Der Weg zum Hostel erweist sich als kleine Odyssee. Dabei ist es dasselbe, in dem wir 2002 schon einmal eine Nacht verbracht haben.
Sollten wir uns nicht auskennen? Oder sollte uns nicht zumindest das eine oder andere Wegmerkmal bekannt vorkommen? Werner, unser Navi, lotst uns munter durch all die zungenbrecherischen Ortsnamen mit den wenigen Vokalen.
Schließlich fahren wir über einen Damm und stehen vor einem Gebäude mit dem Zeichen der englisch-walisischen Jugendherbergsvereinigung YHA. „Hier waren wir aber nicht!“ sage ich skeptisch. Martin widerspricht mir halbherzig. Wir machen die Rezeption ausfindig, und richtig: Hier sind wir nicht eingebucht.
Der Manager des Danywenallt National Park Study Centres (was für ein großer Name für so ein kleines Etablissement!) ist ausgesprochen freundlich und hilfsbereit. „Das passiert ständig“, tröstet er uns. „Hier gibt es drei Hostels innerhalb von zehn Meilen, und alle werben mit den Brecon Beacons. Ich ruf mal drüben im Haupthaus an, bestimmt seid ihr da eingebucht. Das ist jedenfalls das, was ich euch empfohlen hätte, denn da ist es nett für Familien. Bei uns ist es natürlich auch nett, aber wir haben keine Selbstversorgerküche, und dann wird so ein Familienurlaub schnell teuer, nicht wahr?“ Ja, der Mann versteht uns. Danywenallt ist nicht ausgebucht, und der Manager könnte uns leicht überreden, einfach hier zu bleiben. Das Schöne an der gemeinnützigen Jugendherbergsorganisation ist aber, dass hier lauter Idealisten arbeiten, die ihre Kunden nicht ausnehmen, sondern ernsthaft ihr Bestes wollen.
Der nette Manager erledigt den Anruf und klärt die Sache für uns. Offenbar ist bei Martins telefonischer Behelfsbuchung in der YHA-Zentrale etwas schief gelaufen, und man hat uns zwar im richtigen Hostel ein Zimmer reserviert, uns aber die falsche Adresse genannt.
Wir tingeln also ein gutes Stück des Weges wieder zurück. Eine Weile warten wir vor einer Zugbrücke. Solche Konstruktionen gibt es hier allerorten. Urlaub auf dem Hausboot ist hier in Wales sehr beliebt. Familien mieten sich eins dieser schwimmenden Ferienhäuschen und schippern damit über die Kanäle. Kreuzt man eine Straße, wird diese kurzerhand hochgeklappt. Ein vielleicht zehnjähriger Junge bedient die Brücke mit wichtiger Miene und großem Ernst, während seine kleine Schwester und die Mutter uns und den anderen wartenden Autofahrern vom Kanal aus winken. „Das wollen wir auch mal machen!“ jubeln unsere Jungs.
Kurz darauf sind wir in Brecon, dem Provinzstädtchen, und dann haben wir die richtige Jugendherberge auch schon gefunden. Ja, an dieses verwinkelte alte Haus erinnere ich mich! Es ist eins von diesen Häusern mit Seele, die schon viel gesehen haben und doch immer noch stehen. Hier haben wir damals gemeinsam mit einem jungen Aushilfsangestellten aus Neuseeland über Wanderkarten gebrütet und alle drei vergeblich versucht, walisische Ortsnamen auszusprechen. Ich erinnere mich dunkel, dass es ein Foto von Martin in der Gemeinschaftsküche mit der Bruchsteinwand gibt, und knipse prompt eine Neuauflage, elf Jahre später.
Die Jungs entdecken währenddessen im Wohnzimmer die Spielesammlung und lassen sich von zwei etwas älteren englischen Mädchen zu einer Partie Monopoly überreden. Die Mädels übernehmen die Kasse, und solange der Geldfluss stimmt, haben die Jungs kein Problem damit, dass sie nicht verstehen, wo das Geld herkommt. Erst als Janis’ Finanzkraft schwindet, kommt er zu mir in die Küche und beschwert sich, dass er aufgrund mangelnder Englischkenntnisse über den Tisch gezogen worden sei. Ein weiterer Motivationsgrund für den Fremdsprachenunterricht, hoffe ich nur.
Unser Zimmer hat sechs Betten. Wir haben uns gegen eins der teureren En-suite-Familienzimmer mit Privat-Badezimmer entschieden. Richtige Entscheidung, stellt sich heraus, denn Dusche und Toilette sind direkt gegenüber. Wir müssen die Einrichtungen nur mit den Bewohnern zweier weiterer Zimmer teilen, von denen nur eins belegt ist. Alle Mann hüpfen wir nacheinander unter die Dusche und fühlen uns nach unserem Couchsurfing-Abenteuer endlich wieder richtig sauber. Unsere letzte Nacht in Wales verbringen wir glücklich und zufrieden.
Diesen Eintrag meines Reisetagebuchs habe ich am 28. August 2013 verfasst.
Alle Jugendherbergen der YHA-Organisation in England und Wales können über die Webseite der Organisation ausführlich angesehen, verglichen und gebucht werden. Das wunderschöne Haus in Brecon schließt leider Ende des Monats für immer, wie ich zu meinem Entsetzen gerade festgestellt habe.
Lieben Dank für diesen tollen Bericht! Am Wochenende werde ich hier auf dem Blog mal etwas länger stöbern…im Moment fehlt mir die Zeit…LG Lotta.
Das klingt sehr schoen. Wie schon gesagt, mach Dir keinen Stress, ich weiss, wie es ist, wenn man Beruf, Bengels und Blog unter einen Hut bringen will ;-). Liebe Gruesse, Peggy