Es wird mal wieder Zeit für ein wenig Plauderei aus dem Nähkästchen. Normalerweise mache ich das im Juni zum Blog-Geburtstag. Diesmal bin ich nicht dazu gekommen. Es war einfach sehr, SEHR viel los in letzter Zeit. Deshalb wird sich hier auch einiges ändern.
Grüße aus Binz
Ich tippe diese Zeilen (na ja, den Anfang dieses Beitrags) in einer günstigen Ferienwohnung in Binz. Schaue ich nach rechts, gleitet mein Blick über zwei Teenager, die mit Kopfhörern auf den Ohren auf mobile Endgeräte starren, während sie auf dem ausgezogenen Schlafsofa lungern. Vor dem Fenster liegt der Netto-Parkplatz im Regen. Durch einen schmalen Küchenschlauch geht es direkt nach draußen zur Haustür des Mehrfamilienhauses, durch die man auf den Lidl- und einen Baumarktparkplatz blickt. Franka, gut eingepackt in Matschklamotten, hilft dort ihrem Vater, den Fahrradträger ans Auto zu schrauben. Gleich müssen wir los zur nächsten Tourenkontrolle.
Reiseführer-Nachrecherche
Der Plan für heute sieht vor, dass wir nach Putbus fahren. Dort startet Tour 40 unseres Reiseführers: „Mit Dampflok und Fahrrad – eine Radtour am Bodden zwischen Putbus und Baabe“. Sie zählt zu den schönsten Radtouren, die Rügen zu bieten hat. Heute im moderaten Dauerregen wird es wohl nur ein pflichtgemäßes abradeln.
Wir sind auf Nachrecherche für unseren Reiseführer „Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommern mit Kindern: 55 Wander- und Entdeckertouren zwischen Wismar, Rügen und Usedom“*. Alle 55 müssen wir in diesem Jahr kontrollieren und teils überarbeiten, damit im Winter die zweite Auflage in Produktion gehen kann. Seit der Erstauflage 2017 haben sich überall so viele Kleinigkeiten verändert. (Und etliche kleine Fehler habe ich auch entdeckt. Damals gab es im Verlag noch kein systematisches Lektorat. Peinlicherweise habe ich einmal sogar links und rechts verwechselt. Zum Glück stimmt immer entweder die Wegbeschreibung oder die Karte. Und bei den wenigen Fällen, wo sich das unterscheidet, erschließt sich vor Ort recht gut, was gemeint sein muss. Trotzdem: Solltet ihr euch mit dem Führer auf den Weg machen wollen, schreibt mir am besten vorher eine Mail und ich schicke euch die Korrektur-Hinweise für euer Wandergebiet!)
Arbeiten im „Urlaub“
Der Rügen-Trip ist der letzte Part unserer Nachrecherche. 17 Halbtagestouren müssen wir hier kontrollieren, über die ganze Insel verteilt. Zwei Wochen Herbstferien haben wir dafür. Wenn das Wetter halbwegs mitspielt, kommt das gut hin. Es ist halt nur kein Urlaub, sondern Pflicht.
Wenn der goldene Oktober sich von seiner Schokoladenseite zeigt, fühlt es sich durchaus wie Urlaub an.
Heute nicht. Dann kommt das „Müssen“ durch. Denn müssen ist angesagt. Ich habe mich vertraglich verpflichtet, die Streckenkontrollen zu erledigen und fristgerecht abzuliefern. Nur so rechnet sich die Reiseführerschreiberei überhaupt erst. Und das lässt sich eben nicht nebenbei im Urlaub erledigen (auch wenn das Finanzamt sich das gerne so denkt). Da ist disziplinierte Terminplanung nötig. Und Durchziehen bei jedem Wetter. Drei Puffertage habe ich in die 14 Tage Recherchereise inkludiert. Denn manchmal geht irgendwas richtig schief. Eine Tour funktioniert überhaupt nicht mehr und muss neu konzipiert werden. Oder es gibt einen Sturm und wandern im Wald ist einfach lebensgefährlich.
