage bereit. So richtig viel Spaß macht Astrid Lindgrens Värld bei Regen aber vermutlich nicht.)
Das schönste Café von Astrid Lindgrens Värld
Dann sind wir wieder an der „großen“ Krachmacherstraße. Nun schlendern wir in Ruhe durch die Ladenzeile. Einige Zeit verbringen wir auf der Polizeistation. Noch mehr Zeit verbringen wir in der Bageri. Hier befindet sich das schönste Café in Astrid Lindgrens Värld. Ganz gemütlich sitzen wir in der 50er-Jahre-Einrichtung bei typisch schwedischem Gebäck und einem sehr guten Cappuccino. Am Schaufenster flanieren etwa zwei bis drei Pippis die Minute vorbei.
Es gibt außerdem noch fünf Restaurants für Herzhaftes zum Mittagessen. Laut Website wird alles aus regionalen Zutaten frisch gekocht. Das Angebot reicht von den obligatorischen Köttbullar über Spaghetti bis zum Salatteller mit Räucherlachs. (Achtung: Wer vegan unterwegs ist, sollte schon vorher die Speisekarten im Internet studieren und gut planen oder sich gleich selbst versorgen. Das gilt, soweit ich das gesehen habe, für ganz Schweden außerhalb der großen Städte.)
Fünf Imbissbuden sind über den Park verteilt. Wer es süß mag, hat die Wahl aus zwei weiteren Cafés, der Waffelbude und einer Eisdiele. Das Preisniveau kam mir nicht derbe überteuert vor. Meiner Einschätzung nach entsprach es in etwa der Gastronomie im Rest von Schweden.
Rasmus und der Landstreicher
(Schon wieder) derartig gestärkt laufen wir ein weiteres Mal durch den Park. Nun lassen wir uns einfach treiben. Schnell landen wir an der „kleinen Bühne“, wo Rasmus, Paradies-Oskar und das Landstreicherorchester gerade richtig Stimmung machen. Die Geschichte um den Waisenjungen Rasmus ist die einzige, die wir nicht so präsent haben. Trotzdem verstehen wir die Handlung, die hier auch eher als eine Art Musical inszeniert wird. (Und Donnerwetter, wie der junge Schauspieler hier wieder mitzieht, jeden Ton trifft, jede Geste punktgenau liefert – der Hammer!) Begeistert klatschen wir mit.
Pippi Langstrumpf
Als die Villa Kunterbunt in Sicht kommt, fällt uns auf: Oh, bei Pippi Langstrumpf waren wir noch gar nicht! Astrid Lindgrens berühmteste Schöpfung steht bei uns allen nur so mäßig im Kurs. Die damals revolutionäre Geschichte betreffs Rollenbilder und Kinderrechte ist an vielen Stellen schlecht gealtert. Franka mag die Geschichten zwar, fragt aber oft nach, weil sie Pippis übertriebene Reaktionen nicht versteht. Macht nichts, das stärkste Kind der Welt hat genügend andere Fans. Hier wird es am vollsten, habe ich in irgendeiner der anderen Rezensionen zu Astrid Lindgrens Värld im Internet gelesen.
Tatsächlich ist es auf der Pippi-Tribüne zu diesem Zeitpunkt am fortgeschrittenen Nachmittag fast schon leer. Um 16 Uhr beginnt die letzte Vorstellung an der Villa Kunterbunt. Und es ist dieselbe Geschichte, die auch schon um 13 Uhr gegeben wird. Ganz aus Versehen ist uns perfektes Timing gelungen.
Ein letztes Mal genießen wir eine richtig gute Theatervorstellung. Pippi, deren Schauspielerin als Galionsfigur mehr leisten muss als ihre jüngeren Kolleginnen, ist mit einer jungen Frau besetzt. Die gibt alles und rockt die Bühne genau wie sie soll. Während Fräulein Prusselius das Mädchen noch unter Polizeischutz ins Kinderheim bringen will, läuft die Hoppetosse ein. Das stattliche Schiff gleitet tatsächlich über das flache Gewässer, während Matrosen und mindestens ebenso viele Matrosinnen an Deck singen und tanzen. Ein tolles Finale!
