Vergangenes Wochenende waren wir in Schottland. Wir haben die Fähre genommen und waren schon zum Frühstück in unserem Lieblings-Pub in Glasgow. Anschließend sind wir durch die Straßen geschlendert, haben ganz neue Streetart bewundert, bevor es quer durch Schottland weiterging, zum Wandern, Sightseeing und natürlich auch zum Afternoon Tea. Glaubt ihr nicht? Doch, das geht durchaus auch in Zeiten von Corona! Ich gebe euch hier eine minutiöse Anleitung zum Nachmachen!
Die Osterferien beginnen. Yay! Für viele Familien startet damit die Reise-Saison. Ja, schön wär’s gewesen. Wir wollten Verwandte besuchen in Thüringen, danach an die Mecklenburger Seenplatte. Wegen „is‘ nich‘“ haben wir spontan umgebucht und Kurs genommen auf unser Lieblingsreiseziel Schottland. Und es war auch noch preislich die günstigste Reise, die wir je unternommen haben!
Die Idee: virtuell verreisen
Gleich als erstes muss ich zugeben: Die Idee stammt nicht von mir. Ich habe sie mir auf Twitter abgeguckt, wo @Einhornglitze10 nach Tipps für ein spontanes London-Wochenende fragte, das sie mit ihren Kindern einlegen wolle, um dem Homeschooling-Stress zu entgehen.
Neben viel Kopfschütteln über „so viel Dummheit“, einigen Vorwürfen und etlichen handfesten Ratschlägen häuften sich natürlich ungläubige Nachfragen, wie man denn bitte schön in Zeiten von Corona, Ausgangsbeschränkungen und gestrichenen Flügen nach London kommen wolle. Die Antwort: auf hintereinander aufgereihten Küchenstühlen. Rein virtuell. Und trotzdem mit allen Sinnen.
Klar, dass mein kaserniertes Fernweh und ich diese Idee sofort aufgreifen mussten.
Virtuelle Reiseplanung: ganz schön aufwändig
Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber wir kriegen hier von der vielbeschworenen Corona-Langeweile wenig mit. Obwohl die Schulen zu und all meine Aufträge (wie auch die Leserzahlen dieses Blogs) komplett weggebrochen sind, habe ich mehr zu tun denn je. Das Homeschooling stresst uns mehr als es sollte. Oma und Opa haben wir die sonst regelmäßige Einreise verweigert, sodass wir den großen Garten alleine an der Backe haben. Baby Franka macht krabbelnd und kabelkauend alles unsicher. Alle sind zu Hause und essen irgendwie dreimal mehr als sonst, was auch die gesamte Hausarbeit gefühlt verdreifacht. Tausend kleine Dinge müssen unter erschwerten Bedingungen am Laufen gehalten werden.
Eine kleine Reise-Auszeit kommt uns da gerade recht. Aber: Auch die kostet Zeit. Wenn die virtuelle Reise möglichst authentisch werden soll, braucht man mehrere Stunden Vorbereitungszeit. Natürlich kann man die Sache auch quick and dirty in der Sparversion organisieren. Aber wenn’s richtig schön werden soll, ist etwas Hingabe angesagt.
Ich habe an der Planung unseres virtuellen Schottland-Trips ungefähr sechs Stunden gesessen. Dazu kommen freilich noch die kulinarischen Arbeiten (sprich: kochen und backen). Mit all diesen Tipps hier geht es natürlich etwas schneller. Trotzdem wäre es klug, den Abreisezeitpunkt von vornherein nicht auf morgen, sondern lieber nächste Woche zu legen. Außerdem: Vorfreude ist bekanntlich ja die schönste Freude.
Und, auch ganz wichtig: Seinen Mitreisenden sollte man schon Tage vorher sehr deutlich vermitteln, dass man aktive Teilnahme und größtmögliche Begeisterung von ihnen erwartet. Also klar, emotionale Erpressung ist mies. Aber ein deutliches Wort, dass einem die Angelegenheit wichtig ist, dass man viel Mühe investiert und sich entsprechend Aufmerksamkeit wünscht, ist angebracht. Meine Schottland-Crew hier war erst skeptisch und hat sich vermutlich nur mir zuliebe hingesetzt (und der Aussicht auf warmes Frühstück und nachmittägliche Scones halber), hat dann aber echt Spaß an der Sache entwickelt. Mein schlechtes Gewissen hält sich also in engen Grenzen.
