„Ich möchte auch mal im Blog vorkommen!“ sagt Silas (8). „Janis darf dauernd was schreiben.“ – „Du darfst auch gerne was schreiben“, biete ich ihm an. Aber das will er nicht. „Das dauert zu lange. Ich kann nicht so gut tippen. Du könntest mich lieber interviewen. Jetzt.“ Und da wir gerade im Auto sitzen und Richtung Heimat fahren, Janis eingeschlafen ist und wir somit unsere Hörspiel-CDs nicht weiter hören können, ist das tatsächlich eine gute Idee. So entsteht dieses Impromptu-Interview nach knapp zehn Monaten auf der Reise, zwei Wochen vor Ende unseres Europa-Roadtrips.
Reiselust und Reisefrust
Wie hat dir unsere Reise gefallen?
Sie hat mir gut gefallen. Aber ich meine, sie könnte vielleicht vier Monate kürzer sein.
Warum?
Weil ich elf Monate doch schon ein bisschen lange fand. Ich wollte früher nach Hause.
Was hast du vermisst?
Zu Hause. Und Oma und Opa. Und mein ganzes Spielzeug.
Weit weg von zu Hause
Was war denn gut an unserer der Reise? Was hat dir gefallen?
Man konnte andere Sachen sehen, nicht immer nur dasselbe zu Hause. Ganz verschiedene Dinge und auch den Alltag von Familien in verschiedenen Ländern kennenlernen. Das war sehr interessant.
Nenn mir doch mal eine besonders wertvolle Erfahrung, die du gemacht hast.
Die Plitvicer Seen haben mir sehr gut gefallen. Das hätte ich nicht gesehen, wenn wir diese Reise nicht gemacht hätten.
Was hat dir daran so gut gefallen?
Die Landschaft. Die war einfach nur schön.
Und die anderen Familien? Du hast erwähnt, dass dich unsere Couchsurfing-Erfahrungen auch beeindruckt haben.
Ja. Wie bei anderen Leuten der Familienalltag funktioniert. Und auch, wie es funktioniert, wenn das Leitungswasser nicht trinkbar ist. Dann muss man aus dem Brunnen trinken, oder wenn es keinen sauberen gibt, muss man Flaschenwasser kaufen, in großen Kanistern.
Wo war es für dich am fremdesten? Wo hast du die größte Andersartigkeit gespürt?
Das kann ich jetzt gar nicht sagen. Eigentlich war das die deutsche Freilerner-Familie, die wir in Spanien besucht haben. Die mussten ja gar keine Schule machen und hatten auch so gut wie keine Regeln. Und die waren vegan und haben auch kein Brot gegessen.
An zweiter Stelle kommt diese Familie in Rumänien, die zwei Hunde hatten, Lotti und Letszo, und vier Kinder.
In Targu Mures, die in dem selbstgebauten Haus gelebt haben. Wieso gerade die?
Der Alltag war halt anders. Und da haben wir auch das erste Mal das mit dem Wasser aus der Pumpe gesehen.
Unsere Reiseroute
Kriegst du überhaupt noch alle Länder zusammen, in denen wir waren?
Ich probier’s mal: Österreich, Slowenien, Ungarn, Rumänien, Serbien, Bosnien, ähm, was kam denn nach Bosnien? – Ah, ich hab Istrien vergessen! Vor Ungarn kam noch Kroatien. Und nach Bosnien auch. Und dann, und dann? Die Türkei? Kam die dann schon? Mama, weißt du das noch?
Ich geb dir einen Tipp: Dort haben wir den ersten Schnee gehabt.
Ah, Montenegro! Und dann Griechenland.
Nee, nach Montenegro kam Albanien. Shkodra, bei Franc.
Und dann?
Nach Kosovo kam aber Griechenland.
Erst kam noch Skopje, in Mazedonien.
Ach ja! Und dann Bulgarien. Dann kam die Türkei, dann Griechenland. Und dann kam ziemlich fix Italien.
Aber erst kam noch mal Mazedonien, der Ohrid-See, und dann noch mal Albanien.
Ach ja. Dann kam bella Italia. Dann Spanien – ach nein, erst Frankreich. Also, Korsika. Dann Spanien. Und Portugal. Und wieder Spanien, und wieder Portugal, und wieder Spanien.
Genau. Und jetzt kommt nur noch mal kurz Frankreich, und dann sind wir zu Hause.
Reise-Highlights aus Kindersicht
Welches Land hat dir am besten gefallen?
Sagen wir mal die Türkei, weil sie da so viele griechische Ruinen haben. Mehr als in Griechenland. In der Türkei waren die Leute auch so freundlich zu mir. In Rumänien haben sie sich auch immer gefreut, wenn mal jemand zu Besuch kam, außerhalb von diesem Dracula-Schloss.
Erinnerst du dich an einen bestimmten Tag, der dir besonders viel Spaß gemacht hat?
Dieses Museum zum Anfassen in Valencia fand ich toll. Das war ein rundum toller Tag, weil man bei dem Museum selber mitmachen durfte.
Und wie war es mit dem Essen? Da hast du doch auch einiges Neues kennengelernt.
Natürlich. Von ekelig zu ganz lecker. Das Ekligste, das ich auf der Reise gegessen habe, war Oktopus auf Sizilien. Und dann war da noch so viel Leckeres, das ich gar nicht alles aufzählen kann. Solche spanischen Ringe, die man sich in den Kakao tunkt, die sind vielleicht ein Genuss!
Churros meinst du.
Ja.
Reisen bildet – manchmal unverhofft
Gibt es bestimmte Dinge, die du auf dieser Reise gelernt hast?