Auf Kaperfahrt
Der Park wird nun schon merklich leerer. Auf Anhieb findet Franka einen freien Floßanleger. An über den Teich gespannten Seilen können Kinder sich selbst auf kleinen Flößen übers Wasser ziehen.
Leider gibt es keine festgelegten Spielregeln. Eine Handvoll schwedischer Jungs im Vorschulalter betrachtet das Floß als ihres. Während an den drei oder vier anderen Flößen alle brav nach einer Fahrt den nächsten Platz machen, segeln die Jungs munter hin und her. Franka wartet und sieht dabei zu, wie das Floß ihr zwei Mal vor der Nase wieder wegfährt. Als von der zuständigen Mutter nur sanftes Gesäusel kommt und Franka anfängt zu weinen, greife ich ein. „Spielen und spielen und spielen“ sollen Kinder, fand Astrid Lindgren. Aber wenn sie die Kleinen nicht mitspielen lassen, finde ich das doof. Als der Rotzlöffelkapitän das nächste Mal wieder abdrehen will, greife ich einfach ins Seil und ziehe das Floß zu uns heran. „Jag er en pirat“, behaupte ich in brüchigem Schwedisch und springe auf. „Det er var bat nu.“
So hat sich der Junge das Spiel freilich nicht vorgestellt. Aber Franka ist zufrieden mit dem Verlauf der Kaperfahrt.
Highlight Wasserspielplatz
Wir geben unsere Beute gleich wieder frei. Franka hat ohnehin etwas viel Spannenderes entdeckt: den Wasserspielplatz. Unter den Fontänen toben an diesem eher bedeckten Tag nur ganz vereinzelt Kinder. Und sie liebt Wasser. Dieser Spielplatz ist also ganz nach ihrem Geschmack. Hier verbringt sie noch einmal eine selige halbe Stunde.
Bullerbü
Astrid Lindgrens Värld schließt um 18 Uhr. So langsam wird uns die Zeit knapp. Durch Bullerbü laufen wir daher nur kurz durch. Schade, denn inzwischen wären die drei liebevoll eingerichteten Spielhäuser frei.
(Wir waren aber tags zuvor im „echten“ Bullerbü in Sevedstorp. Dagegen kann das kleine Areal im Park nicht anstinken.)
Eine weitere Bullerbü-Hommage befindet sich noch ein Stück weiter gen Ausgang: der Parcours zum „Nicht den Boden berühren“. Der macht uns allen vieren auch noch einmal richtig Spaß!
Auskehr in Astrid Lindgrens Värld
Rausgeschmissen wird übrigens niemand um Punkt 18 Uhr. Nach und nach werden alle Spielhäuser geschlossen. Die Restaurants und Läden machen ebenfalls zu.
Ob irgendwann auch die letzten Familien auf den Spielplätzen angesprochen werden, kann ich nicht sagen. Bis 18:30 Uhr hat jedenfalls niemand aktiv versucht, uns loszuwerden. Franka hat nämlich auf die allerletzten Meter noch die kleine, kleine Stadt entdeckt. Und die „hundert weißen Pferde“: endlich doch noch eine Referenz an „Mio, mein Mio“.
Als wir uns schließlich durch das Drehkreuz zwingen, beneiden wir kurz die Glücklichen, die sich ein Zweitagesticket für Astrid Lindgrens Värld gönnen. Wir müssen am folgenden Tag schon zur Fähre zurück nach Deutschland. Die müden, aber strahlenden Augen unserer Tochter aber lassen uns wissen: Das war ein richtig, richtig guter Urlaubstag in Schweden!
Tipps für den Besuch von Astrid Lindgrens Värld
- Bereitet euch gut vor und wiederholt zumindest die sieben Geschichten, die als Aufführungen vorkommen. Am besten geht das als Hörspiel auf der Fahrt.
