Wo es schön ist, sind Touristen. So ganz entkommt man ihnen auch an der Ostseite von Kintyre nicht – denn dort ist es nicht nur schön, sondern fantastisch! Aber die allermeisten hängen wir doch ab, als wir Kintyres „B-Seite“ erkunden. Mitgebracht haben wir ein paar Empfehlungen, die ihr getrost als Geheimtipp für Schottland bezeichnen dürft!
Geheimtipp Kintyre
Kintyre ist an sich schon ein ziemlicher Geheimtipp für einen Urlaub in Schottland. Die allermeisten Reiserouten lassen die abgelegene Halbinsel an der Westküste links liegen. Dass das ein sträfliches Versäumnis ist, habe ich schon vor Jahren gesagt und hier gute Gründe für mindestens einen Tagesausflug nach Kintyre genannt: Kintyre mit Kindern: Der ideale Tagesausflug. Noch wesentlich weniger frequentiert ist der Kintyres Osten, durch den nur eine schmale Landstraße führt. Den haben wir diesmal vergeknöpft – und sind geradezu verzaubert zurückgekommen.
3 Tage Kintyre auf der Schottland-Rundreise
Wer Kintyre angemessen erkunden möchte, braucht mindestens drei volle Tage. Einer verbummelt sich schnell im Hauptort Campbeltown, gerne in Kombination mit der Gezeiteninsel Davaar Island. Einen Tag sollte man fürs Mull of Kintyre und Southend reservieren. Und einen eben ganz entschieden auch für den Osten.
So haben wir es gemacht bei unserer letzten großen Schottland-Reise im April. Mein ausführlicher Erfahrungsbericht darüber steht hier: Osterferien in Schottland – unsere Rundreise im April.
Kintyres geheimer Osten
Dieser Blogbeitrag nun beschreibt im Detail, welche Ausflugsziele wir an unserem absolut herrlichen Tag im Osten der Halbinsel gefunden haben. – Komplett mit Tipps zum Nachmachen.
Saddell Abbey
Nicht wirklich ein Geheimtipp, aber auf jeden Fall ein lohnendes Ausflugsziel ist Saddell. Saddell Abbey ist eine überwucherte Kirchenruine auf einem malerischen alten Friedhof.
In einem modernen Holzgebäude sind frei zugänglich sehenswerte Grabplatten aus dem Spätmittelalter ausgestellt.
Mehr noch berühren mich die Gedenksteine, die Eltern im 19. und sogar noch im frühen 20. Jahrhundert für ihre verstorbenen Kinder aufgestellt haben. Manche erzählen ganze Geschichten.
Speziell für Kinder: Geht man vom kleinen (kostenlosen) Parkplatz aus geradeaus statt links zur Abbey, erreicht man am Ende der kurzen Straße Miller’s Park. Der ist eigentlich nur ein Stück Landschaft, jedoch gibt es hier einen kleinen Spielplatz.
Saddell Castle
Ein kurzer Spaziergang bringt uns hinunter zu Saddell Castle. Die ist bewohnt und nicht zugänglich. (Und ich weiß auch nicht, ob ich sie freiwillig betreten hätte. Die Atmosphäre um das düstere Turmhaus inmitten verfallener Nebengebäude an einem toten, trockenen Kiesstrand löst regelrechte Beklemmungen bei mir aus. Da können die Blumen noch so sehr blühen und die Sonne noch so sehr strahlen – dieser Ort objektiv sehenswerte Ort gefällt mir nicht.)
Links herum geht es zum „Kintyre Cottage“, das im Musikvideo von „Mull of Kintyre“ als Inbegriff ländlicher Idylle eine Rolle spielt. Auch dieser Geheimtipp für Schottland ist natürlich nicht völlig geheim, sondern in etlichen Reiseführern zu finden.
Hier ist der Strand sandig und durchzogen von einladenden Kletterfelsen. Da die Jungs es vorgezogen haben, oben im Auto bei ihrer schlafenden Schwester (und ihren Smartphones) zu bleiben, teilen Martin und ich hier einen wunderbar zweisamen Twirl-Moment.
