Lemgo ist eine von diesen zuckersüßen Städtchen im Weserbergland, die immer einen Ausflug lohnen. Was man in Lemgo mit Kindern unternehmen kann – zumal im Winter – erzähle ich in diesem Erfarhungsbericht.
Lemgo im Winter
Klar, im Sommer macht jedes Ausflugsziel mehr her. Wir brauchen aber eins Anfang Januar. Der Dreikönigstag ist traditionell bei uns ein Tag für einen Familienausflug. Wohin es geht, weiß bei Tagesanbruch niemand mit Sicherheit, denn das Ziel bestimmt der König. Den König wiederum bestimmt die Mandel. Die ist in einem der Muffins versteckt, die es zum Frühstück gibt.
König Silas II. (dessen Findeglück ihm schon vor drei Jahren hold war) zieht es diesmal nach Lemgo, um der Sache mit den Hexen auf den Grund zu gehen. Das Zauberwort, das König Silas‘ Entscheidung beeinflusst, lautet „Hexenbürgermeisterhaus“. Das klingt zugegebenermaßen ziemlich spannend, und in der Tat ist es das auch.
So passiert es, dass wir Lemgo mit Kindern im Winter erkunden. Spoiler: Kalt ist es, aber doch durchaus zu empfehlen!
Ausflug in die Hexenstadt
Lemgo ist eine alte Handelsstadt mit einer reichen Geschichte bis ins frühe Mittelalter. Aber das Thema, das wirklich zieht, ist die Hexenverfolgung. Die hat die kleine Stadt im Lipperland stärker getroffen als die meisten anderen Regionen Deutschlands und Europas. Dokumentiert ist die ganze Misere im Hexenbürgermeisterhaus, welches das Museum für Stadtgeschichte beherbergt.
Geografisch ist Lemgo in Ostwestfalen zu verorten. Bis Bielefeld ist es nicht weit, Detmold, Herford und Bad Pyrmont liegen in der Nähe. Heute hat die Stadt rund 41.000 Einwohner, die mit den gefürchteten LIP-Kennzeichen herumfahren.
Geocaching mitten in Lemgo
Bevor wir uns dem in den dunkelsten Farben schillernden Kapitel der Stadtgeschichte zuwenden, hat Silas aber andere Pläne. Ein weiterer Eintrag auf der Liste seiner möglichen Regierungsentscheidungen lautet Geocaching, und tatsächlich kann man das wunderbar mit einem Ausflug nach Lemgo verbinden. Ein kurzer Blick auf unsere App (wir nutzen die kostenlose Version von „CacheSense“) verrät uns, dass die Altstadt voll mit versteckten Mini-Schatzkisten ist. So verwandelt sich mein Handy blitzschnell in eine virtuelle Wünschelrute.
Wir betreiben dieses Hobby immer nur so mittel-ernsthaft, sodass wir im Zweifelsfall den „karibischen Traum“ unberührt hoch über unseren Köpfen hängen lassen. Überhaupt läge unsere Finde-Quote ohne Janis wahrscheinlich bei unter 10 Prozent.
Da wir den Großen dabei haben, bergen wir aber wenigstens auf dem Waisenhausplatz ein in herrlich unschuldiger Offensichtlichkeit verborgenes Mikro-Schätzchen. Stolz tragen wir unseren Benutzernamen in das winzige zusammengerollte Logbuch ein, bevor wir die an belebten Plätzen selten einfache Aufgabe bewältigen, das Ding möglichst unauffällig wieder an seinen Platz zurückzustecken.
Die Bücherei in der Telefonzelle
Ein schöner Nebeneffekt bei der GPS-gestützten Schatzsuche in Innenstädten ist, dass Eltern sich in aller Ruhe die Stadt ansehen können, während die Kinder beschäftigt sind. Auf diese Weise bekomme ich alle hübschen Weserrenaissance-Fassaden zu sehen, die ich möchte.
Am besten gefällt mir aber die Sehenswürdigkeit direkt auf besagtem Waisenhausplatz: eine ausrangierte englische Telefonzelle, die die Mitarbeiter der Lemgoer Stadtbibliothek zu einer Außenstelle umfunktioniert haben. Hier darf jeder selbstständig Bücher ausleihen und sie „innerhalb angemessener Zeit“ zurückbringen oder auch durch eigene Lektüre ersetzen. Das Vertrauensprinzip funktioniere ganz gut, erzählt mir der Mitarbeiter, der zufällig gerade nach dem rechten schaut, als unsere Jungs den kleinen Lesetempel stürmen wollen.
„Hat ein bisschen was von Harry Potter“, urteilt Silas entzückt.
Jetzt aber: Hexenbürgermeisterhaus
Inzwischen sind wir angemessen durchgefroren und museumsreif. Also machen wir uns auf den Weg zum Stadtmuseum von Lemgo, das in besagtem Hexenbürgermeisterhaus untergebracht ist. Es liegt ein bisschen außerhalb in der Breiten Straße, vielleicht fünf Minuten Fußmarsch von der Hauptfußgängerzone in der Mittelstraße entfernt. Auf jeden Fall lohnt sich der Weg, allein schon für einen Blick auf die Fassade. Adam und Eva frohlocken unterm Apfelbaum, und oben unterm Dach thront der auferstandene Christus. Das Haus stammt aus dem Jahr 1571 und gilt als das schönste Bürgerhaus von Lemgo.
