In meinem Reiseblog schreibe ich viel darüber, wie schön es anderswo ist. Unseren Heimatort Obernkirchen will ich darüber aber nicht vergessen. Der Mittelpunkt vom Schaumburger Land bietet immerhin 7 gute Gründe für einen Ausflug!
Obernkirchen als Ausflugsziel: Die Basics
Obernkirchen ist eine kleine Stadt im niedersächsischen Landkreis Schaumburg. „Stadt“ ist dabei nicht gelogen, weil Kaiser Barbarossa es 1181 so erlassen hat. Verwaltungsrechtlich ist es nämlich keine mehr, seit die Zahl der Einwohnenden um die Jahrtausendwende unter 10.000 gesunken ist.
Zwischen dem wunderschönen Bückeburg, dem Weserradweg-Städtchen Rinteln und der Kreisstadt Stadthagen hat Obernkirchen einen nicht ganz leichten Stand. Das heißt aber nicht, dass es in meiner Heimatstadt nichts zu entdecken gäbe! Immerhin haben wir das Sonnenbrinkbad mit 50-Meter-Bahn und chlorfreiem Salzwasser. Und das Geburtshaus des berühmten Puddingpulver-Erfinders Dr. Oetker! (Zu finden schräg gegenüber vom Rathaus, mit Plakette. – Zugegebenermaßen ist das unspektakuläre Gebäude aber doch sehr schnell abgehakt beim Sightseeing in Obernkirchen.)
Statt einzelne Sehenswürdigkeiten aufzuzählen, liefere ich in diesem Beitrag ein paar Ansatzpunkte für einen gelungenen Ausflug nach Obernkirchen. Wäre das nicht mal was für einen netten Sonntag?
#1: Kunst aus Obernkirchener Sandstein
Alle drei Jahre wählt ein Gremium aus hunderten von Bewerbungen zehn Bildhauer und Bildhauerinnen aus, die dann zwei Wochen lang öffentlich Kunst schaffen. Grundlage ist dabei der Obernkirchener Sandstein. Der genießt wegen seiner extrem feinen Körnung und seiner Witterungsbeständigkeit bei Kunstschaffenden und im Handwerk besondere Beliebtheit. Verwendung findet er beispielsweise im Kölner Dom. Dessen Türme bestehen aus Obernkirchener Sandstein, und auch alle Ausbesserungsarbeiten werden wohl mit diesem Rohstoff höchster Qualität vorgenommen. Die Liste berühmter Bauwerke, bei denen es sich ähnlich verhält, ist lang.
Seit 1988 sind in Obernkirchen so viele Skulpturen entstanden, dass die kleine Stadt im Schaumburger Land ganz übersät damit ist. Ein extra ausgewiesener Spaziergang klappert sie alle ab. Den dazugehörigen Flyer gibt es in der Obernkirchen-Info in der Friedrich-Ebert-Straße, in der Bücherei und online hier. In dem Beitrag „Auf dem Skulpturenweg“ habe ich über unseren eigenen Spaziergang 2014 geschrieben.
Das nächste Bildhauer-Symposion in Obernkirchen ist für 2024 geplant: vom 25. August bis zum 8. September. Nähere Informationen gibt es hier auf der IOBS-Website.
# 2: Bergbau-Geschichte hautnah
Der Sandstein hat Obernkirchen einen gewissen Ruhm gebracht, aber geprägt hat die Stadt viel mehr der Bergbau. Ein eigentlich eher mickriges Kohleflöz zieht sich durch den Bückeberg und bis hinein in die Schaumburger Mulde. Schon im 14. Jahrhundert baute man hier nachweislich Kohle ab. Bis nach dem zweiten Weltkrieg war Obernkirchen eine Bergbau-Stadt.
Auf diese Spuren begeben wir uns eines Nachmittags mit Gerhard Radke. Der pensionierte Lehrer bietet nämlich immer mal wieder kostenlose Führungen zu diesem Thema an. Silas motzt ein bisschen, denn es ist heiß und der Weg geht mitunter steil bergauf. Aber Janis ist ganz Ohr.