Die geheime Bucht bei Carradale
Der kleine Ort Carradale ist bekannt für seinen langgezogenen Sandstrand. Den wollen wir uns mal anschauen. Die erste Zufahrt am Holidaypark sagt uns aber nicht so zu. Diese Einrichtungen bestehen meist aus einem mit gleichförmigen Mobile Homes zugepflasterten Areal. (Möglicherweise ist das bei diesem hier anders. Wir haben uns allein vom Schild abschrecken lassen.)
Die zweite Zufahrt, die Google Maps mir anzeigt, endet allerdings ohne Parkmöglichkeiten vor einem Tor. Wahrscheinlich darf man es durchfahren, wenn man es hinter sich wieder schließt.
Bevor wir uns dazu entscheiden können, schiebt uns nachfolgender Verkehr jedoch um die Kurve. Wir folgen der Straße bis zum Ende – und landen im Paradies!
Einige wenige Häuser überblicken hier eine kleine Bucht. Das Wasser schimmert tropisch türkis. Hinter einem schmalen Sandstrand geht es ein paar Meter über die Felsen zu einem Picknicktisch. Das ist nun wirklich ein echter Geheimtipp für Schottland. Hier bleiben wir!
Wir parken an der Straße (möglich für zwei Autos, dann ist Schluss; wir bleiben an diesem Aprilnachmittag die einzigen). Über eine kleine Treppe steigen wir hinab zum Strand. In der Frühlingssonne picknicken wir zunächst an der windgeschützten Stelle. Dann erkunden wir unsere Umgebung.
Die Jungs üben „Steine fitscheln“ auf dem spiegelblanken Wasser. Franka zieht sich Schuhe und Socken aus und bohrt ihre nackten Zehen in den Sand. Absolute Glückseligkeit.
Schottland-Geheimtipp hin oder her
Generell ist das so ein Ding mit Geheimtipps in Reiseblogs, ob nun in Schottland oder anderswo. Je mehr Leute sie kennen, desto schlechter bekommt das nachher dem Ort selbst. Wenn die beiden Parkmöglichkeiten an der Bucht besetzt sind, quetscht euch bitte nicht auf Teufel komm raus dazu! Respektiert die Einfahrten der Einheimischen. Schaut in dem Fall doch lieber mal nach, ob der „richtige“ Carradale Beach nicht genauso fantastisch ist und wir da echt was verpasst haben! :)
Tea Time in Torrisdale
Wir vertrödeln fast den ganzen Nachmittag in unserer Geheimtipp-Bucht. Auf dem Rückweg springt mir ein buntes Schild ins Auge, das mir schon auf dem Hinweg aufgefallen ist. Es verspricht „fabulous afternoon teas“. Bei näherer Betrachtung ist dafür aber eine rechtzeitige Reservierung unumgänglich. Da über dem Torbogen „Torrisdale Castle“ steht, sind wir trotzdem neugierig genug, unser Auto die lange Einfahrt hinauf zu lenken.
Wie sich herausstellt, sind wir in einer Gin-Destille gelandet. Der Torrisdale Estate ist ein aufstrebendes Familienunternehmen, das neben besagten Alkoholika auch Ferienunterkünfte und einen besonders schönen Tea Room bietet. Juchu: Noch wir haben noch einen Geheimtipp für Kintyre in Schottland gefunden!
Die Macallister Halls haben sich für ihr umfangreiches Familienunternehmen Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben. Ihren Gin destillieren sie mit Energie aus den hauseigenen Wasserturbinen. Beinn an Tuirc ist der Name der Destille, Kintyre Gin heißt das Produkt. Vor Ort gibt es Besichtigungstouren und sogar eine Gin School. (Link zur Homepage für weitere Informationen.)
Wir interessieren uns wesentlich mehr für das dazugehörige Café. Das ist innen schick und modern eingerichtet. Draußen gibt es eine sehr schön gelegene, teils überdachte Terrasse mit Blick über die Schafweiden. Der ausgesprochen schicke Afternoon Tea, der am Nebentisch auf einer riesigen Etagere serviert wird, bleibt zwar für uns mangels Vorbestellung unerreichbar. Aber ein Stück Kuchen oder ein Scone mit hausgemachter Marmelade serviert uns das gut aufgelegte Personal gerne. Dazu gibt es hervorragenden Kaffee.