Mit Glück sind diese drei Puffertage am Ende echte Urlaubstage. Realistischer ist, dass wir sie je nach Wettervorhersage vor uns herschieben und teilweise aufbrauchen, wenn es schüttet. Denn klar: Gutes Wetter brauchen wir für die Reiseführer-Fotos. Deshalb ziehen wir auch an meinem Geburtstag durch, denn da ist Sonnenschein angesagt. Ausruhen können wir uns dann am Ende der Woche – wenn alles gutgeht –, denn dann ist Sturm angekündigt und ich möchte nur noch im äußersten Notfall wandern müssen.
Traumjob Reiseführer-Autorin
So ein Recherche-Trip ist krass anstrengend. Zur Nachrecherche geht es halbwegs. Da kann ich mir recht sicher sein, dass die Touren an sich klappen. Ich muss unterwegs nicht jeden Schritt dokumentieren, sondern nur die Abschnitte, die sich geändert haben. Wenn das Wetter mies ist, ist das nicht ganz so schlimm, weil es aus dem ersten Durchgang noch brauchbare Fotos gibt. Ich muss also nicht an sonnigen Tagen noch zwei, drei weitere Ausgangspunkte anfahren, um Fotos von bei Regen durchgewanderten Touren nachzustellen.
Unter guten Bedingungen ist es natürlich herrlich, für einen Wander-Reiseführer zu recherchieren. Wir erkunden Inseln und Küste, sind draußen in schönster Natur. Am Ende kriegen wir dafür – wenn es gut läuft – noch Geld raus. Das ist hervorragend! (Den Stundenlohn ausrechnen darf ich mir dabei freilich nicht. Denn zur Vor-Ort-Recherche kommen ja noch viele, viele Stunden Schreibtischarbeit hinzu. Einiges davon hat Zeit, bis wir wieder zu Hause sind. Anderes muss aber auch sofort erledigt werden. Vor allem wenn es, wie bei uns, um Wanderführer mit detaillierten Wegbeschreibungen geht, ist das unerlässlich. Zwei Tage und drei Wanderungen später kann man sich bei Details der Wegführung nicht mehr sicher sein. Oft genug kommt es vor, dass das offizielle Kartenmaterial mit der Wirklichkeit nicht ganz übereinstimmt. Dann muss ich noch ganz genau sagen können, ob die Abzweigung wirklich schon ein Stück vor der Kreuzung kam oder doch erst mitten drauf. Deshalb muss ich den Text unbedingt gleich im Anschluss ausformulieren.)
Jedenfalls, ich liebe meinen Job! Wenn ich die schwere Kraxe unter weniger idealen Bedingungen am Hochufer entlang schleppe, stelle ich mir vor, wie später glückliche Familien hier ihr Ferien-Highlight erleben. Und wenn dann doch die Sonne durch die Wolken bricht und Franka begeistert flötet: „Da! Das Meer!“ – dann habe ich den absolut schönsten Job der Welt!
Professionelle Reisebloggerei
Noch viel mehr beschäftigt als der Reiseführer hat mich im vergangenen halben Jahr freilich die Aktion #cities4family. Der Marketing-Verbund about cities hat mir den Auftrag erteilt, für sein Blog über alle teilnehmenden Städte einen Reisebericht aus Familiensicht zu erstellen. 18 bezahlte Jobs macht das. Ein absoluter Hauptgewinn für mich als Reisejournalistin (oder wie man meine Profession auch immer genau titulieren will – das englische „travel writer“ ist da umfassender).
Herausgekommen ist eine sehr schöne Reihe, mit der ich unterm Strich sehr zufrieden bin. Die volle Sammlung steht mittlerweile im about-cities-Blog. Dort liefert sie Familien praktikable Anregungen zum Nachmachen. Auch hier bei family4travel mache ich die 18 auf jeden Fall noch voll. Hildesheim, Einbeck und Osnabrück fehlen noch. Danach habe ich aus etlichen Städten noch Material für einen zweiten Bericht. Für mein Blog und – ich denke doch auch – für about cities hat sich die Aktion bestens gelohnt. Und ich habe endlich mal echtes Geld verdient mit meiner Schreiberei. Das bedeutet mir sehr viel.