„Ich wusste überhaupt nicht, dass der Strull früher ein richtiges Bergarbeiter-Viertel war“, beschwert er sich bei mir. „Und dass hier unter den Straßen überall alte Stollen sind.“
Auch ich lerne noch viel Neues. Gemeinsam erkunden wir Pfade, die ich seit Jahrzehnten nicht mehr gelaufen bin, wenn überhaupt. Gerhard Radke zeigt uns das Wohnhaus von Karl Abel, der als Abgeordneter der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) im preußischen Landtag saß. Dann kommen wir am Saal der alten Gaststätte am Sülbecker Weg vorbei, den die Arbeiter nach Feierabend unter Missbilligung des Bürgertums zur Turnhalle ihres eigenen Sportvereins umfunktionierten. Und wir wandern an der „Kohlenkirche“ vorbei, der alten Brikettfabrik, wo pensionierte Bergleute noch bis in die 1970er Jahre ihr vertraglich zugesichertes Kohlen-Kontingent abgeholt haben.
Termine für geführte Touren 2024 konnte ich selbst nirgendwo finden. Auf der Website der Schaumburger Landschaft lassen sich jedoch jede Menge Begleithefte für Ortsspaziergänge auf eigene Faust herunterladen. Für Obernkirchen sind gleich drei verschiedene vorhanden, eine natürlich auch zur Bergbaugeschichte. Außerdem empfiehlt sich bei Interesse ein Besuch im kleinen Berg- und Stadtmuseum auf dem Kirchplatz. Das hat mittwochs und sonntags von 15 bis 18 Uhr geöffnet – aber überprüft das lieber jeweils aktuell auf der Website.
#3: Die Aussicht von der Liethhalle
Als wir bis zur Lieth gelaufen sind, muss sogar Silas zugeben, dass sich der Weg gelohnt hat. Vor uns breitet sich die Norddeutsche Tiefebene aus. Wir haben den ganzen Ort gut im Blick.
Die Liethhalle birgt für mich ganz persönliche Erinnerungen an meine Jungend. Hier habe ich seinerzeit der Boyband Caught in the Act zugejubelt und mir bei den berüchtigten „School’s Out“-Partys Autogramme von Blümchen und Heath Hunter geholt. Lange ist’s her… Dank Gerhard Radke erfahre ich vom geschichtlichen Hintergrund der ganz aus Holz gebauten Veranstaltungshalle: 1933 ließen sie die Nazis errichten. Mit den dazugehörigen groß aufgezogenen Bergmannsfesten ließen sie die Arbeiter vergessen, dass die Tage der Selbstverwaltung vorbei waren. Heute spielt der Platz noch eine Rolle bei den Schützenfesten und verschiedenen anderen Veranstaltungen.
#4: Obernkirchener Stift
Das ehemalige Nonnenkloster ist die Keimzelle der Ortschaft. Nach der Reformation wandelte sich einiges in Obernkirchen. Hauptsächlich betraf das jedoch den Namen der Einrichtung, in der weiterhin ledige Frauen aus gutem Haus ein Leben in Arbeit und Gebet verbrachten. Das Stift hat eine wahnsinnig spannende Geschichte, vor allem als Standort der Landfrauenschule im frühen 20. Jahrhundert. Damals absolvierte hier zum Beispiel die spätere Königin von Griechenland ihre Ausbildung. Noch heute leben in dem Gebäudekomplex einige Stiftsdamen unter der Leitung einer Äbtissin. Außerdem dient er als Veranstaltungsort für klassische Konzerte und Ausstellungen. Wer auch in den wunderschönen Garten und die Räume im Obergeschoss mit der prächtigen Deckengestaltung schauen möchte, bekommt auf einer der regelmäßigen Führungen dazu Gelegenheit.
