Es ist der Duft der Heckenrosen, der mich für immer an Föhr erinnern wird. Er umfängt uns, als wir mit offenem Autofenster die ersten Meter über die kleine Insel fahren. Und er begleitet uns das ganze Wochenende, das wir hier verbringen. Ebenso sanft, so süß und unaufdringlich wie der Heckenrosenduft ist die ganze Insel Föhr. Sie ist eine Schönheit, aber eine der leisen Töne. Im übertragenen Sinne zumindest, denn durch ihre ausgewiesene Familienfreundlichkeit kommt es durchaus vor, dass laute Kinderstimmen in der Luft hängen. Der Wind trägt sie vor sich her, und – ich hab mich verliebt. In Föhr. Erfahrungsbericht über Föhr für Familien.
Nieblum: Föhrs wohl schönster Inselort
Unsere Unterkunft beziehen wir am Rand von Nieblum. Ob das der beste Ort für Familien auf Föhr ist, kann ich mangels Vergleich nicht sagen. Wir sind jedenfalls rundum zufrieden mit dieser Entscheidung. [Die Unterkunft selbst gibt es leider nicht mehr. Sonst hätte ich sie gerne empfohlen.]
Danach führt unser erster Weg ins Dorf. Wir gehen zu Fuß. Die Jungs haben den Großteil des Tages im Auto gesessen und sind froh über den Auslauf auf den so gut wie gar nicht befahrenen Feldstraßen.
Kaum haben wir das Dorf erreicht, rollen sie mit den Augen: Ihre Mutter kriegt sich nicht mehr ein vor Begeisterung. „Ist das schön hier!“, seufze ich eins ums andere Mal. Während man auf Sylt selbst im Vorzeigeort Keitum nach den idyllischen Ecken suchen muss, reiht sich hier ein wunderschönes Friesenhäuschen ans nächste.
Und die Einheimischen sind unglaublich nett! Wir decken uns in dem kleinen Supermarkt mit dem Nötigsten fürs Abendessen ein. Schon sind wir mit der Kassiererin in ein Gespräch vertieft. Sie hat Zeit für ihre Kundschaft. Über jeden Gast von auswärts scheint sie sich einzeln zu freuen. Sie hilft den Jungs sogar eigenhändig, die Verpackung ihres Eis am Stiel zu öffnen. Es ist nur das erste Indiz, dass Föhr für Familien ein rundum perfektes Urlaubsziel ist.
Fahrräder leihen auf Föhr
Entzückt stöbern wir durch den Bonbonladen. Dann leihen wir uns nebenan Fahrräder für die Erwachsenen (12 Euro pro Tag). Die für die Kinder haben wir von zu Hause mitgenommen. Nur ein Schloss haben wir leider vergessen. – Kein Problem, sagt der Inhaber, und gibt uns kostenlos ein zweites mit.
Spaziergang durch Nieblum
Quer durch den Ort schlendern wir zurück. Dabei entdecken wir mehr nette Cafés, als wir in zwei Wochen Urlaub besuchen könnten. Geschweige denn an einem Wochenende! Auch viele kleine Läden locken. Es ist touristisch, aber (zumindest noch) platzt es nicht aus allen Nähten. Der Ort wirkt herausgeputzt, aber authentisch.
Als wir in der Sparkasse am Geldautomaten stehen, parken zwei Jungs im Rotzlöffelalter ihre Mofas vor der Bank und besprechen die Abendplanung – auf Plattdeutsch.
Auch für Familien super: Föhr mit dem Rad erkunden
Am nächsten Morgen schwingen wir uns auf unsere Räder und nehmen den Rest der Insel ins Blickfeld. Groß ist sie nicht. So ist es auch für Familien gut möglich, Föhr mit dem Fahrrad zu erkunden. An einem einzigen Tag können wir ziemlich viele Sehenswürdigkeiten abklappern.