Torrisdale Castle
Das kleine Schloss selbst liegt etwas abseits und ist nicht zu besichtigen. Es gibt zwei luxuriöse Ferienwohnungen, eine davon familienfreundlich für bis zu sechs Personen. Vor allem aber wohnt hier die Familie selbst seit Generationen.
„Mein Urgroßvater hat erst noch groß angebaut und wir haben das Riesenhaus jetzt an der Backe“, erzählt uns die Inhaberin später im Café. „Wir müssen jetzt Gin produzieren, vermieten und ein Café eröffnen, um alles unterhalten zu können.“ Dabei lacht sie jedoch. Ihre Rolle als Gastgeberin erfüllt sie offenbar mit Vergnügen. Und wo sonst wird man schon von einer Schlossherrin bekocht?
Spaziergänge über das Gelände sind übrigens erlaubt. Blaue Pfosten markieren einen etwa eineinhalb Kilometer kurzen Rundweg. Besonders sehenswert ist der riesige Mammutbaum gleich vorne in der Einfahrt. Der hat es einer Plakette zufolge 2018 auf Platz 1 im UK-Baumregister geschafft.
Mehr Ausflugstipps für Kintyres Osten
Unser persönlicher Ausflug auf die Ostseite von Kintyre endet hier. Weiter als bis Carradale haben wir es nicht geschafft. Wer mehr Disziplin beim Abhaken von Sehenswürdigkeiten an den Tag und weniger Schwerpunkt aufs schlichte Genießen legt – oder sich einfach noch einen zweiten, dritten, vierten Tag Zeit nimmt – schafft sicher mehr. Allerdings zieht sich die obere Hälfte der Oststraße ohne größere Sehenswürdigkeiten dahin. Wer dort oben noch weitere Geheimtipps für Schottland entdeckt, darf gerne per Kommentar Bescheid sagen!
Skipness Castle
Erst ganz oben in Claonaig lohnt es sich auf jeden Fall, noch einmal nach Osten abzubiegen und nach Skipness zu fahren. Skipness Castle ist eine sehenswerte Burgruine, die kostenlos zu besichtigen ist. Direkt nebenan gibt es in den Sommermonaten einen sehr guten Fisch-Imbiss. (Auch der ist inzwischen kein echter Geheimtipp mehr, sondern in ganz Schottland bekannt, hab ich mir sagen lassen.)
Kildonan Dun
Weiter unten, zwischen Campbeltown und Saddell, liegen noch einige Wegpunkte, die vermutlich einen Blick wert sind. Kildonan Dun beispielsweise bietet Mauerreste einer befestigten Siedlung aus der Eisenzeit. (Wir waren leider nicht dort. Mehr Infos auf Englisch gibt es hier.)
Smerby Castle
Noch etwas weiter südlich, gleich hinter Campbeltown, gibt es die – wohl nur sehr rudimentären – Ruinen von Smerby Castle. Sie liegen auf einem vorgelagerten Halbinselchen, auf das hinüberzuklettern gerade für Kinder bestimmt ein nettes kleines Abenteuer ist. (Auch hier waren wir nicht selbst. Mehr Infos auf Englisch.)
Mehr Schottland mit Kindern
Für euren Urlaub in Schottland mit Kindern lege ich euch ganz entschieden unseren eingenen Reiseführer ans Herz. Er ist mit viel Liebe recherchiert und bietet über den gesamten Westen des Landes verteilt 66 familienfreundliche Wander- und Entdeckertouren. Zwei davon befinden sich auf Kintyre.
Viele weitere und kostenlose Tipps gibt es hier im family4travel-Blog. Einen Überblick über die inzwischen mehr als 30 Erfahrungsberichte von der Packliste bis zum Spielplatz-Tipp bei der Anfahrt gibt dieser Artikel: Schottland mit Kindern – unsere geballten Erfahrungen.
Transparenz-Hinweis: Unseren Tag an der Ostküste von Kintyre haben wir auf unserer Recherchereise für die zweite Auflage unseres Reiseführers komplett auf eigene Kosten verbracht. Alle Links sind unbezahlt und ausschließlich als Leser-Service gesetzt (immer bei mir; wenn ich es irgendwann mal anders machen würde, würde ich es dazu schreiben – und dafür würde mich natürlich wieder niemand bezahlen…).
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