Führungen durch das Obernkirchener Stift gibt es von April bis einschließlich Oktober jeden Samstag um 15 Uhr. Auch hier empfiehlt sich eine aktuelle Überprüfung der Angaben auf der Website. Und seit 2022 hat in den Räumen des Stifts außerdem ein uriges Gästehaus eröffnet. Wer eine Unterkunft in Obernkirchen sucht, sollte sich das unbedingt mal ansehen! (Nachdem ich den „Westflügel“ selbst lange nur aus dem Internet kannte, habe ich in den Räumlichkeiten inzwischen eine Tagung mitgemacht. Es ist dort wirklich super gemütlich!)
#5: Mysteria Escape – der beste Escape-Room der Region
Escape-Rooms liegen im Trend. Überall schießen die kommerziellen Rätselräume wie Pilze aus dem Boden. Auch Obernkirchen hat einen. Allerdings nicht irgendeinen! Mysteria Escape gehört zu den besten in weitem Umkreis. Die beiden Abenteuer „Haunted Hotel“ und „Geheimnis des Bermuda-Dreiecks“ sind auf diversen deutschlandweiten Bestenlisten ziemlich weit oben verzeichnet. Ganz neu am Start ist „Smart Home“, das in Sachen Interaktivität jede Vorstellungskraft sprengt. Wir haben mittlerweile schon so einige Escape-Rooms durch und können bestätigen: Der hier ist etwas Besonderes.
Einen ausführlichen Erfahrungsbericht habe ich hier verfasst: Mysteria Escape Obernkirchen – Abenteuer Escape-Room.
#6: Dinosaurierspuren Obernkirchen
Die größte Sehenswürdigkeit von Obernkirchen liegt ein ganzes Stück außerhalb der Stadt. Für die hervorragend erhaltenen Dinosaurierfährten im Bückeberg ist die Stadt weltweit bekannt (unter paläontologischen Fachleuten). Wer die stattlichen Fußabdrücke im Gestein sehen will, fährt von Obernkirchen aus gute zehn Minuten in den Wald. Vom Wanderparkplatz aus sind es dann noch einmal mindestens zwei Kilometer zu Fuß. Ein 4,5 Kilometer langer Rundweg kombiniert die Aussichtsterrasse inklusive begehbarer Dinospuren mit Infotafeln zum Thema und einigen Bergbau-Hinterlassenschaften.
Was so besonders ist an „unseren“ Dinosaurierfährten und allerlei Hintergrundwissen sowie unsere persönlichen Erfahrungen vom Wanderweg habe ich hier einfließen lassen: Wo die wilden Dinos wohnten.
Wer von Obernkirchen aus nicht erst ins Auto steigen möchte, findet übrigens an der Straße neben der katholischen Kirche eine Steinplatte mit Dinosaurier-Trittsiegeln. Auch im Heimatmuseum sind etliche Dino-Dinge ausgestellt.
#7: Einkehrmöglichkeiten in Obernkirchen
Was wäre ein Ausflug ohne eine schöne Einkehrmöglichkeit? Bei den Restaurants kenne ich mich leider nicht wirklich aus. Wir bestellen manchmal Pizza in der griechischen Gaststätte Labyrinth, die ganz gut ist. (Das Geld, das andere Leute vielleicht in Restaurants tragen, verprassen wir mit Hingabe für Kaffee und Kuchen. Deshalb habe ich zwar einen Guide für schöne Cafés in Schaumburg geschrieben, kann aber praktisch null Restaurant-Tipps liefern.)
Le Petit Café Obernkirchen
Endlich hat Obernkirchen wieder ein schönes Café! Le Petit Café befindet sich in der Friedrich-Ebert-Straße (der ehemaligen Fußgängerzone), direkt gegenüber der Info-Galerie. Das alte Fachwerkhaus ist urgemütlich eingerichtet. Hier serviert Galina, die aus Riga stammt. Ihr Cappuccino ist hervorragend. Auch frühstücken soll man hier sehr gut können (am liebsten mit Vorbestellung), das habe ich noch nicht ausprobiert. Geöffnet ist Mittwoch bis Samsag von 9 Uhr bis 17 Uhr, sonntags erst ab 10.