Was man braucht fürs virtuelle Reisen
Folgende Utensilien sind nötig für eine virtuelle Reise:
- PC (am besten ein Laptop; Tablet oder Smartphone reichen zur Not auch)
- ein großer Bildschirm (am besten Leinwand und Beamer; ein Fernseher mit Bildschirmfunktion geht auch, zur Not muss eben der PC-Bildschirm oder gar das Smartphone-Display herhalten)
- Internetzugang (es wäre auch möglich, die Reise komplett so vorzubereiten, dass sie offline vollzogen werden kann, das wäre aber sehr aufwändig)
- Lautsprecher
- wenn vorhanden: eigene Schottland-Fotos
- Zutaten für schottische Verpflegung
- Sofa-Sitzplätze und Platz am Esstisch für alle Mitreisenden
- wer mag: typische Reise-Utensilien wie Regenjacke, Rucksack, Mückennetze etc.
Tagesausflug nach Schottland: unser Zeitplan
Als er schließlich steht, sieht unser Reiseplan folgendermaßen aus:
1. Fahrt nach IJmuiden, Niederlande.
2. Fährüberfahrt IJmuiden nach Newcastle.
3. Weiterfahrt von Newcastle nach Glasgow.
4. Frühstück im „The Butterfly and the Pig“.
5. Stadtrundgang durch Glasgow.
6. Besichtigung des Kelvingrove Museum and Art Gallery.
7. Über Helensburgh an den Loch Lomond.
8. Wanderung mit Besteigung des Cruagh Tairbeirt.
9. Weiterfahrt nach Inveraray.
10. Besichtigung von Inveraray Castle.
11. Weiterfahrt nach Kilmartin.
12. Einkehr im Kilmartin Museum Café.
13. Spaziergang durchs Kilmartin Glen mit Steinkreisen und Hügelgräbern.
14. Weiterfahrt nach Ardrishaig, Einchecken im Argyll Backpackers‘ Hostel.
Und so liefen unsere einzelnen Reiseetappen ab:
0. Spielvorbereitung
Damit alles reibungslos klappt (was es in der Realität dann natürlich doch nie tut), stehe ich früh auf und bereite vor der Abreise alles schon mal vor. Die Leinwand ist aufgebaut, der Beamer ausgerichtet.
Vor allem ist das full Scottish breakfast vorbereitet, beziehungsweise das, was in unserer Familie als solches durchgeht. Baked beans gibt es fertig in Dosen. Wir machen sie lieber selbst, und zwar nach dem vegetarischen (zweiten) Rezept auf dieser Seite (mit der Hälfte des dort angegebenen Rübensirups, aber sonst ist das top!). Außerdem bereitet Silas schon mal das Rührei vor, und wir putzen die kleinen Champignons.
Wäre ich richtig gut, hätte ich für den afternoon tea am Vortag einen carrot cake gebacken. Habe ich in diesem Fall leider nicht. Dafür stelle ich alle Zutaten für frische Scones fertig abgewogen bereit. Bestes Rezept dafür ist meiner Meinung nach hier im Blog A Decent Cup Of Tea zu finden (wobei ich immer die doppelte Menge Backpulver nehme, damit die typischen kleinen Gebäckstücke schön aufgehen).
Dann kann es losgehen. Ich schalte PC und Beamer ein und pfeife die (idealerweise entsprechend gekleidete und bepackte) Familie zusammen.
1. Fahrt nach IJmuiden, Niederlande
Wir alle steigen ins „Auto“, das uns heute irgendwie besonders gemütlich vorkommt. Das Baby darf ausnahmsweise auf dem Schoß sitzen. Die Jungs fläzen auf der Rückbank. Der Fahrer merkwürdigerweise auch.
Ich zeige auf GoogleMaps unsere Route. Es kommt zu ersten Erkenntnissen („Ach, durch die Niederlande? Ich dachte immer, man müsste durch Frankreich… – und da liegt Osnabrück?!“).
Die letzten Meter durch den kleinen Ort IJmuiden bei Amsterdam fahren wir per Google Streetview (das ist das kleine orange Männchen rechts unten, das man aktiviert, indem man es auf höchster Zoom-Stufe auf eine blau markierte Straße auf der Karte zieht). Auf diese Weise können wir uns direkt bis in die Einfädelungsschlange an der Fähre fortbewegen, wo wir die King Seaways schon im Hafen liegen sehen.