Spaß auf Knopfdruck
In der praktischen Umsetzung ging die Sache natürlich an die Substanz. 18 Städtetrips in drei Monaten sind eine Hausnummer. Eigentlich war alles etwas luftiger geplant. Corona schob den Start nach hinten. Letztlich haben wir in den Sommerferien einen großen Schwung hintereinander weg bewältigt. Die restlichen neun Städte haben wir dann immer im Doppel an den Wochenenden bereist. Einmal gab es ein freies Wochenende (an dem Franka ihren zweiten Geburtstag gefeiert hat). Dann folgten sechs Wochenenden aufeinander, an denen wir von Freitagnachmittag bis Sonntagabend unterwegs waren.
Die Trips selbst waren super! Wir hatten wirklich Spaß.
Auch hier war es natürlich kein echter Urlaub. Unser Programm war strikt durchgeplant, häufig bis auf die Minute. Oft genug kam ich mir vor wie der Sklaventreiber, der die Familie von einem Ort zum nächsten peitscht.
Die Unannehmlichkeiten für Mann und Kinder hielten sich dabei freilich in Grenzen. Escape-Game, Sightseeing mit Eisessen und einen Zoobesuch in einen Tag zu quetschen, ist nun nicht unbedingt vergleichbar mit einer vollen Schicht Kinderarbeit im Bergwerk. Nicht einmal, wenn die Teenager immer wieder die Betreuung für ihre kleine Schwester übernehmen müssen, während ich Fotos mache, die Instastory hochlade und ihr Vater sich um die Routenplanung kümmert. Jetzt im Nachhinein geben die Jungs zu, dass wir eigentlich meistens ein ziemlich cooles Programm hatten.
Währenddessen waren sie zumindest in der zweiten Hälfte unseres Städtetrip-Marathons oft kurz vor der offenen Meuterei. Als Janis einmal aus – wirklich – gesundheitlichen Gründen zu Hause blieb, rammte Silas die Woche drauf die Beine in den Boden und reklamierte ebenfalls ein freies Wochenende für sich. Dass die Städte uns mit dem packendsten Familienprogramm versorgten, das sie zu bieten haben, beeindruckte sie da nicht mehr. Statt mit ihren Eltern ein weiteres Mal über irgendein Gewässer zu gondeln oder Rätsel zur nächsten Stadtgeschichte zu lösen, wollen sie lieber endlich mal wieder eine Runde ungestört mit ihren Freunden online zocken.
Verständlich. Wenn das „Müssen“ durchkommt, macht es keinen Spaß mehr. Dann ist es Arbeit. Und es ist mein Job, nicht ihrer.
Quo vadis, family4travel?
Das ist so ein bisschen die Crux an der Sache mit dem Familien-Reiseblog. Wir sind immer ein Familienunternehmen gewesen. Ich mache die eigentliche Arbeit, klar. Aber ohne den Rest der Familie geht es nicht.
Dass die Teenager irgendwann rauswachsen, war natürlich von vornherein abzusehen. Ich hätte auch niemals Wetten abgeschlossen, wie lange family4travel wohl durchhält. Theoretisch kann ich mit Franka jetzt ja noch mal von vorne anfangen. Praktisch –
Vor gut acht Jahren habe ich mein Blog gegründet. Damals hatte ich unsere große Langzeitreise schon fest vor Augen. Es war die Zeit, als Blogs groß in Mode waren. Ich hatte die Hoffnung, mir rechtzeitig vor unserer Abreise schon eine gewisse Reputation zu erschreiben und unterwegs von Kooperationen und bezahlten Aufträgen profitieren zu können. Die journalistischen Auftragsarbeiten haben sich unterwegs als zu zeitaufwändig erwiesen. Aber das mit den Kooperationen hat sogar ein paar Mal geklappt (in Kroatien an den Plitvicer Seen, in Dubrovnik und Split, in Rom sowie auf Korsika). Bei der Verlagssuche für „Die Entdeckung Europas„* hatte meine mitgebrachte Followerschaft über das Blog leider nicht das erhoffte Gewicht. (Und tatsächlich haben auch vergleichsweise wenige meiner Blogleser hinterher mein Buch gekauft, als ich es dann im Selbstverlag veröffentlicht habe. Es sind offenbar wirklich zwei verschiedene Paar Schuhe.)
Dafür kam über mein Blog der Kontakt mit dem Naturzeit-Verlag zustande, für den ich heute besagte Wanderführer schreibe und auch das Lektorat übernehme.