Eggelmanns Hofcafé in Gelldorf
Eine weitere Café-Empfehlung habe ich noch für den Ortsteil Gelldorf. Im Hofcafé Eggelmann gibt es in richtig dörflichem Ambiente hausgebackene Torten und Kaffeespezialitäten in der alten Diele oder im Sommer auf dem Hof. Neuerdings gibt es einen tollen Spielplatz dazu, plus Ziegengehege.
Mehr Tipps für Obernkirchen und Umgebung
Wenn ihr vor oder nach dem „Sightseeing“ in Obernkirchen gerne einfach noch eine Runde Spazieren gehen möchtet, empfehle ich euch diesen Beitrag, in dem es gleich eine ganze Auswahl von kurzen Wanderrunden gibt:
Wandern in Obernkirchen: 6 familienfreundliche Runden im Bückeberg
Ganz viele weitere Tipps für die Gegend zwischen Hannover und Bielefeld, zwischen Weserbergland und Steinhuder Meer, gebe ich in der Kategorie Schaumburger Land.
Transparenz-Hinweis: Dieser Artikel ist ursprünglich 2015 erschienen und wurde damals mit einer eher symbolischen Summe vom Schaumburger Land Tourismusmarketing e.V. unterstützt. Seit damals ist der Text grundlegend überarbeitet worden. Außerdem wurden mir keine inhaltlichen Vorgaben gemacht und es wurde auch keine Freigabe verlangt. Alles beruht auf meiner persönlichen Meinung und journalistischen Grundsätzen. Ich verzichte daher darauf, den Text weiterhin als WERBUNG zu kennzeichnen.
Sehr schön! :) Aber ich habe einen Fehler gefunden: Der elfte September ist ein Freitag, kein Sonntag.
Ups, danke schön. Korrigiere ich sofort.
Ich kann dir da nur zustimmen, außerdem gibt es eine faszinierende Szene von „Ehrenamtlichen“, die gerade wieder aktiv sind.
Ja, das stimmt. Hier wird richtig viel ehrenamtlich gerissen. Vor ein paar Tagen habe ich beim Deutschunterricht für Flüchtlinge meine Hilfe angeboten – wurde dankend abgelehnt, sind schon mehr als genug Freiwillige im Einsatz. Auch im Museum gibt es ein ziemlich großes Team, hab ich jetzt erfahren. Find ich gut!
Und der Sonnenuntergang ist in Obernkirchen wirklich was Besonderes!
Auf jeden Fall! :) Sonnenuntergang an der Lieth müsste der Hammer sein, die Ausrichtigung stimmt. Wir begnügen uns immer mit unserem Wohnzimmerfenster. :)
Hallo, ich lebe in British Columbia, Canada (I’m a Canadian) und wundere mich ob es in diesem blog auch etwas ueber einer uralten Ruine in dieser Gegend gibt? „at Huehnerbach near Obernkirchen are the ruins of an old Saxon fortress…with circular ramparts…“ (wikipedia)
Ich war in Obernkirchen mit meiner Familie in 1968 und habe ein Foto von einer „Mauer“ und wurde gerne wissen ob es diese Ruine ist.
By the way, super blog!!!
Liebe Barbara, es gibt die Alte Bückeburg in Obernkirchen am Hühnerbach, vermutlich der erste Stammsitz der Grafen von Schaumburg aus der Zeit der Christianisierung. Leider ist davon fast nichts mehr übrig. Ich habe als Kind gelernt, wo das ist, bin aber neulich dran vorbei gegangen und habe nichts gefunden. Es muss noch einige Bodenerhebungen geben (die circular ramparts), aber Mauern stehen gar nicht mehr. Ich schaue mir das Foto aber gerne einmal an und gucke, ob ich es wiedererkenne.
Viele Grüße nach Kanada!
Also der Artikel in der Wikipedia fasst den Stand ganz gut zusammen: https://de.wikipedia.org/wiki/Alte_Bückeburg
Da kommen Kindheitserinnerungen hoch! Danke!
Liebe GrüßeUlrike