Mitten in schönster Natur, tief drin im Herzen des Weserberglands, liegt die Sababurg. Die malerische Ruine ist bekannt als „das Dornröschenschloss“. Ein guter Grund für einen Besuch ist der Tierpark nebenan. Hier gründete der Burgherr vor sage und schreibe 450 Jahren den ersten „Thiergarten“, um sich exotische Wildarten wie Rentiere und Elche zu halten. Heute ist der Tierpark Sababurg vor allem für Familien ein wunderschönes Ausflugsziel.
Fantastische Momente im Kinderzoo
„Da!“, ruft die Zweijährige entzückt. Mehrere Minuten haben wir zuvor in das hübsch begrünte Gehege gestarrt und nach den Waschbären gesucht. Jetzt hat Franka einen entdeckt. Er hat sich in den „urbanisierten“ Teil seines Zuhauses zurückgezogen. Dort flitzt er über den nackten Betonboden auf eine Mülltonne zu, die zum Plündern bereitsteht. Dann jedoch bemerkt er das kleine Mädchen vor der Glasscheibe. Zögerlich ändert er nun seinen Kurs. Er läuft auf Franka zu und richtet sich direkt vor ihr auf. Da stehen sie sich gegenüber, Kind und Waschbär, auf Augenhöhe. Was für ein magischer Moment!
Der Tierpark Sababurg bietet uns an diesem Tag so einige wirklich schöne Begegnungen. Vor allem im Bereich rund um den Haupteingang gehört es zum Konzept, dass Besucher den Tieren ganz nah kommen. Dieses Areal nennt sich „Kinderzoo“. Hier sind wir zwar am weitesten vom historischen Konzept entfernt. Gleichzeitig erfreut sich dieser Teil beim Publikum der größten Beliebtheit.
Und er ist auch wirklich schön gemacht. Wir laufen durch eine Voliere voller Wellensittiche, die knapp vor unseren Gesichtern vorbeifliegen. Auch durch das Gehege der kleinen Bennett-Kängurus führt ein Besucherweg. Den afrikanischen Zwergziegen dürfen wir sogar spezielles Futter anbieten. Die gutmütigen Tiere sind zwar so satt, dass sie kein gesteigertes Interesse daran zeigen. Aber sie sind so zahm, dass sich auch die vorsichtige Franka traut, sie zu streicheln.
Kattas, Pinguine und Erdmännchen sind an diesem Tag so umlagert, dass wir uns lieber in den Hauptteil des Tiergartens begeben. Und nun wird es historisch. Denn der Tierpark an der Sababurg ist wirklich etwas ganz Besonderes.
Wie die Sababurg zu einem Tierpark kam
Im 14. Jahrhundert entstand hier die erste Burg zum Schutz eines Pilgerweges. Sie hieß Zapfenburg und wurde schon ein Jahrhundert später in einer von vielen Fehden der umgebenden Landesherren zerstört. Anfang des 16. Jahrhunderts errichtete der hessische Landgraf Wilhelm I. ein Jagdschloss auf den Ruinen. Das herrschaftliche Häuschen, das mit der Zeit immer weiter ausgebaut wurde, erhielt den Namen Sababurg.
Der neue Name der Burg und damit auch des Tierparks bezieht sich auf eine alte Sage. Demnach wohnten vor langer Zeit drei Riesinnen in der Gegend: die Schwestern Brama, Saba und Trendula. Jede Riesin errichtete sich eine eigene Burg. Ihre Standorte lassen sich noch heute in verschiedenen lokalen Ortsnamen erkennen. Trendelburg ist eine nordhessische Kleinstadt mit alter Wehranlage. Die Bramburg liegt bei Hann. Münden. Dann muss auch die Sababurg wieder her, hat sich vielleicht der Landgraf gedacht.
1571 gründete Wilhelm IV. von Hessen-Kassel, ein Nachfolger des Bauherren, ganz in der Nähe seines Schlosses einen „Thiergarten“. Mit geradezu wissenschaftlichem Interesse hielt er darin Auerochsen, Damwild, weiße Hirsche, Gämsen, Elche und Rentiere. Diese Auswahl ist zwar wesentlich weniger exotisch als beispielsweise das Nilpferd, das zwei Jahrhunderte später den Londoner Zoo begründete. Vor allem die Rentiere mit ihren hochspezialisierten Ernährungsgewohnheiten sorgten aber für erhebliche Herausforderungen in der Haltung.