Von denen gibt es ohnehin nicht zu viele. Die Nordsee ist die Hauptattraktion. Die ländliche Idylle in der Inselmitte ist beinahe schon ein Geheimtipp. Die Hauptstraßen sind mit separaten Radwegen versehen. Auf den Nebenstraßen sind zumeist andere Radler der einzige Gegenverkehr.
Wir durchfahren Borgsum. Das ist ebenso hübsch, nur viel kleiner und stiller als Nieblum. Die Jungs entdecken einen Spielplatz, den sie später aus der großen inselweiten Konkurrenz zu ihrem Favoriten wählen.
„Föhr ist sooo schön!“, sage ich zum wohl hundertsten Mal zu Martin, während die Kinder über die Balken toben. Wir sind von jeher Team Ostseeurlaub. Durch familiäre Beziehungen hat sich das so ergeben. Dass an der Nordsee so ein Juwel auf mich wartet, war mir nicht klar.
Mystisches Föhr für Familien: Die Lembecksburg
Knapp außerhalb des Dörfchens erhebt sich die Lembecksburg über das flache Gelände. Der Ringwall mit bis zu zehn Metern Höhe fasziniert meine Historikerinnenseite mit Vorzeit-Spleen. Die beeindruckende Anlage erinnert uns alle an die massiven Erdbewegungen, die Menschen im Neolithikum rund um Avebury und am Silbury Hill in England unternommen haben. Seit dem Beginn der spärlichen, aber systematischen Erforschung ist die Lembecksburg immer wieder tiefer in die Geschichte datiert worden. Benannt nach einem Lehensherr des 14. Jahrhunderts galt sie anfangs als mittelalterlich. Dann wurde sie zum Relikt der Wikinger erklärt, die zweifelsohne im Schutz des kreisrunden Walls siedelten. Mittlerweile wurden auch schon Spuren aus der Eisenzeit gefunden. Ob die Forschung mir den Gefallen tut und doch noch Ursprünge in der Steinzeit entdeckt, bleibt abzuwarten.
(Update: Den aktuellen Stand der Forschung fasst der Wikipedia-Artikel zusammen.)
Ein herber Regenschauer geht über uns nieder. Wir verkriechen uns in einem Holunderbusch und genießen das Naturspektakel an diesem mystischen Ort.
Zum Glück hat das Inselwetter auch eine gute Seite: So schnell wie das schlechte Wetter kommt, so schnell ist es oft auch vorbei.
Auf den Spuren der Wikinger auf Föhr
Wir fahren weiter durch das Inland. Beim Süderende von Föhr bei Oldsum warten noch ein paar Grabhügel der Wikinger. Die sind freilich nur noch für das eingeweihte (mit entsprechend wegweisender Literatur ausgestattete) Auge erkennbar. Auch nach einer Beschilderung suchen wir vergebens.
Wer auch mal gucken möchte, wie unscheinbar die sind: An der Kreuzung hinter der St. Laurentius-Kirche in Sichtweite des Pfadfinderhauses geht ein Trampelpfad ab, der nach wenigen Metern zum Gräberfeld führt.
Das Schönste von Föhr für Familien: Der Strand
Im winzigen Utersum legen wir einen kurzen Strand-Stopp ein. Die Saison hat noch nicht begonnen. Es ist etwas kühl. Die Strandkörbe sind alle verrammelt und teilweise im Sand eingesunken.
Trotzdem, das Potenzial ist erkennbar. Direkt hinterm Deich befinden sich gleich zwei Spielplätze – einer für größere Kinder, einer für die ganz Kleinen. Es gibt einen Kiosk und eine in die Jahre gekommene, aber recht sauber gehaltene kostenlose Toilettenanlage.
