Jeder weiß, was die Hanse ist. Oder? Klar, das weiß man. Irgendwas mit Handel. Aber was haben diese ganzen Hansestädte da früher jetzt genau gemacht? Wieso war das so wichtig, dass die Mitglieder dieses exklusiven Clubs heute noch mit ihrem Titel angeben und das Hansestadt-H bis ins Autokennzeichen mitschleppen? Wir haben uns die Sache genauer erklären lassen, und zwar im äußerst stimmungsvoll aufgebauten und ebenso lehrreichen Europäischen Hansemuseum in Lübeck.
Dass wir im Hansemuseum landen, ist mal wieder so eine Spontan-Aktion. Auf dem Weg nach Bad Doberan an die Ostsee wollen wir einen Zwischenstopp einlegen, und nicht zum ersten Mal fällt unsere Wahl auf Lübeck. Die Stadt ist total schön zum Bummeln, und wir lieben Marzipantorte.
Aus unserem Standard-Spaziergang mit Einkehr bei Niedereggers wird diesmal aber nichts, denn kaum fahren wir von der Autobahn ab, öffnet der Himmel seine Schleusen. Also werfe ich ganz schnell die Suchmaschine an: Was kann man in Lübeck bei Regen mit Kindern machen? Und siehe da: Die haben ein ganz famoses Museum, seit 2015 schon, und wir haben es gar nicht mitgekriegt!
Ab ins Museum!
Den Monumentalbau finden wir außerhalb des Zentrums an der Untertrave. Es ist ein Neubau, zumindest nach vorne raus, der die Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft schlagen und die Macht vermitteln soll, die die Hanse in Europa einst verkörperte. Unzählige einzelne Backsteine ergeben ein Riesending: Auch das hat Symbolcharakter. Wir fühlen uns klein, als wir die Treppe in den wuchtigen Bau hinaufsteigen.
Gar nicht weit von dem modernen Eingang geht es tief in die Geschichte. Ein altes Dominikanerkloster ist in das Gebäudeensemble integriert, das zwischenzeitlich auch ein Gericht mit Gefängnis beherbergte.
Unsere ganz persönliche Zeitreise
Bevor wir die Ausstellung betreten, müssen wir erst einmal Entscheidungen treffen. In welcher Sprache wir das Museum erkunden wollen, ist schnell bestimmt, neben unserer Muttersprache stünden sonst noch Englisch, Schwedisch und Russisch zur Wahl.
Als nächstes können wir uns ein Themengebiet und eine Hansestadt aussuchen, die uns besonders interessieren. Janis wählt Rostock, schließlich sind wir mehr oder weniger dort hin auf dem Weg. Ich entscheide mich für Edinburgh – ich wusste nicht mal, dass die Hanse bis nach Schottland reichte! Auch die anderen beiden suchen sich eine Lieblingsstadt aus der langen internationalen Liste aus. Unsere Wahl wird auf dem Ticket elektronisch vermerkt. Es ist jetzt unsere persönliche Fahrkarte durch die 800-jährige Geschichte der Hanse.
Mit dem Fahrstuhl in die Vergangenheit
Als Zeitmaschine dient ein Lift. Er bringt uns in die Anfangszeit der Hanse. Das heißt, genaugenommen landen wir sogar noch tiefer in der Vergangenheit, denn als allererstes bekommen wir die Reste von Lübecks ältesten Fundamenten zu sehen, die Archäologen hier unter dem Dominikanerkloster ausgegraben haben. Im 8. Jahrhundert errichteten slawische Fürsten hier eine Burg, bevor Graf Adolf II. von Schaumburg kam („unserer“) und im 12. Jahrhundert das heutige Lübeck gründete.
Knapp ein Jahrhundert später kam das Kloster dazu, und an dessen Außenmauer bildete sich eine Müllkippe. Dieses archäologische Eldorado haben wir jetzt voll im Blick.
