Für die Verhältnisse der schottischen Highlands & Islands ist Stornoway mit seinen 5700 Einwohnern eine echte Großstadt. Dabei liegt die Insel Lewis and Harris – die Hauptinsel der Äußeren Hebriden – ziemlich weit ab vom Schuss. Dieser spannende Kontrast macht Stornoway zu einem interessanten Reiseziel. Wir berichten aus Erfahrung, welche Sehenswürdigkeiten die Stadt zu bieten hat und was sich – auch mit Kind – wirklich lohnt.
Stornoway erkunden auf eigene Faust
Wie die allermeisten schottischen Städte besitzt Stornoway keine echte Fußgängerzone. Trotzdem lohnt sich ein kleiner Spaziergang durch die immerhin drittgrößte Stadt der schottischen Highlands. Fast alle Sehenswürdigkeiten sind fußläufig zu erreichen.
Stornoway ist eine Woche lang unsere Ausgangsbasis, um Lewis and Harris zu erkunden. Da wir außerhalb des Zentrums wohnen (in New Valley), sind wir dann doch gar nicht so oft in Stornoway unterwegs. Aber zwei halbe Tage nehmen wir uns immerhin, um die Inselhauptstadt gründlich zu erkunden. Um alle Sehenswürdigkeiten abzuhaken und ein Gefühl für die Stadt zu entwickeln, reicht das locker.
Unser Besuch in Stornoway fällt in den Juli 2022. Wir sind als dreiköpfige Familie unterwegs. Mit dabei ist unsere dreijährige Tochter.
Sehenswürdigkeiten in Stornoway
Die größte Attraktion in Stornoway ist sicherlich Lews Castle. Dort im Museum werden seit 2015 immerhin sechs der berühmten Lewis Chessmen im Original gezeigt. Aber dazu kommen wir gleich. Zunächst laufen wir einmal durch die kleine Stadt und schauen dort nach den klassischen Sehenswürdigkeiten. Da es davon nicht allzu viele gibt, ist diese Pflichtnummer schnell erledigt.
Gedenkstätte Iolaire-Schiffsunglück
Die bunten Fischerboote im Hafen von Stornoway tragen maßgeblich zum maritimen Flair der Inselstadt bei. Die raue See rund um die Äußeren Hebriden wirkt identitätsstiftend für die Insulaner. Aber sie besitzt keinen ausschließlich positiven Ruf. In wohl jeder Familiengeschichte kommen Männer (eher vereinzelt auch Frauen) vor, die draußen auf dem Meer den Tod fanden. Ein besonders harter Schlag für die Menschen auf Lewis and Harris war dahingehend der Untergang der Iolaire.
Im Hafenbecken von Stornoway, direkt neben der Durchgangsstraße, schauen bei Ebbe Reihen von Stahlpflöcken aus dem Wasser. Zusammen ergeben sie die Silhouette jenes Dampfschiffs, das in der Silvesternacht auf 1919 fast 260 junge Männer zurück nach Hause bringen sollte. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wollten die Söhne der Insel nach teils jahrelangem Kriegsdienst endlich zurückkehren. Schon in Sichtweite des Heimathafens rammte der ortsunkundige Kapitän bei schwerer See einen Felsen. Es gab viel zu wenig Rettungswesten an Bord. Da das Schiff sich schnell neigte, dann zerbrach und explodierte, konnten die Rettungsboote nicht zu Wasser gelassen werden. Einigen wenigen Männern gelang es, ans nahe Ufer zu schwimmen. Von 284 Menschen an Bord ertranken 205. Nachdem bereits der Krieg an sich so viele Leben genommen hatte, gab es am Neujahrstag auf der Isle of Lewis in fast jeder einzelnen Familie einen weiteren Verlust zu beweinen.
„Herring Girls“
Rund um den Hafen befinden sich mehrere Skulpturen, die der weiblichen Erwerbsarbeit gewidmet sind. Im 18. und 19. Jahrhundert war Stornoway bedeutender Ort der Heringsfischerei. An Land kümmerten sich Frauen um die Verarbeitung. Inzwischen sind die Herring Girls Geschichte, genau wie die Heringsfischerei an sich.