Unbedingt mitmachen: Wattwanderung
Dann ist es Zeit für unsere Wattwanderung. Die startet in Dunsum. Wir erleben dabei so viel, dass wir das unmöglich auch noch in diesem Post unterbringen können. Deshalb erzähle ich die Geschichte ausführlich hier: „Wattwanderung Föhr: Als wir über den Meeresboden spazierten…“
Fahrradtour von Nieblum nach Wyk
Am nächsten Tag nehmen wir uns den Südostzipfel der Insel vor. Weit kommen wir erst einmal nicht. Denn als wir den Strand von Nieblum erreichen, scheint gerade die Sonne. Die Jungs verspüren das dringende Verlangen, die Lembecksburg nachzubauen. Okay, kein Problem.
Auch hier ist die Infrastruktur prima familienfreundlich. Vom Zentrum des kleinen Städtchens ist es allerdings ein ganzes Stück bis zum Wasser.
Durch den Wald fahren wir wenige Kilometer (vielleicht drei?) bis nach Wyk. Den Hauptort der Insel haben wir bei unserer Ankunft mit der Fähre nur schnell durchfahren.
Bei näherem Hinsehen bin ich ziemlich enttäuscht. Wyk ist mit Abstand das unschönste Fleckchen der Insel, das wir gesehen haben. Zwar finden wir im Laufe der Stunden, die wir die kleine Stadt erkunden, durchaus ein, zwei hübsche Ecken. Aber nach reetgedeckten Friesenhäusern muss man hier doch suchen. Es ist ein geschäftiger, wuseliger Tourismusort mit all dem üblichen Kitsch und 70er-Jahre-Architektur. Wer Föhr mit Wyk gleichsetzt und nicht über die Hauptstadt hinauskommt, hat bedauernswerterweise das Beste von Föhr verpasst!
Wyk auf Föhr hat auch schöne Seiten
Nachdem ich so hart mit dem Städtchen ins Gericht gegangen bin, darf ich natürlich auch Wyks Vorteile nicht verschweigen. Immerhin lebt hier mit rund 5000 Menschen etwa die Hälfte der Inselbevölkerung. Auch für Familien wäre die Unterkunftswahl in Wyk auf Föhr bestimmt nicht verkehrt. Es ist alles da, was man braucht und brauchen könnte, selbst ein Krankenhaus. Es gibt einige Attraktionen für Regentage, wie das Friesenmuseum, das Nationalpark-Haus und das Wellenbad „Aquaföhr“. (Nichts davon haben wir selbst ausprobiert.)
Und die Symbiose aus Strandleben und Stadtflair ist beeindruckend. Nur wenige Meter trennen geschäftiges Gewusel und Strandkorb-Armada. An der Sandwall-Promenade haben sich mit Blick auf das Wasser und die Halligen Geschäfte und Cafés wie am Schnürchen aufgereiht. Solange man Richtung Meer guckt und die flanierenden Massen hinter sich ausblendet, ist das ein wunderbares Erlebnis.
Das beste Eis in Wyk auf Föhr
Absolut empfehlen können wir die stattlichen Eisbecher von Glenngelato. In deren ebenso stattlichen Preisen ist nicht nur der Meerblick, sondern auch eine gut bestückte Lese-Ecke für Kinder und Eltern enthalten.
Kleine Gassen führen ins Innere des Ortes. Hier sieht es dann tatsächlich auch mal richtig nett aus. Kein Vergleich mit den kleineren Inselorten. Dafür trifft man auf geschichtliche Kuriositäten.
Der Glockenturm
Da ist zum Beispiel der Glockenturm ohne dazugehörige Kirche. Die steht im Ortsteil Boldixum. Damit die Wyker und Wykerinnen bei missgünstigem Wind keine Ausrede hatten, nicht zum Gottesdienst zu erscheinen, läutete auch mitten in der Stadt eine Glocke. Die warnt seit Jahrhunderten außerdem vor Sturm und Feuer.
Über die etwas unscheinbareren, ländlicheren Orte Oevenum, Midlum und Alkersum in der Inselmitte fahren wir zurück. Ohne Stress haben wir an einem Wochenende das Allermeiste von Föhr gesehen.
