Das gab es noch nie: Zum ersten Mal seit Einführung der Sommerferien in unserem Familienleben haben wir diese komplett zu Hause verbracht. Es ging nicht anders, denn mittendrin kam Franka. Dafür kamen wir endlich mal dazu, die ganzen Reisespiele auszuprobieren, die ich uns für lange Abende im Ferienhaus oder langweilige Fahrten im Zug oder auf der Fähre angeschafft habe (wo es dann doch wieder zu viele spannende oder ablenkende Dinge gab, aber grundsätzlich ist der Plan natürlich nicht verkehrt). Nicht erst seit unserem Besuch in einem „richtigen“, besonders guten Escape-Room stehen wir total auf diesen Trend. Heute möchte ich deshalb drei Varianten von Escape Games vorstellen, die sich auch mit (älteren) Kindern bestens unterwegs oder zu Hause spielen lassen.
Der Klassiker: EXIT-Spiele aus dem Kosmos-Verlag
Die kleinen, kompakten Boxen stehen bei den Gesellschaftsspielen und finden sich für einen moderaten Zehner sogar in manchem Supermarktregal. Sie sind schon lange keine Neuheit mehr. 2017 gewannen die ersten drei Varianten „Die Grabkammer des Pharao“, „Das geheime Labor“ und „Die verlassene Hütte“ den Kritikerpreis als „Kennerspiel des Jahres“. Mittlerweile gibt es über 20 verschiedene Exit-Spiele. Neuerdings existieren als zweite, wohl deutlich elaboriertere Generation die Escape Tales für einen deutlich höheren Preis (die wir aber noch nicht ausprobiert haben).
„Der versunkene Schatz“
Das erste dieser Spiele, das wir als Familie durchgespielt haben, war „Der versunkene Schatz“. Wie in allen Escape Games geht es darum, als Team einer dramatischen Situation zu entkommen, indem man gemeinsam Rätsel löst.
Die Spielanleitung führt uns in die Geschichte ein: Im Karibik-Urlaub haben wir uns eine Schatzkarte aufschwatzen lassen und uns auch gleich Taucherausrüstung besorgt, um das sagenumwobene Wrack der Santa Maria zu finden, in dem sich selbstverständlich ein Piratenschatz befindet. Seite für Seite entfaltet sich die Handlung. Nur wenn wir die aktuellen Herausforderungen gelöst haben, dürfen wir zur nächsten Phase des Abenteuers weiterblättern. Entsprechend der Grundidee des Escape-Game-Hypes ist alles an Point-and-click-Computerspiele angelehnt (wie zum Beispiel Monkey Island, falls sich noch jemand daran erinnert).
Inhaltlich müssen wir zuerst einmal die richtige Stelle finden, wo das Wrack liegt. Sobald wir die Tauchermasken anlegen und uns unter Wasser begeben, läuft die Zeit, denn wir haben Atemluft für 60 Minuten. Welch dramatische Entwicklungen sich unter der Wasseroberfläche ereignen, möchte ich nicht verraten (auch wenn sie natürlich alle naheliegend sind).
Die Rätsel der Exit-Spiele
Bei der Lösung der einzelnen Rätsel sind Teamwork und Querdenken gefragt. Wie auch in guten „echten“ Escape Rooms gibt es eine große Bandbreite von Herangehensweisen. Manchmal sind es simple Logikrätsel, deren Prinzip man schon vor 20 Jahren in der Fernsehzeitung gelernt hat. Manchmal gilt es, Geheim-Codes zu entschlüsseln, um die Lösungszahlen zu erfahren. Und manchmal müssen wir die tiefere Botschaft zwischen den Zeilen herauslesen oder ganz wörtlich nehmen, um die Ecke denken und das mitgelieferte Spielmaterial inklusive der Pappschachtel selbst zur Hilfe nehmen.
Spielprinzip mit Drehscheibe und Hinweiskarten
Wahlweise drei Symbole oder drei Ziffern braucht jedes Rätsel. Diese kombinieren wir auf einer Drehscheibe, die dem Spiel beiliegt. Im Sichtfenster erscheint dann eine Zahl, die auf eine Lösungskarte verweist. Liegen wir richtig, bekommen wir damit entweder neue Hinweise für weitere Rätsel oder die Erlaubnis, umzublättern.