Schleife binden! Das ist doch mal was Gutes. Das hab ich vorher einfach nicht gelernt, weil ich es nicht können musste. Jetzt habe ich mich richtig damit befasst, weil wir mir Wanderschuhe mit Schnürsenkeln gekauft haben.
Sehr schön. Noch etwas?
Lesen und Schreiben natürlich. Kleine Buchstaben.
Und was hast du sonst noch so gelernt, was eher in Richtung Erkenntnisse geht?
Dass man bei Hunden besser vorsichtig sein soll, wenn man nicht weiß, ob sie wirklich wollen, dass man sie streichelt. Bei diesem gefleckten Hund in der Pension in Rumänien, Cookie, der nach mir geschnappt hat. Im Donaudelta. Da hatte ich diese Erkenntnis.
Großartig. Sonst noch Erkenntnisse? Über das Leben an sich?
Dass nur ein kleiner Teil der Türkei zu Europa gehört, zum Beispiel.
Glaubst du, dass du dich verändert hast auf dieser Reise?
Si, si.
Inwiefern?
Ich habe mich halt verändert. Erstmal vom Aussehen her. Jetzt habe ich wieder längere Haare. Und ich bin ein bisschen größer.
Und innerlich?
Ich glaube, das sind Sachen, die ich noch gar nicht bemerkt habe. Ach doch, von den Manieren her. Ich glaube, die sind jetzt ein bisschen besser als zu Hause. Dass man den Löffel nicht seitwärts in den Mund steckt, das habe ich jetzt verinnerlicht.
Fazit
Wenn du mal Kinder hast, würdest du die auch mit auf eine große Reise mitnehmen?
Auf viele Reisen. Aber nie auf eine einjährige. Höchstens vielleicht fünf oder sechs Monate.
Wäre es dir lieber gewesen, wir hätten diese Reise nicht gemacht?
Nein, auf keinen Fall! Mir wäre es aber lieber gewesen, wenn wir sie ein bisschen kürzer gemacht hätten.
Noch mehr Interviews mit Silas
Ganz so oft wie Janis ist Silas hier tatsächlich noch nicht zu Wort gekommen, aber ein paar Mal schon:
Das ist spannend, würde gerne wissen was Silas über das Freilernen denkt. Einfach nur anders? Besser oder schlechter? Er hat die Reise wirklich toll reflektiert.
Ich glaube, wenn jeder Freilerner wäre, würde die Gesellschaft zusammenbrechen, weil alle Schulen pleite gehen würden. Und die Lehrer würden nicht bezahlt, und die paar Leute, die ihre Kinder doch zur Schule schicken wollen, weil sie zum Beispiel arbeiten müssen, damit die ganzen Freilerner irgendwo ihr Essen kaufen können, die könnten ihre Kinder nicht zur Schule schicken, weil es keine mehr gäbe. Wenn nur Einzelne Freilerner sind, finde ich das nicht schlimm.
Ich würde trotzdem nicht Freilerner sein wollen, weil ich dann so wenig lerne. Freilerner haben ja überhaupt keinen Unterricht. Ich glaube zwar, dass man irgendwann alles Nötige für das Leben lernt, aus Erfahrung, aber erst, wenn man schon pleite gegangen ist oder sich lächerlich gemacht hat. Und da ich Wissenschaftler werden will, benötige ich wohl irgendwann einen Physiklehrer, der mehr weiß als Mama und Papa.
Hallo Stefanie, da habe ich Silas gleich mal gefragt. Seine Auskunftsfreudigkeit ließ schnell nach, weil die Tochter unserer Couchsurfing-Gastgeber nach Hause kam und gemeinsames Trampolinspringen dann wichtiger war… Unsere Bekanntschaft mit dem Freilernen war jedenfalls höchst interessant. Und Janis ist der Idee gegenüber übrigens deutlich aufgeschlossener als sein Bruder. :)
Herrlich!
:)
Bessere Manieren! :) Was will man eigentlich mehr.
Tolles Interview, hat richtig Spaß gemacht.
Ich reiche das Kompliment weiter an den beschäftigten Experten. :) Für micht war es auch sehr erhellend, was von dieser Riesenflut an Informationen und Erlebnissen in dem Moment bei ihm präsent war. Ausgerechnet die Manieren. Wird daran liegen, dass wir gestern zu dem Thema einen Kinder-Podcast gehört haben.
Großartig, dass deine beiden Jungs hier regelmäßig zu Wort kommen. Ich finde, das eröffnet eine ganz neue Sichtweise auf eure Reise. Falls du mal Zeit hast, wäre vielleicht auch dieser Blog was für dich: http://geschichten-erfahren.de/ Den jungen Mann habe ich vor ein paar Wochen interviewt, er ist mit dem Fahrrad von Rhein-Main nach Neuseeland gefahren. Eine unglaubliche Reise.
Genießt Eure letzten Tage unterwegs und kommt gut zuhause an!
Also wenn man auf Langzeiteisen bessere Manieren lernt, müssen wir sofort los ;-) Toller Typ, dein Junior, kannste ihm mal sagen!
Ein tolles Interview, Silas. Ich wünsche dir ein tolles Willkommen zuhause – Oma und Opa werden sicher dafür sorgen.
Jetzt dachte ich glatt, das ist Janis auf dem Foto oben. Langsam seht ihr euch tatsächlich ähnlich. ;-)
Herzlich, Katja
Großartig! Ich hätte noch seitenweise über Silas Erkenntnisse weiterlesen können! Sehr interessant, was er so für sich aus der Reise mitgenommen hat. Seine Formulierungen sind einfach toll!