Innen wird es noch interessanter. In der 2007 völlig neu gestalteten Dauerausstellung erfahren wir alles über die Lemgoer Stadtgeschichte – und natürlich endlich auch alles über die Hexen.
Dass es hier nicht um abenteuerlich-niedliche Geschichten a la Harry Potter geht, ist den Jungs von vornherein klar. Aber als wir uns die Leidenswege der Menschen vergegenwärtigen, die schon nach kleinsten Anschuldigungen erst auf der Streckbank und dann fast unweigerlich auf dem Scheiterhaufen landeten, verwandelt sich die Neugier auf ihren Gesichtern doch schnell in Betroffenheit. 272 Frauen und Männer sind in Lemgo während des Hexenwahns innerhalb weniger Jahrzehnte zum Tode verurteilt worden – bei nicht einmal 5000 Einwohnern eine stattliche Zahl. Nachdem die reiche Stadt durch den 30-jährigen Krieg und mehrere Pestwellen in der Folge einen wirtschaftlichen Niedergang erleben musste, machte sich eine Atmosphäre des Misstrauens und der Angst breit. Als dann der Rechtsgelehrte Hermann Cothmann 1666 erst Vorsitzender des Gerichts und dann auch noch Bürgermeister wurde, nahm das Unheil richtig seinen Lauf.
Cothmann lebte in besagtem Bürgerhaus, das er nach einigen Querelen von seinen Eltern übernommen hatte: Seinen Vater hatte wirtschaftlicher Ruin ereilt, nachdem die Mutter als Hexe hingerichtet worden war. Voll krass, wenn man mal darüber nachdenkt – einerseits, dass der Sohn einer „Hexe“ überhaupt Bürgermeister werden konnte, als wäre nichts gewesen, und andererseits, dass der dann zum erbittertsten Hexenverfolger der Stadtgeschichte wird. Unter seinen Opfern waren nicht nur (wie auch andernorts üblich) viele unbescholtene Frauen, sondern auch Amts- und Würdenträger wie der Pfarrer, der Apotheker und ein Lehrer (der unter der Folter 17 seiner Schüler belastete, was unweigerlich für weitere Tragödien sorgte).
Öffnungszeiten des Museums im Hexenbürgermeisterhaus: Dienstag bis Sonntag, 10 bis 17 Uhr. Eintritt frei (auf Spendenbasis).
Schönes Café in Lemgo: Café Mia
Ich bin diejenige mit dem ernsthaften Hang zu Schokoladentorte in hübschen Cafés. Aber als erfolgreiche Mutter habe ich diese Liebe offenbar bereits weitergegeben. „In ein schönes Café gehen“ ist deshalb ein weiterer ausdrücklicher Wunsch von König Silas.
Wir entscheiden uns für das Café Mia, weil es bei Google Places gute Bewertungen hat und außerdem auf dem Weg zurück zum Parkplatz liegt. Und die Entscheidung ist gut, denn der Kuchen ist hervorragend (vor allem die Schokoladen-Erdnuss-Torte!). Die Inhaberin ist wirklich nett. Und es gibt heiße weiße Schokolade (ein absolutes Café-Qualitätsmerkmal für unsere Jungs).
Cafe Mia, Breite Str. 63, Lemgo. Öffnungszeiten: täglich außer montags 9 bis 18 Uhr.
Statt Absacker: Eine Runde Bowling
Und so ist unser Dreikönigstag fast schon wieder vorbei. Aber einen Wunsch hat er noch, unser König des Tages. „Bowling“ haben wir mehr oder weniger aus Verzweiflung auf die Liste geschrieben, damit nicht nur Dinge drauf stehen, die in Wirklichkeit vor allem wir Erwachsenen machen wollen. Die Bowlingbahn vom „Ramba-Zamba“ in Luhden liegt auf dem Heimweg, und eine Runde dauert ja kaum eine Stunde. So schließt sich denn der Kreis zu Silas‘ erster Regentschaft. Denn die hat er hier nebenan im Indoor-Spielplatz verbracht.
Wir haben Glück und dürfen spontan eine Bahn mieten (es ist allerdings die letzte, die noch frei ist; Vorbuchen ist also generell keine schlechte Idee). Dank der Kinder-Reling, die ein Verschwinden der Kugel in der „Gosse“ verhindert, ist Silas dann sogar so gut, dass er die familieninterne Meisterschaft gewinnt (Einäugiger unter Blinden und so). Entsprechend zufrieden ist der Herr mit seinem gewonnenen Ehrentag.
Mal sehen, ob wir nächstes Jahr mal ein wenig Abwechslung in die Ämtervergabe kriegen…
Mehr Ausflugsziele in Ostwestfalen
Zu allen Jahreszeiten sind wir gerne unterwegs. Über die meisten unserer Ausflüge berichte ich. So hat sich über die Jahre ein stattliches Archiv entwickelt. Orte und Ausflugsziele in der Nähe von Lemgo, über die ich geschrieben habe:
- Bielefeld mit Kind: Unsere Tipps
- Externsteine: Unser Perfekter Familienausflug
- Bad Pyrmont: Familienausflug in die Kurstadt
- Minden mit Kindern: Ideen für einen Ausflug nach Ostwestfalen
- Porta Westfalica: Audienz beim Kaiser
- Rinteln mit Kindern: Durch die Altstadt von Spielplatz zu Spielplatz
Insgesamt gibt es deutschlandweit hier über 180 Berichte über Reise- und Ausflugsziele in meinem Reiseblog. Die komplette Übersicht samt Kartenansicht gibt es hier:
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