Stehen wir auf dem Schlauch – und das kommt auch bei uns anfangs häufiger vor, bevor wir die Denkweise der Autoren begriffen haben – haben wir bei jedem Rätsel die Möglichkeit, Tipps in Anspruch zu nehmen. Jeweils zwei Hinweise stoßen uns dann auf die Kernpunkte der Herausforderung. Und wenn beide nicht helfen, gibt es im dritten Schritt auch die gesamte Auflösung (auch das mussten wir ein Mal in Anspruch nehmen, weil wir nicht darauf gefasst waren, wirklich die Pappschachtel des Spiels aufschneiden zu müssen). Das gibt natürlich Abstriche in der Punktwertung – aber eigentlich geht es ja doch nur um den Spaß.
Fazit zum Exit-Spiel „Der versunkene Schatz“
Der Klassiker unter den Escape-Games hat uns viel Spaß gemacht. Allerdings haben wir eine Weile gebraucht, um in den Flow einzutauchen und die teils wirklich verquere Denkweise der Autoren zu verinnerlichen. Allzu verbissen und mit zu viel Gewinnenwollen sollte man nicht an sein erstes Spiel herangehen.
Schade finde ich, dass diese Spiele wirklich auf den Einmal-Gebrauch ausgelegt sind. Da es sich nur um Papier und ganz wenig Plastikfolie handelt, kann man diesen Aspekt aus Nachhaltigkeitsgründen wohl vernachlässigen (da sind diese furchtbaren eingeschweißten Müll-Werbesendungen der Post schlimmer). Aber dass man das Spiel ganz vorsichtig behandeln und dann doch noch mal an Freunde weitergeben könnte, von diesem Gedanken muss man sich von vornherein verabschieden.
Die Exit-Games im Kosmos-Verlag sind ab zehn Jahre (zumindest unsere). Unser jüngster Mitspieler war zwölf und konnte bei allen Rätseln prinzipiell gut mithalten. Es gibt verschiedene Level, und ich denke, man ist gut beraten, wirklich mit einem Einsteiger-Spiel zu beginnen. Es ist möglich, die Spiele ganz alleine zu spielen. Deutlich mehr Spaß macht es natürlich im Team mit bis zu vier Leuten. Uns hat das Abenteuer eine gute Stunde lang beschäftigt.
Reisefaktor
Die Exit-Spiele sollte man in eins durchspielen können. Auch wenn es sich nicht um Gesellschaftsspiele im klassischen Sinne handelt, ist eine Runde am Esstisch am sinnvollsten. Auf Reisen eignen sich diese Spiele also perfekt für einen Abend im Ferienhaus oder in der Ferienwohnung, ruhig auch im Hotelzimmer. Auch in der Bahn wäre ein Spiel möglich, wenn man denn einen Viererplatz mit Tisch erwischt und zwischendrin nicht umsteigen muss.
„EXIT – das Spiel: Der versunkene Schatz“. Kooperatives Event-Spiel für 1-4 Personen, ca. 8,99 Euro. Erhältlich z.B. hier* über Amazon.
Escape Adventures: Von Königen und Alchimisten
Die Escape-Games des Knaur TOPP Verlags sind sozusagen Hybriden aus (Brett-)Spiel und Buch. Sie beginnen als bebilderte Vorlesegeschichte, führen dann aber recht schnell zu einem großen Spielplan für die Tischplatte, der die Spielwelt als ganze visualisiert.
Wir haben mittlerweile mehrere Versionen durchgespielt. Als konkretes Beispiel soll der Titel „Von Königen und Alchimisten“ dienen. Hier jagen wir – wieder als Team von bis zu vier Spielern – einen Attentäter, der es auf das Leben des Königs abgesehen hat. Um ihn ausfindig zu machen, bewegen wir uns über das Burggelände zu verschiedenen Spielorten, die auf dem Plan eingezeichnet sind. Zu einigen müssen wir uns den Zugang zunächst erspielen, indem wir Rätsel lösen. Details der Aufgaben gibt es dann wieder im Heft, wo auch die weiteren Anweisungen vermerkt sind.
In dieser Variante gibt es die meisten „Plotgegenstände“, die es aus dem Heft auszuschneiden, zu sammeln und richtig zu kombinieren gilt. Wenn man sich hier etwas klug anstellt, ist es übrigens möglich, das Spiel dadurch nicht allzu sehr zu beschädigen und einen zweiten Durchgang (mit anderen Spielern, die die Geschichte noch nicht kennen) möglich zu machen.
Spielbar mit Kindern?