2. Fährüberfahrt von IJmuiden nach Newcastle
Für die Fährüberfahrt wechseln wir zu unseren privaten Fotos über. Da ich einen ausführlichen Blogbeitrag von unserer Testfahrt geschrieben habe, besitze ich jede Menge davon: hinein aufs Autodeck, hoch in den Passagierbereich, durch den langen Flur zu unserer Kabine, Dreier-Hochbett. Auslaufen an Deck, dann ab in die Koje, denn die Fähre fährt über Nacht (Licht aus!). Für das richtige Feeling des Schlafens auf der Fähre schalte ich kurz die Dunstabzugshaube ein.
Wer keine eigenen Fotos von der Fähre hat, darf sich (für den Offline-Privatgebrauch!) gerne die aus unserem Blogbeitrag borgen. Dort steht auch sehr detailliert, wie die Fährüberfahrt in Richtung Schottland abläuft:
Mit der Fähre nach Schottland: Erfahrungen mit DFDS Amsterdam-Newcastle.
3. Weiterfahrt von Newcastle nach Glasgow
Wieder zeige ich unsere Route vom nordenglischen Newcastle bis nach Glasgow auf GoogleMaps. Die Fahrzeit verfliegt diesmal im Nu, denn inzwischen haben alle kräftigen Frühstückshunger.
4. Frühstück im „The Butterfly and the Pig“
Wir landen deshalb direkt im „The Butterfly and the Pig“. Während ich mich in das Küchenpersonal verwandele und flugs Rührei und Pilze in die Pfanne schmeiße, Teewasser aufsetze, die Bohnen wieder erwärme und den Toaster bestücke, bauen die Jungs und Martin Beamer und Leinwand so um, dass wir das Bild auch vom Esstisch sehen können. Dafür ausgewählt habe ich ein User-generiertes Foto auf GoogleMaps, das quer über die Tischplatte aufgenommen ist (Pub-Namen bei GoogleMaps als Ziel eingeben, auf der Karte Namen anklicken, dann rechts oben auf das Foto klicken, um mehr Fotos zu sehen zu kriegen). Da auf jenem Foto im Pub dieselben IKEA-Gläser stehen, die auch wir verwenden, ist die Illusion noch ein Stückchen gelungener.
Noch authentischer wird die Erfahrung durch akustische Untermalung. Auf YouTube gibt es erstaunlich viel Material für Hintergrundgeräusche. Wir wählen ein Video mit dem Titel „Relaxation – at the Scottish pub“. Das Bild brauchen wir dafür nicht, nur die Akustik mit Stimmengewirr, Gläserklingen und das Pingeln der Glocke, das fertige Bestellungen aus der Küche signalisiert.
5. Stadtrundgang durch Glasgow
Bisher haben wir in Urlaubserinnerungen geschwelgt. Nun kommt etwas, das zumindest teilweise neu ist. Zwar sind wir schon mehrmals durch Glasgow gelaufen (und haben dort, by the way, einige Tipps für Familien parat). Aber es gibt auch noch viele Ecken in Schottlands größter Stadt, die wir noch nicht kennen. Ein paar davon schauen wir uns jetzt auf einem Stadtrundgang an.
Behilflich ist uns dabei wieder YouTube. Der Account „Living Walks“ sammelt weltweit Videos, in denen jemand Unsichtbares wortlos und teils stundenlang durch eine bestimmte Stadt marschiert. Der Rundgang durch Glasgow dauert 38 Minuten und führt vor allem an einigen der schönsten Streetart-Werken vorbei, die die Stadt zu bieten hat.
Erst dachte ich, so ein unkommentierter Stadtspaziergang sei zumindest für die Kinder bestimmt zu langweilig. Gerade durch die Mischung von Bekanntem und Unbekanntem bleiben wir dann aber alle vier gebannt die ganze Zeit am Ball (nur die Fünfte schläft zwischenzeitlich auf meinem Arm ein).
Uns allen tut es erstaunlich gut, zumindest virtuell mal wieder durch eine ganz normale Stadt zu laufen, in der ganz normale Menschen auf den Straßen sind, die keine erzwungenen zwei Meter Mindestabstand halten. Alles weit entfernt von Datenschutzkonformität, klar. Böse, böse. Aber in Zeiten wie diesen genießen wir das.