Abschied von Föhr
Und doch fällt es mir schwer, ins Auto zu steigen und die Insel zu verlassen. Selbst für Familien wie uns, die keine echten Strandurlauber sind, hätte es auf Föhr für drei, vier weitere Tage noch Unterhaltung genug gegeben.
Föhr ist herrlich entspannt und landschaftlich wunderschön! (Ein bisschen wie unser heimatliches Schaumburg. Nur das Meer ist größer…)
Fazit: Föhr für Familien!
Föhr ist großartig und gerade für Familien ein ideales Urlaubsziel. Es ist gemütlich und übersichtlich, aber nicht so klein, dass nichts los ist. Alles ist bequem mit dem Fahrrad zu erreichen. Beim nächsten Mal werden wir das Auto zu Hause lassen und mit den Rädern im Zug fahren. Und ja: Wir kommen gerne wieder…
Mehr über Föhr
Hier im family4travel-Blog habe ich – wie oben schon gesagt – noch über unsere Wattwanderung geschrieben: Wattwanderung Föhr: Als wir über den Meeresboden spazierten…
Für fundierte Zweitmeinungen empfehle ich folgende Blogberichte:
- Ausführlich und aus dem zeitigen Frühling erzählt Maria-Bettina von Kind am Tellerrand vom Familienurlaub auf Föhr in ihrem „Crashkurs Nordseeküste„.
- Einen authentischen Kurzbericht hat Inken von Around about Travel über perfekten Familienurlaub auf der Insel.
- Ohne Kinder, dafür mit Schwerpunkt auf Wellness berichtet Marina auf MS WellTravel über ihre Auszeit am schleswig-holsteinischen Wattenmeer.
Und die Travelsanne war mit ihren Teenagern eine Insel weiter unterwegs und hat 20 Tipps für Amrum. Das klingt auch herrlich…
Transparenz-Hinweis: Dieser Erfahrungsbericht ist schon 2013 erschienen. 2023 habe ich ihn zuletzt gründlich überarbeitet.
Unseren Föhr-Kurzurlaub verdanken wir Familie Loogman, die uns großartigerweise in ihr Familienhotel eingeladen hat. Ohne sie hätten wir nicht erfahren, wie toll auch Nordsee-Urlaub sein kann. In unserer Meinung beeinflusst hat uns diese Tatsache nicht. Leider, leider gibt es das Hoftel nicht mehr. Föhr ist aber immer noch da und ganz bestimmt noch genauso herrlich…
ich kenne alle ostfriesischen inseln, aber nach deinem ausführlichen bericht habe ich große lust auf föhr bekommen!
viele grüsse von mano
Die ostfriesischen kenne ich leider gar nicht. Welche kannst du da denn empfehlen? Mein einziger Vergleichswert ist halt Sylt, ansonsten noch Rømø und auf der anderen Seite Usedom. Wir sind bisher irgendwie nicht so die Inselurlauber gewesen.
Föhr kommt jetzt auf jeden Fall auch auf meine Liste, will ich hin, muss ich sehen. Viele Grüße
Hallo,
Ein schöner, subjektiv geprägter und detaillierter Reisebericht, so wie er sein sollte. Als Insulaner freut man sich jedes Mal, so etwas zu lesen, da einem selbst die Insel trotz aller Verbundenheit natürlich so satrk in Mark und Bein übergegangen ist, dass man gewisse Dinge als selbstverständlich hinnimt und von Zeit zu Zeit einfach wieder daran erinnert werden muss. :-)
Als zusätzlichen Tipp für alle Nicht-Föhrer, die auf der Basis dieses Berichts nun neugierig geworden sind: Auch bzw. gerade die Nebensaison bietet denjenigen, die Erholung abseits von Großstadt und Co. suchen, eine reizvolle Anlaufstation. Einige Empfehlungen finden sich hier: [kommerzieller Link entfernt].
Viele Grüße,
Mephi
Sehr informativer schöner Bericht,
Ja, Föhr ist für Familien wirklich sehr gut als Urlaubsort geeignet.
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