„Das Land der tausend Teiche“ nennt sich die Region. Klar, das klingt verdächtig vollmundig. Und es stimmt auch nicht ganz: „Nur noch“ um die 600 sind übrig von denen, die die Mönche hier im Mittelalter angelegt haben. Aber erstens waren es früher doppelt so viele. Und außerdem kommt es doch gar nicht auf den Wahrheitsgehalt jedes touristischen Superlativs an – die Gegend ist faszinierend und wunderschön. Die Plothener Teiche sind auf jeden Fall einen Ausflug wert, wenn man in der Nähe wohnt oder Urlaub in Thüringen macht!
Omas und Opas Neuentdeckung
Wenn wir die Thüringer Großeltern besuchen, bleiben wir nach Klößen und Rouladen viel zu häufig auf dem Sofa sitzen. Oder wir geben uns mit einer Runde durch die direkte Nachbarschaft im durchaus auch idyllischen Orlatal zufrieden. Gerade aber in Zeiten, in denen der nächste Auslandsurlaub unsicher und weit weg erscheint, haben wir uns vorgenommen, auch Familienbesuche zu nutzen, um bisher Unbekanntes zu erkunden. Zum Glück sind Oma und Opa da ganz bei uns. So haben sie uns bei unserem letzten Besuch ihre persönliche Neuentdeckung im Nahbereich gezeigt: das Gebiet der Plothener Teiche.
Wo liegen die Plothener Teiche?
Das Kerngebiet der Plothener Teiche ist relativ kompakt. Zwar ziehen sich Wasserflächen über eine größere Region im Saale-Orla-Kreis. Das, was als „die Plothener Teiche“ gilt, lässt sich aber auf die Gegend zwischen den Dörfern Plothen und Dreba auf der einen und Moßbach, Knau und Schöndorf auf der anderen Seite begrenzen.
Von diesen Ortschaften hat freilich schon 20 Kilometer weiter kaum jemand je gehört. Hier ist man echt mitten auf dem Land.
So ab vom Schuss ist man aber gar nicht, denn ganz in der Nähe verläuft die A9. Von der Abfahrt Dittersdorf sind es keine acht Kilometer bis zum Wanderparkplatz am Hausteich. Damit eignen sich die Plothener Teiche auch prima für eine grüne Pause.
Was sind die Plothener Teiche überhaupt?
Ich hab’s oben schon ein bisschen verraten: Die Plothener Teiche sind eine menschengemachte Kulturlandschaft.
Kurzer Blick in die Geschichte
Mittelalterliche Mönche waren die Erbauer der Plothener Teiche. Im 11. und 12. Jahrhundert gründeten Benediktiner zahlreiche Klöster in der Gegend.
Die Fastenregeln der frommen Männer und Frauen zu dieser Zeit waren umfangreich. Sie gingen weit über unsere heutige Vorstellung von „freitags nur Fisch“ und sieben Wochen vor Ostern hinaus. Jeder größere Feiertag brachte im Vorfeld seine eigene Fastenzeit mit sich. Auch vor bestimmten Ereignissen musste unabhängig vom Datum gefastet werden. Und mittwochs auch. Wer es mit den religiösen Speisevorschriften genau nahm, hatte bald nicht mehr viele Tage übrig, an denen er reuelos in ein Stück Fleisch beißen konnte.
Von Haus aus bin ich Historikerin und Religionswissenschaftlerin, und in solchen Situationen juckt es mich immer in den Fingern, zur ganz großen Geschichtslektion auszuholen. Ich versuche mich zu bremsen, versprochen.
Aber beim Anblick der Plothener Teiche fragt man sich schon, wie viele Fische um alles in der Welt so ein paar Mönche bitte essen wollten. Und ja, die Benediktiner waren zwar die ersten, die sich eine Armutsregel in die Statuten schrieben. Aber sie waren auch diejenigen, die später Anlass für all die Reformbewegungen im klösterlichen Leben gaben, weil sie als dekadent und korrupt galten. An Fastentagen mehr als reichlich Fisch auf den Tisch zu kriegen und nebenbei einen Großhandel damit aufzuziehen, sieht den Brüdern – ohne ihnen persönlich zu nahe treten zu wollen – also durchaus ähnlich.
Die „Fischernte“
Geologisch eignete sich die Gegend wegen des nässestauenden Untergrunds perfekt für die Fischzucht. Um die 1200 oder gar 1600 einzelne Teiche soll es einst gegeben haben. Viele sind später dann zu größeren Wasserflächen zusammengelegt worden.
Schon im Hochmittelalter ging man bei der Bewirtschaftung sehr effizient vor. Jedes Jahr im Herbst wurde das Wasser abgelassen und die Karpfen „geerntet“. Dazu bilden die einzelnen Teiche regelrechte Ketten. Das Wasser fließt von einem zum nächsten und kann so nachhaltig genutzt werden. (Übrigens ist das der Unterschied zwischen einem Teich und einem See, habe ich gerade gelernt: Einen Teich kann man ablassen.)