Motivation: Nützlichkeit
Grundsätzlich hatte ich von Anfang an den Anspruch, mit meinem Blog anderen Menschen zu helfen. Meine Leserinnen und Leser waren mir stets der wichtigste Bezugsrahmen.
Das heißt, ganz oben auf meiner Prioritätenliste standen und stehen meine Kinder. Wir reisen, weil es uns Spaß macht, mit unseren Kindern gemeinsam die Welt zu erkunden. Das war auch ursprünglich der Grund, überhaupt Kooperationen einzugehen. So konnte ich den Jungs Reisen und Aktionen bieten, die sonst so nicht drin gewesen wären.
Und ich hatte immer die Hoffnung, das Blog irgendwann rentabel zu kriegen. Natürlich wäre es zu jedem Zeitpunkt einfacher gewesen, einen „echten“ Job anzunehmen und Geld zu verdienen. Und dieses Geld dann ohne irgendwelche Kooperationen und sonstige Verpflichtungen für Urlaub auszugeben. Aber ich hatte schon die Hoffnung, mein Geld irgendwann mit dem verdienen zu können, was ich gerne mache: schreiben.
Außerdem glaubte und glaube ich immer noch ernsthaft daran, dass das, was ich hier mache, nützlich ist. Ich gebe Tipps für Familienurlaub in Deutschland und Europa. Mein Wunsch ist es, andere Familien zu motivieren, gemeinsam Zeit zu verbringen, die Welt kennenzulernen und zu hinterfragen. Dazu sind keine Fernreisen nötig. Im Gegenteil. Ich möchte zeigen, dass erfüllte Ferien voller Familienzeit auch hier um die Ecke und low budget möglich sind. Das war von Anfang an meine Motivation.
Beruf: Reisebloggerin
Schon seit der Rückkehr von unserer großen Reise füllt die Zeit, die ich für mein Blog aufwende, ungefähr einen Halbtagsjob. Ob es sich dabei genau darum oder um das unverhältnismäßig aufwändige Hobby einer Hausfrau handelt, entscheidet der Gewinn, der dabei rausspringt. In dieser Beziehung fahre ich seit Jahren auf Kante.
Ein Reiseblog zu monetarisieren, also ernsthaft Geld damit zu verdienen, ist nicht ganz einfach. Mit etwas Ehrgeiz und Durchhaltevermögen ist es durchaus möglich. Moralische Flexibilität hilft enorm. Genau die besitze ich nicht.
Ich wollte immer alles richtig machen. Dadurch stehe ich mir immer wieder selbst im Weg. Und mache im Zweifelsfall – nichts. Die bezahlten Aufträge, die ich auf family4travel veröffentlicht habe, kann man immer noch an einer Hand abzählen. Nur wenn mir wirklich alle Rahmenbedingungen legal und fair erschienen, habe ich eingewilligt. So bringt man es nicht weit im Blog-Business.
Der family4travel-Familienkreis
Vergangenes Jahr im Oktober habe ich mich deshalb entschieden, es mit einer anderen Art der Monetarisierung zu versuchen. Statt meine Leser:innen oder indirekt ihre Daten als Ware an Unternehmen zu verkaufen, wollte ich sie selbst als zahlende Kundschaft gewinnen. Dass das kein Selbstläufer würde, war mir klar. Aber ich wollte es nicht unversucht lassen.
So entstand der family4travel-Familienkreis. Über den Dienst Steady bot ich kostenpflichtige Premium-Mitgliedschaften an. Long story short: Es hat nicht funktioniert. Von meinen monatlich schon damals etwa 30.000 Leserinnen und Lesern wurden genau zehn zahlendes Mitglied. Das reichte – je nachdem, wie man rechnet – eventuell gerade so, um die Fixkosten zu decken. Ein echtes Einkommen war die Methode nicht. Durch die versprochenen Zusatzleistungen für Mitglieder hatte ich mich aber ziemlich unter Druck gesetzt und mir erhebliche Mehrarbeit aufgehalst. Die rentierte sich für den kleinen Personenkreis hinten und vorne nicht. Meine zehn großartigsten und großzügigsten Leserinnen (es waren ausschließlich Frauen) habe ich also hängen lassen. Der Familienkreis ist Geschichte.