Harris Tweed
Bis heute ist die Insel Lewis and Harris berühmt für traditionelle Tweed-Herstellung. Auch wenn vor allem Harris – also der Südteil der Insel – mit dem Tweed in Verbindung gebracht wird, befinden sich die heutigen Herstellungsorte auch und sogar vor allem auf dem größeren Inselteil Lewis. Um das begehrte Label führen zu dürfen, muss der karierte Wollstoff auf überlieferte Art und Weise am Webstuhl in Heimarbeit entstehen.
Verkauft wird die hochpreisige Ware natürlich auch in Lewis‘ Hauptstadt Stornoway. Wer bereit ist, für Qualität entsprechende Preise zu zahlen, findet in der Hauptstraße mehrere Läden mit größerem Sortiment. Ob es die Einkleidung von Kopf bis Fuß sein soll, oder ob ein eher symbolischer Teddybär oder Schlüsselanhänger im typischen Karo-Look genügt: Das passende Fachgeschäft findet sich in Stornoway. Wer lieber selber basteln und auf Schnäppchenjagd gehen will, sollte sich die urige Resterampe im Hinterhof ansehen.
Die größte Auswahl sowohl an verbrauchsfertigen Harris-Tweet-Produkten als auch an Meterware von der Rolle gibt es allerdings tatsächlich drüben auf Harris. In dem kleinen Ort Tarbert, wo die Fähre Richtung Uig auf Skye abfährt, befinden sich die beiden wichtigsten Tweed-Läden direkt am Hafen.
Hebriden-Feeling in den Seitengassen
Wer Stornoway angemessen erkunden möchte, sollte sich auf jeden Fall auch ein bisschen Zeit für die Straßen abseits der Touristenmeile nehmen. Dort, wo die ganz normalen Menschen wohnen, lässt sich am besten ein Gefühl für das echte Leben in der Stadt und auf der Insel entwickeln. Einmal verlaufen ist Pflicht, sagen wir gern. So kommen wir an urigen Handwerkerläden und erstaunlich vielen verschiedenen Gotteshäusern vorbei. Darunter ist auch eine unscheinbare Moschee, die direkt neben einer ehemaligen Kirche liegt, in der heute eine Druckerei residiert. Wir entdecken schmucke Einfamilienhäuser, trostlose Ecken und sogar ein paar alte rote Telefonzellen.
Wer auf die Schnelle auf Lewis and Harris Wanderschuhe braucht, wird übrigens – anscheinend ausschließlich – bei Sardar & Sons an der Cromwell Street fündig. Sehr nette Beratung inklusive. (Obwohl die Inhaberin erwähnt, dass sie in Stornoway geboren und aufgewachsen ist, sticht sie mit ihrer offenen, herzlichen Art für unser Empfinden positiv unter ihren Mitbürger:innen hervor. Wie wir das auch von deutschen Ferieninseln wie Rügen, Usedom und Borkum kennen, legen die meisten Menschen auf Lewis and Harris im Umgang mit Touristen eine gewisse Ruppigkeit an den Tag. Vom schottischen Festland sind wir das anders gewohnt.)
No 9 Coffee Shop
Ein schönes Café in Stornoway zu finden, ist nicht ganz einfach. Wir wollen gern irgendwo einkehren. – Ich liebe den Flat White, der in Schottland selbst in den entlegendsten Ecken jeden Cappuccino toppt. Aber alle Cafés, an denen wir vorbei kommen, sind entweder voll oder überzeugen mich nicht so recht.
Schließlich lasse ich mich von Google Maps zum No 9 Coffee Shop in der North Beach Street lotsen. Der hat die besten Bewertungen. Leicht zu finden ist er allerdings nicht. Wir laufen zwei Mal dran vorbei, bis wir das unscheinbare Schild über dem Eingang entdecken.
Drinnen ergattern wir mit Glück den letzten freien Tisch. Die Einrichtung ist gemütlich-modern und farbstark. Die schokoladenlastige Kuchenauswahl überzeugt mich. Auch herzhafte Kleinigkeiten hält die Karte bereit. Die jugen Kellnerinnen folgen dem kühlen Insel-Mainstream. Trotzdem: klare Empfehlung!