Wilhelm IV. ließ auch die fünf Kilometer lange Mauer anlegen, die später mit Dornenhecken bepflanzt wurde und den Dornröschen-Mythos begründete. Zunächst sorgte sie aber dafür, dass sein wertvoller Tierbestand drinnen blieb und das heimische Wild draußen.
Von der Jagdanlage zum Tierpark
Seine Nachfolger hatten dann wieder für Adlige ihrer Zeit „normalere“ Interessen. Friedrich II. von Hessen-Kassel baute die zwischenzeitlich vernachlässigten Wildgatter 1770 für die Jagd aus. Die sternförmig symmetrischen Eichenalleen, die das Parkgelände durchziehen, zeugen von dieser Anlage für die barocke Treibjagd.
Ab 1790 interessierte sich kein Herrscher mehr für die Tiere im Park. Die Anlage ging im Gestüt der Sababurg auf. Erst 1970 begann im Landkreis Kassel die Idee Fahrt aufzunehmen, den uralten Tierpark wiederzubeleben. 1973 wurde die Neueröffnung als Wildpark gefeiert.
Besuch im modernen Tierpark Sababurg
130 Hektar Fläche misst der Tierpark Sababurg. Mir sagen solche Zahlen immer gar nichts. Übersetzt auf „Familie mit kleinen Kindern“ heißt das, dass es eng wird, alles an einem Tag sehen zu wollen. Wanderstiefel sind angebracht. Im historischen Teil zumindest hat der Rundgang eher den Charakter eines ausgedehnten Waldspaziergangs mit erfreulichen Sichtungen verschiedener Tiere. Der Tierpark Sababurg zählt zu den größten Wildparks in Deutschland und gar ganz Europa.
Urwildpark und „Arche Noah“
Der moderne Tierpark legt besonderen Wert auf drei Themenschwerpunkte. Zum einen versteht er sich als Urwildpark. Es finden also vor allem vom Aussterben bedrohe Wildarten Aufnahme, wie etwa der Westkaukasische Steinbock, Wisente und Przewalski-Pferde. Aber auch Rückzüchtungen wie das Heckrind, die ihrer jeweiligen ausgestorbenen Urform nahe kommen sollen, sind vertreten. Unter dem Stichwort „Archepark“ bietet der Zoo darüber hinaus alten Haus- und Nutztierrassen ein Zuhause. So kommen beispielsweise die Thüringer Waldziegen nach Sababurg, ebenso die Sattelschweine und die Ostpreußischen Skudden, eine uralte und vom Aussterben bedrohte Schafrasse. Ein Schulbauernhof ist in die Anlage integriert.
Spielplatz und Co
Es gibt Zoos und Tierparks, da sind die Spielplätze so toll, dass die Kinder gar keine Tier mehr anschauen möchten. Formulieren wir es positiv: Diese Gefahr besteht im Tierpark Sababurg eher nicht. Ein kleiner naturnaher Spielplatz im Kinderzoo-Bereich ist vorhanden. Er ist in optischer Anlehnung zum Affengehege gebaut, was ich eine witzige Idee finde. Allerdings richtet er sich eher an ältere Kinder. Die zweijährige Franka kann noch nichts damit anfangen. (Leider habe ich deshalb auch gar kein Foto.)
Laut Homepage gibt es auch noch einen Wasserspielplatz. Den haben wir offenbar komplett übersehen.
Dann ist da noch ein kleiner „Jahrmarkt“ mit Kindereisenbahn und Autoscooter. Beide Fahrgeschäfte kosten extra.
Saba-Burger und Co: Gastronomisches Angebot
Unser Zoobesuch hat sich zu einer veritablen Waldwanderung ausgedehnt. Jetzt brauchen wir erst einmal etwas zu essen! Zum Glück bietet der Tierpark Sababurg da etliche Möglichkeiten.
Gleich am Haupteingang befindet sich die Gaststätte „Zum Thierpark“. In der urgemütlichen Gaststube mit angeschlossenem Biergarten könnten wir uns am Tisch bedienen lassen und aus der Speisekarte wählen.