6. Besichtigung des Kelvingrove Museum and Art Gallery
Dann brauchen zumindest die Jungs doch eine Pause. Draußen schneit es, und sie müssen eine Runde durch den Garten toben. Gar nicht verkehrt. Martin und ich räumen währenddessen das Frühstücksgeschirr in die Spülmaschine und bereiten den afternoon tea vor.
Dann geht es weiter mit dem Armchairtravelling. Wir drehen eine kurze Runde durch das Kelvingrove Museum, das wir bei unseren realen Glasgow-Besuchen bisher nie unterbringen konnten. Bei der Vorbereitung schwankte ich zwischen dem 11-minütigen Rundgang eines schottischen Nutzers (dessen Profil mir aber nicht gefällt, weil er hauptsächlich Videos seiner „Schatzsuchen“ an archäologischen Stätten mit Metalldetektor hochlädt) und dem in grauenhaftem Englisch kommentierten Videos eines asiatischen Touristen, das etwas gründlicher ausfällt.
Die Quintessenz unserer virtuellen Museumsbesichtigung ist dann ohnehin: Gut, dass wir immer so geplant haben, wie wir geplant haben. Das Kelvingrove Museum ist garantiert ein tolles Haus mit einer grandiosen Sammlung – aber um antike Vasen, ausgestopfte Tiere und Ritterrüstungen anzuschauen, reicht für uns ein Trip nach Hannover, Hildesheim oder bestenfalls nach Berlin auf die Museumsinsel. Dafür brauchen wir nicht extra nach Schottland reisen. Gut also, dass wir das auf diese Weise herausgefunden haben.
Wer auch eine virtuelle Schottlandreise planen möchte, dem oder der empfehle ich eher die walking tour durch die Universität. Oder vielleicht hat YouTube auch einen Rundgang durch den Peoples‘ Palace zu bieten? Oder (das habe ich ausgelassen, weil wir da in echt unbedingt hin wollen) das Sharmanka Kinetic Theatre!
7. Über Helensburgh an den Loch Lomond
Von Glasgow aus ist es nicht weit bis in den Nationalpark Loch Lomond & the Trossachs. Ich gebe die kleine Ortschaft Tarbet in die Suchmaske bei GoogleMaps ein und lasse die Route ab Glasgow berechnen.
„Da ist Helensburgh!“ tönt es neben mir auf dem Rücksitz unseres virtuellen Reisegefährts. „Können wir da bitte kurz vorbeifahren?“
In echt wären das rund 15 Kilometer Umweg über kleine Straßen, also eine nennenswerte Zeitverzögerung. Aber heute müssen wir nicht lange darüber nachdenken. Also folgen wir dem Firth of Clyde bis nach Helensburgh.
Ab der Ortseinfahrt schalten wir auf Google Streetview. Die Jungs sind ganz aufgeregt. „Da sind wir langgelaufen! Noch ein Stück, gleich kommt dieser Turm und dann unsere Ferienwohnung!“
In Helensburgh waren wir zu dritt ohne Martin auf unserer ersten Schottland-Recherchereise 2017. Martin kennt die Fotos, aber nicht das Drumherum. Begeistert steuern die Jungs unsere Wohnungstür an und zeigen ihrem Vater, wo wir damals das Auto geparkt und wo wir einkaufen gegangen sind. Natürlich müssen wir auch noch mal am Hill House vorbeifahren, das wir damals zu dritt besichtigt haben.
Dafür nehmen wir für den Rest des Weges die schnelle Route über die Kartenansicht von GoogleMaps.
8. Wanderung mit Besteigung des Cruagh Tairbeirt
Tarbet liegt am Loch Lomond, Arrochar am Loch Long, der in Wirklichkeit ein Meeresarm ist. Beide Ortschaften sind nur zwei Kilometer voneinander entfernt. Diese Strecke haben die Wikinger auf ihren Beutezügen bisweilen zu Fuß zurückgelegt, ihre Boote im Schlepptau, um dann auf dem großen Binnensee weitere Ortschaften zum Ausplündern zu erreichen. Wer den 415 Meter hohen Cruagh Tairbeirt besteigt, kann von oben die Strecke sehen, die die Nordleute ihre Boote übers Land zogen. Die Tour ist eine der 66 Wander- und Entdeckertouren, die es in unseren Familienreiseführer „Schottland mit Kindern“* geschafft haben.