Professionelle Text-Söldnerei
Zu diesem Zeitpunkt kam der Großauftrag von about cities genau richtig. Über weite Strecken war die Zusammenarbeit ein echter Traumjob. Für Städtetrips in Niedersachsen werben kann ich mit bestem Gewissen.
Leider ist äußerst fraglich, ob sich das Modell auf Dauer eignet. Teilweise war ich zeitlich echt am Limit. In den Sommerferien habe ich zwischen Reiseplanung, Feinabstimmung und Texterstellung für die bereits gelaufenen Trips gute 40-Stunden-Wochen gerissen. Da ich zu jenem Zeitpunkt noch keinen Betreuungsplatz fürs Kleinkind hatte, hat das überhaupt nur dank der Jungs geklappt. Und jedes Wochenende waren wir dann halt unterwegs. Viel länger hätte ich das Pensum schlicht nicht durchhalten können.
Aber selbst wenn: Diese Arbeit als Geschäftsmodell auszubauen, würde schwierig. Dauerhaft macht meine Familie das auf keinen Fall mit. Als jemand, die das mitsamt ihren Kindern anbietet und diese auch noch auf Fotos zu zeigen bereit ist, habe ich wohl ein gewisses Alleinstellungsmerkmal. Bestimmt gäbe es noch einzelne Städte, die uns buchen und mich auch für Texte bezahlen würden, die sie dann für eigene Kanäle verwenden können. Aber die Akquise für einzelne Abnehmer wäre aufwändig. So große Marketing-Verbünde gibt es nicht viele. Und es können ja wohl auch schlecht dieselben Gesichter plötzlich überall auftauchen. Außerdem, wie gesagt: Allermindestens die Jungs würden streiken. Und alleine mit Franka kann ich nicht regelmäßig durch die Gegend tingeln. Hier auf dem Land in der ÖPNV-Wüste werde ich als Mama-Taxi gebraucht.
Es war großartig, einmal richtig durchziehen zu können und dabei auch noch das Gefühl zu haben, fair bezahlt zu werden. Es war ein tolles Projekt. Aber es bleibt ein Projekt, keine Dauerinstitution.
Die Frage nach dem Glück
Unsere Europa-Auszeit war ein einschneidendes Erlebnis in meinem Leben. Innerlich bin ich so sehr gewachsen in jenem Jahr. All die Erfahrungen haben etwas mit mir gemacht. Und die Sache an sich gab mir die Gelegenheit, mich aus alten Gewohnheiten und Verpflichtungen zu lösen. Und nur die wieder aufzunehmen, die ich wollte.
Neulich erst hat mich ein frischer Kommentar an eine alte Nabelschau erinnert, die ich kurz nach unserer Rückkehr veröffentlicht habe. Angeregt durch ein „Blogstöckchen“ habe ich mich damals mit meiner akuten Lebenszufriedenheit auseinandergesetzt: „33 Fragen zum Glück: Emotionale Bestandsaufnahme nach der Reise“.
Diese zufriedene, in sich ruhende Frau bin ich schon länger nicht mehr. Das ist einerseits selbstverständlich, denn meine Lebenssituation ist heute eine andere. Ich habe ein Kleinkind. (Witzig nebenbei, dass ich dem in jenem Post erwähnten „abgelegten Lebenstraum“ von vier Kindern doch noch ein Stück näher gekommen bin. Nur eine Nummer vier ist nun indiskutabel [und medizinisch betoniert] ausgeschlossen.) Und ich habe zwei Teenager, davon einer im akuten Motz-Alter. Ich weiß ja, dass sie das nicht extra machen, dass sie wenig dafür können. Dass ihre oft absolute Lustlosigkeit sie selbst am schlimmsten trifft. Und es einfach eine unangenehme Lebensphase ist, die zum Glück vorbei geht. Gleichwohl bietet diese Phase auch für Mütter eine Herausforderung, sich in dieser Zeit ihre persönliche positive Grundeinstellung zu bewahren. Ähnliches gilt bei Zweijährigen in der Autonomiephase. Wenn dann noch Überarbeitung und Zeitmangel dazukommen – so viel Achtsamkeit kann ein Mensch alleine gar nicht aufbringen, wie für eine konstante Ausgeglichenheit und Zufriedenheit nötig wäre.