- Zieht euch robust und wetterfest an.
- Nehmt Wechselkleidung mit für die Kinder.
- Bringt euch Sitzkissen mit.
- Nutzt den Tag aus: Kommt früh und geht spät!
- Schlagt euch zuerst ganz nach hinten durch und beginnt mit Nangijala.
- Plant ruhig, aber versteift euch nicht zu sehr auf bestimmte Aufführungen.
- Spielt mit!
Andere Rezensionen zu Astrid Lindgrens Värld
Es gibt natürlich auch andere Meinungen zum Astrid-Lindgren-Park in Vimmerby.
- Allen, die sich eigentlich lieber gegen einen Besuch entscheiden möchten, empfehle ich den Erfahrungsbericht meiner geschätzten Kollegin Jenny von den Weltwunderern. Als nicht eben weltgrößter Astrid-Lindgren-Fan ohne konkrete Literaturvorbereitung und mit älterem Kind hat sie mit ihrer Kritik bestimmt in vielen Punkten recht.
- Angela von unterwegsmitKind war auf einer Bloggerreise 2017 gemeinsam mit Jenny unterwegs und ich glaube auch zeitgleich im Park. Ihr Bericht umfasst auch einige andere Astrid-Lindgren-Orte wie „Saltkrokan“ und das „echte“ Katthult.
- Miri berichtet in ihrem Kinderbuch-Blog Geschichtenwolke von einem Besuch in Astrid Lindgrens Welt mit zwei kleinen Jungs 2019.
- Martina von Besser nord als nie kann als wiederholte Besucherin mit inzwischen drei kleinen Kindern auch noch eine interessante Perspektive beisteuern. Ihr Fazit von 2019: Früher war alles besser.
- Anke war als Moose around the world mit Baby und Kleinkind auf Einladung in Astrid Lindgrens Värld. Sie hat wesentlich schönere Fotos gemacht als ich. (Ich trau mich immer nicht, fremde Menschen zu fotografieren. Nicht einmal, wenn sie verkleidet sind und einladend in die Kamera lächeln. Theoretisch müsste ich mir von allen ein schriftliches Einverständnis geben lassen. Und praktisch hab ich Angst, mich darauf zu verlassen, dass sie mich nicht doch teuer abmahnen…)
Mehr Tipps für Schweden mit Kindern
Hier auf family4travel habe ich folgende weitere Erfahrungsberichte von unserem Familienurlaub in Schweden gepostet:
- Schweden mit Kind und Teenager: Småland – Stockholm
- Stockholm mit Kindern: Unser Guide für den Städtetrip
- Skansen Stockholm: Lohnt sich das älteste Freilichtmuseum der Welt?
Transparenz-Hinweis: Wie gesagt: Wir waren komplett auf eigene Kosten in Schweden und in Astrid Lindgrens Värld. Alle Verlinkungen habe ich ohne Wissen der Verlinkten rein als Service für euch vorgenommen.
[…] Ob sich der Besuch von Astrid Lindgrens Värld lohnt, erfährst Du bei Lena Marie auf dem Reiseblog family4travel.de […]
Danke für den schönen Beitrag. Ich als Schwedin (wohne aber in Deutschland) war dieses Jahr auch zum ersten Mal in den Park. Das lesen hat wirklich Spaß gemacht. Wir haben bei der letzten Vorstellung von Brüder Löwenherz was tolles beobachtet: zwei Schauspieler (ein roter Soldat und ein blauer Soldat) standen das komplette Stück über an der Seite und haben gebärdet. Anscheinend hatten sie zu dem Zeitpunkt auch einen Gehörlosen zu Besuch. Wir werden definitiv in ein Paar Jahren wiederkommen.
Das ist ja toll. Auf Barrierefreiheit wird in Schweden echt meist vorbildlich geachtet. Mir sind in den Theatern auch immer die Rollstuhlparkplätze ganz vorne aufgefallen (die auch nicht von Kinderwagen belegt werden durften).