Wer unsere detaillierte Wegbeschreibung nicht vorliegen hat, verläuft sich hier leicht. Das ist uns selbst beim ersten Versuch passiert, weshalb wir diese Wanderung mehrmals absolvieren mussten und weshalb sie für uns einen besonderen Stellenwert besitzt. Entsprechend viele Fotos haben wir aber von der Besteigung gemacht, die wir auf unserer virtuellen Reise ausspielen können.
Wer keine eigenen Fotos hat, nimmt sich am besten ein beliebteres Wanderziel vor und klaubt sich (für den Offline-Privatgebrauch!) Fotos aus dem Internet zusammen (zum Beispiel den Conic Hill auf der gegenüberliegenden Seite des Loch Lomond).
Zur akustischen Untermalung der Bilderschau lasse ich bei YouTube „Relaxing Nature Sounds of Scotland“ laufen.
9. Weiterfahrt nach Inveraray
Inzwischen ist die Konzentrationsspanne bei allen Beteiligten ein bisschen durch. Franka ist aus ihrem Mittagsschlaf erwacht und will Action. Die Jungs können auch nicht mehr stillsitzen. Macht nichts: Ich brauche jetzt eh eine Pause, um die Scones zu backen. Also nehmen wir uns alle eine kurze Auszeit von der Auszeit.
Da ich die Zutaten fürs Backen vorher fertig abgewogen habe, sind die typisch britischen süßen Krümelbrötchen ruckzuck auf dem Blech (Achtung: im oben angegebenen Rezept kommen nur sieben Stück raus, was für eine vierköpfige Familie mit zwei Teenagern grenzwertig ist).
Noch bevor ich die Scones in den Ofen schiebe, sitzen erstaunlicherweise alle virtuellen Schottlandurlauber schon wieder auf dem Sofa und warten auf die Weiterfahrt. Um die Pause zu überbrücken, darf Silas die knapp 40 Kilometer bis nach Inveraray über Google Streetview steuern.
10. Besichtigung von Inveraray Castle
Das schmucke Herrenhaus von Inveraray ist eine Mischung aus Burg und Schloss. Seine perfekte Form scheint direkt dem Märchenbuch entsprungen. Drum herum gelaufen sind wir alle vier schon, besichtigt haben wir es nur zu dritt. Diesmal bekommt Martin also eine exklusive Kurzführung von den Jungs (die sich zu meiner Freude tatsächlich noch an etliche Details und historische Verknüpfungen erinnern können).
Wer unsere Reise nachmachen möchte, aber nicht auf eigene Erfahrungen zurückgreifen kann, erhält hier Hintergrundinformationen und Bilder:
Inveraray: Gruseln zwischen Gefängnis und Schloss.
11. Weiterfahrt nach Kilmartin
Die Scones brauchen nur eine Viertelstunde im Ofen. Ihr Duft verteilt sich schon im Raum, seit wir Inveraray Castle betreten haben. Kaum haben wir das Schloss wieder verlassen, piept der Timer. Also sehen wir zu, dass wir jetzt ganz, ganz schnell an die schottische Westküste kommen!
12. Einkehr im Kilmartin Museum Café
Das Kilmartin Glen ist ein Tal voller prähistorischer Sehenswürdigkeiten. Im Hauptort Kilmartin gibt es ein wunderbares kleines Museum, das die dazugehörigen Funde und die geschichtlichen Zusammenhänge zeigt.
Mehr oder weniger zufällig ist Kilmartin zu unserem meistbesuchten Ort in Schottland geworden. Inzwischen ist es Tradition, dass wir bei jedem Trip einmal hier im Museumscafé einkehren. Es ist mein absoluter Schottland-Wohlfühlort! Durch die großen Fenster im Wintergarten blicken wir auf einen der vielen Cairn-Grabhügel. Draußen wie drinnen grünt es wie verrückt. Spezialität des Hauses ist carrot cake, aber heute nehmen wir alle mit einem Scone Vorlieb.
Wir drehen die Leinwand wieder so, dass wir sie vom Esstisch aus im Blick haben. GoogleMaps steuert ein Foto unseres Lieblingstischs bei. Die noch warmen Scones werden aufgeschnitten, mit Butter und Marmelade bestrichen und mit etwas Schlagsahne garniert (das ist zwar eher die irische Servierweise, aber mangels clotted cream geht das in Ordnung, zumal wir ja auch bekennende Irland-Fans sind). YouTube ist uns mit dem Soundtrack „Tea Shop ASMR Ambience“ behilflich.
