Sheffield hat keinen besonders guten Ruf. Aber wir haben schöne Seiten an der Stadt im Norden Englands entdeckt.
Von Sheffield als Stadt haben wir uns nie viel versprochen, und auch unsere Couchsurfer verkaufen es uns nicht gerade enthusiastisch. Als wir Andrew, dem Manager von Tanner’s Hatch, auf seine Nachfrage hin das nächste Ziel unserer Reise verraten haben, fragte er ganz entgeistert: „Was wollt ihr denn in Sheffield?“ – „Wir haben dort Freunde“, sagten wir, was vor drei Tagen noch nicht ganz der Wahrheit entsprach, aber wir wollten los und hatten uns schon wieder zu lange verquatscht, um noch eine Grundsatzdiskussion übers Couchsurfing dranzuhängen. Was aber stimmt: Wir haben nach einer netten Familie irgendwo zwischen Nottingham und York gesucht, ganz bestimmt nicht explizit nach Sheffield.
Als „das hässliche Bild in einem goldenen Rahmen“ wird diese Stadt mitunter beschrieben, lernen wir am Nachmittag im Weston Park Museum. Hier sind alle Ausstellungen auf Kinder zugeschnitten – das Beste, was man in Sheffield und Umgebung an einem Regentag machen könne, meinte Kate. Aus dem Mund unserer Gastgeberin klang das wie ein Eingeständnis, aber wir sind mal wieder vom ersten Moment an ernsthaft begeistert. Von Früh- bis Zeitgeschichte, von Naturkunde bis Kunst vermittelt Weston Park in einem guten Rundumschlag, was ein Museum alles sein kann.
Die Jungs begutachten den ausgestopften Eisbären, klettern ins Plastik-Iglu und sehen sich einen Dokumentationsfilm über Leben in der Arktis an. Dann entdecken wir, welche unscheinbaren Lebensformen im Wald so alles vorkommen – und welche in der Küche! Wir besuchen ein Wollnashorn und trauen uns in eine Steinzeithöhle, wo wir einen Bären schnarchen hören (und zur unsäglichen Erheiterung der Jungs sind das nicht die einzigen Geräusche, die er von sich gibt).
Wo wir jetzt aber schon mal in Sheffield sind, wollen wir schon auch wissen, was hier los ist, entscheiden wir und stürzen uns endlich in die Abteilung Stadtgeschichte. Das ist so eine typische Industrie-Stadt, dachte ich, so ähnlich wie der Ruhrpott. Stahlindustrie früher, heute Arbeitslosigkeit. Meine Vorbildung beschränkte sich nämlich auf die paar Schnipsel, die man in der mittlerweile schon wieder uralten Komödie „Ganz oder gar nicht“ mitbekommt (die mit der männlichen Stripper-Truppe, im Original „The Full Monty“). Nur teilweise richtig, erfahren wir. Tatsächlich befinden wir uns in DER britischen Stahlstadt. Vor allem Werkzeuge und Besteck wurden hier produziert und werden das teilweise heute noch. Hier war es, wo der rostfreie Stahl erfunden wurde. Die Arbeitsbedingungen waren haarsträubend, aber immerhin sorgte das dafür, dass sich Sheffield auch der allerersten britischen Gewerkschaften rühmen kann. Die depressiven Zeiten in den 1970er und 80er Jahren, als die Stahlindustrie den Bach runter ging, lässt das Museum nicht aus. Stolz präsentiert man aber, was sich seitdem getan hat. Ich muss zugeben, am „lebenden Objekt“ haben wir den Wahrheitsgehalt dieser Angaben gar nicht überprüft, aber zumindest nach Darstellung des Weston Park Museums hat sich Sheffield inzwischen zu einer modernen Dienstleistungsstadt gemausert, dessen Einwohner ein durchaus inniges Verhältnis zu ihrer Heimat pflegen.
Wir picknicken im Park, der sich direkt vor dem Museum ausbreitet. Dann ist es auch schon Zeit, die Zutaten für unsere Käsespätzle einzukaufen und zu unseren Gastgebern nach Hause zu fahren, denn heute sind wir dran mit dem Kochen.
Praktische Hinweise für das Kindermuseum Weston Park in Sheffield
Das Weston Park Museum hat die Adresse Western Bank, Sheffield, S10 2TP. Parkplätze muss man in den Seitengassen suchen (und natürlich sind sie kostenpflichtig – in England eigentlich IMMER). Das Museum ist montags bis samstags von 10 bis 17 Uhr geöffnet, am Sonntag von 11 bis 16 Uhr. Der Eintritt ist frei!
Diesen Eintrag meines Reisetagebuchs habe ich am 15. August 2013 verfasst. Mehr England-Reiseberichte aus jenem Familienurlaub inklusive Karte gibt es in unserem England-Inhaltsverzeichnis. Chronologisch geht es hier weiter:
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