Umso dankbarer bin ich dafür, dass meine Reiseführer-Recherche mich in diesem Sommer und Herbst unmissverständlich zu Auszeiten im Freien zwingt. Wäre ich in den Herbstferien einfach kraftlos auf dem Sofa liegen geblieben, hätte das zwar die Teenager gefreut. Mit Kleinkind wäre das aber eh keine Option gewesen. Und glücklicher macht mich die frische Luft. So kann das „Müssen“ im Regen tatsächlich zu einer Quelle der Resilienz werden.
Ich, das Flammende Käthchen
Als unsere Städtereisen abgeschlossen waren und ich nach dieser Turbozeit wieder mal etwas Luft zum Durchatmen hatte, fiel mein Blick beim lange aufgeschobenen, dringend nötigen Hausputz auf das Flammende Käthchen, das ich hier zum Titelbild gemacht habe. Martin hat es mir letztes Jahr zu unserem 20. Jahrestag geschenkt. Seitdem steht es auf der Küchenfensterbank. Hin und wieder kippe ich den Rest aus einem Wasserglas rein. Manchmal, selten, sammele ich die abgefallenen Blätter ab. Als ich die Pflanze nun zum Fensterputzen anhob, stach mir erstmalig das ganze Elend ins Auge. Und ich dachte mir: Genau so fühle ich mich.
Da wuchert ein nicht tot zu kriegendes Gewächs entschlossen in alle möglichen Richtungen. Dabei ist es völlig außer Form geraten und sieht widerlich aus. Dessen ungeachtet geht es gegen jeden Widerstand nach vorne. Dabei gibt es eigentlich keine Richtung, kein Ziel. Außerdem ist der Topf für die Wurzeln längst zu klein. Jede:r sieht auf den ersten Blick, dass das so nicht mehr lange gutgehen kann. Nur das Flammende Käthchen ignoriert diese Tatsache und wuchert munter weiter.
Schatten der Veränderung
Eigentlich spüre ich seit Monaten, dass es höchste Zeit für eine Veränderung wird. Ich muss dringend umgetopft werden.
Spruchreif ist noch nichts. Aber ich habe meine Fühler ausgestreckt. Wahrscheinlich nimmt mein Arbeitsleben bald eine ganz neue Richtung. Auf die eine, zur Not eben auf eine andere Weise.
Das heißt, ich werde meine Zeit fürs Blog drastisch reduzieren. Jetzt, nachdem ich seitenweise ausgeholt und die Aufmerksamkeit von wahrscheinlich 90 Prozent meiner Leser:innen abgeschüttelt habe, kann ich es ja sagen.
Es wurmt mich ein bisschen. Family4travel ist in den vergangenen acht Jahren zu so etwas wie meinem Lebenswerk geworden. So viele wunderbare Erfahrungen verdanke ich der Bloggerei. Ich habe mein Bohême-Leben sehr genossen. Die Freiheit wird mir bestimmt fehlen.
Aber ich habe es auch satt, mich finanziell dauerhaft einzuschränken. Ich möchte mal in einen Laden gehen und mir etwas kaufen, einfach weil es mir gefällt. Außerdem möchte ich arbeiten und nützlich sein. So richtig. Ohne vor jedem Auftrag durchkalkulieren zu müssen, ob sich das überhaupt rechnet, in die eine oder andere Richtung. Ob ich damit nicht über die Bemessungsgrenze schieße und beitragspflichtig für die Krankenkasse werde, sodass die ganze Chose mehr kostet als sie einbringt (weil ich eben nie die Garantie habe, dass ich in den nächsten Monaten auch wieder Aufträge kriege, die die Kosten decken). Vor allem möchte ich mich nicht mehr mit dem Finanzamt rumstreiten müssen, ob das, was ich mit vollem Einsatz bis an die Grenzen meiner Kräfte tue, nicht eigentlich doch nur Urlaub und geldwerter Vorteil ist.