Unkomplizierter geht es an den drei Imbiss-Kiosken zu. Einer befindet sich im Kinderzoo, ein weiterer an der Elch-Lodge ganz am anderen Ende des Parks. Wir steuern Imbiss Nummer drei in der Nähe des Ausgangs an, denn (nur) dort gibt es eine ganz besondere Spezialität. Der Saba-Burger ist in dieser Saison neu im Angebot. Gefüllt ist er mit Wildschweinfleisch, das lokal und nachhaltig aus dem Reinhardswald stammt (nicht aus dem Tierpark). Außerdem befinden sich Camembert und ein köstliches Birnen-Chutney zwischen den Brötchenhälften. Himmlisch! Und eine absolute Empfehlung von uns.
Kinder und andere Leute, denen der Saba-Burger zu speziell ist oder die ganz auf Fleisch verzichten wollen, bekommen natürlich auch Pommes und andere übliche Imbiss-Kost an allen drei Kiosken.
Greifvogelstation
Die Greifvögel sehen wir leider nur noch auf dem Weg nach draußen. Zu spät ist es schon, zu lange haben uns all die anderen Tiere und die wunderbare Waldkulisse gefesselt. Dabei ist hier von Seeadler bis Schneeeule, von Uhu bis Wanderfalke alles vertreten, was unter Greifvögeln Rang und Namen hat. Wenn die Corona-Situation es erlaubt, finden im Sommerhalbjahr mehrmals täglich Flugschauen statt. Im Winterhalbjahr sind die Greifvögel nicht im Tierpark.
Rentierwald
Kurz erwähnen möchte ich noch die Angebote im Rentierwald. Die finde ich tichtig, richtig spannend. Dort gibt es ein authentisch nachgebautes Lager der Sámi, der nordischen Rentierleute. In deren Tradition finden verschiedene Veranstaltungen statt. Da die Gebühren zusätzlich zum Tierpark-Eintritt zu entrichten sind, ist der Spaß nicht ganz billig. Aber so ein Rentier-Nachmittag, eine Rentier-Tour oder eine Expedition auf den Spuren der ersten Sababurger Rentierherde und ihrer Hirtin im 16. Jahrhundert – da wäre ich sofort dabei! (Liest vielleicht irgendein naher Verwandter mit, der noch kein Weihnachtsgeschenk hat…?) Das Programm im Rentierwald läuft über den externen Anbieter Renrajd (Klick auf die Homepage).
Praktische Informationen zum Besuch im Tierpark Sababurg
Der Tierpark und die Sababurg liegen im nördlichsten Zipfel von Hessen im Landkreis Kassel. Der Ort Sababurg ist ein Ortsteil von Beberbeck, das wiederum als Stadtteil von Hofgeismar zählt. Hofgeismar ist selbst so klein, dass es gerade einmal 16.000 Einwohner zählt. Anders gesagt: Die Sababurg und der dazugehörige Tierpark liegen mitten im Nirgendwo.
Dieses Nirgendwo ist jedoch fantastisch grün und unbedingt sehenswert. Wir haben den Ausflug in den Tierpark Sababurg mit einem Städtetrip nach Hann. Münden verbunden. (Über den habe ich hier separat berichtet: Hann. Münden mit Kindern – Städtetrip ins Weserbergland.)
Öffnungszeiten: Der Tierpark Sababurg ist das ganze Jahr über geöffnet. Von Anfang November bis Ende Februar gelten die eingeschränkten Winteröffnungszeiten von 10 bis 16 Uhr. Von April bis September ist von 8 bis 19 Uhr geöffnet. (Die Übergangsmonate liegen so dazwischen, genauer und immer aktuell steht es auf der Homepage.)
Eintrittspreise: Eine Tageskarte für Erwachsene kostet 9 Euro. Kinder ab vier Jahren, Schüler (ab 16 nur mit Ausweis) und Studenten zahlen 5,50 Euro. Es gibt auch Familienkarten (2+x) für 24 Euro.
Ausflugsziel Sababurg
Die Sababurg selbst eignet sich momentan nicht unbedingt als Ausflugsziel. Hier finden schon seit 2018 umfangreiche Sanierungsmaßnahmen statt.
Ab 1957 wurde die Ruine nach und nach zu einem romantischen Hotel mit Restaurant und hauseigenem Theater umgebaut. Bekannt wurde die Location vor allem für Hochzeiten. Hier waren nämlich schon ab 1987 standesamtliche Trauungen möglich, als andernorts Ehen noch ausschließlich in nüchternen Amtsstuben besiegelt wurden.
Wir haben die Sababurg nur als stimmungsvolle Kulisse in der Ferne erlebt. Wenn die Bauarbeiten beendet sind, lohnt sich vielleicht auch für Familien wieder ein näherer Blick auf das „Dornröschenschloss“. Im Sommer gastierte ein Foodtruck am Wochenende und der Rosengarten konnte besichtigt werden.