Um den Fischertrag zu steigern, ließ man die Teiche alle paar Jahre brach liegen und nutzte sie anschließend als Ackerfläche. Dabei kam es wenig auf den Ertrag des Korns an, sondern tatsächlich auf die Düngung des Teichbodens. Dass durch dieses Verfahren auch der Parasitenbefall der Fische eingegrenzt wurde, war den Betreibern damals vermutlich nicht bewusst. Jedenfalls prosperierte die riesige Anlage lange vor sich hin.
Die „Fischernte“ gibt es übrigens heute noch. Dazu wird der Teich aber nicht mehr ganz abgelassen (wenn ich das richtig verstanden habe), sondern alle zwei Jahre einfach abgefischt.
Plothener Teiche als Naturschutzgebiet
Heute steht ein Großteil der Region unter Naturschutz. Das Gebiet heißt Dreba-Plothener Teichgebiet.
Schon 1961 stellte man erste Landschaftsteile unter Schutz. Das war auch dringend nötig. Ganz in der Nähe betrieb die DDR eine riesige Schweinemastanlage, die ihre Gülle in die umliegenden Wälder entsorgte. Die Ruinen haben wir bei der Anfahrt gesehen – gruselig.
Zusätzlich sind die Plothener Teiche heute als Vogelschutzgebiet ausgewiesen. Die Liste der seltenen Bewohner ist lang und umfasst unter anderem Eisvögel, Fischadler und Milane. Viele verschiedene Zugvögel tanken an den Teichen Kraft und/oder brüten hier. Zur Zugvogelzeit spricht man vom „Starenwunder“, bei dem die Schwärme mitunter auf dramatische Weise den Himmel verdunkeln.
Was kann man an den Plothener Teichen machen?
„Und was ist hier jetzt? Wozu mussten wir hierherfahren?“, fragt einer meiner beiden Teenager unmotiviert, als wir auf dem Wanderparkplatz am Hausteich aus dem Auto steigen. Nicht dass es für den 15-Jährigen in dem Moment irgendeine zufriedenstellende Antwort gegeben hätte. Aber die Frage an sich ist natürlich durchaus berechtigt.
Der umfangreiche Vorschlagsliste der kommunalen Arbeitsgemeinscht „Land der tausend Teiche“ zufolge (die leider inzwischen schon wieder offline ist) können Urlaubende und Ausflugsgäste unter anderem angeln, reiten, Kremser und Draisine fahren sowie etliche Sehenswürdigkeiten in der Nähe besichtigten. Wir entscheiden uns heute aber für das Naheliegendste: Wandern.
Darf man in den Plothener Teichen baden?
Das Baden in den Plothener Teichen ist ausschließlich an der Jugendherberge und am Campingplatz erlaubt. Das liegt zum einen am Naturschutz, zum anderen am Sog, der durch die Teichabläufe entsteht und gefährlich werden kann.
Das Stelzenhaus auf dem Hausteich
Wer nur einen kurzen Spaziergang einlegen und trotzdem „die Plothener Teiche“ als solche erleben möchte, ist mit einem kurzen Gang zur Hauptattraktion am besten bedient.
Der beste Parkplatz dafür ist bei GoogleMaps nicht eingezeichnet. Ich gebe euch deshalb die Koordinaten, die ihr in euer Navi-Programm eingeben (oder einfach kopieren) könnt: 50°38’45.3″N 11°45’52.7″E.
Nun läuft man ein kurzes Stück zwischen Semmlergruppenteich auf der einen und dem Neuen Teich auf der anderen Seite auf den Hausteich zu. Das ist der größte Teich, der wohl aus der Zusammenlegung kleinerer Teiche entstanden ist.
Rund 600 Meter sind es auf dem breiten, barrierefreien Wanderweg bis zum Hausteichhaus, dem Wahrzeichen der Region.
Der Pfahlbau steht auf 54 Lärchenstämmen komplett im Wasser. Ein kurzer Steg führt zu Eingangstür des kleinen Holzhauses.
Wozu genau es errichtet wurde, liegt im Dunkel der Geschichte. Die dendrochronologische Bestimmung – also das Vergleichen der Jahresringe der ursprünglichen 90 Stämme, auf denen das Gebäude einst ruhte – ergab eine Errichtung im 17. Jahrhundert. Damals herrschten die Fürsten von Reuss über das Gebiet und nutzten es vermutlich als extravagante Jagdhütte. Später gehörte es zum Rittergut Knau. Als im ausgehenden 19. Jahrhundert der Tourismus aufkam, taten sich drei Gastwirte zusammen und mieteten das inzwischen historische Gebäude als Ausflugsgaststätte an. Zu DDR-Zeiten diente es als Gerätehaus und Futtermittellager.
Seit der Wende ist das Hausteichhaus im Besitz des Landes Thüringen und steht unter Denkmalschutz. Es steht unter der Verwaltung des Heimatvereins, der hier ein kleines Museum eingerichtet hat. Bei unserem Besuch ist das Corona-bedingt geschlossen. Laut Aushang gibt es im Inneren eine Ausstellung über Fischerei- und Teichwirtschaft sowie zum Naturschutz.