Der Anfang liegt in Russland – vielleicht
Nach dem kurzen Streifzug durch diese ganz handfesten Hinterlassenschaften der Stadtgeschichte (keine Angst, heute ist das alles ganz sauber) betreten wir die Dauerausstellung des Hansemuseums.
Auch sie beginnt im buchstäblichen Dunkel der Geschichte. Die Anfänge der Hanse liegen kurz vorm russischen Nowgorod. 1193 kam es an der Mündung der Newa zu einer Art Initialzündung, als sich erstmals mehrere Händler aus dem niederdeutschen Raum mit ihren Schiffen zusammenschlossen und einen gemeinsamen Vertreter wählten, um im fremden Russland ihre Interessen zu verfolgen.
Einen offiziellen Beginn der Hanse gibt es aber gar nicht. Die Angelegenheit ist einfach so gewachsen, hat möglicherweise mehrere Ursprünge, die sich später zusammengefunden haben. Es gibt keine Gründungsurkunde – was die Hanseaten selbst verblüffte, als sie Anfang des 15. Jahrhunderts in Lübeck, Köln und London danach suchten und keine finden konnten.
Wechselbad aus Atmosphäre und Informationen
Immer abwechselnd geht es im Folgenden in toll gemachte Erlebnisräume im mystisch anmutenden Zwielicht und in helle Ausstellungssäle.
Letztere entsprechen eher klassischen Museumsvorstellungen und zeigen viele Originale, teils multimedial aufbereitet. Mit unserem personalisierten Ticket können wir an mehreren Stationen zusätzliche Informationen zu unseren Lieblingsthemen abrufen.
Und dann wird es immer wieder richtig stimmungsvoll in den mit viel Liebe zum Detail gestalteten Themenräumen. Auch hier gibt es massenhaft Infos auf den leuchtenden Displays, vor allem aber darf hier angefasst und ausprobiert werden.
Auf diese Weise durchlaufen wir die Entwicklung des Städtebunds vom rasanten Aufblühen Lübecks bis in ein schummriges Stoffkontor im belgischen Brügge. 1367 landen wir mitten in der Pest-Epidemie und schließlich 1518 auf dem Hansetag.
Die Hanse von Anfang bis Ende – und darüber hinaus
Da hatte der schleichende Niedergang der Riesenorganisation längst begonnen. Der kontinuierliche Wandel über eine Zeitspanne von 800 Jahren ist es, der die Sache so spannend macht: von einem kleinen persönlichen Schutz- und Interessenbündnis bis hin zu einem schwerreichen internationalen Zusammenschluss von beinahe 300 Städten in fast ganz Europa und zum Zerfall durch neue gesellschaftliche Strukturen.
Dass nach der offiziellen Auflösung der Hanse – die es im Gegensatz zur Gründung tatsächlich gab – trotzdem nicht alles aus und vorbei war, verdeutlicht uns das letzte Kapitel des Museumsrundgangs. Die Erben und Spuren der Hanse sind ebenfalls noch mal ein spannendes Thema!
Das europäische Hansemuseum mit Kindern
Wir haben das Hansemuseum mit unseren beiden Jungs besucht, die 13 und 11 Jahre alt sind. Die beiden hatten – zumindest nach Überwindung der altersgemäßen Null-Bock-Attitüde – viel Spaß und haben auch einiges an Wissen mitgenommen.
Speziell für Kinder gibt es im Hansemuseum eine Verkleidungsecke im Brügger Stoffkontor. Die detailliert gestalteten Ausstellungsräume, die alle Sinne ansprechen, faszinieren auch jüngere Besucher. An vielen Stationen gibt es Angebote zum Anfassen und Selbermachen.
Ganz Kleinen und Zartbesaiteten könnte in den düsteren und teils durch Soundeffekte untermalten Inszenierungen schnell ein bisschen mulmig werden.