Ausflugsziel Urwald Sababurg
Burg und Tierpark umgibt der Reinhardswald. Ein Stück davon ist als echter Urwald belassen. Der alte Hutewald ist schon seit 1907 als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Das Areal befindet sich direkt neben dem Tierpark. Da der so riesig ist, empfiehlt sich allerdings ein Umsetzen auf den Wanderparkplatz Urwald Sababurg.
Vor vielen Jahren schon haben wir hier einmal eine kurze Wanderung eingelegt. (Damals kamen wir auf dem Rückweg aus einem Urlaub hier vorbei und brauchten eine Pause. Für den Tierpark reichte die Zeit nicht.) Der Spaziergang vorbei an den mächtigen Baumriesen war eine tolle Alternative.
Die Sache mit dem ältesten Zoo der Welt
Ich fürchte, wir müssen noch einmal auf meine Clickbait-Behauptung in der Überschrift zurückkommen. „Ältester Zoo der Welt“ ist natürlich ein Titel, der ungemein schmückt. Wie immer in solchen Fällen, ist so eine Behauptung leichter aufgestellt als bewiesen. Je nachdem, wie der Begriff definiert wird, haben mehrere Institutionen etwas davon.
Fragt man das Internet nach dem ältesten Zoo der Welt, weisen die meisten Suchergebnisse zum Tiergarten Schönbrunn in Wien. Den richtete sich Herrscher Franz I. Stephan 1752 ein. Damit darf sich Schönbrunn nach amtlicher Feststellung „ältester noch bestehender Zoo der Welt“ nennen.
Der Tierpark Sababurg kann ein erheblich früheres Gründungsjahr vorweisen. Aber klar: Die lange Zoogeschichte war alles andere als durchgängig. Bestanden hat der ursprüngliche Tierpark von 1571 bis maximal 1791 (und war dann auch die längste Zeit eher ein Wildgatter mit einheimischen Arten). Die Pause bis zur Wiedereröffnung 1973 dauerte beinahe länger, als der Zoo in Schönbrunn existiert. Auch war der ursprüngliche Tiergarten an der Sababurg nie für die Öffentlichkeit zugänglich. (Auch der Wiener Zoo startete als höfische Menagerie, war aber ab 1778 für zahlende Besucher geöffnet.)
Der allererste Zoo überhaupt in der Geschichte der Menschheit war der Tierpark Sababurg auch nicht. Nicht einmal in Europa. Schon die alten Römer legten Menagerien an. (Diese dienten oft nur der zwischenzeitlichen Aufbewahrung bis zur publikumswirksamen Zerfleischung im Circus. Aber auch Tiergehege auf privaten Landgütern kamen vor, ganz ähnlich wie das an der Sababurg eines war. Hier steht mehr darüber.)
Der älteste Zoo, der sich auch wirklich Zoo nannte, war übrigens der in London, Gründungsjahr 1828. Und der älteste Zoo in Deutschland, der durchgängig bis heute existiert, ist der Zoologische Garten in Berlin. Der öffnete 1844 seine Pforten.
Halten wir fest: So ganz an den Haaren herbeigezogen ist die Behauptung nicht, dass der Tierpark Sababurg der älteste Zoo der Welt sei. Immerhin existiert die heutige Anlage an derselben Stelle wie der 1571 gegründete „Thiergarten“. In ihrem Erscheinungsbild knüpft sie deutlich an die historischen Ursprünge an. Näherer Untersuchung hält meine Titulierung nicht stand, das gebe ich zu. Und der Tierpark Sababurg selbst wirbt auch nicht mit dem Titel „ältester Zoo der Welt“. Gleichwohl finde ich, dass die spannende Geschichte des hochherrschaftlichen Wildgatters im Reinhardswald mehr Aufmerksamkeit verdient.
Transparenz-Hinweis: Wir haben den Tierpark Sababurg im Rahmen meiner #cities4family-Kooperation mit about cities besucht. Der Eintritt war deshalb für uns frei, und auch ein Saba-Burger pro Person ging aufs Haus (die waren so lecker, dass wir später noch einen zweiten verdrückt haben). Mit diesem ausufernden Bericht hier im Blog hat das aber gar nichts zu tun. Den schreibe ich aus eigenem Antrieb und natürlich auch auf Basis meiner eigenen Meinung.
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