Die Escape Adventures sind auf Familien ausgelegt. Entsprechend machbar sind auch die Rätsel. Das heißt nicht, dass sie alle pipi-einfach sind. Auch hier muss man ab und zu um die Ecke denken. Es ist jedoch auch Kindern möglich, das Spiel maßgeblich mitzubestimmen und zu lösen. Empfohlen werden die Siele von zehn bis zwölf Jahren. Auch hier gibt es verschiedene Level, die sich jedoch unserem Eindruck nach hauptsächlich auf Länge und Umfang beziehen, gar nicht so auf die Kniffligkeit der Rätsel.
Reisefaktor
Wie auch die Exit-Games sind die Spiele aus dem Knaur-Verlag vor allem für Runden an einem großen Tisch geeignet. Unterwegs kommen also hauptsächlich feste Unterkünfte in Frage. Da recht viele Gegenstände in Form von Papierschnipseln beteiligt sind, empfiehlt sich ein Spiel im Zug oder auf der Fähre eher nicht so.
„Escape Adventures – Von Königen und Alchimisten“. 1-4 Spieler; 9,99 Euro. Erhältlich z.B. hier* über Amazon.
Escape Book „Sherlock Holmes“
Ich bin ein großer Fan von Sherlock Holmes – nicht nur der modernen Version der BBC-Serie, sondern vor allem auch der originalen Geschichten nach Arthur Conan Doyle (die es übrigens alle als hervorragend umgesetzte Hörspiele über Amazon Music* gibt – was jetzt möglicherweise doch als Werbung zählt, obwohl ich das nur als persönliche Empfehlung erwähne). Allein schon wegen meiner Sherlock-Holmes-Liebe jedenfalls kam ich an dem Escape-Game-Buch nicht vorbei, als es mir als Rezensionsexemplar angeboten wurde. Und man merkt auch, dass sich der Autor mit der Materie beschäftigt hat, denn es findet sich so manche Anspielung auf die originalen Fälle (die man für den Spielerfolg nicht zwingend erkennen muss).
Der Spieler schlüpft in die Rolle eines jungen Inspektors – einer Figur, die in den „echten“ Sherlock-Holmes-Geschichten nicht vorkommt. Er bekommt vom großen Meisterdetektiv den Auftrag, sich in Professor Moriartys Villa umzusehen, wo möglicherweise Dr. Watson gefangen gehalten wird. Holmes selbst ist nämlich zu beschäftigt, sich um seinen Freund zu kümmern, da er den unmittelbar bevorstehenden Diebstahl der britischen Kronjuwelen verhindern muss. So gelangt der Protagonist nach einer – recht langen – Einführungsphase mit ersten Rätseln in die klassische Escape-Room-Situation: Die Tür fällt ins Schloss, der Spieler ist in der (temporär) verlassenen Villa eingeschlossen.
Blättern als Spielprinzip
Das Buch wartet nun mit recht aufwändigen Grundrissen und detaillierten Beschreibungen aller Räume auf. Viele davon bergen Rätsel und/oder Gegenstände, die Teil einer Lösung sind. Einige lassen sich mitnehmen und mit anderen Dingen kombinieren. Ob und was das bringt, schlägt der Spieler im hinteren Teil des Buchs nach. Dort finden wir Verweise auf Textpassagen weiter vorn, die entweder die Lösung mit weiteren Hinweisen oder die Nachricht des Scheiterns enthalten. Das bedeutet eine Menge Blättern und auch einen gewissen Pegel an Unübersichtlichkeit.
Zunächst müssen Rätsel gelöst werden, um in anfangs verborgene Teile des Hauses vorzudringen. Durch die detaillierten Beschreibungen und einige Zeichnungen entfalten sich dabei schöne Bilder vor dem inneren Auge. Allerdings sind einige Rätsel auch ganz schön schwer. Die kann man anfangs links liegen lassen, aber irgendwann kommt man nicht mehr weiter. So erwischt man man sich schließlich doch dabei, die angebotenen Lösungskombinationen nach dem Zufallsprinzip durchzuprobieren. Und einige Male hat sich mir auch im Nachhinein nicht erschlossen, warum jetzt das, was zur Fortführung der Geschichte führte, die richtige Lösung war.
Leider gibt es im hinteren Teil des Buchs auch Klippen, an denen die falsche Entscheidung zum Tod des Inspektors führt. Gleich in die erste dieser Fallen bin ich reingetappt, und so wäre streng genommen das Spiel für mich nach knapp der Hälfte schon vorbei gewesen. Bei näherem Analysieren der Antworten und des Wortlauts der Aufgabe hat sich mir die richtige Antwort dann zwar erschlossen, aber um den naheliegenden Fehler nicht zu machen, muss man schon ganz schön auf Zack sein.