13. Steinkreise und Hügelgräber im Kilmartin Glen
Wo wir schon einmal hier sind, müssen wir natürlich auch eine kleine Runde durch das Tal drehen. Da die Wege rund um die Hügelgräber und Steinkreise (leider) geteert sind, ist das Google-Streetview-Auto hier langgefahren. Unseren Spaziergang können wir auf diese Weise also beinahe in Echtzeit absolvieren.
Weil die Jungs mosern, dass man so an die Monumente nicht nah genug herankommt, öffne ich noch mal spontan meinen Kilmartin-Fotoordner. Wer keinen hat, kann in der Kartenansicht die einzelnen Gräber und Steinkreise anklicken und die dort hochgeladenen Fotos ansehen.
Für die Akustik wählen wir diesmal bei YouTube auf die Schnelle einen Waldspaziergang. Der ist zwar in Amerika aufgenommen, aber das fällt uns nicht negativ auf.
14. Einchecken im Argyll Backpackers‘ Hostel
Obwohl wir nur virtuell gereist sind und die rund 400 Kilometer von Newcastle aus nicht wirklich zurückgelegt haben, sind wir so langsam platt. Gegen halb zehn haben wir unsere Reise begonnen, jetzt ist es halb vier.
Und so entscheiden wir uns, heute nicht den kompletten Weg wieder zurück nach Hause zu fahren, sondern ganz in der Nähe in einem Hostel einzuchecken, das wir schon von zwei Schottlandurlauben kennen. GoogleMaps bringt uns nach Ardrishaig am oberen Ende der Halbinsel Kintyre und hat sogar auch ein Foto von einem Vierbett-Familienzimmer.
Der Ausflug ist zu Ende und alle Familienmitglieder gehen ihrer Wege.
Zum Abendessen wollen die Jungs trotzdem wissen, in welchem Pub wir denn nun eingekehrt sind. Sie bestehen drauf, dass wir den Beamer noch einmal anschmeißen. Auch ganz spontan klappt das: Bei GoogleMaps wählen wir die Ortschaft Ardrishaig an, klicken auf „Erkunden“, dann auf „Abendessen“ und suchen so eine Örtlichkeit, die uns genehm ist und ein atmosphärisches Bild von einem Tisch hinterlegt hat. Dazu gibt es wieder das Restaurant-Stimmengewirr von YouTube. Und völlig unschottischen Kohlrabi-Eintopf, aber was soll’s.
Noch mehr Ideen für eine virtuelle Reise
Es gäbe noch so viel mehr Möglichkeiten für Reisen im Wohnzimmer. Ein paar Anregungen, die mir ad hoc einfallen:
Mit Bildungscharakter
Es muss natürlich nicht Schottland sein. Alle Reiseziele sind denkbar. Auch ganz neue, an denen noch kein Familienmitglied jemals war. Dann fällt nur die Materialbeschaffung etwas aufwändiger aus. Dafür kann man das dann gleich mit etwas Bildung kombinieren und zum Beispiel eine kurze Dokumentation einbauen. Auch in dieser Hinsicht ist auf YouTube viel zu finden. Qualitativ bessere Anlaufpunkte (mit allerdings geringerer Trefferwahrscheinlichkeit) wären hier die Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen, zum Beispiel der ARD oder im Audio-Archiv von Deuschlandradio.
Mit Action
Man könnte auch noch viel ausgeklügeltere virtuelle Ausflüge vorbereiten. Mit etwas Fantasie wären viele interaktive Einlagen denkbar.
Um den Tag noch mehr auszufüllen und Abwechslung zu schaffen, hätten wir zum Beispiel auf der Fähre eine Runde Wizzards (unser liebstes Reise-Kartenspiel) einlegen können.
Mit kleineren Kindern
Vor allem mit kleineren Kindern wäre sicherlich mehr Abwechslung gefragt. Da hätten wir bestimmt noch an einem Spielplatz Halt gemacht – draußen im Garten oder im Kinderzimmer. Die Hügelbesteigung hätte dann im Keller begonnen und auf dem Dachboden geendet.