Lews Castle
Nur wenige Minuten Fußweg vom Stadtzentrum Stornoway entfernt liegt Lews Castle. Bauherr war der vermögende Geschäftsmann und Opiumhändler James Matheson. Nach profitablen Jahren in China beschloss der gebürtige Schotte 1844, dass er eine Insel benötige. Also erwarb er die gesamte Isle of Lewis. An der Stelle eines älteren Jagdhauses ließ er sich ein repräsentatives Heim errichten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kaufte dann der Seifenfabrikant William Lever (aus dessen Nachlass später der Konzern Unilever erwuchs) Insel und Schloss. An seinem Lebensabend vermachte er beides der lokalen Bevölkerung. In der Folge wurde aus dem Herrenhaus ein Marinehospital, später ein Internat. Nach einer langen Zeit des Leerstands erstrahlt das Schloss seit 2016 in neuem Glanz.
Im Erdgeschoss stehen einige repräsentative Räume offen. Es fühlt sich ein bisschen merkwürdig an, aber es ist tatsächlich erlaubt, das herrschaftliche Gebäude einfach zu betreten. Besonders hübsch ist der Flur mit seinem gotisch anmutenden Deckengewölbe, das als Sternenhimmel bemalt ist. Ballsaal und Kaminzimmer lassen sich für Hochzeiten und andere private Anlässe mieten. Manchmal finden hier auch öffentliche Konzerte oder Lesungen statt.
Im Obergeschoss residiert ein hochpreisiges Hotel. Außerdem gibt es im überdachten Innenhof ein Café im rustikalen Industrial-Stil. Daneben befindet sich ein kleiner Laden mit überdurchschnittlich geschmackvollen Souvenirs. Hauptattraktion ist freilich das Museum.
Museum mit den Lewis Chessmen
Direkt im beziehungsweise in einem modernen Anbau neben Lews Castle befindet sich das Museum nan Eilean. – Übersetzt bedeutet das schlicht „das Inselmuseum“. Wie in allen staatlichen Museen in Großbritannien ist der Eintritt frei. (Um Spenden wird gebeten.)
Zu sehen gibt es unter anderem sechs Originale der berühmten Lewis Chessmen. Die Schachfiguren aus Walrosszähnen stammen aus der Wikingerzeit. Wahrscheinlich wurden sie in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts in Norwegen gefertigt. Wie sie nach Lewis kamen, ist ebenso unbekannt wie die näheren Umstände, unter denen sie am Strand von Uig im Westen der Insel entdeckt wurden. 1831 tauchten sie erstmalig auf einer Antiquitäten-Ausstellung auf. Der Großteil der 78 Spielsteine aus vier verschiedenen Sets landete schließlich im British Museum in London. Elf Steine kamen auf Umwegen ins National Museum of Scotland in Edinburgh. Nach umfangreichen Auseinandersetzungen – nationalistische Schotten wollen den Schatz aus London zurückhaben, beleidigte Engländer argumentieren, wenn überhaupt, solle man ihn nach Norwegen ausliefern – sind seit wenigen Jahren sechs Originalfiguren im Museum auf Lews Castle in Stornoway zu sehen.
Darüber hinaus zeichnet das Inselmuseum das Leben auf Lewis and Harris im Wandel der Zeiten nach. Die Ausstellung ist modern konzipiert und durchaus sehenswert. Speziell für Kinder gibt es allerdings wenig. In einer guten Stunde haben wir alles gesehen und vieles auch wirklich wahrgenommen. Ohne Kind hätte ich mir sicher die doppelte Zeit genommen.
Spielplätze in Stornoway
Wer in Stornoway mit Kindern unterwegs ist, will beim Stadtbummel vielleicht einen schönen Spielplatz einbauen. Schottland und speziell Lewis and Harris haben richtig tolle Spielplätze zu bieten! Leider schlägt ausgerechnet die Inselhauptstadt da ein bisschen aus der Reihe. Aber ein paar Anlaufpunkte gibt es doch.