Die Hanse ist ein recht komplexes Thema. Wenn die Eltern sich dafür interessieren, ist es sicher möglich, auch kleinere Kinder auf eine Weise „mitzuschleppen“, dass diese sich ganz gut unterhalten fühlen. Sie wirklich in die Wissensvermittlung über die Sache an sich mit einbeziehen würde ich sie wohl erst ab etwa acht Jahren. Das Besondere der Hanse ist schließlich, dass sie unabhängig von den Grenzen der Territorialstaaten bestand. Wer noch keine gesicherte Vorstellung hat, was das überhaupt ist, findet alle Vorstellungen jenseits davon vermutlich überfordernd.
Unser Fazit zum Europäischen Hansemuseum in Lübeck
Wir sind sehr glücklich, dass wir dieses hervorragende Museum gefunden haben! Bei unserem Besuch hatten wir Spaß und haben ziemlich viel gelernt. Das Hansemuseum bietet eine schöne Mischung aus Unterhaltung und Informationsvermittlung. Zwar besteht die Gefahr, sich passiv durch die Inszenierung treiben zu lassen. Gerade aber durch die Möglichkeit, über das personifizierte Ticket mehr über die eigenen Lieblingsthemen und -städte zu erfahren, wird die Motivation geweckt.
Ein schönes Beispiel dafür, wie man ein ungeheuer komplexes Thema unterhaltsam und bereichernd vermitteln kann.
Praktische Informationen zum Europäischen Hansemuseum
Adresse: An der Untertrave 1 in Lübeck.
Parken: Wir haben auf der anderen Traveseite unter der Burgtorbrücke geparkt und sind dann kurz durch den Regen gelaufen. Es gibt sicher sinnigere Möglichkeiten zum Parken. Am Burgtor gibt es ein Parkhaus.
Öffnungszeiten: täglich 10 bis 18 Uhr.
Eintritt: Familienticket (2+8) 31 Euro. Einzeln zahlen Erwachsene 12,50 Euro, Kinder ab sechs 7,50 Euro.
Mehr Infos: gibt es auf der Webseite des Hansemuseums.
Unsere Top Ten deutscher Museen
Übrigens: Das Europäische Hansemuseum Lübeck hat es in unsere ganz persönlichen Top Ten der Museen in Deutschland geschafft!
Mit Kindern ins Museum: Unsere Top Ten der besten Museen in Deutschland
Mehr über Lübeck
Einen immer noch aktuellen Bericht über Lübeck mit Kindern habe ich hier geschrieben:
Lübeck mit Kindern: Marzipan und mehr
Und auch meine Reiseblogger-Kollegin Nadine von Planet Hibbel war mit ihren Kindern schon in Lübeck (und auch im Lübecker Hansemuseum).
Transparenzhinweis: Bei solchen Spontanaktionen zahlen wir natürlich selbst, und meistens denke ich mir erst hinterher, dass daraus ja auch ein Blogbeitrag werden könnte. Öfters wird keiner draus, oder erst sehr viel später. Das ist eigentlich der einzige Unterschied bei mir zwischen Kooperations-Artikeln und solchen ohne.
Liebe Lena, hätten wir das mal eher gewusst! Wir waren vor zwei Jahren (auch auf der Durchreise) in Lübeck. Natürlich haben wir Marzipantorte gegessen und das Marzipanmuseum besucht, aber das Museum ist uns gar nicht „über den Weg gelaufen“. Hätten wir das da schon gewusst, hätten wir sicherlich noch einen Tag verlängert, denn wir waren auf der Heimreise und das wäre kein Problem gewesen. Toll, dass du es hier vorstellst und ein toller Bericht! Liebe Grüße, Nina
Wir sind auch zwei Mal in Lübeck gewesen, bis es uns aufgefallen ist. Vielleicht ergibt sich für euch ja ein anderes Mal noch eine Gelegenheit. Oder ihr nutzt es gezielt für einen Lübeck-Trip. ;)
[…] beginnt die Zeitreise durch die Jahrhunderte. Langweilig wird es den Pubertierenden nicht – Family4travel hat es […]