Mit Kindern kann das Vergnügen auch leicht in Rollenspiel übergehen. Da kann man vor einem Hintergrundbild vom Strand im „Meer“ planschen und mir nichts, dir nichts in eine wilde Verfolgungsjagd verwickelt werden, wenn plötzlich ein Nökk aus den Wellen hervorbricht und einen kleinen Hund in sein Meeresreich entführt – könnte ich mir vorstellen. :) Ob man solche Ablenkungsmanöver dann zulassen möchte, sollte man sich vorher überlegen (und dann akut doch aus dem Bauch heraus entscheiden).
Geht das mit Baby?
Unser Baby war bei unserer virtuellen Reise einfach dabei. Eigentlich bin ich ganz dafür, dass man Unterdreijährige nicht auf Bildschirme gucken lässt. Und das haben wir auch diesmal nach Möglichkeit vermieden. Aber nicht dogmatisch. Franka hat sich eh nicht besonders für die Leinwand interessiert.
Lange Zeit war sie zufrieden, zwischen uns auf dem Sofa umherzuklettern. Wenn sie abgestiegen ist und – natürlich – zur Leinwand krabbelte, um sie hin und her zu schieben, haben wir sie einfach wieder eingesammelt und eine Runde Hoppe-hoppe-Reiter mit ihr gespielt. Da wir ja nun auch nicht alle hochkonzentriert und minutiös einen unabänderlichen Plan abgewickelt haben, hat sich das alles wunderbar gefunden.
Mehr Ideen für die Corona-Zeit
Geht immer, auch in Zeiten der de-facto-Ausgangssperre: lesen! Und wenn auch schon der Sommerurlaub kippelt und möglicherweise auf nächstes Jahr verschoben werden muss, ermöglicht das immerhin eine gründlichere Vorbereitung aufs Urlaubsland. Für unser zweites Lieblings-Reiseland Irland habe ich da schon mal was vorbereitet: ausführliche Vorschläge zur thematischen (Vor-)Reiselektüre einmal für Erwachsene und einmal für Kinder und Jugendliche. Und auch für Frankreich habe ich ausführliche Lesetipps.
- Empfehlungen: Irland-Reiseführer und Bücher über Irland
- (Hör-)Bücher über Irland: für Kinder und Jugendliche (und Eltern)
- Nach Frankreich in Büchern: Vorbereitende Reiseliteratur
Und dann für uns noch ein großer Familien-Favorit in dieser #stayathome-Zeit: Escape Games. Wir schwärmen schon eine ganze Weile für diese spannenden Rätselspiele für zu Hause und haben drei verschiedene Anbieter getestet.
Tolle Idee!
Danke schön!
Super genial, vielen Dank für diese Reise!
[…] (-> Eine DIY-Wohnzimmer-Reiseidee für Fortgeschrittene, die recht viel Vorbereitung erfordert, zeigt euch Lena von Family4travel am Beispiel von Schottland.) […]
Ich habe mir letzten Winter eine VR-Brille gekauft. Einsteigermodelle gibt es schon ab etwa 400 Franken, also rund 350 Euro. Das ist dann tatsächlich noch ein sehr viel stärkeres Gefühl, wenn man in alle Richtungen etwas sieht und sich durch die Landschaften bewegen kann. Leider sind die Angebote in VR noch etwas überschaubar, aber ich denke, dass da noch einiges auf uns zukommen wird.
Spannend. Ich hatte so ein Ding bisher nur auf Messen auf und werde nicht recht warm damit. Aber ich kann auch am Rechner keine First-Person-Spiele spielen und mag 3D im Kino nicht. Generell hat die Branche aber wohl in Sachen Augmented Reality viel vor, hab ich letztens im Radio gehört.
Bei 3D-Filmen und Spielen ticke ich ganz ähnlich. Aber die Möglichkeiten sind recht gross. Ich spiele zum Beispiel ganz gerne den Flugsimulator, mit dem ich über fotorealistische Städte kurven kann. Google Earth VR erlaubt ebenfalls Städte zu erkunden. Einige Museen haben ebenfalls VR-Apps, wo du dir die Sachen von zu Hause aus anschauen kannst. Ausserdem gibt es ein Programm, wo man eine Reihe von Sehenswürdigkeiten besuchen kann. Also im Prizip so ziemlich ähnlich wie das, was ihr in diesem Bericht gemacht habt, nur mit dem Unterschied, dass ihr das nicht 2D auf dem Bildschirm seht, sondern euch mit der VR-Brille eben mittendrin befindet.
Das klingt natürlich großartig! Google Streetview mit VR muss schon recht cool sein.