Ein antiker Tempel der Göttin Isis in… Mainz? Ja, den gibt es tatsächlich. Und man kann ihn besichtigen – gratis!
Janis und ich zelebrieren eine Mutter-Sohn-Exklusiv-Auszeit: Ein Wochenende lang besuchen wir Janis’ Patentante Anne in Frankfurt. Weil Tante Anne – die beste Freundin meiner Jugendzeit – als Journalistin auch am Freitag lange arbeiten muss, haben Janis und ich uns die ideale Zwischenstation zum Zeitvertreib ausgeguckt: Wir fahren nach Mainz und besichtigen den Isis-Tempel. Antike Mythologie steht derzeit bei den Jungs hoch im Kurs. Und ich wollte sowieso schon immer mal nach Mainz, um den dummen Ehrgeiz zu befriedigen, wieder eine Landeshauptstadt auf meiner Liste abhaken zu können (jetzt fehlen mir nur noch Saarbrücken und Düsseldorf).
Isis-Tempel Mainz: Wie kommt eine ägyptische Göttin nach Rheinland-Pfalz?
Der Isis-Tempel also steht in Mainz. Wobei „steht“ sehr relativ ist, denn stehen tut eigentlich nicht mehr viel. Außerdem ist die Chance, zufällig über ihn zu stolpern, sehr gering. Die Überreste der Anlage wurden beim Bau einer Einkaufspassage gefunden und befinden sich heute im Keller derselben.
Es handelt sich um einen spätantiken Bau aus dem ersten Jahrhundert nach Christus, aufgegeben offenbar im dritten. Als ich im Internet nach Sehenswürdigkeiten in der rheinland-pfälzischen Hauptstadt suchte, war ich erst ganz perplex, der altägyptischen Göttin hier in Deutschland zu begegnen. Als stolze (wenn auch nicht unbedingt verdiente) Besitzerin des Großen Latinums weiß ich, dass in der Spätphase des Römischen Reichs auch die Gottheiten anderer eroberter Landesteile Eingang ins römische Pantheon fanden. Ganz dunkel erinnere ich mich an einen charismatischen Tour-Guide in Pompeji (Oder war es Herculaneum? Oder Capri?), der uns auf unserer Studienfahrt in der zwölften Klasse erzählte, dass gerade Isis mit ihrem mystisch angehauchten Members-only-Weihekult gesteigerten Zulauf genoss. Aber dass die Römer die Dame so weit in den Norden exportiert haben?
Nun, sie haben, aber das hat im Jahr 2000 auch die Archäologen überrascht. Der Tempel, der nicht nur Isis, sondern auch der aus dem Orient stammenden Mater Magna geweiht war, ist eines von nur zwei belegten Exemplaren diesseits der Alpen.
Isis-Tempel Mainz: Wo ist der?
Ein Pfund, mit dem man wuchern kann, möchte man meinen. Stattdessen sind nur wenige Informationen im Internet zu finden, und auch „in echt“ suchen wir eine ganze Weile, bis wir endlich kapieren, dass wir auf dem Weg zum Heiligtum tatsächlich das Einkaufszentrum Römerpassage betreten müssen. Das unscheinbare Entree gleich rechts hinter der automatischen Schiebetür führt die Treppe hinunter.
Isis-Tempel Mainz: ein Erlebnis
Und dann stehen wir da, Janis und ich, und sind ganz baff. Was sich dem Besucher hier bietet, ist durchaus sehenswert und hervorragend in Szene gesetzt.
In mystischem Zwielicht liegt der Raum. Von der schwarzen Decke funkeln kleine Lichtlein wie Sterne. Die freigelegten Grundmauern sind illuminiert. Geistergleich erheben sich vergrößerte Abbildungen von Funden auf kleinen Leinwänden daraus empor. Von einem der längst erloschenen Opferfeuer steigt leise zischend Rauch auf. Eine Multimedia-Show beginnt.
Claudius Secundus meldet sich zu Wort. Er ist römischer Soldat und im ersten Jahrhundert nach Christus in Mogontiacum stationiert – in der Stadt, die später Mainz heißen wird. Mit eindringlicher Stimme berichtet er von den Feierlichkeiten im Tempel und von seinen Motiven, dem Geheimkult beizutreten. Wir sehen, hören, riechen das Alte Rom in Germanien.
Anschließend haben wir eine gute Vorstellung davon, was die zahlreichen geborgenen Opferfiguren in den Vitrinen hinter sich haben. Ich sehe mir die Funde ganz genau an und informiere mich ausführlich in den mitgelieferten Texten.
Der Isis-Tempel Mainz mit Kindern
Janis lässt mir dafür alle Zeit der Welt, denn er hat eine interaktive Computerstation entdeckt. Hier kann er Archäologe spielen und bei der Wahl der richtigen Werkzeuge mit vorsichtigen Klicks die Artefakte am Bildschirm selbst noch einmal ausgraben. Eigentlich könnte er anschließend auch noch eine Menge über ihre Bedeutung lernen, aber er will natürlich lieber klicken als lesen. Na, egal, Hauptsache er ist beschäftigt und lässt mich noch ein bisschen Kultur konsumieren.
„Hast du denn auch irgendwas gelernt?“ frage ich meinen Achtjährigen skeptisch, als wir nach einer guten Stunde die Treppe wieder hinaufsteigen.
„Klar“, sagt er. „Ich weiß jetzt, dass alte Vasen kaputt gehen, wenn man sie nur mit dem Spaten ausgraben will.“
Ich verdrehe die Augen. „Dazu hätten wir nicht nach Mainz fahren müssen“, lautet mein Kommentar. „Irgendwas über den Isis-Kult, meine ich.“
Doch, hat er, versichert mein Sohn. „Dass die Früchte geopfert haben, aber wahrscheinlich auch sogar einen Hund. Jedenfalls hat man Hundeknochen gefunden, oder, Mama?“
Ja, stimmt. Okay, Infotainment geglückt. Ich bin begeistert.
„Können wir da bald mal wieder hin?“ Janis auch.
Praktische Hinweise für den Isis-Tempel Mainz
Adresse: Der Zugang zum Isis- und Mater Magna-Heiligtum befindet sich in der Mainzer Innenstadt, Römerpassage 1 (gleichnamiges Einkaufszentrum).
Öffnungszeiten: montags bis samstags von 10 bis 18 Uhr.
Der Eintritt ist frei!
Klasse! Steht jetzt auf meinem Plan für den nächsten Ausflug nach Mainz! Danke!
Sehr schön, das freut mich. Spätestens wenn man sowieso schon da ist, sollte man sich diesen traurigerweise als Geheimtipp zu klassifizierenden Ort nicht entgehen lassen.