Der Versuch, mir selbst treu zu bleiben
Deshalb übe ich mich jetzt schon mal im Loslassen. Zum ersten Mal seit unserer sechswöchigen Irland-Recherchereise 2018 ist nicht pünktlich am Sonntag ein neuer Blogbeitrag online gegangen. (Auch damals war es nur ein technisches Versehen, eigentlich war alles vorbereitet.)
Und siehe da: Niemand beschwert sich. Es ist überhaupt kein Problem.
Der gescheiterte Familienkreis hilft mir dabei. Ich weiß jetzt: Das Blog ist gar nicht so wichtig. Abgesehen von meinen zehn Lieblingsleserinnen hat da niemand Aktien drin. Und für die habe ich den vollen Betrieb immerhin ein weiteres Jahr aufrecht erhalten. Ich schulde niemandem etwas. Es ist einfach nur Zeug, das ich ins Internet schreibe. Der eine oder die andere profitiert – meist stillschweigend – davon. Vielleicht habe ich ein paar einzelne Langstreckenflüge und Fernfahrten verhindert. Aber niemandem – abgesehen von den wackeren Zehn – ist es wichtig genug, dauerhaft einen kleinen Betrag zu zahlen, dass ich die Kosten decken kann und eine Aufwandsentschädigung dabei rausbekomme. Ich habe jedes Recht der Welt, meinen Dienst einzustellen.
Dabei steht es ja gar nicht zur Debatte, den Laden hier dicht zu machen. Alles soll online bleiben. Und es wird natürlich auch noch neue Berichte geben. Wie gesagt, die #cities4family-Reihe ist hier ja noch nicht einmal voll. Wahrscheinlich geht es sogar bis mindestens zum Jahresende im gewohnten Rhythmus weiter. Und auch danach wird mir das Bloggen ganz bestimmt ein liebes Hobby bleiben. Material und Ideen habe ich ja noch auf Jahre genug.
Aber echt jetzt: Ich freue mich unbändig darauf, für eine feste Arbeitgeberin tätig zu werden, der mein Tun so viel wert ist, dass sie mir monatlich eine vierstellige Summe dafür überweist. Drückt mir bitte die Daumen, dass dieser zur Debatte stehende Fall auch eintritt!
Liebe Lena, vielen Dank für die regulären Beiträge in der letzten Zeit! Es wird aber immer schön sein, hier zu lesen, auch wenn es nur einmal im Monat oder sogar noch seltener passiert. Ich wünsche Dir und Deiner Familie viele schöne und unbeschwerte Reisen weiterhin!
Danke schön! Für treue Leserinnen wie dich habe ich das all die Jahre gemacht. :) Und werde es natürlich – in abgespeckter Version – weiter machen.
Liebe Lena, ich wünsche Dir ganz viel Erfolg und freue mich auf den ein oder anderen Blogbeitrag oder Insta-Story. Fröhliches Reisen und auf zu neuen Abenteuern :-)
Danke schön und noch einmal auch ganz, ganz herzlichen Dank für deine Unterstützung!!
Liebe Lena! Mich erfüllt es mit einem ganz traurigen Gefühl und doch kann ich das sehr gut verstehen. Auch wenn ich in letzter Zeit nicht alles sofort gelesen habe (vor allem wenn es um Reiseziele in Deutschland ging), so ist dein Blog und dein Buch doch eine stetige Quelle der Inspiration für mich. Ich danke dir dafür!