Für Kinder und Jugendliche geeignet?
Das Escape-Game in Buchform ist für einen einzelnen Spieler gedacht und richtet sich an Erwachsene. Der 12-jährige Silas und ich haben es anfangs gemeinsam gespielt. Das hat auch ganz gut funktioniert, so als Vorlesegeschichte 2.0. Und dümmer angestellt als ich hat sich der Sohn bei den Lösungsvorschlägen auch nicht (wir waren halt beide nicht besonders gut). Generell halte ich die Frustrationsgefahr für jüngere Spieler aber für relativ hoch.
Vielleser Janis (15) hat sich das Buch im Ostseeurlaub mit Oma und Opa alleine vorgenommen. Nachdem er sich von den ersten Rätseln überfordert sah, hat er einfach über sämtliche Interaktionen hinweggelesen, das Buch als Roman benutzt und fand es „ganz gut“.
Ich denke, dass erwachsene Krimifans mit ausgemachtem Hang zu kniffligen Logikrätseln den meisten Spaß an dieser Art Buch entwickeln können.
Inzwischen hat der Ullmann-Verlag weitere Escape-Titel* herausgebracht, darunter auch welche, die explizit ab zwölf Jahren ausgewiesen sind (die haben wir allerdings noch nicht ausprobiert).
Reisefaktor
Das Escape-Buch eignet sich tatsächlich prima für unterwegs. Hier muss nichts ausgebreitet oder ausgeschnitten werden (nur eben viel geblättert). Es ist auch jederzeit möglich, zwischendurch eine Pause einzulegen.
Silas und ich haben uns einen guten Teil der An- und Abreise unseres Dänemark-Trips damit vertrieben. Vor allem im Zug und auch auf der Fähre hat das hervorragend funktioniert.
Stéphane Anquetil: Escape Book – Sherlock Holmes. 9,99 Euro. Erhältlich z.B. hier* über Amazon.
Transparenz-Hinweis: Das Escape Book wurde mir als kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Die anderen Spiele waren selbst gekauft bzw. Geschenke von Verwandten. Auf unsere Meinung wirkt sich das ohnehin nicht aus.
Die mit * versehenen Links zu Amazon sind Affiliates, das heißt ich bekomme eine kleine Provision, wenn darüber ein Kauf zustandekommt.
Oha, das kommt ja genau richtig – die Teenie-Tochter war gerade zum ersten Mal im Escape Room und ganz begeistert, und in den nächsten Wochen stehen bei uns zwei laaange Zugfahrten mit je einem Kind an.
Da stöbere ich mal nach einem Überraschungs-Reisegeschenk :-)
Liebe Grüße – auch ans Baby! ♥
Jenny
Als Überraschungs-Reisegeschenk sind die Dinger wirklich ideal.
Schönen Urlaub, und danke! :)
Liebe Lena,
sehr spannend, eure Erfahrungen mit diesen Spielen zu lesen! Ich habe die auch schon länger im Blick, scheue aber genau wegen der doch recht großen Frustrationsgefahr noch davor zurück. Nächsten Sommer werden wir das aber mal probieren.
Liebe Grüße
Gela
Wir haben die Exit-Spiele mit der dazugehörigen kostenlosen App gespielt, die vor allem einen Timer mit passender Geräuschkulisse bietet. Und da ist es schon drauf angelegt, die Minuten „in die Länge zu ziehen“, wenn man für den Showdown dann doch ein bisschen länger benötigt. Das gibt dann zwar Abwertung bei den Punkten, glaube ich, aber die Punkte sind pädagogisch ja nicht so wichtig wie das Gefühl, es letztlich doch geschafft zu haben. Die Topp-Spiele kommen ganz ohne Zeitbegrenzung aus. Und beim Buch sind es eher die Rätsel selbst, die ich sehr schwierig fand. Bei den auf Kinder gemünzten Spielen sind die Rätsel weniger das Problem, und es gibt ja die Hinweise. Wenn dann noch jemand Erwachsenes mitspielt, müsste das mit der Frustrationsschwelle eigentlich kein Problem sein (es sei denn, man hat da ein Kind mit entsprechender Neigung, das muss man natürlich selbst einschätzen).