Spielplatz am Woodland Centre
Ein recht netter Spielplatz für kleinere Kinder bis vielleicht sechs Jahre befindet sich in der Nähe von Lews Castle am Woodlands Centre. Vom Stadtzentrum aus ist er in vielleicht zehn Gehminuten über die Bayhead Bridge erreicht. (Bis zum Schloss sind es von dort schätzungsweise fünf Minuten zu Fuß. Dabei können wir dann gleich noch eine weitere der Sehenswürdigkeiten von Stornoway abfrühstücken, denn so kommen wir durch den einigen – damals von Matheson angepflanzten – Wald auf Lewis and Harris.)
Im Woodland Centre gibt es öffentliche Toiletten. Das dazugehörige Café verkauft Snacks und Getränke in Pappbechern. Von der Terrasse aus ist der Spielplatz gut einsehbar. Daneben befinden sich aber auch Picknickbänke ohne Verzehrpflicht.
Spielplatz am Bayhead Park
Ein Stück die Hauptstraße hinauf befindet sich ein weiterer Spielplatz im Bayhead Park am Bowling Club. Der ist allerdings nicht wirklich der Rede wert. Immerhin gibt es Schaukeln, ein Karussell, ein kleines Klettergerüst mit Rutsche – und direkter Nachbarschaft ein paar echte Palmen.
Hier kann man längs der Straße kostenlos parken. (Achtung: Das gilt nur für die rechte Straßenseite stadteinwärts.) Von hier aus sind wir in vielleicht zehn Minuten ins Stadtzentrum gelaufen.
Newmarket Play Park
Den Umweg wirklich wert ist hingegen der Newmarket Play Park. Der liegt allerdings auch gute fünf Kilometer außerhalb des Stadtzentrums an der Hauptstraße nach Norden. (Adresse fürs Navi: Riverside Gardens, HS2 0EN. De facto ist es die allerletzte Möglichkeit, rechts abzubiegen, bevor die endlose Strecke durchs Moor Richtung Barvas und Ness beginnt.)
Entlang eines kleinen Bachs zieht sich dort ein wunderschön angelegter Naturpark voller Spielgeräte. Hier ist für jedes Alter etwas dabei. Selbst wir Eltern hatten auf dem Niedrigseilparcours ernsthaft Spaß! Der vielleicht einen Kilometer lange Rundweg über zwei Brücken ist dank etlicher Infotafeln gleich auch ein kleiner Naturlehrpfad. Zusätzlich gibt es am kostenlosen Parkplatz eine öffentliche Toilette und auch überdachte Picknickplätze.
Mehr über Lewis and Harris und Schottland mit Kindern
Unsere Woche auf Lewis and Harris war Teil einer dreiwöchigen Rundreise durch Schottland. Eine Zusammenfassung samt Route gebe ich in diesem Blogbeitrag: Schottland mit Kind – 3 Wochen Highlands and Islands. In diesem Artikel habe ich auch eine personalisierte Karte eingebettet, auf der ich alle Ausflugsziele, empfehlenswerte Cafés, Spielplätze etc. markiert habe.
Speziell über unsere Erfahrungen auf Lewis and Harris berichte ich in diesem Beitrag: Schottland mit Kind 3 – Äußere Hebriden. Dort gebe ich auch einen Tipp für eine tolle familienfreundliche Unterkunft in Stornoway.
Ein ganzes Kapitel widmen wir Lewis and Harris auch in unserem Reiseführer „Schottland mit Kindern“.* Fünf familienfreundliche Wanderungen beschreiben wir auf der Doppelinsel im Detail. Dazu kommen zahlreiche Ausflugstipps und Empfehlungen für Orte, die besonders für Kinder spannend sind.
Hier in meinem Reiseblog haben sich über die Jahre mehr als 30 ausführliche Erfahrungsberichte über zahlreiche Regionen und Reiseziele in Schottland angesammelt. Einen Überblick samt Kartenansicht gibt dieser Beitrag: Schottland mit Kindern – unsere geballten Tipps.
Hinterlasse einen Kommentar