Na ja, mit dem Kopf durch die Wand geht halt irgendwie nicht. Fällt mir jetzt so nach acht Jahren auf. :D Ich habe es probiert, so, wie ich das wollte, ein tragfähiges Konstrukt daraus zu machen. Hat so nicht geklappt und so nicht geklappt und so auch nicht so richtig. Hat trotzdem Spaß gemacht währenddessen. Ich könnte das auch einfach immer so weiter machen und halt damit zufrieden sein, dass es sich gerade so rechnet, als kleines Zubrot zur Hausfrauentätigkeit. Wäre ja nicht verwerflich. Aber jetzt ist einfach mal was anderes dran. In dieser Lebensphase brauche ich ein bisschen Bestätigung. Am liebsten in der Form, dass jemand mir für meine aufrichtige Arbeit jeden Monat wieder ernsthaft Geld bezahlt. In der Vergangenheit habe ich meine Bestätigung oft aus den reinen Klickzahlen gezogen. Wenn rund 30.000 Menschen – drei Mal so viele, wie mein Heimatort Einwohner hat, und zu Spitzenzeiten im Januar und im Sommer noch mehr – jeden Monat mein Blog lesen, dann muss ich ja wohl was ganz Ordentliches abgeliefert haben. Aber es ist wohl doch eher sowas wie der Aldi-Prospekt: Man guckt mal rein, aber kaufen würde man ihn sich nicht. Das schmerzt mich jetzt nicht besonders auf künstlerischer Ebene oder so. Ich habe nicht das Bedürfnis, dass doch bitte alle mir huldigen sollen, weil ich so großartige Texte schreibe. Aber ich bin jetzt seit Längerem an einem Punkt, wo ich das Gefühl habe, dass sich die Arbeit nicht recht lohnt. Alle Faktoren zusammen – der Spaß beim Erleben, Recherchieren, Schreiben, die einfließende Zeit, der Gewinn auf verschiedenen Ebenen, die Hoffnung auf positive Entwicklung – ergibt eine schwarze Zahl, die aber unbefriedigend klein ist. Das reicht mir nicht auf Dauer. Und ich habe eben das Gefühl, ich habe dieses Blog-Business jetzt durchgespielt. So weit, wie ich zu gehen bereit bin. Eigentlich ist es gar nicht traurig. Es wird ein Neuanfang. Also, hoffentlich. :)
Liebe Lena, ich lese diesen Artikel auf dem Weg zu meinem Brotjob – der vor dem Blog und wohl auch danach mein Einkommen sichert. Ich liebe das Reisen, bin auch froh das ich durch die Einnahmen von TZR nur 26 Stunden arbeiten kann, aber ich hab durch Corona gemerkt das mir Auszeiten daheim auch unglaublich gut tun. Hab ich früher teilweise zwei Artikel pro Woche veröffentlicht ist es jetzt nur einer und rund 40% davon überarbeitete Artikel. Das gibt mir Zeit für mich. Ich bin gespannt wie dein Alltag als Teilzeitblogger aussieht und wünsche dir viel Erfolg!
Viele Grüße
Janett
Danke schön! Ja, die meisten Bloggerinnen und Blogger haben ja neben ihrem Blog eine „echte“ Arbeit. Ich fürchte allerdings, dass ich nicht so der Typ für einen Brotjob bin. Wenn ich was mache, dann mache ich es mit Herzblut und Überzeugung. Wie viel Zeit dann noch fürs Blog bleibt, sehe ich dann. Die Priorisierung steht bei mir jedenfalls außer Frage.
Liebe Lena, liebe übrigen „Hähne“,
ich drücke die Daumen, dass es mit dem Job klappt! Größten Respekt hatte ich immer bisher immer vor deinem Bloggen, das ich immer verfolgt hatte. Ich oute mich als eine der 30.000, die nicht zur „Familie“ wurde, einerseits tut es mir leid, aber hier stehen Bücher von Dir ☝️ Dass die Großen herauswachsen ist wohl unumgänglich, aber vielleicht werden auch sie Blogger und du reichst den Staffelstab so weiter 😉?
Tschakka und liebe Grüße aus Vehlen
Liebe Hanna, auf keinen Fall trage ich das einzelnen Menschen persönlich nach! Das ganze Konstrukt war ja auch von vornherein nicht gerade über Kritik erhaben. Es war nur das Beste, was mir eingefallen und technisch möglich ist. Und als Kommentatorin gehörst du definitiv in den nächstgrößeren total wichtigen „inneren Zirkel“, der ein Blog auf Dauer überhaupt möglich macht. Als Bücherkäuferin natürlich erst recht! (Wobei das eher wieder ein anderes Paar Schuhe ist.)
Dass aus den Jungs Blogger werden, glaube ich nicht und müssen sie meinetwegen auch nicht. Eigentlich wäre ja zu erwarten, dass sie sich in ihrem Alter komplett von dem Tun ihrer Eltern distanzieren und alles ganz anders machen wollen. Stattdessen haben sie – bis auf die Extremsituation letztens – immer gut mitgezogen. Auch zur Nachrecherche für das Schottland-Buch wollen sie unbedingt noch mal mit.