Direkt am Pfahlhaus befindet sich am Ufer ein schöner Picknickplatz mit festen Bänken und Tisch. Steinerne Stufen mit weiteren Sitzgelegenheiten führen zum Wasser hinunter.
Ausflugsziel: Einmal um den Hausteich wandern
Hier trennen wir uns von Oma und Opa, denn die haben an diesem Tag noch andere Pläne. Uns aber gefällt es hier so, dass wir noch mehr von der Gegend sehen wollen. Zum Glück lässt sich der Ausflug vorm Hausteichhaus problemlos aufstocken. Wir wandern einfach einmal um den Hausteich herum.
Rund vier Kilometer ergibt die kleine Wanderung. Die Strecke ist recht einfach zu finden. Die meiste Zeit laufen wir auf Sicht am Wasser entlang. Lediglich auf den letzten Metern nehmen wir unsere Karten-App zu Hilfe, um hinter dem Campingplatz nicht zu früh auf die Hauptstraße zu treffen und stattdessen die landschaftlich schönere Abzweigung zwischen Hausteich und Semmlergruppenteich zu erwischen.
Immer wieder stoßen wir bei unserer Runde um den Hausteich auf Infotafeln des Naturlehrpfades. Manche haben interaktive Elemente für Kinder.
Interessant wird es für uns vor allem auf dem Gebiet des Campingplatzes Plothener Teiche. Der offizielle Wanderweg führt über das Gelände, das vor allem Dauercamper in teils recht eigensinnigen Konstruktionen bewohnen.
Großes Highlight für unser Baby (und tatsächlich auch für unsere Teenager-Jungs) ist der schöne Spielplatz direkt am Seeufer. Die Spielgeräte sind neu und modern. Es gibt sogar eine Babyschaukel.
Urlaub an den Plothener Teichen?
Wer mehr Zeit an den Plothener Teichen verbringen möchte, hat verschiedene Unterkünfte zur Auswahl.
Für Familien bietet sich neben dem Campingplatz vor allem die Jugendherberge Plothen an. Sie liegt ebenfalls direkt am Hausteich und hat auch einen direkten Zugang zum Wasser, mit Badestelle. Wir haben einmal über den Zaun gelunst (als noch alles zu war wegen Corona, inzwischen ist wieder geöffnet). Die Zimmer verteilen sich auf mehrere Holzhäuser und verfügen jeweils über ein eigenes Bad. Zumindest über den Zaun sieht es richtig klasse aus (viel besser, als mein Foto es einfangen konnte). Wir sind von jeher Fans der Jugendherbergen, deshalb verlinke ich auch die an den Plothener Teichen mal mehr oder weniger unbesehen (klick).
Darüber hinaus gibt es natürlich in den umliegenden Ortschaften Ferienwohnungen, Gasthöfe und Hotels.
Mehr Ausflugstipps in Thüringen
Obwohl die Großeltern der Jungs in Thüringen wohnen und wir sie regelmäßig besuchen, habe ich noch gar nicht so viel über die Region gebloggt. Aber immerhin ein bisschen!
Folgende Ausflugstipps kann ich in Thüringen empfehlen:
- die Wartburg
- die Drachenschlucht
- Eisenach
- Wandern im Hainich
- Jena
- Point Alpha
- die Barbarossa-Höhle
- Weimar
- Sophienhof im Harz
Mehr Familienurlaub in Deutschland
Alle unsere mehr als 180 Reiseziele und Ausflugstipps mit Kindern in Deutschland, die wir selbst ausprobiert haben, habe ich hier aufgelistet:
Familienurlaub in Deutschland: Unsere Erfahrungen und Empfehlungen von den Bergen bis ans Meer
Wer lieber geografisch nach Reisetipps mit Kindern sucht, kann sich hier auf unserer GoogleMaps-Karte (klick) orientieren. Da sind alle unsere Beiträge verlinkt.
Transparenz-Hinweis: An den Plothener Teichen waren wir komplett auf eigene Kappe unterwegs. Alle Links habe ich ausschließlich als Leser-Service gesetzt. Wer auf family4travel „Sendezeit“ kaufen möchte, kann das theoretisch tun (das wird dann ordnungsgemäß als Werbung gekennzeichnet, Details im Media-Kit auf der PR-Seite). In diesem Beitrag ist nichts dergleichen passiert.
Toll, diese Teiche. Und die Geschichtestunde war sehr interessant.
In Thüringen kann ich noch Dornburger Schlösser (https://www.thueringerschloesser.de/objekt/dornburg/) empfehlen – schön, gepflegt, übersichtlich. Unsere Kinder waren 11, 9 und 7 Jahre alt, als wir kurz dort waren, und es war genau die richtige Grösse von Schösser, sodass es genug zu gucken gab, aber noch nicht langweilig wurde.
Abgespeichert für die nächste Tour in den Süden. Sieht toll aus.
Ja, es ist sehr nett dort. Vor einiger Zeit waren wir wieder einmal dort. Man kann auch sehr gut größere Touren in der Gegend machen.